Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.10.2006
Aktenzeichen: 9 U 209/05
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 117 Abs. 2
BGB § 158 Abs. 2
BGB § 162
BGB § 162 Abs. 2
BGB § 164 Abs. 1
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 652 Abs. 1
VVG § 24
VVG § 27
VVG § 27 Abs. 1
VVG § 27 Abs. 1 Satz 1
VVG § 29
VVG § 29 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.10.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 711/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.644.137,80 CHF (Schweizer Franken) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Versicherungsmaklerin mit dem Spezialgebiet Sportversicherung, sie nimmt die Beklagte auf Zahlung von Maklercourtage in Anspruch.

Die Klägerin vermittelte für den Weltfußballverband G (im Folgenden: G) seit Jahrzehnten die Deckung der Risiken für Fußballweltmeisterschaften, u. a. auch gegen das Risiko des ganzen oder teilweisen Ausfalls. Die B-Versicherung und die Klägerin waren durch eine Maklervereinbarung von 1986 miteinander verbunden, auf deren Grundlage die Klägerin auch eine Ausfallversicherung für die Fußballweltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea durch die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der B-Versicherung und einen Teil der Mitversicherer vermittelte. Im Protokoll zu dieser Maklervereinbarung ist unter Ziff. 3.1. bestimmt, dass der Schicksalsteilungsgrundsatz zwischen Prämie und Provision gilt.

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 kündigte die Beklagte - auch namens und in Vollmacht aller Mitversicherer - die der Ausfallversicherung zugrunde liegenden Versicherungsverträge wegen der "weltpolitischen Situation" mit Schreiben vom 10.10.2001 zum 11.11.2001. Die G wies die Kündigung als unwirksam zurück, zahlte die letzte der fünf Raten im Januar 2002 und erhob vor dem Landgericht Köln - 24 O 497/01 - Feststellungsklage gegen die Beklagte, dass die Ausfallversicherung nicht durch die Kündigung aufgelöst worden sei, hilfsweise - u.a. -, dass die Beklagte aufgrund dessen schadensersatzpflichtig sei. Mit Urteil vom 22.12.2003 gab das Landgericht der Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (im Umfang der auf die Beklagte entfallenden Mithaftungsquote von 21,73 %) teilweise statt, ließ dabei aber offen, ob der Beklagten ein Kündigungsrecht zustand, weil die Beklagte aufgrund des die Vertragsbedingungen bestätigenden Schreibens vom 02.10.2001 ein etwaiges Kündigungsrecht jedenfalls verwirkt habe. Im Berufungsverfahren schlossen die Beklagte und die G dann am 22.06.2004 vor dem Oberlandesgericht Köln - 9 U 14/04 - einen Vergleich u.a. folgenden Inhalts:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der streitgegenständliche Versicherungsvertrag einer Ausfallversicherung für die Fußballweltmeisterschaft 2002 am 11.11.2001 beendet wurde und die Klägerin für den am 01.10.1998 begonnenen und am 11.11.2001 endenden Versicherungsschutz Prämie i. H. v. 16.225.624,74 CHF schuldet.

2. Die Parteien sind sich einig, dass die Klägerin an die Beklagte insgesamt einen Betrag von 27.406.896,55 CHF als Prämien gezahlt hat. Die Beklagte verpflichtet sich, den die geschuldete Prämie gemäß Ziff. 1. übersteigenden Betrag i.H.v. 11.151.271,81 CHF ... an die Klägerin auf deren Konto ... zu zahlen.

Die Beklagte verpflichtet sich, über den in Ziff. 2 genannten Betrag hinaus weitere 9.846.728,19 CHF an die Klägerin ... auf das in Ziff. 2 genannte Konto zu zahlen.

... "

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung der Provision für die letzte, im Januar 2002 fällig gewordene und von der G an die Beklagte gezahlte Rate.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe auch im Hinblick auf die letzte Prämienrate ein Anspruch auf Courtage zu. Dieser sei weder aufgrund der Kündigung des Versicherungsvertrages noch aufgrund der im Vergleich vom 22.06.2004 enthaltenen Regelungen entfallen. Die Kündigung sei unwirksam gewesen und auch der Vergleichsschluss habe nicht mehr zum Eintritt der auflösenden Bedingung im Sinne des Schicksalsteilungsgrundsatzes führen können, weil der Versicherungsvertrag im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs bereits vollständig abgewickelt gewesen sei. Der Vergleichsschluss zu Lasten der Klägerin stelle jedenfalls ein treuwidriges Verhalten der Beklagten dar.

Die Beklagte hat sich auf die Geltung des Schicksalsteilungsgrundsatzes berufen, der auch im Rahmen einvernehmlicher Vertragsaufhebung gelte. Der Vertrag sei durch Einigung mit der G zum 11.11.2001 beendet worden, wobei dem Vergleichsschluss wirtschaftlich vernünftige Erwägungen zugrunde gelegen hätten. Da bereits die Kündigung des Versicherungsvertrages wirksam gewesen sei, bestehe der Courtageanspruch jedenfalls nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf die Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2005, auf dessen Inhalt auch im Übrigen verwiesen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Schicksalsteilungsgrundsatz gelte auch im Fall der nachträglichen einvernehmlichen Aufhebung eines Versicherungsvertrages, es sei insoweit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (DB 1986, 216) zu folgen. Das Interesse des Maklers sei nur gegen Treuwidrigkeit - entsprechend § 162 Abs. 2 BGB - geschützt. Treuwidriges Verhalten der Beklagten sei unter Berücksichtigung der Gesamtumstände jedoch nicht feststellbar. So sei zu berücksichtigen, dass der Klägerin ein Teil des Courtageanspruches erhalten geblieben sei. Die Beklagte habe auch ein berechtigtes Interesse daran gehabt, die bestehende Rechtsunsicherheit durch den Vergleich zu beseitigen. Selbst wenn die Beklagte im Rahmen der dem Vergleichsschluss zugrunde liegenden Erwägungen den Wegfall des Courtageanspruches bei der Berechnung des Vergleichsbetrages einkalkuliert habe, sei dies nicht zu beanstanden, weil in dem Rechtstreit zwischen der G und der Beklagten erheblich höhere Forderungen in Rede gestanden hätten und damit andere, wirtschaftlich anerkennenswerte Gründe bestimmend gewesen seien, als den Courtageanspruch der Klägerin zu verhindern.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, das Urteil sei rechtsfehlerhaft, weil die rechtlich relevante Vorfrage der Wirksamkeit der Kündigung seitens der Beklagten vom Landgericht nicht geprüft worden sei. Sei ein Versicherungsvertrag einmal "abgewickelt", sei eine Rückabwicklung im Sinne einer Rückgewähr der beiderseitigen Leistungen nicht mehr möglich, da der Versicherer die Gefahr bereits getragen habe. Die einseitige Rückgewähr der Prämien sei daher keine Rückabwicklung, sondern eine freiwillige Leistung des Versicherers. Eine solche stelle jedoch keine auflösende Bedingung für den bereits verdienten Courtageanspruch dar. Daher komme ein "Wegfall" des Prämienanspruches nur unter der Voraussetzung der Wirksamkeit der Kündigung in Betracht. Die Kündigung sei jedoch unwirksam gewesen. Nicht nur aufgrund der "cover-notes", sondern auch weil eine Kündigung aus Anlass eines Schadensfalles ausgeschlossen gewesen sei, hätten - gerade mitversicherte - terroristische Ereignisse wie jene des 11. September 2001 die Beklagte nicht zur Kündigung berechtigt. Zudem habe das Landgericht den Schicksalsteilungsgrundsatz falsch angewandt. Es existiere kein Handelsbrauch für die Rückabwicklung eines bereits abgewickelten Versicherungsvertrages. Das vom Landgericht herangezogene Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (DB 1986, 216) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Jedenfalls stelle sich das Verhalten der Beklagten als treuwidrig dar. Die Beklagte habe den Vergleich bewusst inhaltlich so ausgestaltet, dass der Courtageanspruch in Wegfall gerate. Dass nur ein Teil des Courtageanspruches von dem Vergleich betroffen gewesen sei, sei dabei unbeachtlich. Die Ersparnis der Provision habe die Beklagte bei der Fassung der Vergleichssumme "einkalkuliert". Allein mit Rücksicht auf die Rechtsbeziehung der Beklagten zu den Mitversicherern und um den Courtageanspruch teilweise zu Fall zu bringen, sei der Vergleich so gefasst worden, dass die Vertragslaufzeit rückwirkend gekürzt und die Zahlungen in Prämienrückzahlungen einerseits und "weitere Zahlungen" andererseits aufgespalten wurden. Da derselbe wirtschaftliche Erfolg auch mit einer anderen Fassung des Vergleiches habe erreicht werden können, habe die Beklagte gegenüber der Klägerin treuwidrig gehandelt. Der Inhalt des Vergleiches belege zudem, dass auch die Beklagte von der Unwirksamkeit der Kündigung ausgegangen sei, da sie im Ergebnis auf den von der G berechneten Schaden von 25,7 Mio CHF (ohne Zinsen) 21 Mio CHF gezahlt habe. Die "Prämienrückzahlung" sei der Sache nach zur Schadenskompensation gezahlt worden. Sei die Beklagte aber selbst von der Unwirksamkeit der Kündigung - und damit der vollen Prämienzahlungspflicht - ausgegangen, stelle sich der von ihr vorgeschlagene Vergleich zu Lasten der Klägerin als treuwidrig im Sinne des § 162 Abs. 2 BGB dar. Dies gelte umso mehr, als zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehung besondere vertragliche Bindungen bestanden hätten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 27.10.2005 - 2 O 711/04 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.644.137,80 CHF (Schweizer Franken) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der Courtageanspruch stehe unter der auflösenden Bedingung des Wegfalles des Prämienanspruches, und zwar unabhängig davon, ob die Prämienzahlungspflicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen in Wegfall gerate. Die auflösende Bedingung sei aufgrund des Vergleichsschlusses bzw. der vorausgegangenen Kündigung des Versicherungsvertrages zum 11.11.2001 eingetreten. Der Schicksalsteilungsgrundsatz sei auch anwendbar, wenn die auflösende Bedingung nach Ablauf des Versicherungszeitraumes eintrete. Ob eine Rückabwicklung des Vertrages möglich sei, spiele dabei keine Rolle. Da sich die Parteien in dem Vergleich auf eine Prämienrückzahlung verständigt hätten, teile der Courtageanspruch dieses Schicksal. Auf die - zudem aufgrund Gefahrerhöhung gegebene - Wirksamkeit der Kündigung komme es nicht an. Die Beklagte habe sich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Klägerin gegenüber auch nicht treuwidrig verhalten, weil dem Vergleichsschluss wirtschaftlich vernünftige Erwägungen zugrunde gelegen hätten. Der Vergleich sei unter Abwägung aller beteiligten Interessen und Risiken mit dem Zweck geschlossen worden, die eingetretene Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Dabei sei es nicht darum gegangen, der Klägerin den Courtageanspruch abzuschneiden, dies sei lediglich eine unbeabsichtigte Nebenfolge gewesen. Es habe zudem keine besondere Rücksichtnahmepflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin bestanden, denn die Klägerin habe als Maklerin grundsätzlich im Lager der G gestanden. Damit sei es Sache der G gewesen, den Courtageanspruch der Klägerin bei Abschluss des Vergleiches zu berücksichtigen und für dessen Erhalt zu sorgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Akten 24 O 497/04 Landgericht Köln sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, sie hat auch in vollem Umfang Erfolg.

A.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Provisionsanspruch in Höhe von 1.644.137,80 CHF aus § 652 Abs. 1 BGB.

Der Courtageanspruch des Versicherungsmaklers entsteht aufschiebend bedingt mit Zahlung der Prämie, aus der er finanziert wird (§ 158 Abs. 1 BGB). Im Streit steht vorliegend der Provisionsanspruch für die 5. Rate der Ausfallversicherung (Januar 2002). Diese Rate hat die G an die Beklagte gezahlt.

Die Beklagte kann der Klägerin nicht unter Berufung auf den Schicksalsteilungsgrundsatz entgegenhalten, der Courtageanspruch sei durch Eintritt der auflösenden Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB in Wegfall geraten.

1.

In Ziff. 3.1. des Protokolls zur Maklervereinbarung, die der streitgegenständlichen Ausfallversicherung zugrunde lag, war ausdrücklich die Geltung des Schicksalsteilungsgrundsatzes vereinbart. Nach diesem als Handelsbrauch anerkannten Grundsatz teilt der Provisionsanspruch das Schicksal des Prämienanspruches. Der Provisionsanspruch ist im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB auflösend bedingt durch den Wegfall des Prämienanspruchs. Umstritten ist allerdings die Frage, ob der Schicksalsteilungsgrundsatz auch dann Anwendung findet, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Parteien des Versicherungsvertrages nach Ablauf der vertraglich vorgesehenen Vertragsdauer rückwirkend eine (teilweise) Vertragsaufhebung vereinbaren. Während nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung eine ohne Zustimmung des Maklers vereinbarte nachträgliche Vertragsaufhebung für provisionsunschädlich gehalten wird (Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., Vor §§ 43-48, Anm. 93), soll nach Auffassung des Landgerichts, das sich insoweit auf eine (allerdings nicht vollständig veröffentlichte) Entscheidung des OLG Hamburg (DB 1986, 216) stützt, auch bei einem Aufhebungsvertrag der Courtageanspruch grundsätzlich in Wegfall geraten und nur in den Grenzen des § 162 BGB gegen treuwidriges Verhalten des Versicherers geschützt sein.

2.

Einer abschließenden Entscheidung dieser Streitfrage bedarf es vorliegend nicht. Denn auch wenn unterstellt wird, dass der Schicksalsteilungsgrundsatz auf die vorliegende Fallgestaltung Anwendung findet, und durch die nachträgliche Vereinbarung der Vertragsbeendigung zum 11.11.2001 und entsprechende anteilige Prämienrückzahlung im Vergleich vom 22.06.2004 die auflösende Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB eingetreten ist, ist der Anspruch der Klägerin auf die streitgegenständliche Courtage nicht in Wegfall geraten. Denn die Beklagte hat den Eintritt der Bedingung, der ihr zum Vorteil gereicht, im Verhältnis zur Klägerin wider Treu und Glauben herbeigeführt. Der Bedingungseintritt gilt aus diesem Grund der Klägerin gegenüber als nicht erfolgt, § 162 Abs. 2 BGB. Jedenfalls ist es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt, sich der Klägerin gegenüber hierauf zu berufen.

a)

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend die Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB nicht deshalb ausgeschlossen, weil kein "Vorteil" ersichtlich sei, den die Beklagte durch Herbeiführung des Bedingungseintrittes treuwidrig hätte erreichen können. Zwar ist der Beklagten nach dem Inhalt des Vergleiches die auf den Zeitraum nach dem 11.11.2001 entfallende Prämie, aus der die Courtage zu zahlen war, nicht verblieben. Unstreitig war der Vergleich aber mit der von der G vorgegebenen Maßgabe abgeschlossen, dass - im Ergebnis - 21 Mio CHF gezahlt werden sollten. Hätte die Beklagte in dem Vergleich auf die Bestimmung der vorzeitigen Vertragsbeendigung und anteiligen Prämienrückzahlung verzichtet, was - dies ist zwischen den Parteien nicht streitig - nicht an der G gescheitert und ohne weiteres möglich gewesen wäre, hätte sie neben den 21 Mio CHF die Courtage an die Klägerin zahlen müssen. In dieser Ersparnis liegt der durch den Bedingungseintritt herbeigeführte Vorteil im Sinne des § 162 Abs. 2 BGB.

b)

Zur Beurteilung, ob ein treuwidriges Verhalten einer Partei im Sinne des § 162 BGB vorliegt, ist auf ihr Gesamtverhalten nach Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, namentlich des Inhaltes des Rechtsgeschäftes, abzustellen (Staudinger/Bork, BGB, 13. Aufl., § 162 Rn. 7 m.w.N.). Erforderlich ist eine wirkliche ursächliche Einwirkung auf den Bedingungseintritt, wobei auch eine mittelbare Einwirkung ausreicht (BGH BB 1965, 1052; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 162 Rn. 2). Treuwidrig handelt grundsätzlich nicht, wer aus wirtschaftlich anerkennenswerten Gründen handelt und sich so verhält, wie es von einem loyalen Vertragspartner erwartet werden kann (Staudinger/Bork, BGB, 13. Aufl., § 162 Rn. 7, 9, BGH DB 1960, 1262; NJW 1966, 1404).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Gesamtumstände des vorliegenden Falles ist es als gegenüber der Klägerin treuwidrig zu bewerten, dass die Beklagte durch den Vergleichsschluss vom 22.06.2004 rückwirkend die Beendigung des Versicherungsvertrages zum 11.11.2001 bewirkt und damit den Eintritt der den Provisionsanspruch der Klägerin auflösenden Bedingung herbeigeführt hat. Jedenfalls ist es ihr nach Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber der Klägerin auf den Bedingungseintritt zu berufen.

aa)

Dabei ist entscheidend zu berücksichtigen, dass die im Vergleich unter Ziff. 2. festgelegte Rückzahlungspflicht unter Berücksichtigung der Umstände im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses nicht als "echte Rückgewähr" der letzten Prämie (und damit als Eintritt der auflösenden Bedingung im Sinne des Schicksalsteilungsgrundsatzes) anzusehen ist. Bei wirtschaftlicher Betrachtung stellt sich diese vielmehr im Ergebnis als eine "verdeckte" einseitige Schadensersatzleistung der Beklagten auf Kosten der Klägerin dar.

Zwar war die in dem Vergleich festgelegte Vertragsbeendigung zum 11.11.2001 und die in Ziff. 2. vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung wirksam. Ein von seinem eindeutigen Wortlaut abweichender Inhalt lässt sich dem Vergleich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Grundsätze der "falsa demonstratio" oder des Scheingeschäfts gemäß § 117 Abs. 2 BGB beimessen. Denn die mit der rückwirkenden Aufhebung des Vertrages zum 11.11.2001 verbundenen Rechtsfolgen waren von den Parteien des Vergleichs - insbesondere im Hinblick auf die Rechtsbeziehung der Beklagten zu den Mit- und Rückversicherern - bezweckt. Der angestrebte Rechtserfolg setzte die Wirksamkeit der rückwirkenden Vertragsbeendigung und teilweise Prämienrückzahlung gerade voraus.

Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, stellen sich die unter Ziffern 2. und 3. des Vergleiches vereinbarten Zahlungspflichten bei wirtschaftlicher Betrachtung aber - unabhängig von der im Vergleich zum Ausdruck gebrachten Differenzierung zwischen Prämienrückzahlung einerseits und "weiterer" Zahlung andererseits - insgesamt als eine einseitige Schadensersatzleistung der Beklagten in Höhe von 21 Mio CHF dar. Denn im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses war die Vertragsdauer des Versicherungsvertrages bereits abgelaufen und die G hatte alle Prämien an die Beklagte gezahlt. Der Versicherungsvertrag war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vollständig abgewickelt. Da der Versicherungsfall nicht eingetreten war und auch nicht mehr eintreten konnte, kam es für die Ausgestaltung des Vergleichs - im Verhältnis der Beklagten zur G - auf die Frage der Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr an. In dieser Rechtsbeziehung ging es vielmehr nur noch darum, eine Regelung hinsichtlich des von der G geltend gemachten Schadensersatzanspruches zu treffen. Insoweit ging die Beklagte im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ersichtlich selbst davon aus, dass erheblich mehr dafür sprach, dass die von ihr ausgesprochene Kündigung nicht berechtigt war und sie im Fall einer streitigen Entscheidung voraussichtlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unterliegen und - ob allein oder mit den Mitversicherern - Schadensersatz würde leisten müssen. Dies wird durch den Inhalt des Vergleichs belegt. Die G hatte die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und aus diesem Grund von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 25,7 Mio CHF gefordert. In dem Vergleich hat die Beklagte sich im wirtschaftlichen Ergebnis bereit erklärt, diesen Schaden im Umfang von 21 Mio CHF zu ersetzen und sich damit zum ganz überwiegenden Teil in die Position der Unterlegenen begeben.

Dabei hätte es dem von der Beklagten gegenüber der G mit dem Vergleichschluss verfolgten wirtschaftlichen Zweck entsprochen, im Vergleich eine einheitliche Schadensersatzverpflichtung der Beklagten in der von den Vertragsparteien ausgehandelten Höhe von 21 Mio CHF festzulegen, womit die G - wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat - auch einverstanden gewesen wäre. Einer rückwirkenden Beschränkung der Vertragsdauer der Ausfallversicherung und Aufteilung des Vergleichsbetrages in Prämienrückzahlung und "weitere" Zahlung hätte es hierzu nicht bedurft. Im Verhältnis der Vergleichsschließenden gab es für eine nachträgliche Vertragsbeendigung zum 11.11.2001 auch keine Veranlassung, erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass ersichtlich auch die Beklagte selbst von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Unwirksamkeit der Kündigung ausging. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, geht die letztlich gewählte Fassung des Vergleichs allein auf entsprechende Vorgaben der Beklagten zurück. Die Festlegung der rückwirkenden Beendigung der Ausfallversicherung zum 11.11.2001 und Rückzahlung der anteiligen Prämie war dabei nicht in der Vertragsbeziehung zwischen Beklagter und G begründet, sie diente vielmehr - wie die Beklagte geltend macht - dem Zweck, Ansprüche der Mit- und Rückversicherer in Bezug auf die letzte Prämienrate auszuschließen.

Es braucht nicht entschieden zu werden, ob der von der Beklagten mit der gewählten Vergleichsfassung verfolgte Zweck im Verhältnis zu ihren Mitversicherern und Rückversicherern unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Treu und Glauben "wirtschaftlich anerkennenswert" war. Das Interesse, die eigenen Aufwendungen beim Vergleichsschluss möglichst gering zu halten, berechtigte die Beklagte jedenfalls nicht, dies auf Kosten der Klägerin zu tun. Die Klägerin hatte ihren Courtageanspruch bereits verdient. Nachdem der Versicherungsvertrag durchgeführt, die beiderseitigen Hauptleistungspflichten erfüllt und der Versicherungszeitraum abgelaufen waren, und angesichts des Umstandes, dass die Beklagte in dem Vergleich wirtschaftlich betrachtet ihre Schadensersatzverpflichtung zum ganz überwiegenden Teil anerkannt hatte, durfte die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin nicht auf eine Vergleichsfassung hinwirken bzw. sich hierauf berufen, die - ihrer Auffassung nach - den Wegfall des Courtageanspruches und - ob bezweckt oder nicht - im Ergebnis eine Beteiligung der Klägerin an der von der Beklagten übernommenen Schadensersatzverpflichtung zur Folge hatte.

Dies gilt umso mehr, als die Beklagte aufgrund der zwischen ihr (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) und der Klägerin bestehenden langjährigen Geschäftsbeziehung gehalten war, auf die klägerischen Interessen besondere Rücksicht zu nehmen. Das Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist bereits in der der Zusammenarbeit der Parteien zugrunde liegenden Makler-Vereinbarung vom 25.06.1986 niedergelegt. In deren Präambel heißt es: "Im Sportversicherungsbereich hat diese Verbindung (zur Klägerin) Priorität, Rücksichten auf die I GmbH gehen allen übrigen Sportaktivitäten voran". In den "Grundlinien zur Zusammenarbeit" ist unter Ziff. 2.1. vereinbart, dass im Regelfall die Klägerin und die Beklagte zur Zusammenarbeit verpflichtet sind. In den Schlussbestimmungen unter Ziff. 4. der Maklervereinbarung verpflichtete sich die Klägerin, die bei der Beklagten eingedeckten Verträge dort zu erhalten, die Beklagte verpflichtete sich ihrerseits, die Interessen der Klägerin im Fall des Einschaltens von Mitversicherern zu wahren. Die Stellung der Klägerin war vor diesem Hintergrund zwar (noch) nicht mit der eines Versicherungsvertreters zu vergleichen, ihr aber zumindest insoweit angenähert, als auf die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen war. Dass die Beklagte auf eine Fassung des Vergleichs mit der G hinwirkte, die - ohne sachlichen Grund im Verhältnis zur G - den nachträglichen Wegfall der bereits verdienten Provision der Klägerin zur Folge hatte, ist mit dieser Rücksichtnahmeverpflichtung unvereinbar.

Dabei kommt es auf die Frage, ob die Kündigung der Beklagten tatsächlich unwirksam war, nicht an. Es genügt vielmehr, dass - wie ausgeführt - die Vergleichsschließenden ersichtlich ihrem Vergleich die überwiegende Erfolgsaussicht der Klage der G auf Feststellung zugrunde gelegt haben und dennoch im Gegensatz hierzu allein im Interesse und auf Betreiben der Beklagten eine Vergleichsgestaltung gewählt haben, die formal die Beendigung des Vertrages zum 11.11.2001 zum Inhalt hatte und wirtschaftlich einer Schadensersatzleistung entsprach.

bb)

Die Kündigung der Beklagten war darüber hinaus aber auch unwirksam, der Courtageanspruch der Klägerin daher endgültig entstanden. Jedenfalls deshalb muss es unter Berücksichtigung der bereits genannten Umstände im Verhältnis zur Klägerin als treuwidrig angesehen werden, dass die Beklagte durch die Gestaltung des Vergleichs, der nur aufgrund ihres in der Kündigung liegenden Vertragsbruchs überhaupt veranlasst war, ohne einen sachlichen Grund im Verhältnis zur G die Beendigung des Vertrages zum 11.11.2001 und die Rückzahlung der Prämie festlegte.

(1)

Dabei kann offen bleiben, ob ein Kündigungsrecht nach § 27 Abs. 1 VVG bereits aufgrund der in den "cover-notes" vom 19.08.1999 und 16.10.2000 enthaltenen "non-cancellation" Klausel ausgeschlossen war. Angesichts des unterschiedlichen Sachvortrages beider Parteien zum Inhalt der diesbezüglichen Vertragsverhandlungen dürfte diese Frage nicht ohne Erhebung der hierzu beiderseits angebotenen Beweise zu beantworten sein. Einer weiteren Sachaufklärung bedarf es aber nicht, denn die Kündigung ist jedenfalls aus anderen Gründen nicht wirksam.

(2)

Die Kündigung der Ausfallversicherung ist bereits deshalb unwirksam, weil sie sich vor dem Hintergrund der Schreiben der Beklagten vom 02.10.2001 als treuwidrig darstellt. Aufgrund dieses Bestätigungsschreibens war der Beklagten die Ausübung eines - etwa bestehenden - Kündigungsrechts wegen Gefahrerhöhung jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben verwehrt.

Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 02.10.2001 der Versicherungsnehmerin - und mittelbar der L GmbH & Co KGaA - gegenüber die Deckung und den Versicherungsumfang nach Maßgabe des "Extract of Covernote" vom selben Tag ausdrücklich bestätigt. Die durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 und ihre Folgeereignisse maßgebliche Entwicklung war am 02.10.2001 soweit abgeschlossen, dass die Beklagte in der Lage war, eine hierdurch etwa eingetretene Gefahrerhöhung einzuschätzen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob sie an dem Vertrag festhielt oder diesen kündigte. Dadurch, dass die Beklagte den Bestand des Versicherungsschutzes am 02.10.2001 bestätigt und bezüglich des Versicherungsumfanges ausdrücklich auf den "Extract of Covernote" Bezug genommen hatte, in dem unter anderem die Klauseln "War and Civil War Exclusion Clause hat been deleted at inception date" und "Non cancellation of this policy other than due to non-payment of premium" enthalten waren, hatte sie gegenüber ihrer Vertragspartnerin zum Ausdruck gebracht, dass sie trotz der angespannten weltpolitischen Lage am Vertrag festhalten werde. Hierauf durfte die Versicherungsnehmerin vertrauen und sich nicht zuletzt im Hinblick auf die vereinbarungsgemäße Vorlage bei der L darauf einrichten, dass die Ausfallversicherung nicht doch noch aus den der Beklagten bekannten Gründen gekündigt werde.

Die Beklagte kann sich dabei nicht darauf berufen, es habe sich bei dem Bestätigungsschreiben um eine "reine Wissenserklärung" gehandelt. Aus der Sicht der Adressatin war das Schreiben nicht als bloße Wissenserklärung zu verstehen. Mit dem Schreiben, das ausdrücklich zur Weiterleitung an die L bestimmt war, war vielmehr erkennbar eine - bestätigende - Regelung bezweckt. Dies ergibt sich daraus, dass in dem Schreiben auf die unter dem gleichen Datum verfasste "Extract of Covernote" Bezug genommen und klargestellt wird, dass der in dieser "beschriebene Versicherungsumfang" für "diese Bestätigung Gültigkeit" habe. Zudem ist ausdrücklich bestimmt, dass die Bestätigung vom 02.10.2001 alle bisherigen ersetze.

Auch der Einwand der Beklagten, es habe sich um ein "Routineschreiben auf Betriebsebene" gehandelt, die Entscheidung über eine Ausübung von Kündigungsrechten sei auf Vorstandsebene in Abstimmung mit der Rechtsabteilung zu treffen, erweist sich als unbegründet. Mit internen Zuständigkeitsfragen musste sich die G nicht befassen, das Handeln der Unterzeichner des Bestätigungsschreibens (zwei Prokuristen der Beklagten) muss sich die Beklagte zurechnen lassen, §§ 164 Abs. 1, 166 Abs. 1 BGB.

Soweit die Beklagte sich schließlich darauf beruft, es könne nicht treuwidrig sein, dass sie die Kündigungsfrist ausgeschöpft habe, geht auch dieser Einwand fehl. Die Treuwidrigkeit der Kündigung ergibt sich vorliegend daraus, dass die Beklagte durch ihr Schreiben vom 02.10.2001 bei der Versicherungsnehmerin das Vertrauen begründet hat, dass trotz der bisherigen Entwicklung der weltpolitischen Lage der Fortbestand der - gerade Terrorrisiken umfassenden - Ausfallversicherung gesichert sei. Da zwischen dem 02.10.2001 und dem Ausspruch der Kündigung am 10.10.2001 keine wesentliche, nicht vorhersehbare Steigerung des Gefährdungspotentials eingetreten ist, stellt sich der Ausspruch der Kündigung als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Handelns dar. Wenn die Beklagte sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach § 24 VVG eine Kündigung vorbehalten wollte, hätte sie dies entweder im Schreiben vom 02.10.2001 ausdrücklich klarstellen oder die Versendung des Bestätigungsschreibens bis zur endgültigen Entscheidung über eine Kündigung zurückstellen müssen.

(3)

Im Übrigen war ein Kündigungsrecht wegen Gefahrerhöhung nach § 27 Abs.1 VVG auch deshalb nicht gegeben, weil nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, dass das Versicherungsverhältnis durch die infolge der Terroranschläge vom 11.09.2001 etwa eingetretene Gefahrerhöhung nicht berührt werden soll, § 29 Satz 2 VVG.

Ob nach dem Willen der Parteien eine Gefahrerhöhung im Sinne des § 29 VVG unerheblich ist, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten Sachlage zu beurteilen, wobei insbesondere Zweck und Inhalt des konkreten Versicherungsvertrages von Bedeutung sind (Motive zum VVG, Nachdruck 1963, S. 101; Brück/Möller, VVG, § 29 Rn. 4 ff.). Unterschieden wird insofern zwischen sog. quantitativer Unerheblichkeit, bei der das Gefahrpotential der Gefahrveränderung so gering (oder unausbleiblich) ist, dass es als von vorneherein mitversichert gilt, und der sog. qualitativen Unerheblichkeit, die dann gegeben ist, wenn zwar eine relevante Veränderung der Risikolage eingetreten ist, für diese aber nach dem Sinn und Zweck des Vertrages eine Deckung gewollt ist (Langheid in Römer/Landheid, VVG, 2. Aufl., § 29 Rn. 2 f.; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 29 Rn. 2). Eine mitversicherte (qualitativ unerhebliche) Gefahrerhöhung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Eröffnung einer Kündigungsmöglichkeit nach § 27 VVG den Versicherungsschutz erheblich entwerten würde (Motive zum VVG, Nachdruck 1963, S. 101).

Vorliegend dürfte im Hinblick auf das - unstreitig versicherte - Terrorrisiko zwar davon auszugehen sein, dass mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 und deren Folgeereignissen objektiv ein "neuer Zustand erhöhter Gefahr" eingetreten war, der aus damaliger Sicht konkret die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrverlaufs bilden und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell fördern konnte (vgl. BGHZ 7, 311; VersR 1992, 606 ff., 1999, 484; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 23 Rn. 2 ff.), also eine quantitativ bereits erhebliche Gefahrerhöhung vorlag. Nach Zweck und Inhalt der Ausfallversicherung ist jedoch die durch die Terrorereignisse eingetretene Gefahrerhöhung gemäß § 29 Satz 2 VVG als mitversichert zu behandeln, weil die Klägerin sie nach Treu und Glauben als gedeckt ansehen konnte.

Fußballweltmeisterschaften stellen angesichts der Kommerzialisierung von Sportveranstaltungen, insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung der Medien und der Werbung, Wirtschaftsprozesse von enormer Größenordnung dar. Zu ihrer Realisierung hat der Veranstalter bereits im Vorfeld in einem Umfang Kapital aufzubringen, wie dies nur unter Beteiligung von Banken, Rechteverwertern und anderen Investoren möglich ist. Die mit einem unvorhergesehenen Ausfall der Veranstaltung verbundenen Risiken sind vor diesem Hintergrund unübersehbar und vom Veranstalter allein nicht zu tragen. Dies wird durch die Höhe der vorliegend vereinbarten Versicherungssumme (über 1,28 Mrd. CHF) anschaulich belegt. Für die G als Veranstalterin und die sonstigen Investoren war der Bestand einer Ausfallversicherung daher unverzichtbare Voraussetzung, ohne diese Deckung wäre die Finanzierung der Weltmeisterschaft nicht zustande gekommen. Der Beklagten waren diese Umstände und damit die existenzielle Bedeutung umfassenden Versicherungsschutzes für die G auch bekannt. Die Beklagte ihrerseits war in der Lage, das mit der Ausfallversicherung übernommene Risiko vorab durch detaillierte Gefahranalysen einzuschätzen und durch Beteiligung von Mit- und Rückversicherern sowie durch die Vereinbarung von Ausschlüssen und Haftungshöchstsummen zu begrenzen. Angesichts dieser Interessenlage ist bereits fraglich, ob bei der vorliegenden Ausfallversicherung überhaupt Raum für die Anwendung der Gefahrerhöhungsvorschriften bleibt, zumal im Kündigungsfall eine anderweitige Eindeckung zu annähernd vergleichbaren Bedingungen nach Beginn des Versicherungszeitraumes mangels eines Marktes für derartige Versicherungen für den Versicherungsnehmer kaum möglich ist. Dies braucht indes nicht entschieden zu werden. Denn die G durfte angesichts des Inhaltes der Ausfallversicherung jedenfalls darauf vertrauen, dass die durch die Ereignisse des 11. September 2001 und ihre Folgewirkungen etwa eingetretenen Risiken mitversichert waren:

Dass die Terrorgefahr eingeschlossen war, ist unstreitig. Die G hatte mit der Versicherung Deckungsschutz für das Risiko gesucht, dass die Fußballweltmeisterschaft (u.a.) aufgrund von "unvorhergesehenen, außerhalb ihrer Kontrolle liegenden" Umständen verschoben werden oder ausfallen könnte. Es war damit die Gefahr von Terrorereignissen von einer Schwere versichert, die die G im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens berechtigt hätte, die Veranstaltung zu verschieben (insofern stand ein versicherter Zeitraum bis zum 31. Dezember 2003 zur Verfügung). Selbst für Terrorereignisse von einer Qualität und einem Ausmaß, die (als ultima ratio) eine Totalabsage der Weltmeisterschaft erlaubt hätten, hatte die Beklagte Deckung zugesagt. Aus der Sicht der Versicherungsnehmerin war damit das Risiko eines Terroranschlags massivster, auch bisher ungeahnter Qualität - nur ein solcher konnte zur Totalabsage führen - von vorneherein einkalkuliert und von der Beklagten mit übernommen. Ein solches Risiko hat sich mit den Anschlägen vom 11. September 2001 verwirklicht. Der Sache nach liegt daher nicht (nur) eine qualitative Gefahrerhöhung im Sinne des § 27 Abs. 1 VVG, sondern (bereits) der Eintritt eines Ereignisses vor, das in seiner Schwere der des versicherten Kausalereignisses entspricht. Wären die Anschläge des 11.09.2001 unmittelbar vor oder während der Durchführung der Weltmeisterschaft verübt worden, wäre es - allein wegen der weltweiten Beschränkung des Flugverkehrs - unweigerlich (zumindest) zu teilweisen Verschiebungen von Spielen gekommen. Der Versicherungsfall wäre dann eingetreten. War die Beklagte - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - bei Eintritt des Versicherungsfalles zur Kündigung nicht berechtigt, wäre es sachlich nicht zu begründen, wenn ihr unter dem Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung im vorliegenden Fall ein Kündigungsrecht zustünde. Die Interessenlage der Parteien ist in beiden Fällen identisch, der zeitliche Abstand zwischen den Terroranschlägen und der Austragungszeit der Weltmeisterschaft rein zufällig. Jedenfalls in Fällen, in denen sich - wie hier - Gefahrerhöhung und versichertes Kausalereignis überschneiden bzw. nicht mehr voneinander abgrenzen lassen (zu dieser Problematik einerseits Beckmann, ZIP 2002, 1132, andererseits Langheid, NVersZ 2002, 436) und in denen eine Kündigung aus Anlass des Versicherungsfalles ausgeschlossen ist, kann ein Kündigungsrecht nach § 27 Abs. 1 VVG nicht bestehen. Die Zulassung einer Kündigung nach § 27 Abs. 1 VVG würde zu einer Umgehung des Ausschlusses der Kündigung aus Anlass des Versicherungsfalles und im Ergebnis zu einer erheblichen Entwertung des Versicherungsschutzes führen.

Davon, dass mit den Anschlägen vom 11. September 2001 ein den Versicherungsfall (zumindest potentiell) auslösendes Ereignis - und nicht nur eine Gefahrerhöhung - eingetreten war, ist im Übrigen auch die Beklagte selbst ausgegangen. Denn die Beklagte trägt vor, dass sie unmittelbar nach den Terrorereignissen damit rechnete, dass die G vor Ablauf der Monatsfrist des § 27 Abs. 1 Satz 1 VVG durch Verlegung oder Absage der Fußballweltmeisterschaft den Versicherungsfall und damit ihre Eintrittspflicht im Rahmen der Ausfallversicherung auslöste. Dies verdeutlicht, dass die Anwendbarkeit des § 27 Abs. 1 VVG im "Überschneidungsbereich" von Gefahrerhöhung und Verwirklichung des versicherten Risikos auch die Gefahr eines "Wettlaufes" zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer birgt (so: Beckmann ZIP 2002, 1132). Auch aus diesem Grund erscheint die Anwendung der Gefahrerhöhungsregeln im vorliegenden Fall nicht sachgerecht und ist ein Kündigungsrecht der Klägerin nicht gegeben.

B.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Sache hat über den konkret zur Entscheidung stehenden Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinaus keine Bedeutung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.061.994,76 € (nach einem Mittelkurs von 0,64581 CHF = 1 € zum 02.12.2005 (Eingang der Sache beim Berufungsgericht)

Ende der Entscheidung

Zurück