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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 9 U 157/07
Rechtsgebiete: VVG, AKB


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 6 Abs. 3 a. F.
VVG § 49 a. F.
AKB § 7 V Abs. 4
AKB § 12 Abs. 1 I b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Juni 2007 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 444/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines nach seiner Darstellung am 24. April 2006 (Montag) geschehenen Diebstahls seines Leasingfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen xx - xx xxxx in Anspruch. Der Kläger übernahm den Wagen als Neufahrzeug und versicherte ihn ab seiner Erstzulassung (am 1.10.2003) bei der Beklagten. In der Teilkaskoversicherung ist keine Selbstbeteiligung vereinbart. Der Kläger beziffert den Wiederbeschaffungswert des Wagens auf brutto 24.250 € (GA 9), die Beklagte auf nur 6.465,52 € netto (GA 25, 121 ff).

Der Wagen hatte insgesamt drei Unfälle, in deren Regulierung die Beklagte als Vollkaskoversicherer jeweils eingeschaltet war, sowie einen Glasschaden.

Die am 2. Mai 2006 bei der Beklagten eingegangene Schadensanzeige (Original GA 28) war nur lückenhaft ausgefüllt. Die Beklagte schickte sie mit der Bitte um Vervollständigung zurück. Nach Vornahme der Ergänzungen (s. GA 29), wurde die Deckung mit Schreiben vom 17. Juli 2006 abgelehnt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 24.250,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2006 sowie weitere 540,44 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die E Services Leasing GmbH, vertreten durch die Geschäftsführung P A, S M, H Q, T-Straße 7, ##### U zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Versicherungsfall sei vorgetäuscht, außerdem hat sie sich auf Leistungsfreiheit wegen Falschangaben in der Schadensanzeige berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen wegen falscher Angaben zu Vorschäden. Es seien nur zwei Schäden angegeben worden, obwohl es einen dritten (vergleichsweise geringen) Schaden gegeben habe. Im Übrigen sei auch die Gesamtlaufleistung des Wagens mit 87.000 viel zu niedrig angegeben worden. Wegen der weiteren Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen, gegen das der Kläger frist- und formgerecht Berufung eingelegt hat.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, das Formular der Beklagten habe nur Raum für die Angabe von zwei Schäden geboten. Die Angabe der Schadensbeträge sei in der Summe zutreffend gewesen. Der dritte Schaden sei im Übrigen für den Wert des Wagens nicht bedeutsam. Die Angabe zur Laufleistung habe er aufgrund der Angaben eines Mitarbeiters von N in B gemacht. Den von ihm hierzu benannten Zeugen habe das Landgericht fälschlich nicht vernommen. In Vorbereitung des Verhandlungstermins vom 9. Mai 2007 habe eine Nachfrage seiner Prozessbevollmächtigten im N-Autohaus in T ergeben, für das streitgegenständliche Fahrzeug sei eine Laufleistung von 95.896 km "Stand 17. Januar 2006" vorgemerkt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 21. Juni 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Geschäftsnummer: 24 O 444/06, die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, 24.250,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2006 sowie weitere 540,44 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die E Services Leasing GmbH, vertreten durch die Geschäftsführung P A, S M, H Q, T-Straße 7, ##### U zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 11. März 2008 verwiesen.

Der Senat hat zu der behaupteten Angabe einer Gesamtlaufleistung im N-Autohaus in B Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen U S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11. März 2008 Bezug genommen. Die Akten der Staatsanwaltschaft Aachen 603 UJs 423/06 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch aus den §§ 1, 49 VVG a. F. i. Verb. mit § 12 Abs. 1 I b AKB auf Ersatz des durch einen eventuellen Diebstahl des Leasingfahrzeugs entstandenen Schadens, denn die Beklagte ist nach § 7 V Abs. 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG a. F. wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung leistungsfrei.

Ausgehend von den eigenen Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 5. Oktober 2007 hatte das streitgegenständliche Fahrzeug zur Zeit des behaupteten Diebstahls am 24. April 2006 eine Laufleistung von jedenfalls mehr als 106.000 km, so dass seine Angabe in der Schadensanzeige, wonach die Laufleistung 87.000 betragen haben soll, deutlich zu niedrig und damit falsch war.

Es kann dahinstehen, ob die Laufleistung nicht noch höher war, wofür der Umstand spricht, dass schon im Juni des Vorjahres ausweislich der Kalkulation der Karosserie C & Co GmbH (GA 106) ein Tachostand von 114.660 km abgelesen wurde, der sich ohne weiteres mit Angaben zur Laufleistung vereinbaren lässt, die sich aus weiteren Unterlagen ergeben. So ist einem Gutachten vom 3. Mai 2004 (GA 32) eine abgelesene Laufleistung von 36.648 km zu entnehmen, die durch die geringfügig (um rund 300 km) abweichende Angabe im Untersuchungsbericht von demselben Tag (GA 41) letztlich bestätigt wird. Für Dezember 2004 ist in einem Gutachten vom 23. Dezember 2004 ein Kilometerstand von 83.350 dokumentiert (GA 87), für Februar 2005 in einem weiteren Gutachten ein solcher von 90.617 (GA 96).

Soweit der Kläger die Zuverlässigkeit der zu den Akten gelangten Unterlagen bezweifelt, ist dem entgegenzuhalten, dass sich aus den für die Zeit bis Juni 2005 dokumentierten Kilometerständen ein einheitliches Bild ergibt, das für eine jährliche Laufleistung des Fahrzeugs von rund 65.000 Km spricht. Der Kläger hatte im Übrigen hinreichend Gelegenheit, einen niedrigeren Kilometerstand zu belegen, wenn es einen solchen gegeben hätte. Er hat in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner Anhörung erklärt, er habe das Fahrzeug wegen diverser Probleme (die nichts mit dem Tachostand zu tun hatten) häufig im N-Autohaus in B vorgestellt. War dies so, so ist jeweils der Kilometerstand bei Entgegennahme des Auftrags notiert worden. Dass der Kläger dennoch keine Kopien solcher Aufträge o. ä. vorgelegt hat, spricht dafür, dass seine Darstellung zu den Besuchen in der Werkstatt als solche schon falsch war oder dafür, dass es jedenfalls keine Unterlagen gibt, die eine niedrigere Laufleistung belegen könnten als diejenige, die sich aus den diversen Gutachten und sonstigen Belegen ergibt, die aus unterschiedlichen Quellen stammen und oben erwähnt sind. Für einen Fehler in der Elektronik sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Wenn der Kilometerstand von 105.961 km von der Firma D am 17.03.2006 (271 GA) zutreffend abgelesen und notiert wurde (was hier zu Gunsten des Klägers unterstellt wird), so kann die Abweichung zu früher abgelesenen Kilometerständen auf einer - technisch nach den Kenntnissen des Senats ohne weiteres möglichen - Manipulation beruht haben.

Die Ausführungen des Klägers zu einer seinen Prozessbevollmächtigten erteilten telefonischen Auskunft eines N-Autohauses in T sind ohne Einfluss auf die hier zu treffende Entscheidung. Es konnte trotz entsprechender Nachfrage im Termin nicht geklärt werden, wonach bei dem Anruf überhaupt gefragt wurde und was die Auskunft, es sei für einen bestimmten Termin für das Fahrzeug des Klägers ein bestimmter Kilometerstand "vorgemerkt", nach dem Verständnis der Anfragenden besagte.

Ob vor dem dargelegten Hintergrund, der für eine zur Zeit des Diebstahls deutlich über 115.000 km liegende Laufleistung spricht, der von der Firma D in der vom Kläger vorgelegten Rechnung vom 17. März 2006 angegebene Kilometerstand von 105.961 km als zutreffende Angabe angesehen werden kann, bedarf aber keiner Klärung. Auch wenn man diese Laufleistung als zutreffend ansieht, hat der Kläger in Schadensanzeige eine falsche Angabe gemacht, die zur Leistungsfreiheit führt.

Entsprechend der gesetzlichen Vermutung in § 6 Abs. 3 VVG a. F. ist davon auszugehen, dass die Falschangabe vorsätzlich erfolgte. Der Kläger müsste die Vorsatzvermutung widerlegen (vgl. z.B. BGH - IV ZR 265/03 - VersR 2004, 1117 f. = RuS 2004, 368 f.). Dies ist nicht geschehen. Seine Behauptung, er habe darauf vertraut, die von ihm angegebene Laufleistung sei richtig, weil er in der N Niederlassung in B eine entsprechende Auskunft erhalten habe, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als zutreffend angesehen werden.

Unstreitig werden in den Autoschlüsseln der Firma N anders als bei anderen Herstellern keine Angaben zur Laufleistung des Fahrzeugs gespeichert. Dementsprechend war es auch für einen Mitarbeiter des B'er Autohauses nicht möglich, aufgrund des Schlüssels Feststellungen zur Laufleistung zu treffen. Von daher könnte die Darstellung des Klägers, wonach er aufgrund des abgegebenen Schlüssels die Auskunft erhielt, das entwendete Fahrzeug habe eine Laufleistung von cirka 87.000 km gehabt, nur dann zutreffend sein, wenn ein Mitarbeiter ihm wahrheitswidrig vorgespiegelt hätte, der Schlüssel enthalte entsprechende Daten. Für ein solches Geschehen lassen sich der Aussage des Zeugen U S jedoch keine Anhaltspunkte entnehmen. Im Übrigen steht die eigene Darstellung des Klägers zum Ablauf des angeblichen Besuchs in der Werkstatt in Widerspruch zu dem Zeitablauf, der sich aus den Akten ergibt. Der Kläger hat bei seiner Anhörung behauptet, er sei erst in der Werkstatt gewesen, nachdem die Versicherung ihm den unvollständig ausgefüllten Fragebogen zurückschickte. Tatsächlich hatte er die Angabe zur Laufleistung von 87.000 aber schon beim ersten Ausfüllen am 28. April 2006 eingetragen und kurz danach gegenüber der Polizei die Laufleistung mit 90.000 km angegeben. Die zeitlich falsche Einordnung des angeblichen Besuchs im N-Autohaus ist nachvollziehbar, denn erst die Nachfrage der Versicherung gab einen plausiblen Anlass zu den behaupteten Nachforschungen. Beim ersten (falschen) Ausfüllen zeigte der Kläger Mut zur Lücke, so dass schon wenig plausibel ist, dass er damals in Bezug auf den Kilometerstand bemüht gewesen sein will, sich Gewissheit zu verschaffen.

Die bei einer folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung nach der sogenannten Relevanzrechtsprechung erforderlichen weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Leistungsfreiheit (vgl. z. B. BGH - IV a ZR 231/81 - r+s 1984, 178 = VersR 1984, 228 und ständig) sind gegeben. Danach kann sich der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit dann nicht berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell ungeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, oder den Versicherungsnehmer subjektiv kein schweres Verschulden trifft (BGH - IV 33/92 - VersR 1993, 830 unter II 3), wobei diese Grundsätze auch auf die Fahrzeugversicherung Anwendung finden (BGH - IV ZR 57/71 - VersR 1973, 174 unter VI 1; - IV ZR 10/97 - VersR 1998, 447 unter 2 b). Eine Falschangabe zur Laufleistung betrifft die Frage der Bewertung des entwendeten Wagens; falsche Antworten hierzu sind generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Den Kläger trifft auch ein erhebliches Verschulden. Eine andere Wertung ist nur bei einem Fehlverhalten angezeigt, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (vgl. z. B. BGH - IVa ZR 243/87 - r+s 1989, 5 f). Für eine solche Situation ist hier nichts ersichtlich, nachdem die Darstellung des Klägers zu seinen Bemühungen um Aufklärung des Kilometerstandes nicht als bewiesen angesehen werden können.

Der Kläger wurde in der Schadensanzeige auch ausdrücklich und zutreffend über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch bewusst unwahre oder unvollständige Angaben belehrt. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Inhalt einer Belehrung, die "klar und unmissverständlich" (so schon BGH IV ZR 57/71 - VersR 1973, 174) und "inhaltlich zutreffend" (BGH - IV ZR10/97 - VersR 1998, 447 f; vgl. auch den Beschluss vom 28.2.2007 - IV ZR 152/05 - VersR 2007, 683) erfolgen muss, sind von der Beklagten beachtet worden.

Soweit das Landgericht die Abweisung der Klage auch mit unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben zu Vorschäden begründet hat, stehen die Ausführungen nicht mit einem nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung verkündeten Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11.07.2007, IV ZR 332/05, NJW 2007, 2700-2701 = Schaden-Praxis 2007, 330-331 = VersR 2007, 1267-1268) in Einklang, wonach schon ein Aufklärungsinteresse der Beklagten zu verneinen ist, soweit sie über Vorschäden aufgrund der bei ihr bestehenden Vollkaskoversicherung informiert war.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 24.250,00 €

Ende der Entscheidung

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