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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.04.2001
Aktenzeichen: 9 U 174/00
Rechtsgebiete: ZPO, ARB 75, VVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 696 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ARB 75 § 1
ARB 75 § 4 Abs. 1 k
ARB 75 § 15 Abs. 1 d cc
ARB 75 § 15 Abs. 2
ARB 75 § 15 Abs. 2 Satz 2
VVG § 6 Abs. 3 Satz 1
BGB § 166 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 174/00

Anlage zum Protokoll vom 24.04.2001

Verkündet am 24.4.2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.3.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach und die Richterin am Landgericht Mähr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28.9.2000 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 399/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

- Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung wegen sämtlicher in dem Verfahren 2 0 2140/98 LG Nürnberg-Fürth sowie in dem Berufungsverfahren 8 U 12/99 OLG Nürnberg entstandener Kosten verneint. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Versicherungsschutz nach § 1 ARB 75 aus der mit der Beklagten vereinbarten Rechtsschutzversicherung.

Entgegen der Meinung des Landgerichts steht dem zwar nicht der Risikoausschluss nach § 4 Abs. 1 k ARB 75 entgegen. Danach ist das sogenannte Baurisiko, das heißt die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bauvorhaben des Versicherungsnehmers stehenden Rechtsstreitigkeiten, vom Versicherungsschutz ausgenommen. Hierzu zählen jedoch nicht solche Streitigkeiten, in denen das ausgeschlossene Rechtsgebiet "Bauvorhaben" nur insofern eine Rolle spielt, als der Rechtsverstoß eines anderen auf diesem Gebiet dazu geführt hat, dass der Versicherungsnehmer letztlich einen Schaden erleidet. Dann handelt es sich in der Regel nicht oder nicht primär um eine Interessenwahrnehmung aus dem ausgeschlossenen Rechtsgebiet (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, ARB-Kommentar, 5.Auflage, § 4 Rn. 11).

So liegt der Fall hier. Der Kläger nimmt in dem Verfahren vor dem LG Nürnberg-Fürth, das in erster Instanz auf seine Berufung vor dem OLG Nürnberg zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung geführt hat, seine vormaligen Rechtsanwälte wegen angeblicher Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages in Zusammenhang mit der rechtlichen Beratung in Baustreitigkeiten in Anspruch. Ist aber sein behaupteter Schaden durch eine angeblich fehlerhafte Beratung auf einem in seinem Vertrag ausgeschlossenen Rechtsgebiet eingetreten, beeinflusst dies die vertraglich vorgesehene Versicherungsdeckung für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches nicht (Harbauer,a.a.O., § 14 Rn. 27).

Die Beklagte ist aber leistungsfrei nach § 15 Abs. 1 d cc., Abs. 2 ARB 75 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG.

Der Kläger hat mehrfach seine Obliegenheit zur Abstimmung kostenauslösender Maßnahmen verletzt. Der Versicherungsnehmer hat vor kostenauslösenden Maßnahmen, wenn sie mangels Zeitdrucks ohne weiteres mit dem Versicherer abgesprochen werden können, diesen von den geplanten Maßnahmen zu unterrichten.

Demgegenüber hat der Kläger ohne Unterrichtung der Beklagten am 9.3.1998 einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides gestellt und nach Abgabe des Verfahrens an das zuständige Gericht eine Anspruchsbegründung eingereicht. Damit hat er eine mit Kosten verbundene Maßnahme getroffen, wobei dies schon für den Antrag auf Erlass des Mahnbescheides gilt (Harbauer, a.a.O., § 15 Rn. 20 m.w.N.). Denn damit war die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu erwarten. Der Kläger musste mit dem Widerspruch des zunächst allein in Anspruch genommenen Rechtsanwalts N. rechnen, der immerhin auf Zahlung von 100.000 DM nebst 11 % Zinsen angegangen worden ist und der darauf folgenden Abgabe an das zuständige Gericht auf den Antrag einer Partei nach § 696 Abs. 1 ZPO auf Durchführung des streitigen Verfahrens. Der Fall liegt nicht anders als im Fall der sofortigen Klageerhebung, die als kostenauslösende Maßnahme anerkannt ist (Prölss/Martin, VVG Kommentar, 26.Auflage, § 15 ARB 75 Rn. 7). Angesichts eines Streitwerts von 100.000 DM für das Mahnverfahren und das folgende streitige Verfahren steht die Kostenträchtigkeit der Handlung außer Zweifel. Anhaltspunkte für eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit bestehen nicht.

Diese objektive Obliegenheitsverletzung hat sich später wiederholt. Der Kläger hat nämlich auch das nach Erlass der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung anhängig gemachte Berufungsverfahren nicht mit der Beklagten abgestimmt. Da die Deckungszusage des Versicherers jeweils nur für eine Instanz gilt, ist die Abstimmung wegen eines Rechtsmittels erforderlich (Harbauer, a.a.O., § 15 Rn. 20). Eine derartige Bitte um Deckungsschutz ist nie erfolgt. Gegenteiliges hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 20.3.2001 nicht darlegen können.

Soweit eine derartige Bitte um Deckungsschutz erstmals mit der Klageschrift erfolgt ist, hat dies keine Bedeutung für die bereits begangene Obliegenheitsverletzung. Die Abstimmung soll dem Versicherer eine Einflussmöglichkeit auf kostenintensive Maßnahmen erhalten, die nach Einleitung dieser Maßnahmen gerade nicht mehr möglich ist.

Diese zweifach begangene objektive Obliegenheitsverletzung erfolgte mindestens grob fahrlässig, soweit es die mangelnde Abstimmung des Klägers vor Einleitung des Mahnverfahrens betrifft - und vorsätzlich, soweit es die fehlende Abstimmung der Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen der Klage und des Berufungsverfahrens betrifft, wie sich aus der Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG ergibt. Einen geringeren Schuldgrad hat der hierfür beweisbelastete Kläger weder dargelegt noch bewiesen. Wie sich aus der Bitte um Deckungsschutz vom 3.7.1997 für ein früheres Verfahren ergibt, war dem Kläger und auch seinen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte G., L. & W. aus N. bekannt, dass der Kläger eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hatte. Auch der Kläger wusste deshalb, dass Deckungsschutz begehrt werden muss, wenn die Versicherung später die Kosten des Rechtsstreites zahlen soll. Dass diese Abstimmung im Vorfeld erfolgen muss und nicht in einem Zeitpunkt, in dem die Versicherung keinerlei Einfluss mehr nehmen kann, muss unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten. Der Versicherungsnehmer, der eine solche naheliegende Obliegenheit verletzt, handelt danach grob fahrlässig (Harbauer, a.a.O., § 15 Rn. 28).

Diese unterlassene Abstimmung hat auch die Feststellung und den Umfang der Versichererleistung beeinflusst. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ARB 75 ist zu prüfen, inwieweit aufgrund des jeweiligen Sachverhaltes bei rechtzeitiger Abstimmung Erfolgsaussichten hätten bejaht werden müssen. Die Beklagte hat hierzu, ohne dass der Kläger dem in ausreichend substantiierter Weise entgegengetreten ist, bereits in erster Instanz dargelegt, sie habe mangels Schlüssigkeit für den Zahlungsantrag über 100.000 DM keinen Kostenschutz gewährt. Gleiches gilt für das sich anschließende Klageverfahren. Den Klagevortrag hat die Beklagte für nicht ausreichend substantiiert erachtet. Soweit der Kläger die gegenteilige Auffassung vertritt, kann dem nicht gefolgt werden. In der Tat war die Klagebegründung zur jeweiligen Mandatierung der Anwälte N. und B. völlig unsubstantiiert, Angaben zu Zeit und Ort der angeblichen Empfehlungen des Anwaltes N. fehlen, hinsichtlich der Komplexe d., e. und f. der Klagebegründung war völlig unklar, inwieweit ein Schaden des Klägers überhaupt schon eingetreten war. Gleiches gilt für den Vortrag zum Komplex f. Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus den Ausführungen des OLG Nürnberg im Berufungsverfahren auf Seite 13 des Urteils. Wenn es dort heißt "Eine eigene Sachentscheidung des Senates wäre nur dann sachdienlich, falls nur noch eine wenig umfangreiche Sachaufklärung ausstünde. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Da das Vorbringen des Klägers nebst umfangreichen Beweisangeboten bereits von Anfang an ohne weitere Prüfung zurückgewiesen wurde, bedarf der Rechtsstreit noch einer umfangreichen Sachaufklärung.", so bedeutet dies nicht, dass das klägerische Vorbringen ausreichend substantiiert war. Vielmehr bedeutet dies, dass das Landgericht - was zuvor noch nicht geschehen war - zunächst zu prüfen hatte, ob der Vortrag ausreichend substantiiert war, gegebenenfalls im Rahmen der Sachaufklärung Hinweise zu erteilen hatte und dann eventuell Beweis zu erheben hatte. Weiteres ist dieser Passage nicht zu entnehmen.

Mangels ausreichenden Vortrages des Klägers dazu, aus welchem Grund dennoch Deckung zu bestätigen gewesen wäre, liegt eine Beeinflussung der Feststellung und des Umfanges der Versichererleistung infolge fehlender Abstimmung vor.

Die Obliegenheitsverletzung betreffend die mangelnde Abstimmung für das Berufungsverfahren erfolgte demgegenüber vorsätzlich. Einen geringeren Verschuldensgrad hat der hierfür nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG darlegungspflichtige Kläger nicht vorgetragen. Wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers in erster Instanz in der Replik vom 30.3.2000 behauptet hat, das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung sei ihm erst "im Zuge des Verfahrens" bekannt geworden (Bl. 118), ergibt sich aus dem an die nämliche Kanzlei gerichteten Schreiben der Beklagten vom 22.7.1997 (Bl. 282) das genaue Gegenteil. Obwohl also das Bestehen der Rechtsschutzversicherung auch den Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt war, haben diese aus unerfindlichen Gründen die elementare Bestimmung des § 15 Abs. 1 d cc. ARB 75 verletzt.

Soweit die Abstimmung hinsichtlich des Berufungsverfahrens nicht erfolgt ist, drängt sich ein vorsätzliches Handeln förmlich auf. Obwohl die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 3.12.1998 offensichtlich erkannten, dass bislang kein Deckungsschutz eingeholt worden war und sie deshalb am gleichen Tag ein entsprechendes Schreiben an die Beklagte verfassten (Bl. 95), wurde für die Berufung kein Deckungsschutz begehrt. Vielmehr wurde die Beklagte mit dem genannten Schreiben erstmals über das laufende Verfahren unterrichtet. Obwohl den Prozessbevollmächtigten des Klägers das in jenem Verfahren am 26.11.1998 verkündete Urteil am 3.12.1998, also am Tag ihres Schreibens an die Beklagte, ausweislich des Eingangsstempels dieser Kanzlei auf der im hiesigen Verfahren eingereichten Urteilsausfertigung (Bl. 33) zugestellt worden ist, erfolgte eine diesbezügliche naheliegende und erforderliche Information der Beklagten nicht. Vielmehr wurde aufgrund der Bezugnahme auf in Kopie anliegende diverse Schriftsätze mit Ausnahme des Urteils, denen die Beklagte "den detaillierten Sachverhalt entnehmen" sollte, ganz bewusst der Eindruck erweckt, es handele sich um ein noch offenes Verfahren. Gerade um der Beklagten das bereits verkündete Urteil nicht offen legen zu müssen, ist offensichtlich nicht bereits zu diesem Zeitpunkt, was nahegelegen hätte, Deckungsschutz für das Berufungsverfahren begehrt worden. Dieses Verhalten ist nicht mehr nur grob fahrlässig, sondern vorsätzlich.

Dieses Verhalten des Anwaltes ist dem Versicherungsnehmer zuzurechnen, weil der Anwalt entweder als sein Repräsentant gehandelt hat oder jedenfalls als sein Wissensvertreter entsprechend § 166 Abs. 1 BGB anzusehen ist (vgl. hierzu Harbauer, a.a.O. § 15 Rn 31 / 30 m.w.N.).

Einer Belehrung des Klägers über die Folgen eines Verstoßes gegen § 15 Abs. 1 d cc. ARB 75 bedurfte es nicht (Harbauer, a.a.O., § 15 Rn. 32), weil es sich bei der Abstimmungsobliegenheit um eine spontan zu erfüllende Obliegenheit handelt.

Nach allem ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Beschwer des Klägers: bis 35.000 DM

Ende der Entscheidung

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