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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.05.2005
Aktenzeichen: 9 U 123/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 241
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 278
BGB § 286 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 311
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf de Berufung der Klägerin wird das am 11.3.2004 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 182/02 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Der Beklagte zu 2) wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin 1.186 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.9.2003 zu zahlen.

Die Gerichtskosten hat die Klägerin zu 94 % und der Beklagte zu 2) zu 6 % zu tragen.

Die Kosten der Streithilfe werden der Klägerin zu 88 % und der Beklagten zu 1) als Streithelferin zu 12 % auferlegt.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat der Beklagte zu 2) 6 % zu tragen, von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) hat die Klägerin 88 % zu tragen. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen falscher Beratung im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungen auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte zu 2) ist Handelsvertreter der Beklagten zu 1), die sich u.a. mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen beschäftigt.

Der Beklagte zu 2) vermittelte im Jahre 2000 der Klägerin eine fondsgebundene Lebensversicherung beim E. I.. Im Dezember 2002 trat er erneut an die Klägerin heran und vermittelte ihr zusätzlich eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der O. Versicherung. Wegen der Einzelheiten der Versicherungsverträge wird auf die Anlagen zur Klageschrift (Bl. 11 ff AH) verwiesen. Der Beklagte zu 2) ließ die Klägerin unter dem 1.12.2002 eine "Zusatzerklärung" unterschreiben, wonach sie informiert worden sei, dass bei einer Kündigung innerhalb der ersten zwei Jahre keine Beiträge zurückerstattet würden (Bl. 68 AH). Die Klägerin hatte die Absicht, nur eine der Versicherungen weiterzuführen. Mit Schreiben vom 17.4.2003 teilte die O. Versicherung der Klägerin auf Nachfrage mit, dass eine Kündigung nicht möglich sei. Der E. I. erklärte der Klägerin mit Schreiben vom 28.4.2003, dass eine Beitragfreistellung nicht möglich sei, weil die Mindestodesfallsumme noch nicht erreicht sei. Es sei möglich, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufwert von 399 € auszuzahlen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin einen Betrag von 1.585 € an den E. I. gezahlt.

In der Folgezeit wurde der Vertrag bei dem E. I. gekündigt.

Zwischen den Parteien ist es nunmehr unstreitig, dass von dem eingezahlten Betrag von 1.585 € ein Betrag von 399 € an die Klägerin zurückgeflossen ist.

Die Klägerin hat vorgetragen, eine falsche Beratung durch den Beklagten zu 2) liege bereits darin, dass er ihr eine fondsgebundene Lebensversicherung bei dem E. I. vermittelt habe und nicht bei einer günstigeren Versicherung wie der D.. Außerdem habe der Beklagte zu 2) sie insoweit falsch beraten, da er erklärt habe, die fondsgebundene Lebensversicherung beim E. I. sei für Singles ungeeignet, sie könne diese ohne deutliche Verluste zugunsten einer neuen bei der O. Versicherung beenden, sie könne eine Doppelbelastung vermeiden, indem sie vermögenswirksame Leistungen und Zinsen aus der fondsgebundenen Lebensversicherung zur Bedienung der beiden Lebensversicherungen einsetze und indem ihr überhaupt eine Versicherung der genannten Gesellschaften verkauft worden sei, wobei der Beklagte zu 2) nicht offengelegt habe, dass er nur Produkte bestimmter Finanzproduktpartner vermittle. Der Beklagten zu 1) sei diese Verhalten zuzurechnen. Bei einem Vergleich der richtigen mit der falschen Anlage würde sich folgendes ergeben: Wenn der Beklagte zu 2) ihr sogleich eine Versicherung bei der günstigen D. Versicherung angeraten hätte, würde bei einer Laufzeit von 31 Jahren und einem Monatsbeitrag von 51 € eine Ablaufleistung von 71.427 € bestehen. Bei einer Vertragsdauer von 28 Jahren würde sie 55.840 € erhalten. Abzüglich der vom E. I. zu erwartenden Ablaufleistung (11,664 Anteile je 51,13 € = 623 €) hochgerechnet mit 7,5 % auf 28 Jahre von 4.720 € verblieben 10.867 €, welche der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles entgingen.

Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, der Beklagte zu 2) habe die Klägerin zutreffend über die Unterschiede der einzelnen Versicherungen aufgeklärt. So sei sie auch darüber informiert worden, dass der Vertrag mit dem E. I. nach den Produktbedingungen nur mit Verlusten aufgelöst werden könnte.

Sie hätte Vergleichsberechnungen anderer Versicherungsunternehmen einholen können. Das verhalten des Beklagten zu 2) könne schließlich nicht der Beklagten zu 1) zugerechnet werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) ergebe sich weder aus Vertag noch aus unerlaubter Handlung. Eine Falschberatung sei nicht schlüssig vorgetragen. Auch fehle es an einem kausalen Schaden. Jedenfalls treffe die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden. Sie habe gekündigt, als sie sich falsch beraten geglaubt habe. Der Schaden beruhe allein auf ihrem Verhalten. Eine Zurechnung gegenüber der Beklagten scheide aus, weil der Beklagte zu 2) weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfe sei.

Auf das angefochtene Urteil, insbesondere seine tatsächlichen Feststellungen, wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend, sie habe nicht gewusst und hätte auch nicht wissen müssen, dass die Kündigung nachteilig sei. Der Beklagte zu 2) habe ihr den Vertrag mit der O. Versicherung aufgedrängt. Inhalt des Beratungsvertrages sei es gewesen, die beste Form der Altersvorsorge zu finden. Ein Mitverschulden bestehe nicht, weil sie ohne Kündigung noch einen viel höheren Schaden gehabt hätte.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.186 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.9.2003 zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr bei Eintritt des Versicherungsfalles in Höhe der Differenz der Ablaufleistung der Versicherung 1 FL-xxxxxxx des E. I. gegenüber derjenigen Versicherung L XXXXXXX XXXXXX der N O. Versicherung entstehen wird.

Die Beklagte zu 1) beantragt, zugleich als Streithelferin für den

Beklagten zu 2),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Beide Vertragsformen seien zur Altersvorsorge geeignet gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägerin ist teilweise begründet.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.186 € gemäß den §§ 280 Abs. 1, 241, 311 BGB gegen den Beklagten zu 2) zu.

a) Vorliegend handelt es sich um eine Vermittlung einer Versicherung und nicht um die Vermittlung einer Vermögensanlage. Die Klägerin tritt nicht als Anleger auf, sondern als Versicherungsnehmerin. Der Anlageberater soll anlegergerecht und anlagegerecht beraten (vgl. BGH, NJW-RR 1993,1114, 2000, 998; BGHZ 123, 126; Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 280, Rn 48 ff). Er muss das Anlageziel des Kunden abklären, insbesondere dessen Risikobereitschaft unter Berücksichtigung des Fachwissens des Anlegers. Bei der Versicherungsvermittlung hingegen muss über die Besonderheiten und den Umfang des Versicherungsschutzes beraten werden (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., Vorbem. II, Rn 11a; Kollhosser, § 43, Rn 33). Bei der Vermittlung einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung sind die Mischformen beratungsbedürftiger als die einfachen Grundformen (vgl. Kollhosser in Prölss/Martin, a.a.O., vor § 159, Rn 45 ff; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 159, Rn 2 ff, insbesondere 7, 8). So liegt es hier.

Der Senat konnte offen lassen, ob bei der Klägerin als alleinstehende Person eine besondere Beratung bezüglich des Todesfallschutzes, des Bezugsrechtes und der Fondsbindung erforderlich war (vgl. Schwintowski in BK, Vor § 159 - 178, Rn 12). Jedenfalls liegt durch den Beklagten zu 2) ein schuldhafter Beratungsfehler vor im Zusammenhang mit den Folgen des Wechsels zur O. Versicherung. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks (Bl. 26 AH) hat ihr der Beklagte zu 2) den Abschluss einer Versicherung bei der O. Versicherung als vorteilhafter gegenüber dem bereits bestehenden Vertrag mit dem E. I. dargestellt, sie aber nicht über die Folgen einer Kündigung beraten, obwohl nach den Umständen klar war, dass die Klägerin nur eine Versicherung aufrechterhalten wollte. Der handschriftliche Vermerk enthält dazu nichts. Die Zusatzerklärung vom 1.12.2002 (Bl. 68 AH) ist insoweit unzureichend, da sie nicht die hier zu befürchtenden konkreten Nachteile beschreibt. In einem solchen Fall kann die Klägerin auch nicht darauf verwiesen werden, sie hätte die Versicherungsbedingungen durchlesen müssen. Wenn der Vermittler die Vorteile des Abschlusses einer Versicherung bei einem anderen Unternehmen hervorhebt, muss er über1/4sämtliche Folgen des Wechsels aufklären.

Ein Mitverschulden der Klägerin ist nach Lage der Dinge weder bei ihrem Vorgehen noch 1/4m Hinblick auf eine Schadensminderung anzunehmen. Eine günstigere Alternative als die Kündigung ist - da die Klägerin nur eine Versicherung erstrebte - nicht erkennbar.

b) Nachdem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden ist, dass von dem eingezahlten Betrag an den E. I. von 1.585 € später 399 € an die Klägerin zurückgeflossen sind, ist der Schaden der Klägerin mit 1.186 € zu beziffern.

2. Der Feststellungsantrag ist nicht begründet.

Die Klägerin hat insoweit einen Schaden nicht dargetan. Ihr Vortrag zur Art des Schadens ist widersprüchlich.

Soweit die Klägerin in der Klageschrift auf die Differenz zu der Leistung der D. Versicherung abstellt, korrespondiert der Vortrag bereits nicht mit dem Feststellungsbegehren gemäß dem Inhalt des Antrages auf Feststellung. Hiernach soll der Schaden in der Differenz der Ablaufleistungen der Versicherung bei dem E. I. und bei der O. Versicherung bestehen.

Mit Schriftsatz vom 11.3.2005 hat die Klägerin - wiederum anders - vorgetragen, es solle der Schaden abgedeckt werden, den sie durch eine Altersvorsorge bei der O. habe, der infolge Falschberatung zwei Jahre Leistungszeit fehlen.

Jedenfalls steht zur Zeit nicht fest, ob die unterschiedliche Entwicklung der Versicherungen beim E. I. und bei der O. Versicherung überhaupt zu einem Schaden der Klägerin führt und ob eine Abweichung zu dem Produkt der D. Versicherung besteht. Die Klägerin selbst nimmt nur "voraussichtlich" einen Schaden an, ohne dies zu konkretisieren. Zu der Schadensberechnung fehlt ein substantiierter Vortrag der Klägerin, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung bereits hingewiesen hat. Der Einholung eines versicherungsmathematischen Gutachtens bedurfte es deshalb nicht.

3. Im Hinblick auf die Beklagte zu 1) ist ein Schadensersatzanspruch weder aus einer vertraglich Anspruchsgrundlage noch aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung begründet.

Der Beklagte zu 2) ist als Handelsvertreter tätig geworden ( vgl. dazu Kollhoser, a.a.O., § 43, Rn 5-6). Umstände, die ihn als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1) erscheinen lassen, sind nicht vorgetragen. Sein Verhalten ist der Beklagten zu 1) nicht nach § 278 BGB zuzurechnen.

4. Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 288 Abs.1 , 286 Abs. 2 BGB.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n. F. liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 9.879,60 €

Ende der Entscheidung

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