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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.03.2003
Aktenzeichen: 9 U 130/02
Rechtsgebiete: ARB 75, ZPO


Vorschriften:

ARB 75 § 15 Abs. 1 d)
ARB 75 § 15 Abs. 1 cc)
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1.F.
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 2 a.F.
ZPO § 540 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Juli 2002 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 5/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1.7.1991 bis zum 31.12.1995 rechtsschutzversichert. Er nimmt sie auf Erteilung von Deckungsschutz für ein im Jahr 2001 vor dem Saarländischen OLG geführtes Berufungsverfahren in Anspruch (1 U 511/01 - 117 -).

Im Jahr 1994/1995 führte der Kläger gegen seine Schwiegereltern einen Rechtsstreit, um Wertersatz für den Ausbau einer Wohnung in deren Haus zu erhalten. Die Klage wurde im Januar 1995 rechtskräftig abgewiesen. 1997 erfuhr der Kläger, daß die fragliche Wohnung inzwischen vermietet wurde. Er nahm dies zum Anlaß für eine neue Klage. Deckungsschutz hierfür erhielt er durch ein Urteil des Amtsgerichts Homburg. Das Landgericht Saarbrücken wies die neue Klage gegen die Schwiegereltern, nachdem der Schwiegervater verstorben war, als unzulässig ab (Urteil vom 8.6.2001). Hiergegen richtete sich die vom Kläger im Juli 2001 eingelegte Berufung. Das Verfahren endete mit einem Vergleich vor dem Saarländischen OLG, in dem die Schwiegermutter sich zur Zahlung von 25.000 DM verpflichtete.

Der Kläger benachrichtigte die Beklagte zeitgleich mit Einreichung der Berufungsbegründung über die Einlegung des Rechtsmittels und bat um Deckungsschutz. Dieser wurde mit Schreiben vom 21.8.2001 (GA 139) verweigert. Dagegen richtet sich der vorliegende Rechtsstreit.

Das Landgericht hat die auf Erteilung von Deckungsschutz gerichtete Klage abgewiesen, weil der Kläger gegen die Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 d) cc) ARB 75 verstoßen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das vom Kläger angefochtene Urteil Bezug genommen, gegen das dieser form- und fristgerecht Berufung eingelegt hat.

Der Kläger formuliert seinen Antrag auf Hinweis des Senats neu und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 4.7.2002 - 24 O 5/02 - festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm Deckungsschutz für das von ihm vor dem OLG Saarbrücken geführte Berufungsverfahren - 1 U 511/01 - 117 - zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Januar 2003 und die zur Information beigezogenen Akten des Landgerichts Saarbrücken 15 O 436/99 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Deckungsschutz für das vor dem Saarländischen Oberlandesgericht geführte Berufungsverfahren, weil die Beklagte sich mit Recht auf mangelnde Erfolgsaussicht der Berufung berufen hat.

Die Erfolgsaussicht der fraglichen Berufung hat der Senat selbst zu prüfen, er ist nicht an eine Beurteilung des Saarländischen Oberlandesgerichts gebunden, bei dem das fragliche Verfahren anhängig war.

Das damalige Rechtsmittel hatte im Ergebnis schon deswegen keine Aussicht auf Erfolg, weil es unzulässig war. Der Kläger hatte mit der Berufungsbegründung nämlich entgegen § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. keinen Sachantrag angekündigt, sondern nur einen Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und auf Zurückverweisung des Rechtsstreits. Zur Begründung führte er aus, die Klage sei entgegen der Ansicht des Landgerichts zulässig. Die Rechtskraft des in einem Vorprozeß ergangenen Urteils stehe der neuen Klage nicht entgegen.

Eine Berufung, die in dieser Weise auf die Rüge der Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage beschränkt wird, ist unzulässig. Der Kläger hätte seine Sachanträge erster Instanz wiederholen und ausführen müssen, daß seine Klage nicht nur zulässig, sondern darüber hinaus auch in der Sache begründet sei. Das Berufungsgericht durfte nicht in seinem Prüfungsumfang auf Zulässigkeitsfragen reduziert werden. Die damalige Berufung verkannte ersichtlich, daß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung zwingt, wenn die Klage in erster Instanz als unzulässig abgewiesen wurde. Gemäß § 540 ZPO a.F. darf das Berufungsgericht - anders als der Wortlaut des § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nahe legt - das erstinstanzliche Urteil nur nach einer Ermessensbetätigung aufheben und zurückverweisen (BGH MDR 1991, 801). Eine Zurückverweisung ist nur geboten, wenn der Rechtsstreit sich noch nicht als in der Sache entscheidungsreif darstellt.

Durch die gebotene umfassende Antragsstellung mußte das Berufungsgericht in die Lage versetzt werden, bei einer anderen Beurteilung der Frage, ob Rechtskrafterstreckung vorlag, auch in der Sache eine Entscheidung zu treffen. Bei einer Sachentscheidung hätte die Klage als unbegründet abgewiesen werden können (kein Verbot der reformatio in peius), oder ihr hätte (eventuell nur dem Grunde nach) stattgegeben werden können. Das, was der Kläger anstrebte, nämlich eine isolierte Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit der Klage, sieht das Gesetz nicht vor. Der Zulässigkeitsmangel der Berufung konnte nicht mehr behoben werden, nachdem die Berufungsbegründungsfrist abgelaufen war.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Berufung zulässig ist, darf selbstverständlich nicht nur auf den Antrag abgestellt werden (BGH NJW 1994, 2835). Wenn sich aus der Berufungsbegründung ergeben hätte, daß der Kläger auch sein Sachbegehren zur Entscheidung der zweiten Instanz stellte, so wäre die Berufung als zulässig anzusehen. Der Antrag hätte in diesem Fall nämlich dahin ausgelegt werden können, daß das erstinstanzlich verfolgte Ziel auch Gegenstand des Berufungsverfahrens sein sollte. Hier ergibt sich jedoch aus der Berufungsbegründung nichts, was eine derartige Auslegung rechtfertigen könnte. So heißt es im letzten Satz der Berufungsbegründung, das Landgericht müsse eine neue Entscheidung in der Sache selbst treffen (also gerade nicht das Oberlandesgericht). Auch die sonstigen Ausführungen in der Berufungsbegründung geben keine Möglichkeit, das Begehren des Klägers weiter auszulegen als im Antrag formuliert (s. zur gebotenen großzügigen Handhabung die Nachweise bei Zöller/Gummer ZPO 22. Aufl. § 519 Rn. 28). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall offenbar von einem anderen, in dem das Saarländische Oberlandesgericht die Zulässigkeit einer Berufung (wohl mit Recht) bejahte, obwohl der Antrag nur auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichtet war (Saarl. OLG Urt. v. 25.8.1999, OLGR 2000, 46). Eine entsprechende weite Auslegung des Antrags ist hier nicht möglich. Die Berufungsbegründung, über die hier zu befinden ist, enthält keine Formulierung, die dahin verstanden werden kann, daß der Kläger im Berufungsrechtszug (dies ist entscheidend: BGH a.a.O.) sein Begehren auch in der Sache selbst weiterverfolgte. Ob das Zulässigkeitsproblem, das - entgegen den Ausführungen des Klägers - in der Berufungserwiderung vom damaligen Prozeßgegner nicht angesprochen wurde, damals übersehen oder aber vom Saarländischen Oberlandesgericht anders als hier beurteilt wurde, ist unerheblich. Hierauf kommt es, wie schon erwähnt, nicht an.

Im Ergebnis hat die Beklagte sich nach alldem mit Recht auf eine fehlende Erfolgsaussicht des damaligen Rechtsmittels berufen. Es ist unerheblich, daß diese Prognose auf andere als die hier dargelegten Gründe gestützt wurde.

Darauf, ob Leistungsfreiheit auch wegen einer Obliegenheitsverletzung (vgl. hierzu z.B. Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., § 15 ARB 75 Rn. 30, 31) eingetreten wäre, die hier in einer verspäteten Information der Beklagten über die eingelegte Berufung und damit in einem Verstoß gegen § 15 Abs. 1 d) cc) ARB 75 gesehen werden kann, kommt es dementsprechend nicht an.

Ein Anlaß, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.500 - 5.000 EUR

Ende der Entscheidung

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