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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 9 U 25/07
Rechtsgebiete: HGB, BGB, VVG


Vorschriften:

HGB § 354a
HGB § 354a S. 1
HGB § 425
BGB § 398
VVG § 6 Abs. 3 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.10.2006 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 125/05 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Klägerin nimmt Regress bei dem Verkehrshaftungsversicherer der Firma T Transporte, Inhaberin D Q, wegen der Entschädigung von in Verlust geratenen Computern. In dem Vorprozess vor dem Landgericht Darmstadt wegen der Haftung war die Klägerin Streithelferin der dortigen Beklagten, der I Internationale Spedition GmbH. In jenem Rechtsstreit hatte die Klägerin als dortige Nebenintervenientin der jetzigen Beklagten und der Unternehmerin Q den Streit verkündet.

Im April 2002 verkaufte die P & W Computer GmbH in F an die Bank of Tokyo Ltd, für deren Niederlassung in J zehn Computer mit Zubehörteilen. Mit dem Transport der Sendung beauftragte sie die Spedition G N. Diese beauftragte die I Internationale Spedition in D zu fixen Kosten. Dieses Unternehmen beauftragte wiederum die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits mit dem Transport. Die Klägerin erteilte der Frau D Q, handelnd unter T Transporte, den Transportauftrag. Bei diesem Unternehmen war ein Fahrer namens C B beschäftigt, der keinen Führerschein besaß. Die Sendung ist unter ungeklärten Umständen in Verlust geraten. Ob der Fahrer die Sachen übernommen hatte, ist streitig.

Der Versicherer der Verkäuferin, die K Schadenversicherung AG in O, nahm, nachdem sie reguliert hatte, die I Internationale Spedition GmbH aus übergangenem Recht vor dem Landgericht Darmstadt (12 O 721/03) in Anspruch. In jenem Rechtsstreit wurde die I Internationale Spedition GmbH durch Urteil vom 26.10.2004 zur Zahlung von 8.970,00 € nebst Zinsen verurteilt. In jenem Urteil heißt es u.a.: Die Streithelferin übernahm die auf einer Palette verpackte Sendung am 24.4.2002 an der Niederlassung der Firma N in C1 und übergab diese am 25.4.2002 an einen Fahrer der Firma T Transporte.

Unter dem Datum des 4.11.2003 trat die Frau Q ihre Versicherungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten an die Klägerin ab (Anlage K 5 in AH). Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Frachtführerhaftungs-Versicherung zugrunde (Bl. 32 ff ).

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Zahlung in Anspruch genommen. Die Forderung setzt sich zusammen aus der regulierten Hauptforderung von 9.763,20 € sowie Gebühren gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Darmstadt vom 1.12.2004 über 2.184,47 € und Anwaltskosten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Vorprozess in Höhe von 1.585,72 €.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Fahrer der Firma Q habe die Palette mit den Gegenständen am 25.4.2002 übernommen. Demnach sei die Sendung im Gewahrsam der Firma Q in Verlust geraten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.534,39 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 9.763,20 € seit dem 1.1.2005 und auf 3.771,19 € seit dem 19.7.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf das als Obliegenheit ausgestaltete Abtretungsverbot in Ziffer 8.4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Frachtführerhaftungs-Versicherung berufen sowie auf eine Obliegenheitsverletzung bei der Auswahl des Fahrers. Im übrigen hat sie bestritten, dass der Fahrer B die Sachen übernommen habe.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung des weitergehenden Zinsbegehrens verurteilt, an die Klägerin 13.534,39 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 9.763,20 € seit dem 6.1.2005 sowie auf 3.3771,19 € seit dem 19.7.2005 zu zahlen.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Firma Q hafte der Versicherungsnehmerin der Klägerin nach § 425 HGB. Der Deckungsanspruch, den die Firma Q aufgrund dieser Haftung gegen die Beklagte habe, sei wirksam abgetreten. Die Beklagte habe sich vorprozessual in der Weise verhalten, dass darin eine Genehmigung der Abtretung zu sehen sei. Für den vorliegenden Rechtsstreit sei wegen der Streitverkündungswirkung davon auszugehen, dass der Fahrer B die Sendung zum Transport übernommen habe. Insoweit könne die Beklagte mit ihrem Einwand zur Obhut nicht gehört werden. Eine etwaige Obliegenheitsverletzung im Zusammenhang mit der Auswahl des Fahrers und Kontrolle seiner Zuverlässigkeit sei jedenfalls nicht kausal. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend, die Versicherungsnehmerin der Beklagten habe gegen die Obliegenheit nach Ziffer 8.4 der Versicherungsbedingungen verstoßen, so dass nach Ziffer 9 der Bedingungen Leistungsfreiheit eingetreten sei. Eine konkludente Genehmigung der Abtretung scheitere an der fehlenden Kenntnis der Beklagten. Die Beklagte habe im Rahmen der Korrespondenz mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nichts anderes getan, als dass sie für ihre Versicherungsnehmerin Ansprüche zurückgewiesen habe.

Im übrigen habe die Versicherungsnehmerin der Klägerin ihren Mitarbeiter, den Fahrer B nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausgewählt. Äußerst hilfsweise mach sie sich den klägerischen Vortrag zu eigen, dass der Fahrer die Sendung entwendet habe. Damit habe die Versicherungsnehmerin den Schaden bewusstgrob fahrlässig herbeigeführt und den Risikoausschluss nach Ziffer 4.1 der Versicherungsbedingungen verwirklicht.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochten Urteil und macht insbesondere geltend, dass die Beklagte hätte erkennen können und müssen, dass die Klägerin aus abgetretenem Recht vorgehe, zumal die Versicherungsnehmerin zum Zeitpunkt der Korrespondenz bereits im Handelsregister gelöscht gewesen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten Landgericht Darmstadt - 12 O 721/03 - sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch aus Ziffer 1.1, 3.1, 3.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Frachtführerhaftungs - Versicherung in Verbindung mit § 398 BGB gegen die Beklagte zu.

1. Die Beklagte beruft sich zu Recht auf Leistungsfreiheit wegen der Verletzung der Obliegenheit nach Ziffer 8.4 der Versicherungsbedingungen durch ihre Versicherungsnehmerin Q.

a) Nach Ziffer 8.4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Frachtführerhaftungs-Versicherung obliegt es dem Versicherungsnehmer im Schadenfall, keinen Anspruch ohne Einwilligung des Versicherers anzuerkennen, zu befriedigen oder abzutreten. Hiergegen hat die Versicherungsnehmerin Q verstoßen, indem sie ihre Ansprüche durch Abtretungserklärung vom 4.11.2003 ohne Einverständnis des Versicherers an die Klägerin abgetreten hat.

Ziffer 8.4 der Bedingungen enthält kein ausdrückliches Abtretungsverbot, sondern beinhaltet eine Obliegenheit, keinen Anspruch ohne Einwilligung des Versicherers abzutreten. Ob sich der Versicherer auf diese Obliegenheit mit der Folge der Leistungsfreiheit berufen kann, ist nach denselben Grundsätzen zu bewerten, die zur Berufung auf ein Abtretungsverbot aufgestellt worden sind.

b) Einer Berufung auf das Abtretungsverbot steht nicht die Vorschrift des § 354a S. 1 HGB entgegen. Nach dieser Vorschrift ist eine Abtretung auch bei Vereinbarung eines Abtretungsverbots bei einer Geldforderung wirksam, wenn das Rechtsgeschäft, das diese Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. Die Norm will den Refinanzierungsspielraum mittelständischer Unternehmen erhalten (vgl. im einzelnen Roth in Koller/Roth/Morck, HGB 6. Aufl., § 354a, Rn1).

Vorliegend handelt es sich aber bei dem Anspruch auf Deckungsschutz nicht um eine Geldforderung, so dass § 354a HGB nicht eingreift (vgl. BGH, VersR 2007, 1116). Die Frachtführerhaftungs-Versicherung umfasst nach Ziffer 3.1 der Bedingungen die Befriedigung berechtigter und die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche, die aus Verträgen über die geschäftsmäßige oder entgeltliche Beförderung von Gütern gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden. Zum Zeitpunkt der Abtretung hat ein Zahlungsanspruch gegen den Haftungsversicherer nicht bestanden. Damit beinhaltet der Deckungsanspruch der Haftpflichtversicherung keine Geldforderung, so dass § 354 a HGB nicht anwendbar ist (BGH, aaO).

c) Die Berufung der Beklagten auf die Verletzung der Obliegenheit stellt sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar.

Die Berufung des Versicherers auf ein Abtretungsverbot kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie nicht von einem beachtlichen, im Zweckbereich der Bestimmung liegenden Interesse gedeckt ist (vgl. BGH, VersR 1983, 945; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 15 Rn 7; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AHB, Rn 10, 11).

Davon ist auszugehen, wenn der Geschädigte über einen rechtskräftigen Titel verfügt und jederzeit in die Forderung aus der Haftpflichtversicherung vollstrecken könnte (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1983, 625) oder wenn der Versicherer die Abtretung genehmigt. Das kann auch durch schlüssiges Verhalten geschehen und ist dann anzunehmen, wenn sich der Versicherer auf die Schadensanmeldung des Zessionars einlässt und die Versicherungsforderung mit ihm erörtert, ohne auf das Abtretungsverbot hinzuweisen (vgl. BGH, VersR 1953, 494; Römer, aaO, Rn 8).

Das setzt aber voraus, dass der Versicherer bei den Verhandlungen Kenntnis davon hat, dass der Versicherungsnehmer seinen Anspruch aus der Haftpflichtversicherung an einen Dritten, insbesondere den Geschädigten, abgetreten hat.

Im vorliegenden Fall hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Schriftwechsel mit der Beklagten zu keinem Zeitpunkt darauf berufen, dass die Ansprüche gegen den Versicherer an seine Mandantin abgetreten seien. Die Beklagte ist ihrer Rechtsschutzverpflichtung aus der Haftpflichtversicherung nachgekommen und hat die Ansprüche zurückgewiesen, ohne dass eine Abtretung im Raume stand.

So haben sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits vor der Abtretung mit Schreiben vom 27.10.2003 an die U Versicherungsmakler GmbH gewandt und um Mitteilung des Versicherers und seiner Policennummer gebeten. Mit Schreiben vom 8.12.2003 (Bl. 55, Anlage K 11) an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat die Beklagte nicht gegen sie gerichtete Ansprüche zurückgewiesen, sondern erklärt, dass sie für den Schadenfall "im Namen unseres Versicherungsnehmers, der Fa. T Transporte" jegliche Haftung zurückweise. Unter dem 11.2.2004 (Bl. 56) haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf Bezug genommen, ohne eine Abtretung geltend zu machen.

Mit Schreiben vom 6.11.2005 (Anlage K 9 in AH) haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gegen die Beklagte gerichtete Ansprüche zurückgewiesen, sondern "die gegen die Versicherungsnehmerin unserer Mandantin erhobenen Ansprüche". Für eine Stellungnahme zu einem Abtretungsverbot bestand kein Anlass.

Die Tatsache, dass die Versicherungsnehmerin Q Im Handelsregister gelöscht war, ändert an den Umständen nichts und führt nicht zu einer anderen Beurteilung.

Aus der Streitverkündung der Klägerin im Rechtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt gegenüber der Beklagten mit Schriftsatz vom 6.5.2004 (Bl. 69 der beigezogenen Akte) ergibt sich nichts anderes. In dem Schriftsatz ist die Abtretung der Versicherungsforderung nicht erwähnt. Aus der bloßen Tatsache der Streitverkündung kann zudem nicht auf das Vorliegen einer Abtretung geschlossen werden.

Nach alledem kann der Anspruch nicht gegen die Beklage geltend gemacht werden, weil wegen der Obliegenheitsverletzung Leistungsfreiheit des Versicherers besteht, § 9 der Versicherungsbedingungen i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG (a.F.).

2. Auf die Frage, ob die Ware während der Obhut der Firma Q in Verlust geraten ist und ein Haftungsanspruch nach Transportrecht begründet ist, kommt es nicht mehr an.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall hinaus. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.534,39 €

Ende der Entscheidung

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