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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.10.2006
Aktenzeichen: 9 U 5/06
Rechtsgebiete: VVG, BGB, ARB 2000, ARB 75, ZPO
Vorschriften:
BGB § 123 | |
BGB § 288 | |
BGB § 291 | |
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. | |
VVG § 22 | |
VVG § 16 | |
ARB 2000 § 2 | |
ARB 2000 § 4 | |
ARB 2000 § 5 | |
ARB 2000 § 5 Abs. 3 b | |
ARB 75 § 2 Abs. 3 a 1. Alt. | |
ZPO § 98 | |
ZPO § 543 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.11.2005 - 20 O 214/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
1. Der Feststellungsantrag der Klägerin betreffend die Unwirksamkeit der Anfechtung der Beklagten vom 17.3.2005 sowie des unter dem gleichen Datum erklärten Rücktritts vom Rechtsschutzversicherungsvertrag ist zulässig und begründet.
a) Die Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach den §§ 123 BGB, 22 VVG liegen nicht vor.
Es ist bereits nicht von einer falschen Beantwortung der Fragen zu den Vorversicherungen auszugehen.
Aus der Fragestellung im Versicherungsantrag vom 28.11.2003 ergibt sich, dass nicht nach dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der maßgeblichen Kündigung gefragt ist, sondern nach der Tatsache, dass eine Kündigung ausgesprochen wurde und von wem. Es geht also nicht um Angaben zur Wirksamkeit von Kündigungen.
Zutreffend hat die Klägerin an der dafür vorgesehenen Stelle im Antragsformular angekreuzt, dass sie selbst den Versicherungsvertrag mit der E. gekündigt hat. Denn mit Schreiben vom 2.11.2003 (Bl. 15 AH) hatte die Klägerin gegenüber der E. die Kündigung ausgesprochen.
Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass sie sich nach dem Erhalt des Kündigungsschreibens der E. mit dieser telefonisch in Verbindung gesetzt und nachgefragt habe, ob denn die eigene Kündigung nicht eingegangen sei. Nachdem dies festgestellt worden sei, habe man der Klägerin erklärt, die Kündigung des Versicherers könne sie als erledigt betrachten, eine schriftliche Bestätigung werde noch übersandt. So ist es dann auch geschehen. Mit Schreiben vom 2.12.2003 nahm die E. ihre Kündigung zurück. Wenn die Klägerin angesichts dieser Umstände im Antragsformular vom 28.11.2003 nur angibt, von ihr sei gekündigt worden und nicht auch vom Versicherer, so fehlt es an einer falschen Angabe. Nach der Auskunft der E. war deren Kündigung gegenstandslos geworden, es stand nur noch eine schriftliche Bestätigung aus.
Die Klägerin hatte zudem ihre Kündigung zuerst erklärt und durfte davon ausgehen, dass diese Kündigung den Vertrag beenden würde und sich die Fragestellung auf diesen Umstand bezog. Im Übrigen ist anerkannt, dass die Annahme von Arglist entfallen kann, wenn der Versicherungsnehmer Antragsfragen missversteht (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 22 Rn 9; siehe auch OLG Frankfurt, VersR 1992, 41). Die Fragestellung ist jedenfalls von der Klägerin so verstanden worden, dass in der vorhandenen Situation nur die eine Alternative anzugeben sei. Dies wird man unter den geschilderten Umständen der gegenseitigen Erklärungen der Vertragsparteien der Klägerin nicht widerlegen können.
b) Ein wirksamer Rücktritt im Sinne von § 16 VVG kommt danach ebenfalls nicht in Betracht. Es gelten insoweit die gleichen Gesichtspunkte wie bereits bei der Anfechtung ausgeführt. Auch hier ist eine fehlerhafte Angabe zu einem gefahrerheblichen Umstand nicht ersichtlich. Die Klägerin durfte davon ausgehen, dass allein ihre Kündigung Bestand haben und die der E. entfallen würde. Damit kann eine Pflichtverletzung nicht angenommen werden.
2. Auch der Zahlungsantrag ist nach den §§ 2, 4, 5 ARB 2000 begründet.
Dass die Beklagte bei Bestehen des Rechtschutzversicherungsvertrages in der Sache Groten grundsätzlich Deckung zu gewähren hat, ist nicht im Streit.
Eine Begrenzung der Kostenübernahme nach § 5 III b) ARB 2000 greift nicht ein.
Der Versicherer trägt nach dieser Regelung nicht die Kosten, die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Vorschrift tritt an die Stelle von § 2 III a 1. Alt. ARB 75. Abweichend von der früheren Regelung ist nicht das Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen maßgebend, sondern des tatsächlich erstrebten zum erzielten Ergebnis (vgl. Prölss/Armbrüster, § 5 ARB 94/2000, Rn 15). Die Regelung will - wie auch die frühere Bestimmung - verhindern, dass der Versicherungsnehmer zu lasten der Versichertengemeinschaft Kostenzugeständnisse macht, um die Gegenpartei zu einem Entgegenkommen in der Hauptsache zu veranlassen (vgl. BGH, VersR 1977, 809; Prölss/Armbrüster, a.a.O., § 2 Rn. 21 ff). Aus § 98 ZPO ergibt sich keine andere Beurteilung der Regelung. Das Gesetz sieht die Kostenaufhebung nur vor für den Fall, dass die Parteien nichts anderes vereinbart haben. § 98 ZPO ist also subsidiär. Es gibt danach keinen Rechtssatz dahin, dass der Rechtschutzversicherer die Übernahme der Kosten bei vereinbarter Kostenaufhebung nicht verweigern darf. Nur in Einzelfällen kann es nach Treu und Glauben gerechtfertigt sein, dass der Versicherer sich großzügig zeigen muss (BGH, aaO).
So liegt es hier.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte der Beklagten mit Schreiben vom 1.4.2005 (Bl. 24 AH) den Inhalt des gerichtlichen Vergleichs einschließlich der Kostenregelung mitgeteilt und besonders darauf hingewiesen, dass der Vergleich durch einen Schriftsatz bis zum 14.4.2005 widerrufen werden könne. Zudem hatte der Prozessbevollmächtigte erklärt, dass er ohne ausdrückliche Weisung den Widerruf nicht erklären werde und insoweit mangels anders lautender Äußerung von einem Deckungsschutz ausgehe. Das Gericht werde im Falle der Fortsetzung des Rechtsstreits eine Beweisaufnahme durchführen. Der Beklagten war damit klar, dass ohne ausdrückliche Weisung der Widerruf des Vergleichs nicht erklärt würde und der Anwalt vom Deckungsschutz ausging. Für eine Entscheidung der Beklagten stand auch noch genügend Zeit zur Verfügung. Man wird unter diesen Umständen als Anwalt darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte auf das Schreiben vom 1.4.2005 reagiert hätte, wenn sie die Kosten nur beschränkt übernehmen wollte.
Bei diesem besonderen Sachverhalt kann sich der Rechtschutzversicherer nach Treu und Glauben nicht auf die Einschränkung § 5 III b) ARB 2000 berufen.
Unstreitig ist der Betrag von 1.784,32 € nebst Zinsen bezahlt, so dass ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Rechtschutzversicherer besteht (vgl. Bauer in Harbauer, ARB, 7. Aufl., § 5 ARB 94/20000, Rn 16) nebst Zinsen gemäß §§ 291, 288 BGB.
3. Zutreffend hat das Landgericht auch die Erledigung der Klageanträge zu 2. bis 5. festgestellt, nachdem die Beklagte Zahlungswiderklage erhoben hatte.
4. Der mit der Widerklage geltend gemachte Rückforderungsanspruch nach § 812 Abs.1 Satz 2 1. Alt. BGB oder aus einem vertraglichen Rückabwicklungsverhältnis besteht nicht, weil die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag zur Leistung verpflichtet war.
5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinaus. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.504,20 €
Ende der Entscheidung
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