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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 9 U 30/06
Rechtsgebiete: BGB, VVG, AVDSG, AFB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 288 Abs. 2
VVG § 16 Abs. 1
AVDSG § 5 Abs. 3
AVDSG § 7 Abs. 7
AVDSG § 7 Abs. 7 a
AFB § 3 Abs. 2 a S. 2
ZPO § 139
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Januar 2006 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 538/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht wegen eines Brandschadens, der sich in der Nacht des 25./26. Januar 2003 ereignete, als Versicherungsnehmer gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung geltend (Versicherungsschein vom 3. Juli 2000 Anlage K 1).

Der Kläger war Inhaber eines Kaufhauses für Sonderposten an der S.-straße in E.. Dieses Kaufhaus wurde im Jahr 1993 im Auftrag der D. Immobilienholding auf zwei in unterschiedlichem Eigentum befindlichen Grundstücken durch die Leasinggesellschaft GE D. N. T. GmbH errichtet und zunächst von der Firma D. betrieben. Für das Gebäude bestanden lediglich befristete Baugenehmigungen. Die erste Genehmigung vom 23. November 1992 war bis zum 31. Dezember 1996 befristet. Mit Kaufvertrag vom 12. Februar 1999 erwarb der Kläger das Gebäude von der Leasinggesellschaft für einen symbolischen Kaufpreis von 1,00 DM. In § 4 dieses Vertrages stellte er die Verkäuferin von einer gegenüber der Firma D. und der Stadt E. übernommenen Abbruchverpflichtung insbesondere für den Fall der Nichterteilung einer erneuten Standgenehmigung für das Gebäude frei. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die von der Beklagten mit der Klageerwiderung als Anlage B 4 eingereichte Kopie verwiesen (Bl. 34 ff. d.A.). Unter dem 6. Mai 1999 wurde dem Kläger eine weitere bis zum 5. Mai 2001 befristete Baugenehmigung für das Objekt erteilt (Anlage B 2 c = separater Anlagenordner). In der Genehmigung heißt es unter der Überschrift "Befristung":

"Die Baugenehmigung ergeht mit folgenden Nebenbestimmungen:

Das beantragte Bauvorhaben für die befristete Nutzung des ehem. D. Kaufhauses als Verkaufsstätte für Waren aller Art ist nicht zulässig.

In Absprache mit den Trägern öffentlicher Belange kann einer Nutzung für einen Zeitraum von 2 Jahren ausnahmsweise zugestimmt werden. Dieser Sachverhalt ist dem Antragsteller bewusst.

In einem noch abzuschließenden städtebaulichen Vertrag auf der Grundlage der Willenserklärung vom 27.04.99 ist eine vertragliche Regelung darüber abzuschließen, in der der Bauherr nach Ablauf der Befristung den Verkaufspavillon auf eigene Kosten zu beseitigen hat und die Fläche dem Eigentümer im ursprünglichen Zustand zu übergeben hat.

Eine mittelfristige Verfestigung des Interimsbaus wird hingegen nicht akzeptiert werden können, da dies die Entwicklung der umliegenden Flächen in einer dem Bebauungsplan entsprechenden Weise behindern und die beabsichtigte Aufwertung des Umfeldes erschweren würde."

Der erwähnte städtebauliche Vertrag "zur Beseitigung des ehemaligen Interimskaufhauses D." (Anlage B 2 f) wurde am 23.3./10.4.2000 mit der Stadt E. abgeschlossen. In § 1 übernahm der Kläger die Pflicht zur Beseitigung aller baulichen Anlagen und die Herstellung des ursprünglichen Zustandes (Grünfläche, Stellplätze) der Flurstücke, auf denen sich das Kaufhaus befand.

Für das Kaufhaus wurde mit seiner Übernahme vom Kläger über eine Makleragentur eine Gebäudeversicherung bei der O. Versicherung abgeschlossen. Der Makler nahm sodann im Auftrag des Klägers Kontakt zur Beklagten auf. Vor Abschluss des Versicherungsvertrages fand am 26. Januar 2000 in Anwesenheit des Klägers eine ausführliche Objektbesichtigung statt, an der neben dem vom Kläger eingeschalteten Makler X. der Zeuge H. K. als Maklerbetreuer der Beklagten teilnahm. Die Befristung der Baugenehmigung war dem Zeugen X. nicht bekannt, sie blieb bei der Objektbesichtigung unerwähnt. Zur Vorbereitung des Termins hatte der Zeuge X. dem Zeugen K. allerdings im Auftrag des Klägers am 20. Januar 2000 per Fax ein Kurzexposé übermittelt (Anlage K 22 zum Schriftsatz vom 7.09.2005 = separates Anlagenkonvolut). Dieses Kurzexposé enthält auf Seite 12 einen amtlichen Lageplan der Grundstücke auf dem das Gebäude markiert ist. Zudem trägt der Lageplan diverse Stempel, u.a. einen Stempel "Befristet bis", der handschriftlich mit dem Datum "31.12.96" ergänzt ist (s. auch GA 833). Dieser Stempel bezieht sich auf die bis zum 31. Dezember 1996 befristete Baugenehmigung.

Nach der Besichtigung legte die Beklagte dem Makler des Klägers, dem Zeugen Falk X., ein Angebot zur Versicherung des Kaufhauses vor. Entsprechend diesem Angebot wurde eine dynamische Sach-Gebäudeversicherung geschlossen. Als Versicherungssumme für das Gebäude wurde der gleitende Neuwert basierend auf 444.650,00 Mark (Stand 1914) vereinbart. Dies entsprach einem Neuwert von ca. 3,7 Millionen €. Wegen der Einzelheiten des Versicherungsverhältnisses wird auf den Versicherungsschein vom 3. Juli 2000 nebst Nachtrag vom 12. Dezember 2002 sowie die beigefügten Allgemeinen Versicherungsbedingungen Bezug genommen (Anlagen K 1 und K 2 zur Klageschrift = separates Anlagenkonvolut).

In der Folgezeit erwirkte der Kläger aufgrund eines Antrags vom 9. April 2001 (Anlage B 2 g) eine weitere Verlängerung der Baugenehmigung bis zum 9. April 2003. Mit Wirkung ab 1. Januar 2001 schloss der Kläger bei der Beklagten zusätzlich eine Inhaltsversicherung (Leitzordner Anlage B 1 f) ab, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.

Im Mai 2001 vereinbarte der Kläger mit der Kreissparkasse L. eine Sicherungsübereignung des Gebäudes (GA 275). Im April 2002 kam es zur Gründung der B. Besitz- und Verwaltungs- GmbH (im Folgenden: B. GmbH), an der auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Herr Rechtsanwalt S., beteiligt ist und zu deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers bestellt wurde (Leitzordner Anlage B 2 i).

Am 7. Oktober 2002 schlossen der Kläger und die B. Besitz- und Verwaltungs- GmbH i. G., vertreten durch Rechtsanwalt S. einen "Kaufvertrag über ein (mobiles) Kaufhaus" zum Preis von 330.000 € (Leitzordner Anlage B 2 j). Es heißt u. a., Käufer und Verkäufer seien sich - aufschiebend bedingt - darüber einig, dass der Zeitpunkt des Wirksamwerdens unter anderem von einer Freigabeerklärung der Kreissparkasse L. als Sicherungseigentümerin abhänge. Unter demselben Datum wurde ein "Vertrag über Immobilien- und Mobilien-Leasing" abgeschlossen. Der Kläger verpflichtete sich in diesem Vertrag, für das Kaufhaus und bestimmte Grundstücksflächen monatlich 16.500 € an die B. GmbH zu zahlen.

Am 26. Januar 2003 brannte das Gebäude aufgrund Brandstiftung ab. Die gegen den Kläger in diesem Zusammenhang eingeleiteten Ermittlungsverfahren sind zunächst eingestellt, dann jedoch wieder aufgenommen worden. Die Beklagte hat am 12. Januar 2004 (Leitzordner Anlage B 5 j) die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.

Der Kläger verlangt Zahlung von insgesamt 3.777.432,00 €. Er hat schon im September 2003 Klage auf Zahlung von 230.000,00 € erhoben, nämlich der Abbruchkosten, die der von der Beklagten beauftragte Sachverständige C. ermittelt hatte. Im September 2005 hat der Kläger die Klage erweitert und zusätzlich den von ihm auf 3.547.432,00 € bezifferten Gebäudeschaden (Neuwert) geltend gemacht.

Der Kläger hat behauptet, mit der Stadt E. sei ein langfristiges Fortnutzungskonzept über 15 Jahre vereinbart gewesen, so dass der Erteilung einer erneuten Baugenehmigung nach Fristablauf keine Bedenken entgegengestanden hätten. Schon die O. Versicherung habe das Objekt nach Prüfung der örtlichen Gegebenheiten ohne Beanstandungen zum gleitenden Neuwert in Deckung genommen. Die Kreissparkasse L. sei über die befristete Baugenehmigung informiert gewesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dem Maklerbetreuer K. und damit der Beklagten sei seit dem 20. Januar 2000 aufgrund der Überlassung des Exposés positiv bekannt gewesen, dass für das Objekt lediglich eine befristete Baugenehmigung bestand. Jedenfalls habe er über diesen Umstand nicht ungefragt aufklären müssen, da er ohne versicherungsrechtliche Bedeutung gewesen sei.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 10. Juni 2005 antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 230.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszins seit dem 05.02.2003 zu zahlen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat sodann die Klage erweitert und beantragt,

1. das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 10. Juni 2005 aufrechtzuerhalten,

2. die Beklagte zu verurteilen, weitere Zinsen in Höhe von 10% über dem Basiszinssatz aus 230.000,00 € seit dem 5. Februar 2003 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 3.547.432,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB seit dem 5. Februar 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

unter Aufhebung des Teilversäumnisurteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers wegen diverser Abtretungen an die Kreissparkasse L. und die Volksbank B. eG angezweifelt. Sie hat behauptet, die Brandstiftung sei durch den Kläger bzw. auf seine Veranlassung erfolgt. Der Kläger habe sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden und nicht einmal beabsichtigt, eine - ohnehin nicht zu erwartende - Verlängerung der Baugenehmigung zu erwirken. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei in Bezug auf die Baugenehmigung getäuscht worden, das ihr überlassene Exposé sei keine taugliche Offenbarung.

Mit am 13. Januar 2006 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 10. Juni 2005 abgewiesen. Die Beklagte habe den Vertrag erfolgreich wegen arglistiger Täuschung angefochten. § 16 Abs. 1 VVG verpflichte den Versicherungsnehmer, bei Vertragsschluss alle ihm bekannten Umstände anzuzeigen, die für die Übernahme der Gefahr erheblich seien. Wegen der Einzelheiten und aller tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, das dem Kläger am 18. Januar 2006 zugestellt worden ist. Mit einem am 13. Februar 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. April 2006 am 7. April 2006 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Auffassung, die angefochtene Entscheidung stelle in zivilprozessual verfahrenswidriger Weise und für den Kläger überraschend lediglich auf einen bislang untergeordnet diskutierten Aspekt ab, ohne dass die Parteien darauf hingewiesen worden seien. Es bestünden Bedenken bezüglich der Feststellungen zum subjektiven Tatbestand der arglistigen Täuschung. Das Vorbringen des Klägers, die O. Versicherung (Vorversicherung) habe in Kenntnis der Befristung der Baugenehmigung das Objekt in Deckung genommen, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass dieser Umstand den Abschluss eines Versicherungsvertrages nicht hindere, sei nicht beachtet worden. Rechtsfehlerhaft sei das Gericht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten könne. Die Befristung einer Baugenehmigung sei kein erheblicher Umstand im feuerversicherungsrechtlichen Sinne, da sie weder das zu versichernde Risiko an sich noch den Entschluss eines Versicherers zum Abschluss betreffe. Zu keinem Zeitpunkt habe er davon ausgehen müssen, dass die aus seiner Sicht lediglich formale Frage der Befristung ein versicherungsrechtlich zentral relevanter Umstand gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts Aachen vom13. Januar 2006 - Az. 9 O 538/03 -

1. das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 10.06.2005 aufrechtzuerhalten und

2. die Beklagte zu verurteilen, weitere Zinsen in Höhe von 10% über dem Basiszins aus 230.000,00 € seit dem 5.02.2003 zu bezahlen und

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 3.547.432,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszins gemäß § 288 Abs. 2 BGB seit dem 5.02.2003 zu bezahlen;

4. hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 1,5 Millionen € an die Volksbank B. und im Übrigen bis zur Höhe der Klagesumme an den Kläger selbst zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung. Sie ist der Ansicht, dass es sich bei der befristeten Baugenehmigung evident um einen Umstand gehandelt habe, der bei der Beantragung des Versicherungsschutzes auch ohne ausdrückliche Nachfrage hätte offenbart werden müssen, da er unmittelbar Einfluss auf die Werthaltigkeit des Objekts gehabt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und auf die von den Parteien überreichten Unterlagen Bezug genommen.

Kopie der Akten der Staatsanwaltschaft Dresden Aktenzeichen 414 Js 8283/04 (bis Bl. 564) und 414 Js 12478/04 (6 Bände bis Band VI Bl. 74) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

A.

Die Berufung ist zulässig (§§ 517, 519, 520 ZPO), aber unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, denn der Versicherungsvertrag, aus dem die Ansprüche allein hergeleitet werden können, ist infolge der wirksamen Anfechtung der Beklagten nichtig, §§ 123, 142 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat die Beklagte, indem er die befristete Baugenehmigung verschwieg, über den möglicherweise drohenden Abriss und damit insbesondere den Wert des zu versichernden Gebäudes arglistig getäuscht.

1. Die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung setzt eine Täuschung zum Zweck der Erregung eines Irrtums voraus. Die Täuschung kann sowohl durch das Vorspiegeln oder Entstellen, als auch durch das Verschweigen von Tatsachen begangen werden. Kommt - so wie hier - nur eine Täuschung durch das Verschweigen eines nicht erfragten Umstandes in Betracht, so kann eine Täuschung nur bejaht werden, wenn eine Aufklärungspflicht bestand, die ihre Grundlage in § 242 BGB hat (ständige Rechtsprechung vgl. z. B. BGH Urt. v. 8.12.1999 - I ZR 230/97, NJW 2000, 2497 ff = VersR 2000, 1043 ff.). Eine derartige Pflicht zur Offenbarung hat die Rechtsprechung für die einem Vertragsschluss vorhergehenden Verhandlungen (vgl. z. B. BGH Urt. v. 13.12.1990 - III ZR 333/89 - NJW-RR 1991, 439 ff.) in Bezug auf solche Umstände angenommen, die zur Vereitelung des Vertragszwecks führen können und daher für die Entschließung des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sind. Die Offenbarungspflicht setzt stets voraus, dass das Verschweigen der in Rede stehenden Umstände gegen Treu und Glauben verstoßen würde und der Erklärungsgegner die Mitteilung der verschwiegenen Tatsache nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (BGH a.a.O. und Urt. v. 8.12.1999 m.w.Nachw.; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 123 Rdn. 5, 5a). Dies ist bei besonders wichtigen Umständen der Fall. Das sind solche, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Nach diesen Maßstäben war der Kläger verpflichtet, die Beklagte - in der Person des Zeugen K. - über den Inhalt der ihm durch den Bescheid vom 6. Mai 1999 erteilten (befristeten) Baugenehmigung zu unterrichten, denn diese beeinflusste die voraussichtliche restliche Nutzungsdauer des Gebäudes, die ihrerseits für den Wert des Gebäudes und damit auch für die Versicherungssumme bedeutsam war.

Durch die befristete Baugenehmigung war das Gebäude von vornherein dauerhaft entwertet. Eine dauerhafte Entwertung eines Gebäudes kann sich sowohl aus subjektiven als auch aus objektiven Tatsachen ergeben. Gründe, die außerhalb der Bausubstanz liegen und den Verkehrswert betreffen, können - sofern sie nicht nur vorübergehender Natur sind - eine objektive Entwertung begründen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, § 22 Rdn. 1). Die befristete Baugenehmigung stellt einen derartigen Grund dar. Aufgrund der Befristung war die öffentlichrechtliche Situation des Gebäudes ungesichert und damit die Restnutzungsdauer am konkreten Ort unklar. Dies minderte in erheblicher Weise den Verkehrswert des Gebäudes und war daher z. B. einem eventuellen Käufer zweifelsfrei mitzuteilen. Soweit der Kläger meint, eine entsprechende Offenbarungspflicht habe gegenüber der Beklagten nicht bestanden, ist dies letztlich nicht nachvollziehbar. Insoweit kommt es nicht entscheidend auf versicherungsrechtliche Fragen an - wie etwa auf die Frage, ob der Neuwert überhaupt Versicherungswert sein konnte, oder ob wegen dauernder Entwertung nur der gemeine Wert (vgl. § 5 Nr. 1 c AFB 87) Versicherungswert war. Allein der Umstand, dass die baurechtliche Situation infolge der Befristung ungesichert war, war ein Wertfaktor, über den der Kläger redlicherweise hätte aufklären müssen. Ob und mit welchem Grad an Sicherheit der Kläger zur Zeit der Vertragsverhandlungen im Januar 2000 mit einer weiteren Verlängerung der bis zum 5. Mai 2001 befristeten Genehmigung rechnen durfte, ist unerheblich. Der Kläger hätte schließlich auch die insoweit gegebenen Umstände mitteilen können, aus denen er seine Erwartungen herleitete. Jedenfalls hätte er es der Beklagten überlassen müssen, welchen Einfluss die - offenbarten - Besonderheiten für ihre Bereitschaft zum Vertragsschluss hatten. Er durfte seine Bewertung nicht an die Stelle einer eigenen Beurteilung durch die Beklagte setzen.

Die Befristung der Baugenehmigung berührte nicht nur die Frage, welchen Wert das Gebäude hatte, sondern auch die Frage, für welchen Zeitraum es zu versichern war. Auch insoweit hatte die Beklagte keine Gelegenheit und keinen Anlass, die vereinbarte - sich bei fehlender Kündigung automatisch verlängernde - Laufzeit mit Rücksicht auf die bestehenden Besonderheiten zu prüfen.

Ob und welche Konsequenzen die Beklagte bei entsprechender Aufklärung im Hinblick auf die Vertragsdauer, die Einschätzung des Zeitwerts, die Versicherung zum Neuwert und etwa erhöhte Risiken durch möglicherweise geringere Sorgfalt des Eigentümers bei der Erhaltung der Sache (vgl. hierzu in Einzelnen unter Ziffer 3) gezogen hätte, hatte der Kläger allein der Entschließung der Beklagten zu überlassen.

Soweit der Kläger meint, er sei durch die Übermittlung des Exposés und des darin enthaltenen Lageplans seiner Pflicht zur Offenbarung nachgekommen und die Beklagte habe von dem entscheidenden Umstand durch den Erhalt der Unterlagen Kenntnis gehabt, kann dem nicht gefolgt werden.

Kenntnis von bestimmten Umständen ist nicht schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit einer Kenntniserlangung besteht. Die Beklagte ist durch die Überreichung des Lageplans nicht auf einen Auslauf der Baugenehmigung im Mai 2001 hingewiesen worden. Der Lageplan enthält keine solche Angabe.

Die Beklagte musste dem Plan auch nicht zwangsläufig entnehmen, dass die Baugenehmigung ursprünglich bis zum 31. Dezember 1996 befristet war. Ein Lageplan wird im Rahmen eines Exposés vorgelegt, um die Grundstückssituation zu erläutern, auf der ein zu versicherndes (in anderen Fällen: ein zu verkaufendes oder zu vermietendes) Gebäude sich befindet. Er soll keine Aufklärung in Bezug auf die - vom Versicherer als Normalfall vorausgesetzte - baurechtliche Genehmigung des zu versichernden Gebäudes verschaffen und wird dementsprechend von vornherein nicht so gelesen wie dies der Fall wäre, wenn Informationen zur Baugenehmigung erwartet oder gar gesucht würden. Hinzu kommt, dass der Stempel, aus dem der Kläger die Informationserteilung herleiten will, keineswegs auffallend war. Es handelt sich um einen von mehreren Stempeln. Inhaltlich ist nicht einmal erkennbar, auf was die Befristung sich bezog, denn das Wort Baugenehmigung taucht nicht auf. Selbst wenn der Zeuge K. den Stempel bemerkt hätte, lag es nahe, davon auszugehen, dass er überholt war. Das Exposé wurde dem Makler der Beklagten am 20. Januar 2000 zur Verfügung gestellt. Die dem Stempel zu entnehmende Befristung bis zum 31. Dezember 1996 war damit bei Vorlage der Kopie schon abgelaufen. Man musste, da es das Gebäude nach wie vor gab, annehmen, dass die Genehmigung inzwischen endgültig erteilt war.

Der Kläger meint zu Unrecht, die Beklagte habe "nachfragen" müssen. Zu einer Nachfrage hätte sie nur Anlass gehabt, wenn sie mit der Möglichkeit einer befristeten Baugenehmigung rechnete oder hätte rechnen müssen. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Beklagte hat keine schriftlichen Fragen gestellt, sondern sich vor Ort durch den Maklerbetreuer K. von den Gegebenheiten überzeugt und die ihr insoweit erforderlich erscheinenden Informationen erbeten.

Aus den Gesprächen mit dem Makler des Klägers - der unstreitig selbst von der Befristung keine Kenntnis hatte - ergab sich kein weiterer Erkundigungsbedarf. Insbesondere musste die Beklagte nicht deshalb nachfragen, weil das Kaufhaus auf verschiedenen Grundstücken errichtet war, deren Eigentümer nicht der Kläger war, denn das Auseinanderfallen von Grundstücks- und Gebäudeeigentum hat keinen Einfluss auf die bauplanungs- oder ordnungsrechtliche Situation und damit auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Objektes, so dass auch bei Kenntnis dieser Situation sich eine Nachfrage nicht aufgedrängte. Dass die Beklagte den Vertrag schloss, obwohl der Kläger die Grundstücke nur gepachtet hatte, rechtfertigte auch nicht die Erwartung, sie rechne ohnehin mit der Möglichkeit, dass das Gebäude in seinem dauerhaften Bestand bedroht sei. Es ist nicht ungewöhnlich, ein Gebäude auf einem Grundstück zu errichten, das im Eigentum Dritter steht. Für Fälle von Erbpacht ist diese Situation seit jeher geläufig. Nach der Wiedervereinigung waren andere Umstände für solche Gegebenheiten ursächlich. Hätte (auch oder zusätzlich) der Inhalt der Pachtverträge den Fortbestand des Gebäudes als zweifelhaft erscheinen lassen, so hätte der Kläger auch hierauf hinweisen müssen.

2. Soweit der Kläger Bedenken hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts zum subjektiven Tatbestand der arglistigen Täuschung anmeldet, sind diese nicht gerechtfertigt. Der Kläger handelte arglistig im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB. Arglist setzt einen Täuschungswillen voraus. Es genügt insoweit bedingter Vorsatz. Der Täuschende muss seine Obliegenheit zur Offenbarung kennen und es für möglich halten, dass der andere Teil durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, die andernfalls nicht oder nur zu anderen Bedingungen erfolgt wäre (Palandt/Heinrichts, a.a.O., § 123 Rdn. 11 m. Nachw.).

a. Bei dem Kaufhaus, das der Kläger wiederholt als "mobil" bezeichnet, handelt es sich nicht um ein Gebäude, das ohne weiteres versetzt werden kann - wie dies etwa bei Containern der Fall ist oder bei Eigenheimen, die auf Spezialfahrzeugen versetzt werden können. Schon die Größe des Gebäudes lässt eine "Umsiedlung" nicht zu. Dementsprechend hatte der Kläger gegenüber der Verkäuferin, von der er das Gebäude erwarb, auch keine Pflicht zur Versetzung des Gebäudes, sondern zum Abriss übernommen. Der Kläger behauptet auch nicht, dass das Kaufhaus nach einem Abriss noch als Gebäude anzusehen gewesen wäre. Dementsprechend hätte eine Verpflichtung zum Abriss zur Entwertung des Gebäudes geführt. Das sieht der Kläger nicht anders.

Dem Kläger war die Befristung der Baugenehmigung und damit auch die zumindest als möglich anzusehende Gefahr einer Entwertung des Gebäudes bekannt. Nach der Überzeugung des Senats hatte er - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des von ihm gezahlten "Preises" - auch die Vorstellung, die Nichtaufklärung könne für die Willensbildung der Beklagten von Bedeutung sein, d.h. dass die Beklagte möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter anderen Bedingungen annehmen werde, wenn er sie über die befristete Baugenehmigung unterrichtete. Insoweit erlaubt die erhebliche Bedeutung der Befristung gerade für die Frage des Gebäudewertes einen Rückschluss auf das Bewusstsein des Klägers, dass es sich um einen für die Beklagte wesentlichen Umstand handelte.

Da es sich bei der Arglist um einen inneren Vorgang handelt, ist der Beweis nur durch Indizien zu führen. Zwar gilt, dass allein aus der Tatsache, dass die Befristung verschwiegen wurde, nicht auf Arglist des Klägers geschlossen werden kann. Der Tatrichter kann dennoch im einzelnen Fall auf Grund seiner Lebenserfahrung aus bestimmten Indizien wie Art, Schwere, Zweckrichtung und Bedeutung der Falschangabe die volle Überzeugung gewinnen, dass derjenige, der eine Täuschung vorgenommen hat, tatsächlich auch die Vorstellung hatte, er wirke in unlauterer Weise auf den Willen des Vertragspartners ein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1957 - II ZR 56/56 - NJW 1957, 988) Eine solche Überzeugung drängt sich im vorliegenden Fall geradezu auf.

Die Tatsache, dass der Kläger grundsätzlich mit Ablauf der Befristung am 5. Mai 2001 im Falle der Nichterteilung einer erneuten Baugenehmigung zum Abriss des Kaufhauses verpflichtet gewesen wäre, genügt bereits, um den Vorwurf der Arglist zu begründen. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Baugenehmigung tatsächlich nochmals verlängert wurde. Allein maßgeblich für die Beurteilung seines Verhaltens ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger schon nach dem Inhalt der maßgeblichen befristeten Genehmigung nicht sicher sein, dass ihm nach Ablauf eine neue Genehmigung erst recht nicht eine unbefristete erteilt würde. Ihm war klar, dass er - trotz der positiven Einstellung der Stadt gegenüber dem Objekt und trotz möglicherweise getroffener Vereinbarungen hinsichtlich eines längeren Nutzungskonzepts - keinen Rechtsanspruch auf Neuerteilung hatte. Die öffentlichrechtliche Situation war damit für die Zukunft ungeklärt. Es musste dem Kläger klar sein, dass der Umstand der Befristung einer Baugenehmigung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten von entscheidender Bedeutung war. Dass der Kläger als Kaufmann trotz allem diesen Umstand nicht offenlegte und vielmehr das Gebäude ca. 1 Jahr vor Ablauf der Befristung in Millionenhöhe versichern ließ, lässt den Schluss auf die Arglist des Klägers zu. Es kann bei dieser Sachlage ausgeschlossen werden, dass der Kläger der Meinung war, die Befristung sei für die Bewertung und damit für die Willensentscheidung der Beklagten bedeutungslos.

Sollte der Kläger den Lageplan mit dem Stempel, aus dem sich eine Befristung bis zum 31. Dezember 1996 ergab, der Beklagten in der Absicht zugeleitet haben, sich später auf eine Offenbarung der Befristung berufen zu können, so würde dies nicht gegen, sondern sogar eher für Arglist sprechen. Sollte er den Lageplan nämlich mit der fraglichen Absicht vorgelegt haben, so bedeutete dies, dass er die Beklagte formal in die Lage versetzen wollte, den fraglichen Wertfaktor erkennen zu können. Bei einer solchen Willensrichtung nahm der Kläger billigend in Kauf, dass die Beklagte den Stempel übersehen und dann den Vertrag schließen würde. Er billigte also den Fall, dass sie im Vertrauen auf eine (normale) unbefristete Baugenehmigung einen Vertrag abschließen würde, den sie bei Kenntnis der Befristung nicht geschlossen hätte. Dies bedeutete ein Handeln mit bedingtem Vorsatz (vgl. BGH Urteil vom 28.4.1971 - VIII 258/69 - NJW 1971, 1795 ff. juris Rn.30), was ausreicht, um Arglist zu bejahen.

b. Soweit der Kläger sich darauf beruft, er sei gutgläubig davon ausgegangen, die Befristung sei versicherungsrechtlich und damit für die Beurteilung der Beklagten nicht von Bedeutung gewesen, fehlt es an Umständen, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, dass der Kläger die für ihn bestehende Offenbarungspflicht nicht erkannte. Der Kläger wusste um die Bedeutung der möglichen Abrisspflicht für den Wert des Gebäudes. Ob und aus welchen Gründen ein Vorversicherer das Kaufhaus zu "denselben Konditionen" versichert hatte, ist nicht von Bedeutung. Der Kläger hatte keinen Anlass anzunehmen, die Beklagte werde ohne weiteres und unbesehen einen Vertrag mit ihm schließen, der demjenigen entsprach, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht fortgeführt wurde. Indem die Beklagte den Zeugen K. mit einer Objektbesichtigung beauftragte, traf sie erkennbar eigene Feststellungen zur Risikoeinschätzung und war insoweit auf vollständige und zutreffende Informationen des Klägers angewiesen. Ob der Vortrag des Klägers zum Zustandekommen und zum Inhalt des Vorvertrages überhaupt als substantiiert anzusehen ist, kann dementsprechend dahinstehen.

c. Der Kläger behauptet, seine Banken über die Befristung der Baugenehmigung informiert zu haben. Da diese den Umstand als bedeutungslos behandelt hätten, habe er keinen Anlass gehabt, die Beklagte zu informieren. Diese Argumentation ist schon deshalb nicht wirklich verständlich, weil der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, die den Inhalt der Verhandlungen mit den Banken und die daraus vom Kläger für die Verhandlungen mit der Beklagten getroffenen Rückschlüsse nachvollziehbar machen könnten. Dies gilt schon für den zeitlichen Ablauf. Die Sicherungsübereignung an die Kreissparkasse L. erfolgte am 9. Mai 2001, also nach den Verhandlungen mit der Beklagten und nach einer weiteren Verlängerung der Baugenehmigung. Dass die Volksbank B. zu einem früheren Zeitpunkt eingeschaltet wurde, ist nicht ersichtlich. Was die inhaltliche Seite der Behauptungen angeht, ist keine Substantiierung erfolgt. Der Kläger hat zum Inhalt der von ihm den Banken erteilten Informationen nichts substantiiert vorgetragen, obwohl die Beklagte seine Darstellung bestritten und darauf hingewiesen hat, dass bei zutreffenden Informationen nicht verständlich sei, dass das vom Kläger bei der Kreissparkasse L. eingereichte Gutachten des Sachverständigen K. vom 29. Juli 1999 (Anlage B 2 h) eine Restnutzungsdauer von 44 Jahren annimmt.

d. Zu Unrecht meint der Kläger, Arglist sei zu verneinen, weil er darauf habe vertrauen dürfen, dass die Beklagte nach der Befristung der Baugenehmigung fragen werde, wenn es ihr darauf ankomme. Diese Argumentation verkennt bereits, dass eine Nachfrage nur angezeigt sein kann, wenn Umstände bekannt sind, die Anlass für eine Nachfrage geben. Umstände, die Anlass zur Nachfrage geben konnten, waren aber nicht etwa schon deshalb bekannt, weil der Lageplan in Händen der Beklagten war. Die Art des Stempels (einer von vielen und ohne Erwähnung des Begriffs "Baugenehmigung) und sein Inhalt (eine in der Vergangenheit abgelaufene Befristung) waren so unauffällig, dass der Kläger damit rechnen musste, der Stempel werde unbemerkt bleiben. Blieb er dies, so ist die Berufung darauf, er sei doch vorgelegt worden und man habe ja nachfragen können, letztlich treuwidrig. Hierauf wurde bereits eingegangen.

Im Übrigen kann die Argumentation des Klägers auch aus Rechtsgründen keinen Erfolg haben. Es entspricht inzwischen gesicherter Rechtsprechung, dass Arglist und die Rechtsfolgen der Arglist auch dann zu bejahen sind, wenn der Versicherer die Täuschung durch eine (gebotene) Nachfrage hätte vermeiden können. Die anders lautende frühere Rechtsprechung (BGH Urteil vom 25.3.1992 - IV ZR 55/91 - BGHZ 117, 385) ist inzwischen ausdrücklich aufgegeben worden (BGH Beschluss vom 15.3.2006 - IV ZA 26/05 - VersR 2007, 96; BGH Urteil vom 10.10.2001 - IV ZR 6/01 - VersR 2001, 1541 f; BGH Urteil vom 7.3.2001 - IV ZR 254/00 - VersR 2001, 620 ff).

3. § 123 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Täuschung für die Entschließung des Anfechtenden ursächlich war. Dies ist hier gegeben.

Als Versicherungssumme für das Gebäude haben die Parteien den gleitenden Neuwert basierend auf 444.650,00 Mark (Stand 1914) vereinbart und damit unstreitig einen Neuwert von rund 3,7 Mio. € angenommen. Dieser Neuwert ist - soweit er den Zeitwert übersteigt (sogenannte Neuwertspitze) - vom Versicherer nur dann zu zahlen, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 der vereinbarten AVDSG vorliegen, wenn also die Wiederherstellung des Gebäudes in gleicher Art und Zweckbestimmung sichergestellt ist. Bei Kenntnis der befristeten Baugenehmigung hätte die Beklagte den Antrag des Klägers jedenfalls darauf überprüft, ob eine Versicherung zum gleitenden Neuwert angezeigt erschien, oder ob von anderen Möglichkeiten (vgl. § 5 Nr. 2 AVDSG) Gebrauch zu machen war. Nach Darstellung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung wäre ein Vertragsschluss überhaupt nicht zustande gekommen, weil sie generell Gebäude mit befristeter Genehmigung nicht in Deckung nimmt (jedenfalls damals nicht in Deckung nahm). Ob dies zutrifft, kann dahinstehen. Dass die Risikolage für derartige Gebäude anders ist als für solche mit unbefristeter Genehmigung liegt auf der Hand. Schon der Umstand, dass ein Gebäudeeigentümer damit rechnen muss, unter Umständen keine Verlängerung der erteilten Baugenehmigung zu erreichen, kann sich auf Investitionen etwa bei Instandhaltungsaufwendungen auswirken, was wiederum Folgen für die Gebäudesubstanz und damit für die versicherten Risiken hat. Ob ein Versicherer im Fall befristeter Genehmigungen darüber hinaus auch die Gefahr eines etwa auf Brandstiftung beruhenden Schadens anders einschätzt, kann dahinstehen.

Dass die Beklagte, ob im konkreten Fall des Klägers zu Recht oder zu Unrecht, auch die Befürchtung haben konnte, der Versicherungsnehmer könne in einem Fall möglicherweise drohenden Abrisses des Gebäude die damit verbundenen Folgen durch eigenen Eingriff, etwa durch Brandstiftung, abwenden, ist im Übrigen keineswegs fernliegengrundliegend.

Soweit der Kläger - unter Bezug auf § 7 Abs. 7 a AVDSG in Verbindung mit der vereinbarten Klausel 303 G über Mehrkosten durch behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen - meint, schon daraus, dass auch ein Wiederaufbau des Gebäudes an anderer Stelle versichert gewesen sei, ergebe sich, dass die Befristung der Baugenehmigung am konkreten Versicherungsort bedeutungslos gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie ausgeführt, hat die befristete Baugenehmigung Auswirkungen auf den Wert des Gebäudes und darüber hinaus auf die Einschätzung der Entwicklung bestimmter Risiken. Dass die Beklagte möglicherweise - bei Sicherstellung der Wiederherstellung im Sinne des § 7 Abs. 7 AVDSG - dem Kläger den Betrag hätte zahlen müssen, den er für den Wiederaufbau des Kaufhauses an anderer Stelle hätte aufwenden müssen, zeigt letztlich nicht, dass die befristete Genehmigung bedeutungslos war, sondern vielmehr, dass sie von größter Bedeutung war, wenn man die Interessen des Klägers wertet, der damit rechnen musste, das Gebäude am Versicherungsort schon relativ bald nach Vertragsschluss nicht weiter nutzen zu können. Wenn es ihm also - entsprechend seiner eigenen Darstellung - darum ging, gerade für diesen Fall den Wiederaufbau an anderer Stelle sicherzustellen, waren seine wirtschaftlichen Interessen anders als die eines "normalen" Versicherungsnehmers, dem es in erster Linie um den Erhalt des Gebäudes am Versicherungsort geht. Ein Wiederaufbau an anderer Stelle bildete hingegen für den Kläger bei Vertragsschluss eine günstige Alternative zu den ansonsten erforderlichen Verhandlungen mit den Ämtern und den Grundstückseigentümern. Die sich aus der besonderen Situation des Klägers ergebenden Besonderheiten bedurften dann aber gerade wegen des in Betracht kommenden Wiederaufbaus an anderer Stelle einer Wertung und konnten nicht als unerheblich eingeordnet werden. Ob die Ansicht des Klägers zu den von ihm erwarteten Folgen der vereinbarten Bedingungen zutrifft, bedarf keiner Erörterung.

Der Kläger meint, es sei für die Beklagte unerheblich gewesen, wenn er nach Ablauf der Baugenehmigung zum Abriss aufgefordert worden wäre; eine bestandskräftige Abrissverfügung habe ja ohnehin dazu geführt, dass ein Risikowegfall und Leistungsfreiheit vorliege. Diese Argumentation überzeugt nicht. Der Kläger betont, es habe bei Vertragsschluss (und später) keine Abrissverpflichtung gegeben. Um die Situation nach einer bestandskräftigen Abrissverfügung kann es dementsprechend bei der Beurteilung seiner Mitteilungspflichten bei Vertragsschluss nicht gehen. Selbst wenn der Kläger rechtlich zutreffend argumentieren würde, blieb bis zur Bestandskraft einer Abrissverpflichtung eine Leistungspflicht der Beklagten bestehen. Gerade um diese Leistungspflicht ging es dem Kläger.

Im Übrigen fehlt es aber auch an einer rechtlichen Grundlage für die aufgezeigte Argumentation. Der Kläger hat sich zu ihrer Untermauerung in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 94 bezogen (die Entscheidung wurde von ihm unter Angabe der Fundstelle fälschlich dem BGH zugeordnet). Aus dieser Entscheidung, die in Einklang steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. vom 6.6.1984 - IVa ZR 149/82 - VersR 1984, 843 f = NJW 1984, 2696 f.), ergibt sich jedoch nur, dass eine rechtskräftige Abrissverfügung zur dauernden Entwertung des Gebäudes im Sinne des § 3 Abs. 2 a S. 2 AFB führen kann, im vorliegenden Fall zur dauernden Entwertung im Sinne des § 5 Abs. 3 AVDSG. Dies bedeutet aber nicht Eintritt der Leistungsfreiheit, sondern nur eine Beschränkung der Leistungspflicht auf andere Werte. Dies ändert aber nichts daran, dass bereits eine möglicherweise drohende Abrissverpflichtung, die der Kläger für den Fall, dass die Baugenehmigung nicht verlängert wurde, vertraglich übernommen hatte, den Wert des Gebäudes im Geschäftsverkehr minderte und Einfluss auf den Abschluss und die Modalitäten des Versicherungsvertrags haben konnte.

4. Die Beklagte hat die Anfechtung wirksam und innerhalb der maßgeblichen Jahresfrist erklärt.

Die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ist damit eingetreten, so dass der Kläger keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag hat.

Ob das Landgericht - wie vom Kläger gerügt - gegen § 139 ZPO verstoßen hat, ist unerheblich, weil der Kläger im Berufungsverfahren zu den vermissten (und durch das Urteil erteilten) Hinweisen Stellung nehmen konnte.

Die Berufung bleibt nach alledem ohne Erfolg, ohne dass es auf die Frage der Eigenbrandstiftung (§ 61 VVG) ankommt.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO. Unter welchen Voraussetzungen beim Abschluss von Verträgen Aufklärungspflichten bestehen und Arglist zu bejahen ist, ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt. Der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, die gefestigten Grundsätze in Zweifel zu ziehen oder gar von ihnen abzuweichen.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund der Schriftsätze des Klägers vom 21.2., 18.4. und 2.5.2007 und der Beklagten vom 25.4. und 14.5.2007, die eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen, ist nicht angezeigt.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.777.432,00 €

Ende der Entscheidung

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