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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.11.2003
Aktenzeichen: 9 U 32/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VGB 88


Vorschriften:

ZPO § 303
ZPO § 543 Abs. 2
BGB § 123
BGB § 166
VGB 88 § 21
VGB 88 § 21 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 32/03

Anlage zum Protokoll vom 18.11.2003

Verkündet am 18.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, die Richterin am Oberlandesgericht Keller und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 9. Januar 2003 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 421/00 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die im aufrechterhaltenen Versäumnisurteil der 24. Zivilkammer vom 13. Juni 2002 - 24 O 421/00 - enthaltene Feststellung (erster Absatz des dortigen Urteilstenors) entfällt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Versicherungsnehmers X auf Entschädigung in Anspruch nach einem unstreitigen Leitungswasserschaden, der nach den VGB 88 versichert ist. Der Kläger forderte die Bezahlung einer eigenen Rechnung über 26.311,82 DM und der Rechnung einer Firma D über 3.257,88 DM. Tatsächlich hat eine Firma D jedoch damals keine Leistungen erbracht, wie inzwischen unstreitig ist.

Nach Einreichung der Klageschrift haben die Parteien sich geeinigt und am 25.1.2001 einen Vergleich protokollieren lassen, in dem die Beklagte sich zur Zahlung von 24.257,88 DM verpflichtete. Nach erfolgter Zahlung hat die Beklagte erfahren, daß eine Firma D keine Arbeiten ausgeführt hatte und daß der Kläger selbst auf fremdem Briefpapier die Rechnung dieser Firma verfaßt hatte. Die Beklagte hat daraufhin den Vergleich wegen arglistiger Täuschung angefochten, zumal ihr Versicherungsnehmer ihr inzwischen mitgeteilt hatte, daß die vom Kläger ausgeführten Arbeiten nicht den in seiner eigenen (und der fremden) Rechnung ausgewiesenen Umfang hätten. Die Beklagte hat darauf die Fortsetzung des Rechtsstreits beantragt, sie hat mitgeteilt, der Vergleich sei angefochten. Außerdem hat sie einen Antrag auf Erlaß eines Zwischenurteils zur Unwirksamkeit des Vergleichs angekündigt und den Klageabweisungsantrag nicht ausdrücklich wiederholt.

Das Landgericht hat im daraufhin anberaumten Verhandlungstermin ein Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen, mit dem die Unwirksamkeit des Vergleichs festgestellt und die Klage abgewiesen wurde.

Gegen das ihm am 19.6.2002 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger am 24.6.2002 Einspruch eingelegt, ohne einen neuen Sachantrag anzukündigen.

Das Landgericht hat mit dem am 9. Januar 2003 verkündeten Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, das Versäumnisurteil aufrechterhalten und ausgeführt, die Beklagte sei leistungsfrei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der behauptet, alle in Rechnung gestellten Arbeiten seien auch ausgeführt worden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 9.1.2003 - 24 O 421/00 - das Versäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 13.6.2002 - 24 O 421/00 aufzuheben, die Zwischenfeststellungswiderklage als unzulässig abzuweisen, festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 24.257, 88 DM erledigt ist und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.715,89 € nebst 10,5 % Zinsen seit dem 5.12.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 30. September 2003 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Sie führt nur zu einer klarstellenden Korrektur des Urteilstenors, die inhaltlich keine Auswirkungen hat.

A. Dem Antrag, die Zwischenfeststellungsklage als unzulässig abzuweisen, ist nicht stattzugeben, denn eine Zwischenfeststellungsklage ist als solche nicht erhoben worden.

Der Antrag des Klägers, Zwischenfeststellungsklage als unzulässig abzuweisen, bezieht sich auf die im Versäumnisurteil unter I im Tenor erfolgte Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs. Der fragliche Ausspruch ist als deklaratorisch zu werten. Die in ihm zum Ausdruck gekommene Würdigung der rechtlichen Situation in Bezug auf den gerichtlich protokollierten Vergleich war Voraussetzung für die sodann unter II erfolgte Klageabweisung. Bei richtiger Sachbehandlung hätte das Landgericht den Feststellungsantrag der Beklagten als einen bloßen Antrag auf Fortsetzung des Rechtsstreits behandeln müssen (vgl. z.B. Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 794 Rn. 37). Die Frage, ob der Vergleich (noch) wirksam war, war eine bloße Vorfrage, über die durch ein Zwischenfeststellungsurteil nach § 303 ZPO hätte entschieden werden können (Putzo a.a.O. Rn. 39), wenn man die Unwirksamkeit des Vergleichs bejahte, den Rechtsstreit aber noch nicht als entscheidungsreif ansah. In einem die Klage abweisenden Urteil bestand für die fragliche Feststellung aber kein Anlaß und kein Bedarf mehr.

Der im Schriftsatz vom 13. März 2002 von der Beklagten formulierte Antrag auf Erlaß eines Zwischenurteils war insbesondere nicht als eine (Wider-)Klage zu verstehen. Er stellte letztlich eine Anregung dar, in bestimmter Weise prozessual vorzugehen. Er stand ersichtlich in Zusammenhang mit dem vorrangig gestellten Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens.

Zur Klarstellung wird der entbehrliche, feststellende Ausspruch im Versäumnisurteil nunmehr aufgehoben.

B. Die Klage ist vom Landgericht im Ergebnis zutreffend abgewiesen worden.

Der Kläger geht selbst davon aus, daß der Vergleich wirksam angefochten ist, so daß der Rechtsstreit fortzusetzen war. Auf das Urteil des Landgerichts wird insoweit Bezug genommen. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich. Die Voraussetzungen des § 123 BGB liegen vor.

Dem nunmehr vom Kläger gestellten Antrag, die Erledigung des Rechtsstreits in Höhe der (auf der Grundlage des Vergleichs) erfolgten Zahlung festzustellen und die Beklagten zur Zahlung der darüber hinausgehenden ursprünglichen Klageforderung zu verurteilen, ist nicht stattzugeben. Die Klage war von Anfang an unbegründet, so daß eine Erledigung nicht eintreten konnte und weitere Forderungen nicht bestehen.

Die Beklagte ist nach § 21 Abs. 1 VGB 88 leistungsfrei.

In der Berufungsinstanz hat die Beklagte die vom Kläger ("i. V. + i. A.") für den Versicherungsnehmer ausgefüllte und unterschriebene Schadenanzeige vom 4.12.1999 vorgelegt, mit der die Beklagte gleichzeitig die streitgegenständlichen Rechnungen erhielt. Durch die Übersendung der Rechnungen wurde die Beklagte darüber getäuscht, welche Firmen für den Versicherungsnehmer im Zuge der Schadensbehebung tätig waren. Die Täuschung erfolgte vorsätzlich. Sie war vom Kläger gewollt. Die Frage, welche Motivation der Täuschung zugrunde lag, ist ohne Einfluß auf die Frage, ob ein vorsätzliches Vorgehen vorlag. Ob es dem Kläger auf eine Täuschung der Beklagten oder auf eine Täuschung seines Auftraggebers (also des Versicherungsnehmers der Beklagten) ankam, kann dahinstehen. Darauf, daß die Ausführungen zu der Motivation, die Anlaß zu einer Täuschung des Auftraggebers gegeben haben soll, nicht recht nachvollziehbar sind, weil mit dem Auftraggeber nicht mehr abgerechnet werden sollte und mußte, nachdem dieser ihm seine Ansprüche gegen den Versicherer abgetreten hatte, kommt es dementsprechend nicht an.

Der Kläger hat die Beklagte vorsätzlich darüber getäuscht, welche Firmen zur Schadensbehebung tätig wurde, also über Tatsachen, die für den Grund und die Höhe der Entschädigung von Bedeutung waren. Die Voraussetzungen der Arglist liegen auch dann vor, wenn weder eine Bereicherungsabsicht des Klägers noch eine Schädigung der Beklagten gewollt waren (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 123 Rn. 2). Das täuschende Verhalten des Klägers führt zur Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 21 VGB 88, denn es ist ihrem Versicherungsnehmer zuzurechnen. Der Kläger trat als Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers auf, als er die Schadenanzeige ausfüllte. Insoweit findet (so Knappmann VersR 1997, 261, 265) § 166 BGB entsprechende Anwendung. Die von einem Wissenserklärungsvertreter begangene arglistige Täuschung muß dem Versicherungsnehmer wie eine von ihm selbst begangene Täuschung zugerechnet werden. In dem Sinne ist vielleicht auch das vom Landgericht herangezogene Zitat (Prölss in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 15 Rn. 16) zu verstehen, in dem es heißt, nach einer Abtretung habe der Versicherer außerdem die in der Person des neuen Gläubigers begründeten Einwendungen. Nicht gefolgt werden kann den Ausführungen des Landgerichts, soweit der Kommentarstelle entnommen werden soll, nach einer Abtretung treffe den Zessionar die Verpflichtung zur Erfüllung von Obliegenheiten. Das ist so nicht zutreffend und dort auch nicht gemeint (vgl. Prölss a.a.O. Rn. 15; wie hier auch Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. § 15 Rn. a. E.). Der Versicherungsnehmer bleibt nach der Abtretung zur Erfüllung von Obliegenheiten verpflichtet. Wenn er allerdings den Zessionar bevollmächtigt, den Versicherungsfall abzuwickeln, so liegt hierin der Grund für die Zurechnung falscher Erklärungen.

Besondere Umstände, die einer vollständigen Leistungsfreiheit entgegenstehen könnten, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich (vgl. zu besonderen Konstellationen, in denen eine vollständige Leistungsfreiheit unbillig sein kann, z. B. Knappmann in Prölss/Martin, a.a.O. zu § 22 VHB 84 Rn. 2).

Ein Anlaß, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 15.118,75 €

Ende der Entscheidung

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