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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: 9 U 92/05
Rechtsgebiete: AFB 87, VVG


Vorschriften:

AFB 87 § 11 Abs. 5 a
VVG § 97
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 92/05

Anlage zum Protokoll vom 10.01.2006

Verkündet am 10.01.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht Keller, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach sowie den Richter am Amtsgericht Riemenschneider

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.04.2005 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 183/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der vollstreckbaren Forderung abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Spielvereinigung 1913 N. e.V. errichtete 1978 auf einem Grundstück der Stadt N. ein Vereinsheim. Das Gebäude wurde als Holzständerkonstruktion erstellt. In dem Gebäude befanden sich ein Gesellschaftsraum, zwei WC, eine Teeküche, ein Gastraum und zwei kleine Büroräume. Die bebaute Fläche betrug höchstens 216 qm. Das Gebäude hatte einen rechteckigen Grundriss. In unmittelbarer Nachbarschaft des Grundstücks befinden sich eine unter Denkmalschutz stehende städtische Turnhalle sowie weitere Sportanlagen.

Die Spielvereinigung 1913 N. e.V. schloss für das Vereinsheim bei der Beklagten eine Vielschutz-Gebäudeversicherung gemäß Versicherungsschein vom 16.03.2001 ab. Dem Versicherungsverhältnis liegen die AFB 87 der Beklagten zugrunde. Die Spielvereinigung 1913 N. e.V. geriet im Jahr 2001 in finanzielle Schwierigkeiten. Für eine geplante Komplettrenovierung des Vereinsheims waren ausreichende Mittel nicht vorhanden. Die Spielvereinigung 1913 N. e.V. verhandelte mit dem Kläger über eine Übernahme ihres Sportbetriebs. Ihre etwa 300 Mitglieder wurden bei dem Kläger aufgenommen.

Am 17.09.2001 wurde das Vereinshaus durch einen von einem unbekannten Täter vorsätzlich gelegten Brand vollständig zerstört. Die Spielvereinigung 1913 N. e.V. trat mit Erklärung vom 18.09.2001 Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Versicherungsverhältnis an den Kläger ab. Dieser nahm die Abtretung mit Erklärung vom 07.11.2001 an. Die Parteien einigten sich auf eine Entschädigung zum Zeitwert in Höhe von 158.614,55 € sowie eine Neuwertdifferenz von 32.557,53 €. Die Beklagte zahlte die Zeitwertentschädigung an den Kläger.

Der Kläger begann im Oktober 2001 mit einer neuen Bebauung des Grundstücks. Mit Schreiben vom 08.11.2001 forderte er von der Beklagten die Auszahlung der Neuwertdifferenz. Die Beklagte lehnte das mit der Begründung, es handele sich bei dem von dem Kläger erstellten Gebäude nicht um eine Wiederherstellung in gleicher Art und Zweckbestimmung im Sinne des § 11 Abs. 5 a AFB 87, ab.

Das von dem Kläger auf dem Grundstück errichtete Gebäude ist in Massivbauweise hergestellt. Es hat einen L-förmigen Grundriss. In dem Gebäude befinden sich ein gegenüber dem abgebrannten Gebäude größerer Gastraum, eine größere Küche, ein zusätzlicher Lagerraum, drei WC-Räume, ein größeres Büro, ein zusätzlicher Besprechungsraum, eine Sporthalle, ein Sportlager und Umkleiden für Damen und Herren. Die bebaute Fläche beträgt 537,86 qm. Davon nimmt der nach Auffassung des Klägers nur "angebaute, neue" Sportraum 250,46 qm ein. Die Baukosten für das gesamte Gebäude betrugen 466.310,20 €.

Der Kläger hat gemeint, das von ihm errichtete Gebäude stelle eine Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes im Sinne des § 11 Abs. 5 a AFB 87 dar und er habe deshalb einen Anspruch auf Auszahlung der Neuwertdifferenz. Dass das Gebäude größer als das abgebrannte ist, sei ohne Bedeutung, da damit nur den modernen Ansprüchen an eine wirtschaftliche Führung des Vereins und der gestiegenen Mitgliederzahl Rechung getragen werde. Insbesondere die nunmehr zusätzlich vorhandene Sporthalle sowie die zugehörigen Nebenräume stellten eine Modernisierung dar, die durch technische, wirtschaftliche und insbesondere soziale Änderungen notwendig geworden sei. Die Sporthalle sei zudem getrennt von den übrigen Räumen zu betrachten, da es sich um zwar baulich verbundene, aber getrennt finanzierte Räume handele. Es hätten auch zuerst die übrigen Räume erstellt werden und dann die Sporthalle angebaut werden können. Das hätte jedoch ein unwirtschaftliches Verhalten dargestellt. Das Gebäude habe in Massivbauweise und nicht in Holzständerbauweise wie das abgebrannte erstellt werden müssen, da eine Holzständerkonstruktion nicht mehr heutigen Sicherheitsanforderungen entspreche und nicht genehmigungsfähig sei. Zudem sei die Ausführung von der Stadt im Hinblick auf die angrenzende und unter Denkmalschutz stehende Turnhalle gefordert worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 32.557,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, es sei kein Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung erstellt worden. Im Gegensatz zu dem früheren Vereinsheim, bei dem es sich im Wesentlichen um eine Gaststätte gehandelt habe, sei ein wesentlich größeres Multifunktionshaus mit erheblich ausgeweiteter Nutzung geschaffen worden. Es stehe nunmehr die Durchführung von Sportveranstaltungen im Vordergrund der Nutzung.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das neu errichtete Gebäude diene im Wesentlichen dem gleichen Zweck wie das abgebrannte. Es habe trotz der erheblich höheren bebauten Fläche in etwa dieselbe Größe und die in dem zerstörten Gebäude vorhandenen Flächen seien in dem neu errichteten als Minus vorhanden.

Mit der Berufung wehrt die Beklagte sich gegen ihre Verurteilung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Köln vom 14.04.2005 (24 O 183/04) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem von der Spielvereinigung 1913 N. e.V. mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag keinen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem Zeit- und dem Neuwert des abgebrannten Gebäudes.

Der Anspruch auf Zahlung der Neuwertdifferenz entsteht nach §§ 11 Abs. 5 a AFB 87, 97 VVG erst, wenn die Verwendung der Entschädigung für die Wiederherstellung eines Gebäudes in gleicher Art und Zweckbestimmung wie das zerstörte an dessen Stelle oder an anderer, wenn die Wiederherstellung dort rechtlich nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist, erfolgt oder zumindest sichergestellt ist.

Bei der Wiederherstellung muss es sich nicht um die Errichtung eines mit dem zerstörten Gebäude vollständig identischen handeln. Auf technischen, wirtschaftlichen oder sozialen Änderungen beruhende Modernisierungen stehen der Bejahung einer Wiederherstellung in gleicher Art und Zweckbestimmung nicht entgegen (BGH VersR 1990, 488). Ob im Einzelfall eine Wiederherstellung in gleicher Art und Zweckbestimmung gegeben ist, ist am Zweck der Wiederherstellungsklausel zu messen (BGH a.a.O.). Die Wiederherstellungsklausel trägt dem Bereicherungsverbot gemäß § 55 VVG Rechnung. Mit der Neuwertversicherung soll lediglich der etwaige Nachteil ausgeglichen werden, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das abgebrannte Gebäude wieder aufbaut. Auf diesen tatsächlichen Nachteil ist der Umfang des Entschädigungsanspruchs beschränkt (BGH a.a.O.). Die Neuwertentschädigung soll nicht darüber hinaus dem Versicherungsnehmer erleichtern, ein für ihn ohnehin nutzloses oder nur eingeschränkt nutzbares Gebäude durch ein anderes, seinen Vorstellungen besser entsprechendes zu ersetzen (vergl. BGH VersR 1984, 843). Durch die Beschränkung der Neuwertentschädigung soll auch das Interesse am Abbrennen eines Gebäudes gemindert werden und so eine subjektive Risikobegrenzung erfolgen (BGH VersR 1990, 488; OLG Hamm VersR 1981, 270). Wird das Gebäude in seiner Gesamtheit nicht unwesentlich vergrößert, so geht das in der Regel über Modernisierungsmaßnahmen hinaus. Deshalb kann eine Wiederherstellung nur dann angenommen werden, wenn das neu errichtete Gebäude etwa dieselbe Größe wie das zerstörte aufweist und gleichartigen Zwecken dient (BGH VersR 1990, 488; VersR 1984, 843).

Diesen Kriterien genügt das von dem Kläger errichtete Gebäude nicht. Das Gebäude ist in seiner Gesamtheit zu betrachten und kann nicht in einen Teil, der die Wiederherstellung des Vereinsheims darstellen soll, und einen weiteren, nämlich die Sporthalle mit Nebenräumen, aufgeteilt werden. Dies folgt bereits daraus, dass nicht ein Gebäude zum Ersatz des abgebrannten und neben diesem ein zweites erstellt wurde, sondern ein einziges Gebäude, das bautechnisch und seiner Nutzung nach eine Einheit darstellt. Es kann nicht festgestellt werden, dass das neu errichtete Gebäude etwa dieselbe Größe hat wie das abgebrannte. Die bebaute Fläche des alten Gebäudes betrug mit höchstens 216 qm nur gut ein Drittel der nunmehr bebauten Fläche von 587 qm. Dementsprechend betrug der Neuwert des abgebrannten Gebäudes nur 191.172,08 €, während für das neu errichtete 466.310,20 € aufgewendet werden mussten. Auch die Überlegung, dass das vorher vorhandene Gebäude in dem nunmehrigen als Minus vorhanden sei, führt nicht dazu, dass das neu errichtete Gebäude als Wiederherstellung des abgebrannten angesehen werden kann. Durch sie würde das Kriterium der etwa gleichen Größe des neu errichteten Gebäudes aufgegeben, sobald sich in einem wesentlich größeren Gebäude nur auch solche Räume befinden, die in Größe und Nutzung denen des abgebrannten Gebäudes entsprechen. Zudem hat sich aber auch der Nutzungszweck des neuen Gebäudes gegenüber dem abgebrannten wesentlich geändert. Es steht nunmehr die Sporthalle mit Nebenräumen zusätzlich zur Verfügung und ist dazu bestimmt, dort sportliche Übungen und Veranstaltungen stattfinden zu lassen. Zu dieser Nutzung war das alte Gebäude weder bestimmt noch geeignet. Es handelt sich um eine ganz andere Nutzungsqualität, wenn nunmehr den Vereinsmitgliedern in dem Gebäude nicht nur die gesellige Begegnung abseits der eigentlichen sportlichen Betätigung geboten wird, sondern auch uneingeschränkt Kurse und Übungen abgehalten werden können und die Gaststätte danach unmittelbar zur Erholung zur Verfügung steht. Erst recht gilt das hinsichtlich einer Nutzung als Veranstaltungsort, die dem Gebäude und der Gaststätte eine ganz andere wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit gibt. Damit stellt das neue Gebäude nicht nur eine Modernisierung des alten und eine Anpassung an zeitgemäße Anforderungen dar. Als Modernisierung könnte vielleicht die Herstellung in Massivbauweise sowie eine hochwertigere Innenausstattung angesehen werden, als Anpassung an zeitgemäße Anforderungen etwa eine Verbesserung oder Vergrößerung der Küche der Gaststätte oder der sanitären Einrichtungen. Die Verbindung der Gaststätte mit der Sporthalle als Übungs- und Veranstaltungsraum geht jedoch wesentlich darüber hinaus.

Unter diesen Umständen wäre es mit dem Zweck der Wiederherstellungsklausel nicht zu vereinbaren, das neu errichtete Gebäude als Wiederherstellung des abgebrannten anzusehen. Die Entschädigungsleistung der Beklagten würde es dem Kläger ansonsten erleichtern, das nach dem Mitgliederzuwachs für ihn allenfalls eingeschränkt nutzbare, seinen Bedürfnissen ohnehin nicht mehr entsprechende Gebäude durch ein bedarfsgerechtes zu ersetzen. Ohne den Brand hätte man den Bedarf nach einer Sporthalle nur durch einen Neubau nach Abriss des alten Gebäudes oder eine aufwändige Renovierung und den Anbau einer Sporthalle befriedigen können. Die dazu erforderlichen finanziellen Mittel hätten vollständig selbst aufgebracht werden müssen. Mit der Zuerkennung der Neuwertentschädigung würde deshalb nicht nur der Nachteil ausgeglichen, der dadurch entsteht, dass das Gebäude nicht zu einem Preis, der dem Zeitwert entspricht, wieder aufgebaut werden kann und deshalb zur Wiedererlangung eigene Mittel eingesetzt werden müssen, sondern darüber hinaus die Befriedigung des Bedarfs nach einem anderen, in Größe und Nutzbarkeit erweiterten Gebäudes unterstützt. Darin läge eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Versicherungsnehmers, die geeignet wäre, das Interesse an dem Abbrennen des versicherten Gebäudes zu fördern, und über die mit der Neuwertversicherung hingenommene Durchbrechung des Bereicherungsverbots hinausginge. Aus dem gleichen Grund hilft dem Kläger auch die Argumentation, man hätte zunächst das alte Gebäude wieder errichten und dann eine Sporthalle anbauen können und habe nur die dabei entstehenden Mehrkosten vermeiden wollen, nicht. Die Überlegung bestätigt vielmehr, dass es zu einem durch das Erfordernis der gleichen Art und Zweckbestimmung in § 11 Abs. 5 a AFB gerade zu vermeidenden weiteren wirtschaftlichen Vorteil durch den Versicherungsfall kommen würde, wenn das neu errichtete Gebäude als Wiederherstellung des abgebrannten angesehen werden würde.

Auch die von dem Kläger in Bezug genommene Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 10.09.1996 (VersR 1998, 1371) vermag seine Rechtsauffassung nicht zu stützen. Zwar hat der Kläger zutreffend vorgetragen, dass dort ein Anspruch auf die Neuwertdifferenz in Anbetracht der Errichtung eines Schnellrestaurants anstelle eines Teppich- und Tapetenmarktes bejaht wurde. Nicht berücksichtigt hat er jedoch, dass dem die Erklärung des Versicherers vorausging: "Bezüglich der Zweckbestimmung des Gebäudes wollen wir die Voraussetzungen lockern und eine grundsätzliche gewerbliche Nutzung anerkennen". Unter diesem Umstand wurde das neue Gebäude als Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung angesehen und der erhebliche Größenunterschied nicht als entscheidend gewertet. Zu einer entsprechenden Abstimmung der Parteien, etwa in der Planungsphase des Gebäudes, ist es vorliegend nicht gekommen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 32.557,53 €

Ende der Entscheidung

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