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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.05.2007
Aktenzeichen: 9 U 220/06
Rechtsgebiete: ZPO, VHB 92 N, VVG


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 546
VHB 92 N § 21 Nr. 2 lit. b)
VHB 92 N § 21 Nr. 1 lit. e)
VHB 92 N § 21 Nr. 3
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte hat Gelegenheit, zu den Hinweisen des Senats binnen 3 Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe:

A)

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Ersatz des Schadens aus dem Brandfall vom 20.04.2005 aus der Hausratversicherung zu leisten.

Das Urteil beruht weder auf einer Rechtverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Insbesondere ist die Beklagte nicht gem. §§ 21 Nr. 3 VHB 92 N, 6 Abs. 3 VVG wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers von der Leistung frei geworden.

I.

Das Landgericht, auf dessen Ausführungen insoweit Bezug genommen wird, hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagten nicht der Beweis gelungen ist, dass der Kläger seine Obliegenheit gem. § 21 Nr. 2 lit. b) VHB 92 N in einer zur Leistungsfreiheit führenden Art und Weise verletzt hätte. Weder besteht ein Widerspruch zwischen den Angaben des Klägers in der ersten Verhandlung vom 21.04.2005 und den Angaben in der zweiten Verhandlung vom 28.04.2005 (dazu 1.) noch ist der Beklagten der Nachweis gelungen, dass die Angaben des Klägers in einer der beiden Verhandlungen falsch waren (dazu 2.). Soweit der Kläger bereits bei der ersten Verhandlung auch ungefragt konkrete Angaben zur Aufbewahrung desjenigen Feuerzeugs hätte machen müssen, mit dem das Feuer gelegt worden ist, fehlt es an einer Relevanz der folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung (dazu 3.)

1. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich die Angaben des Klägers in der ersten Verhandlung darauf bezogen, wo die Familie ihre Feuerzeuge grundsätzlich aufbewahrt, nämlich in einem Hängeschrank in der Küche. In der zweiten Verhandlung schilderte der Kläger dagegen den konkreten Ablauf der Ereignisse, die dem Brand voraus gegangen sind. Dies steht zueinander nicht im Widerspruch.

2. Die Angaben des Klägers in den beiden Verhandlungen haben sich auch nicht als falsch herausgestellt. Insbesondere belegen die von der Beklagten angeführten Umstände nicht, dass die Angabe des Klägers, das Feuerzeug vor dem Einschlafen auf dem Sideboard abgestellt zu haben, falsch waren. Selbst wenn die Silhouetten auf dem Wohnzimmertisch von der Zigarettenschachtel des Klägers und einem Aschenbecher stammen sollten, belegt dies nur, dass die Zigarettenschachtel sich zum Zeitpunkt des Brandes auf dem Wohnzimmertisch befand. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in der Nacht zunächst Feuerzeug und Zigarettenschachtel auf dem Sideboard abgelegt hatte. Denn das gleiche Spurenbild ergibt sich auch, wenn der dreijährige Sohn F, in dessen Händen sich nach dem Verlassen der Wohnung das Feuerzeug befand, sich zunächst mittels einer Steighilfe das Feuerzeug und die Zigarettenschachtel vom Sideboard herunter holte, dann aus der Schachtel eine Zigarette herausnahm, die Schachtel auf dem Wohnzimmertisch ablegte, um im weiteren mit der Zigarette und dem Feuerzeug zu "spielen".

3. Soweit eine objektive Verletzung der Aufklärungsobliegenheit darin zu sehen sein sollte, dass der Kläger nicht bereits bei der ersten Verhandlung ungefragt Angaben dazu gemacht hat, wo das konkrete Feuerzeug aufbewahrt wurde, mit dem sein Sohn den Brand verursacht hatte, ist diese Verletzung folgenlos geblieben (dazu a) und die Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung für den Eintritt der Leistungsfreiheit liegen nicht vor (dazu b).

a) Das Unterlassen der Angaben zu dem Feuerzeug, mit dem der Sohn den Brand gelegt hatte, im ersten Termin ist entgegen den Ausführungen in der Berufung folgenlos geblieben. Auch wenn der Kläger bereits bei der ersten Verhandlung angegeben hätte, dass er das Feuerzeug vor dem Einschlafen noch einmal im Wohnzimmer zum Anzünden einer Zigarette benutzt habe und es dann auf dem Sideboard abgelegt habe, wäre die Beklagte gehalten gewesen, die weiteren Verhandlungen durch ihre Schadenregulierer durchzuführen. Denn eine zur Leistungsfreiheit führendes grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 61 VVG, welche die Beklagte berechtigt hätte, weitere Ermittlungen sofort einzustellen, kann darin nicht gesehen werden.

Grobe Fahrlässigkeit setzt in objektiver und subjektiver Hinsicht eine aus dem normalen Rahmen der Fahrlässigkeit herausfallende gröbliche Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Bei grober Fahrlässigkeit wird die verkehrserforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen und es bleibt unbeachtet, was jedem in der gegebenen Situation hätte einleuchten müssen. Das Verhalten des Versicherungsnehmers muss darüber hinaus auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbar sein. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass ein objektiv grob fahrlässiges Verhalten die grobe Fahrlässigkeit auch in subjektiver Hinsicht indiziert. Nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, kann der Vorwurf subjektiver Unentschuldbarkeit trotz eines schwerwiegenden Sorgfaltsverstoßes, der objektiv als grober Pflichtverstoß zu qualifizieren ist, ausgeschlossen sein (BGH, RuS 2003, 144 = VersR 2003, 364; BGH, RuS 1992, 292 = VersR 1992, 1085; OLG Köln, NVersZ 2002, 225).

Ein solches Verhalten kann dem Kläger nicht angelastet werden. Das Feuerzeug befand sich zunächst auf dem Sideboard und damit erst einmal außerhalb des unmittelbaren Zugriffsbereichs der jüngeren Kinder des Klägers, insbesondere außerhalb des unmittelbaren Zugriffs des erst dreijährigen Sohnes. Denn ohne Steigungshilfen war das Feuerzeug in dieser Höhe nicht zu erreichen. Außerdem befanden sich die Eltern durchgängig - wenn auch zunächst schlafend bzw. im Halbschlaf - im gleichen Raum. Die Eltern hatten also ex ante betrachtet die Möglichkeit einzugreifen, wenn eines ihrer Kinder den Raum betrat und versuchen würde, an das Feuerzeug zu gelangen, was ohne eine gewisse Geräuschentwicklung kaum möglich war.

b) Die Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung für die Leistungsfreiheit bei folgenlosen Obliegenheitsverletzungen liegen nicht vor.

Leistungsfreiheit kann danach nur dann eintreten, wenn der Verstoß generell geeignet ist, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, dem Versicherungsnehmer erhebliches Verschulden zur Last fällt, was nur dann nicht der Fall ist und vom Versicherungsnehmer zu beweisen wäre, wenn es sich um ein Fehlverhalten handelt, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterläuft und für das der Versicherer Verständnis aufbringen muss. Schließlich muss der Versicherungsnehmer bei Aufklärungsobliegenheiten über die Folgen ordnungsgemäß belehrt worden sein (siehe BGH, VersR 1984, 229; VersR 1998, 447, juris-Rz. 12; NJW 2002, 518 = VersR 2002, 173, juris-Rz. 15; Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rz. 51 ff.).

Hier fehlt es jedenfalls an einem erheblichen Verschulden des Klägers. Die sich über mehrere Termine hinstreckende Verhandlung mit der Beklagten durfte der Kläger redlicherweise dahin verstehen, dass unterbliebene Antworten nachgeholt und unvollständige Antworten noch ergänzt werden konnten. Die Angaben des Klägers am 28.04.2005, der Sohn habe offensichtlich mit Hilfe eines Stuhles/Hockers das Feuerzeug vom Sidebord geholt, sind im übrigen ersichtlich das Ergebnis einer Mutmaßung, die der Kläger zwischenzeitlich angestellt hatte. Diese hat er auch freiwillig offenbart. Die Vorhaltungen der Beklagten zu den angeblichen Silhouetten des Aschenbechers und der Zigarettenschachtel auf dem Tisch ließen keinen Schluß auf die Lage des Feuerzeugs zu. Die Angabe des Klägers , er habe das Feuerzeug auf dem Sidebord abgelegt, konkretisiert im Ergebnis nur die Angabe, man achte darauf, dass Feuerzeuge nicht herumlägen, damit die Kinder sie nicht erreichen könnten. Der Kläger hat danach weder bei der ersten noch bei der zweiten Verhandlung - wie bereits ausgeführt - falsche Angaben gemacht. Unter diesen Umständen kann von einem erheblichen Verschulden nicht ausgegangen werden (vgl. BGH, NJW 2002, 518 ff., = VersR 2002, 173 = NVersZ 2002, 122, juris-Rz. 15).

II.

Das Landgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass sich die Beklagte auf eine Verletzung der Obliegenheit gem. § 21 Nr. 1 lit. e) VHB 92 N jedenfalls nicht berufen kann, nachdem sie sich über längere Zeit auch bei telefonischen Nachfragen des Klägers bzw. seiner Ehefrau nicht auf eine fehlende Schadenaufstellung berufen hat. Zu einer ausdrücklichen Weigerung des Klägers, der Beklagten eine solche Aufstellung einzureichen, hat die Beklagte in erster Instanz nicht substantiiert vorgetragen, insbesondere fehlte es an jeglichem Vorbringen dazu, ob der Kläger hierzu aufgefordert worden war, wie er dies begründet hatte und wie der Schadensregulierer hierauf reagiert hatte.

Soweit die Beklagte nunmehr vorträgt, der Kläger habe bereits in der ersten Regulierungsverhandlung am 21.04.2005 gegenüber dem Schadenregulierer der Beklagten I die Auffassung vertreten, einer Schadenaufstellung seinerseits bedürfe es nicht, da es sich ohnehin um einen Totalschaden der gesamten Wohnungseinrichtung handele, weshalb doch gleich die Versicherungssumme ausgezahlt werden könne, kann dahin stehen, ob dieser Vortrag gem. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre. Denn auch bei einer solchen Äußerung des Klägers wäre die Beklagte gehalten gewesen, den Kläger ausdrücklich und deutlich darauf aufmerksam zu machen, dass und warum diese seine Annahme fehl ging, und ihn noch einmal ausdrücklich zur Einreichung einer Schadenaufstellung mit den erforderlichen Angaben zum Anschaffungszeitpunkt und Anschaffungspreis der jeweils beschädigten bzw. zerstörten Einrichtungsgegenstände aufzufordern. Aus der widersprüchlichen Fortführung der Schadenaufnahme am 21.04., 27.04. und 28.04.2005 und dem weiteren Verhalten der Beklagten insbesondere bei den Telefonaten mit der Ehefrau des Klägers konnte der Kläger schließen, dass auch die Beklagte die Vorlage einer Schadenaufstellung durch ihn nicht für erforderlich hielt.

Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die auch vom Landgericht in seinem Urteil übernommenen Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 18.05.2006 - 9 W 16/06 - Bezug genommen.

B)

Auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr.2 und 3 ZPO liegen vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung liegt nur vor, wenn die zugrundeliegende Rechtsfrage in der Zukunft wiederholt auftreten wird und über ihre Beurteilung in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen geäußert worden sind (vgl. Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 522, Rn. 37). Dies ist nicht der Fall. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung.

Ende der Entscheidung

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