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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.10.1999
Aktenzeichen: 9 U 37/99
Rechtsgebiete: AKB, VVG, ZPO


Vorschriften:

AKB § 7 I Abs. 2 Satz 3
AKB § 7 V Abs. 4
AKB § 13 Abs. 1
VVG § 6 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 37/99 24 O 129/98 Landgericht Köln

Anlage zum Protokoll vom 19.10.1999

Verkündet am 19.10.1999

Meinecke, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, die Richterin am Oberlandesgericht Keller und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. März 1999 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 129/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist im Ergebnis mit Recht abgewiesen worden. Dem Kläger steht wegen der behaupteten Entwendung des Fahrzeuges Mazda Xedos 6 mit dem amtlichen Kennzeichen........ kein Anspruch aus der Kaskoversicherung zu. Die Beklagte ist wegen Obliegenheitsverletzung von der Verpflichtung zur Leistung frei, §§ 7 I Abs. 2 Satz 3, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 Satz 1 VVG.

Der Kläger hat in dem "Zusatzfragebogen bei Fahrzeugentwendungen" die Gesamtlaufleistung seines Fahrzeuges fälschlich mit "ca. 39.000" angegeben, obwohl sie nach der eigenen Darstellung des Klägers um "ca. 6.000 km" höher lag. Die falsche Angabe ist erheblich, denn der tatsächliche Kilometerstand war danach um rund 15% höher als der angegebene.

Steht der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung wie hier objektiv fest, wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG vermutet, daß die Falschangabe vorsätzlich erfolgt ist. Der Kläger hat die gesetzliche Vorsatzvermutung zu widerlegen. Dies ist ihm im Streitfall nicht gelungen. Er hat den Kilometerstand durchgehend auf 39.000 beziffert, nämlich gegenüber der polnischen Polizei, gegenüber der deutschen Polizei und gegenüber der Beklagten zweimal, nämlich einmal durch das Anwaltsschreiben vom 10. Dezember 1997 und einmal in dem am 17. Dezember 1997 unterschriebenen Zusatzfragebogen.

Es genügt hier, auf die Erklärung vom 17. Dezember 1997 abzustellen, um darzulegen, daß die Leistungspflicht der Beklagten entfällt. Der Kläger hat den Zusatzfragebogen unstreitig unterschrieben, nachdem seine Ehefrau ihn ausgefüllt hatte. Indem er die fraglichen Eintragungen unterschrieb, wurden sie zu seiner eigenen Erklärung. Wenn er die Unterschrift leistete, ohne die Angaben zu überprüfen, so handelte er zumindest bedingt vorsätzlich. Er hatte keinen Anlaß darauf zu vertrauen, daß alle Angaben korrekt waren, denn seine Ehefrau konnte den Fragebogen aus eigener Kenntnis nicht ausfüllen. Sie mußte nach der eigenen Darstellung des Klägers auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen, um die gestellten Fragen beantworten zu können. Soweit diese Unterlagen nicht geeignet waren ihr weiterzuhelfen, konnte sie - zum Beispiel zur Laufleistung des Wagens - aus eigener Kenntnis keine Angaben machen. In dieser Situation hatte der Kläger allen Anlaß, das Formular durchzusehen. Wenn er mit der "Schriftsprache" Schwierigkeiten hatte, mußte er sich Fragen und Antworten, die er etwa nicht verstand, von seiner Ehefrau erklären lassen.

Der Kläger meint zu Unrecht, sein Vorsatz sei zu verneinen, weil er keine genaue Vorstellung von der Laufleistung seines eigenen Pkw gehabt habe. Ob dies zutrifft, erscheint schon zweifelhaft, denn der Kläger ist von Beruf Kraftfahrer. Dies spricht für ein erhöhtes Interesse am eigenen Fahrzeug und für ein Gedächtnis, das gewohnt ist, Fahrzeugdaten zu behalten. Die aufgezeigten Zweifel sind hier jedoch nicht entscheidungserheblich, denn wenn der Kläger nicht wußte, ob das Fahrzeug möglicherweise 45.000 bis 46.000 Kilometer Laufleistung hatte, so durfte er die Laufleistung nicht mit "ca. 39.000" angeben. Er hätte vielmehr zum Ausdruck bringen müssen, keine genauen Angaben machen zu können. Dies ist mit der Eintragung nicht geschehen.

Der Kläger wird auch nicht dadurch entlastet, daß er der Beklagten ein Gutachten vom 3. Dezember 1996 zur Verfügung gestellt hat, durch das seine Falschangabe überhaupt erst auffiel. Das Gutachten wurde nicht vorgelegt, um Angaben zur Laufleistung zu machen, sondern um die Frage nach reparierten oder unreparierten Vorschäden zu beantworten. Wenn die Beklagte dem Gutachten Hinweise dafür entnahm, daß die Angaben des Klägers in diesem Punkt falsch waren, so beruhte dies auf aufmerksamer Lektüre der Unterlagen. Dies entlastet den Kläger nicht.

Es liegen auch die weiteren Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit der Beklagten nach der sogenannten Relevanzrechtsprechung vor. Bei nachträglichen, vorsätzlichen, folgenlosen Obliegenheitsverletzungen ist der Versicherer nach dieser Rechtsprechung leistungsfrei, wenn die Obliegenheitsverletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, den Versicherungsnehmer schweres Verschulden trifft und er außerdem ausdrücklich darüber belehrt worden ist, daß Leistungsfreiheit auch dann eintritt, wenn dem Versicherer aus der Falschangabe kein Nachteil entstanden ist (BGH VersR 1984, 228 und ständig).

Falsche Angaben über die Laufleistung eines Fahrzeuges sind geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, wenn die Abweichung - so wie dies hier der Fall ist - als erheblich anzusehen ist. Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes nach § 13 Abs. 1 AKB ist die Laufleistung ein wesentlicher Bewertungsfaktor. Durch falsche Angaben des Versicherungsnehmers wird dem Versicherer die Ermittlung des korrekten Wertes unmöglich gemacht. In Entwendungsfällen ist er um so mehr auf zuverlässige und zutreffende Angaben des Versicherungsnehmers angewiesen, als das Fahrzeug für eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung steht.

Erhebliches Verschulden des Klägers ist ebenfalls gegeben. Er trägt die Beweislast, daß ihn kein erhebliches Verschulden an der Obliegenheitsverletzung trifft. Kein erhebliches Verschulden wird angenommen, wenn es sich um einen Verstoß handelt, der auch einem sonst ordentlichen Versicherungsnehmer angesichts der Umstände des Falles leicht unterlaufen kann und für den ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (vgl. BGH r+s 1989, 5, 6). Dies kann vorliegend jedoch nicht bejaht werden. Der Umstand, daß der Kläger den Fragebogen unterschrieb, ohne die Richtigkeit der Antworten zu verifizieren, rechtfertigt den Vorwurf erheblichen Verschuldens. Es bestand kein Anlaß, eine Nachfrage als überflüssig anzusehen, zumal - wie oben bereits in anderem Zusammenhang erwähnt - die Ehefrau des Klägers den Fragebogen aus eigener Kenntnis nicht ausfüllen konnte.

Schließlich ist der Kläger im Zusatzfragebogen über die Rechtsfolgen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzungen ordnungsgemäß belehrt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Urteilsbeschwer für den Kläger: 26.400,00 DM.

Ende der Entscheidung

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