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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: 9 U 60/05
Rechtsgebiete: AKB, VVG, ZPO
Vorschriften:
AKB § 7 I Nr. 2 V Nr. 4 | |
VVG § 6 Abs. 3 | |
ZPO § 531 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Anlage zum Protokoll vom 17.1.2006
Verkündet am 17.1.2006
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 6.12.2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht Keller, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach sowie den Richter am Amtsgericht Riemenschneider
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 10.2.2005 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 215/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistete.
Gründe:
I. Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche des Klägers auf Grund einer bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherung wegen einer behaupteten Entwendung des Porsche 964, 3,6 Turbo (rotes Händler-Kennzeichen ####) vom 4./5.2.2004.
Der Kläger betreibt einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Er hatte bei der Beklagten eine Kraftfahrtversicherung für Kfz- Handel und - Handwerk abgeschlossen, in der u.a. eine Vollkaskoversicherung enthalten ist. Zu den versicherten Risiken gehören "ständige rote Kennzeichen für PKW ...". Dem Versicherungsvertrag liegen die Sonderbedingungen für die Kraftfahrtversicherung für Kfz-Handel und - Handwerk sowie die AKB zugrunde (Bl. 6 ff GA). Im Januar 2003 hatte der Kläger bei dem italienischen Händler B E D in X einen Porsche 964, 3,6 Turbo zu einem Preise von 33.500,00 € erworben.
Am 5.2.2004 meldete der Kläger bei der Polizei in L, dass dieser vor seinem Privathaus am Vortrage abgestellte Porsche, der mit einem roten Kennzeichen versehen sei, in der Nacht gestohlen worden sei. Auf entsprechende Fragen der Polizei gab er an, dass kein Zeuge beim Abstellen vorhanden sei. Der Wagen sei bereits verkauft gewesen und habe in der folgenden Woche übergeben werden sollen. Gegenüber der Beklagten meldete der Kläger den Verlust des Fahrzeugs mit schriftlicher Schadensmeldung vom 6.2.2003. Auf die Frage "Können Sie Zeugen für das Abstellen des Kfz benennen? Name/Anschrift trug er ein "meine Frau". Die Frage "Können Sie uns Umstände nennen, die mit dem Diebstahl in Zusammenhang stehen könnten?" beantwortete er mit "nein". Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Schadensmeldung wird auf das Formular Bezug genommen (Bl. 17 ff GA).
Der Kläger hat behauptet, er habe den Wagen vorübergehend für sich selbst genutzt und am Abend des 4.2.2004 vor seiner Privatwohnung auf der I-Straße in L abgestellt. Am Folgetag habe er festgestellt, dass sein Fahrzeug verschwunden sei. Er habe am Tatort nach Spuren gesucht und in der Bordsteinrinne einen herausgerissenen Türschließzylinder sowie ein gewaltsam entferntes Zündschloss gefunden. Der Kläger habe sich vor dem Diebstahl, nachdem er festgestellt habe, dass der Wagen nicht über sämtliche Ausstattungsmerkmale verfügte, mit dem italienischen Verkäufer in Verbindung gesetzt. Man sei übereingekommen, dass der Händler das Fahrzeug zurückerwerben solle. Es sei vereinbart gewesen, dass der Porsche eine Woche nach dem Diebstahl zu einem Kaufpreis von 35.000,00 € sowie 50 % der gemachten Aufwendungen für insgesamt 37.787,44 € wieder an den Verkäufer veräußert werden sollte.
Mit Schriftsatz vom 17.8.2004 hat der Kläger seine Ehefrau und die Mutter eines Spielkameraden seines Sohnes, Frau T H, als Zeuginnen für seine Rückkehr mit dem später entwendeten Wagen benannt. Außerdem hat er vorgetragen, dass die Polizei auf von ihm entdeckte Einbruchsspuren an einem Terrassenfenster hingewiesen worden sei.
Mit der Klage hat der Kläger Entschädigung in Höhe des Händlereinkaufpreises zuzüglich 10 % ( 36.850,00 €) abzüglich Selbstbeteiligung (1.533,88 €), insgesamt 35.316,12 € verlangt.
Die Beklagte hat die Entwendung und den Vortrag des Klägers zum Rückkauf bestritten und vorgetragen, dass das rote Kennzeichen nicht angebracht gewesen sei. Ferner hat sich die Beklagte auf Obliegenheitsverletzungen wegen Falschangaben des Klägers in der Schadensanzeige berufen. Er habe unzutreffend behauptet, seine Ehefrau könne das Abstellen des Fahrzeugs bestätigen. Zudem habe er falsche Angaben zum vermeintlichen Verkauf gemacht. Schließlich sei von einem maßgeblichen Händlereinkaufspreis von 20.000,00 € auszugehen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, es bestehe Leistungsfreiheit, weil der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe. Er habe im Schadensformular lediglich seine Frau als Zeugin für das Abstellen angegeben, nicht auch die Zeugin H. Zudem habe er die Frage nach Umständen, die im Zusammenhang mit dem Diebstahl stehen könnten, verneint, obwohl er im Rechtsstreit ausgeführt habe, dass nicht ausgeschlossen sei, dass die Einbruchsspuren am Haus mit dem Fahrzeugdiebstahl in Zusammenhang stünden. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und seine tatsächlichen Feststellungen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er macht im Wesentlichen geltend, er habe die Zeugin H bei seiner Rückkehr am 4.2.2004 nicht wahrgenommen. Erst nachdem die Beklagte die Entschädigung abgelehnt habe und sich in ihrer Klageerwiderung vom 21.7.2004 auf falsche Angaben des Klägers in der Schadensanzeige berufen habe, habe ihn seine Ehefrau darauf hingewiesen, dass auch die Zeugin H, mit der sie sich an jenem Nachmittag vor der Haustür unterhalten habe, die Rückkehr des Klägers und das Abstellen des Porsche beobachtet habe. Die Kratzspuren am Fenster des Hauses habe man im September/Oktober 2003 bemerkt. Zu keinem Zeitpunkt habe ein Zusammenhang zwischen diesen Spuren und der Entwendung des Porsche bestanden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 35.316,12 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.3.2004 zu zahlen. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, es sei unwahrscheinlich, dass der Kläger die Zeugin H nicht bemerkt haben will. Jedenfalls seien die Umstände verspätet vorgetragen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die Schriftsätze verwiesen.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Dem Kläger steht auf Grund der abgeschlossenen Versicherung für Kfz-Handel und - Handwerk gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch wegen des Schadenereignisses vom 4./5.2.2004 aus §§ 1, 49 VVG, § 12 Abs. I b) AKB nicht zu.
Der Ersatzanspruch des Klägers entfällt, weil die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung der dem Versicherungsnehmer nach § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB obliegenden Aufklärungspflicht gemäß § 7 V Nr. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG von ihrer etwaigen Leistungspflicht frei geworden ist. Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu unterrichten, die für die Regulierung von Bedeutung sind. Es muss dem Versicherer ermöglicht werden, sachgemäße Feststellungen zu treffen. Diese Aufklärungsobliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls hat der Kläger verletzt.
Der Kläger hat in der Schadensanzeige auf die unmissverständliche Frage nach Zeugen für das Abstellen des Fahrzeugs die Zeugin H nicht benannt, obwohl diese sich an - jedenfalls in der Nähe - der Haustür befunden und die Ankunft des Klägers mit dem Abstellen des Fahrzeugs beobachtet hat.
Aus den danach unzutreffenden Angaben folgt Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 7 I Nr. 2 Satz 3, V Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG.
Die Vorsatzvermutung (§ 6 Abs. 3 S. 1 VVG) ist nicht widerlegt.
Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals vorgetragen hat, er habe die Zeugin H bei seiner Rückkehr mit dem Fahrzeug nicht bemerkt und sei erst später von seiner Ehefrau darauf hingewiesen worden, ist dieses Vorbringen nach § 531 Abs. 2. S. 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Neues Vorbringen darf nur zugelassen werden, wenn es im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Vorliegend will der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen unmittelbar nach Kenntnis von der Klageerwiderung der Beklagten vom 21.7.2004 von seiner Ehefrau erfahren haben, dass die Zeugin H vor der Haustür gestanden habe. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 24.9.2004 ausdrücklich auf eine Obliegenheitsverletzung durch Verschweigen der Zeugin H berufen. Dass der Kläger die Zeugin H nicht bemerkt habe und erst später von ihrer Existenz erfahren habe, hat er in erster Instanz mit seinen Schriftsätzen vom 12.11.2004 und 28.1.2005 nicht geltend gemacht. Danach darf der Senat diesen neuen zweitinstanzlichen Vortrag nicht berücksichtigen.
Nach den hier anwendbaren Grundsätzen der sog. Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, VersR 1984, 228), tritt bei vorsätzlichen, aber für den Versicherer folgenlos gebliebenen Verletzungen der Aufklärungspflicht Leistungsfreiheit allerdings nur ein, wenn die Verletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und wenn dem Versicherungsnehmer ein schweres Verschulden zur Last fällt. So liegt es hier.
Unvollständige Angaben über vorhandene Zeugen sind im Entwendungsfall generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Es besteht kein Zweifel, dass der Kaskoversicherer für seine Regulierungsentscheidung über die zur Verfügung stehenden Zeugen informiert sein muss, um die Angaben des Versicherungsnehmers überprüfen zu können. Außerdem hat der Versicherer auch ein Interesse daran, dass der Versicherungsnehmer möglichst zeitnah nach Eintritt des Versicherungsfalls vollständige Angaben macht, damit die Möglichkeit nachträglicher - möglicherweise unzutreffender - Ergänzungen oder Änderungen der Schilderung des Hergangs ausgeschaltet wird (vgl. Senat, r+s 2001, 14; NJW-RR 2003, 391).
Erhebliches Verschulden des Klägers ist ebenfalls gegeben. Nur wenn ein Verstoß vorliegt, der auch einem sonst ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für den ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag, kann ein erhebliches Verschulden zu verneinen sein. Umstände, die das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, sind aber nicht gegeben. Es liegt auf der Hand, dass bei Fahrzeugentwendungsfällen Zeugen für das Abstellen und Nichtwiederauffinden von besonderer Wichtigkeit sind. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger gegenüber der Polizei angegeben hat, niemand sei Zeuge beim Abstellen des Wagens gewesen.
Ferner muss der Versicherungsnehmer über den Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers bei derartigen Obliegenheitsverletzungen zutreffend belehrt worden sein. Die Belehrung in dem Fragebogen ist inhaltlich zutreffend und entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. BGH, VersR 1998, 447; r+s 1993, 321 ). Dem Versicherungsnehmer ist klar und deutlich gesagt, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, auch wenn dem Versicherer hierdurch kein Nachteil entsteht.
Auf die Frage, ob hinsichtlich der Verwendung des roten Kennzeichens, der Angaben zu der Frage nach den Umständen, die mit dem Diebstahl in Zusammenhang stehen könnten, und zum Verkauf des Wagens ebenfalls Obliegenheitsverletzungen gegeben sind, kommt es nicht mehr an. Auch kann dahinstehen, welchen maßgeblichen Wert der Porsche gehabt hat.
2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 35.316,12 €
Ende der Entscheidung
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