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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.09.2003
Aktenzeichen: 9 U 174/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ARB 94, VVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 113
ARB 94 § 17 Abs. 5 Buchstabe c)
ARB 94 § 17 Abs. 5 Buchstabe cc)
ARB 94 § 17 Abs. 6
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 6 Abs. 3 S. 1
BGB § 166 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 174/02

Anlage zum Protokoll vom 23.9.2003

Verkündet am 23.9.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 5.8.2003 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach und den Richter am Landgericht Dr. Kunkel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5.9.2002 - 24 O 395/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 5.9.2002 (Bl. 224 ff. d.A.) Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Der Kläger verfolgt auch in der Berufung weiterhin sein erstinstanzliches Begehren.

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der durch die Stellung des Hilfsantrags auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG verursachten Kosten in Höhe von 5.306,17 € besteht nicht. Die Beklagte beruft sich wegen dieser Kosten zu Recht auf Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers nach § 17 Abs. 5 Buchstabe c) cc) ARB 94 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG.

Gemäß § 17 Abs. 5 Buchstabe c) cc) ARB 94 obliegt es dem Versicherungsnehmer alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten verursachen kann. Die Entscheidung, ob die Einbeziehung des Anspruchs auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG im Wege der Stellung eines entsprechenden Hilfsantrags in einer Kündigungsschutzklage generell eine unnötige Erhöhung der Kosten verursacht oder nicht, ist bislang - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschieden. Einer solchen grundsätzlichen Entscheidung bedarf es vorliegend indes nicht, da jedenfalls im konkreten Einzelfall eine solche unnötige Erhöhung der Kosten anzunehmen und die Obliegenheit dementsprechend verletzt worden ist.

Für die Annahme einer Obliegenheitsverletzung spricht, dass dieser Hilfsantrag den Streitwert beträchtlich, nämlich von 47.358,52 DM auf 121.777,74 DM gesteigert hat. Dabei stand dieser Antrag nicht im Zentrum des Begehrens des Klägers. Der Hilfsantrag wurde vielmehr nur gestellt, um die Verhandlungsposition für den Abschluss eines Abfindungsvergleichs zu stärken. Eine Position also, die erst dann benötigt wird, wenn die Erreichung des Hauptzieles, Feststellung der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht mehr erreichbar ist. In dieser Situation ist es zumutbar, dass ein solch kostenträchtiger Hilfsantrag nicht gestellt wird. Gerade im vorliegenden Fall bedurfte es nach den Gesamtumständen auch nicht der Stellung dieses Hilfsantrages, um dem Arbeitgeber klar zu machen, dass bei Verlust der Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Nachteilsausgleich im Raum stand. Der Betriebsrat, vertreten durch den gleichen Prozessbevollmächtigten, versuchte diese Position nämlich in einem Parallelverfahren durchzusetzen. Dem Arbeitgeber war dementsprechend sowieso klar, dass ein solcher Nachteilsausgleich aus Sicht des Klägers bei Verhandlungen über eine Abfindung "im Topf" war. Der Stellung eines Hilfsantrags im Kündigungsschutzverfahren bedurfte es zur Verdeutlichung dieser Position jedenfalls im vorliegenden Fall nicht mehr.

In Anbetracht der guten Aussichten, den Rechtsstreit durch Abschluss eines Abfindungsvergleichs zu einem für den Kläger akzeptablen Ergebnis zu führen, ist von einem vernünftig und kostenbewusst handelnden Kläger auch zu erwarten, dass die Kosten eines Verfahrens nicht nur Einfluss darauf haben, welche rechtlichen Schritte er ergreift, sondern auch, wann er sie ergreift. Wenn die vorzunehmende Abwägung ergibt, dass gute Aussichten bestehen, eine für ihn akzeptable Lösung unter Verursachung (erheblich) geringerer Kosten zu erreichen, dann ist ihm auch zuzumuten, dass er einen Teil seiner Ansprüche noch nicht im Wege der Antragstellung in den Rechtsstreit einbezieht, sondern mit der Geltendmachung dieser Ansprüche abwartet. Die durch Stellung des Hilfsantrags zu 6.) verursachten Kosten sind dementsprechend zunächst (vgl. AG Bielefeld JurBüro 1988, 651) unnötig im Sinne von § 17 Abs. 5 Buchstabe c) cc) ARB 94. Durch den Abschluss des Abfindungsvergleichs hat sich die große Chance auch verwirklicht, dass die Erhöhung der Kosten durch Stellung eines solchen Antrags unnötig blieb.

Liegt objektiv eine Obliegenheitsverletzung vor, wird nach § 17 Abs. 6 ARB 94 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 S. 1 VVG vermutet, dass diese vorsätzlich geschehen ist. Dabei muss sich der Versicherungsnehmer das Verhalten und Verschulden seines Rechtsanwalts in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Der Rechtsanwalt ist im Hinblick auf die Erfüllung der Obliegenheit zur Vermeidung unnötiger Kosten im Verhältnis zur Rechtsschutzversicherung als Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers zu qualifizieren. Wissenserklärungsvertreter für den Versicherungsnehmer ist derjenige, den dieser mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer betraut hat und der die erforderlichen Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers abgibt. Dabei handelt es sich um einen eigenen Zurechnungsgrund, nicht einen Unterfall der Repräsentantenhaftung (vgl. BGH VersR 1993, 960). Es ist typischerweise Teil der Mandatierung des Rechtsanwalts, dass dieser sich bei Bestehen einer Rechtsschutzversicherung an den Versicherer wendet, um Deckungsschutz für einen geplanten Rechtsstreit zu erlangen. Dabei ist er damit betraut, gegenüber dem Versicherer der Obliegenheit nachzukommen, Kosten auslösende Maßnahmen mit ihm abzustimmen und unnötige Kosten zu vermeiden. So hat auch hier der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich an die Beklagte gewandt und um Deckungszusage gebeten. Er war also im Rahmen seines Mandats damit betraut, im Verhältnis zur Beklagten die Interessen des Klägers wahrzunehmen.

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die Vorsatzvermutung zu widerlegen. Im Gegenteil: Die Beklagte hatte mitgeteilt, sie werde die Kosten, die durch die Stellung des Hilfsantrags verursacht werden, nicht tragen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Antrag gleichwohl gestellt und damit zumindest billigend in Kauf genommen, gegen die Obliegenheit zu verstoßen.

Der Käger hat nicht nachgewiesen, dass die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung keinen Feststellungsnachteil verursacht hat (siehe § 17 Abs. 6 S. 2 ARB 94). Den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten trifft zudem ein erhebliches Verschulden. Sein Verhalten ist als grob vertragswidrig anzusehen. Er hat an der Stellung des Hilfsantrages festgehalten, obwohl er definitiv wusste, dass die Beklagte die Deckung verweigert hatte und dies auch dann noch, nachdem der Hilfsantrag zunächst abschlägig beschieden worden war und in einem weiteren Verfahren die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Nachteilsausgleichung verneint worden waren.

Einer gesonderten Belehrung durch die Beklagte bedurfte es nicht. Bei der Obliegenheit, alles zu vermeiden, was eine Erhöhung der Kosten verursachen kann, handelt es sich um eine spontan zu erfüllende Obliegenheit (vgl. zur Abstimmungsobliegenheit OLG Köln VersR 2002, 704).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt.

Streitwert: 5.306,17 €

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