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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: 9 U 99/05
Rechtsgebiete: AHB, VVG


Vorschriften:

AHB § 5 Nr. 5
AHB § 6
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 154
VVG § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 99/05

Anlage zum Protokoll vom 20.12.2005

Verkündet am 20.12.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2005 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Keller, des Richters am Oberlandesgerichts Dr. Weber und des Richters am Amtsgericht Riemenschneider

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.4.2005 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln, 24 O 251/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um eine Versicherungsleistung in Höhe von 2.509.309,46 €.

Die Klägerin ist ein Viehhandelsunternehmen, welches in den Jahren 1992/1993 Viehtransporte nach Jordanien ausführte. Im Zuge dieser Transporte erhielt sie vom Hauptzollamt I-K Ausfuhrerstattungen in Höhe von 3.100.888,16 DM. Als Voraussetzung für diese Leistung musste sie Nachweise über die Ordnungsmäßigkeit des Exports vorlegen. Diese sogenannten Primär- und Sekundärnachweise wurden von der Firma H D GmbH, einer zugelassenen internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft, erstellt. Die Firma H D GmbH ist als mitversicherte Tochtergesellschaft in eine vom U Rheinland e.V. bei der Beklagten abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherung einbezogen.

Nach anonymen Anzeigen wurden die von der H D GmbH zugunsten der Klägerin ausgestellten Nachweise überprüft. Hierbei wurden Unstimmigkeiten zwischen den papiermäßigen Warenwegen und den sich aus dem Lloyds-Schiffsregister ersichtlichen Schiffsläufen festgestellt. Die H D GmbH widerrief daher die ausgestellten Nachweise. Das Hauptzollamt I-K forderte daraufhin die gewährten Ausfuhrerstattungen zurück. Der Rückforderungsbescheid wurde nach Durchführung eines finanzgerichtlichen Verfahrens bestandskräftig.

Aus diesen Vorgängen errechnet die Klägerin einen Schaden in Höhe der Klageforderung. Grundlage des Schadens sind hierbei die Ausfuhrerstattung nebst zwischenzeitlich angefallener Zinsen. Diesen Schaden machte die Klägerin zunächst im Verfahren LG Hamburg 417 O 174/01 gegen die H D GmbH geltend. In diesem Rechtsstreit gewährte die Beklagte der H D GmbH Deckungsschutz zur Abwendung unbegründeter Ansprüche. Am 2.9.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H D GmbH eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt I M bestellt. Dieser erkannte den Zahlungsanspruch der Klägerin am 6.11.2002 zur Insolvenztabelle an. Das Verfahren vor dem Landgericht Hamburg ist derzeit unterbrochen. Der Insolvenzverwalter ist flüchtig.

Die Klägerin hat behauptet, es sei ihr in Höhe der Ausfuhrerstattungen ein Schaden entstanden. Diese seien benötigt worden, um die Differenz zwischen dem Kaufpreis, den sie von ihrem Kunden in Jordanien erhalten habe und ihren eigenen viel höheren Einstandskosten abzudecken. Die gesamte Ausfuhrerstattung sei insoweit verloren. Hätte die H D GmbH die Transporte ordnungsgemäß überprüft, hätte sie festgestellt, dass die erste Lieferung in die Türkei gegangen sei. Dann hätte die Klägerin insoweit noch eine Ausfuhrerstattung für die Türkei erhalten können. Alle weiteren Exporte hätten noch gestoppt werden können. Zur Vorgehensweise des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt M hat die Klägerin behauptet, dieser habe die Beklagte mit Schreiben vom 5.9. und 22.10.2002, letztgenanntes Schreiben mit Fristsetzung bis zum 5.11.2002, angeschrieben und um Mitteilung von Einzelheiten zum Versicherungsverhältnis gebeten. Beide Schreiben seien von der Beklagten unbeantwortet geblieben. Die Klägerin hat deshalb die Auffassung vertreten, der Insolvenzverwalter sei zum Anerkenntnis der Forderungen berechtigt gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.509.309,46 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich gegenüber der Klageforderung auf Leistungsfreiheit wegen Verstoßes gegen das Anerkenntnisverbot berufen. Sie bestreitet die angeblichen Anfragen des Insolvenzverwalters. Sie behauptet, diese jedenfalls nicht erhalten zu haben. Die Beklagte hat behauptet, die im Verfahren vor dem Landgericht Hamburg geltend gemachten Ansprüche der Klägerin seien weder dem Grunde noch der Höhe nach unstreitig gewesen. Jedenfalls hätte ohne das Anerkenntnis die Möglichkeit bestanden, sich in diesem Rechtsstreit zu vergleichen. Im Übrigen hat die Beklagte bestritten, dass der Klägerin ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden ist.

Das Landgericht hat die Klage wegen Verstoßes gegen das Anerkenntnisverbot durch den Insolvenzverwalter abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Sie meint, der Insolvenzverwalter habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gegen Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag verstoßen. Sie behauptet, der Insolvenzverwalter habe letztlich gar keine Kenntnis davon gehabt, dass und inwiefern überhaupt Versicherungsschutz bestanden habe. Da die Schreiben vom 5.9. und 22.10.2002 unbeantwortet geblieben seien, habe er über die weitere Vorgehensweise entscheiden müssen. Die Klägerin vertritt zudem die Auffassung, es sei ihr der Kausalitätsgegenbeweise gelungen. Sie behauptet, im Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg sei ein Unterliegen der dortigen Beklagten so gut wie sicher gewesen. Für einen günstigeren Prozessausgang habe aus deren Sicht überhaupt kein Hinweis bestanden. Die Klägerin meint darüber hinaus, das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters habe zwar gemäß § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, dieses entfalte jedoch nur verfahrensrechtliche Wirkung gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern. Hieraus folge, dass der geltend gemachte Anspruch im Verhältnis zu der am Insolvenzverfahren unbeteiligten Beklagten keinesfalls unbestreitbar feststehe. Die Rechtskraftwirkung über das Insolvenzverfahren hinaus sei vielmehr erst dadurch eingetreten, dass die H D GmbH als Schuldnerin ihrerseits keinen Widerspruch gegen die Forderung erhoben habe. Bei dem Anerkenntnis habe es sich nicht um eine Willenserklärung in Richtung der Beklagten gehandelt. Da die Beklagte als Haftpflichtversicherer die Pflicht gehabt habe, den gegen die H D GmbH gerichteten Prozess zu führen und dieser einen Anwalt zu bestellen, habe sie gleichsam für einen Widerspruch der Schuldnerin Sorge tragen müssen. Lediglich aufgrund dieses unterlassenen Widerspruchs entfalte das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters nunmehr Wirkung gegenüber der Beklagten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 21.4.2005, Az. 24 O 251/04, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägern 2.509.309,46 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die an sich statthafte, frist- und formgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klageforderung mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Beklagte ist wegen einer Obliegenheitspflichtverletzung des Insolvenzverwalters in Form eines Verstoßes gegen das Anerkenntnisverbot leistungsfrei.

1.

Der von der Klägerin gegen die Beklagte als Versicherer geltend gemachte unmittelbare Zahlungsanspruch findet seine Grundlage in § 157 VVG. Hiernach erwirbt ein Geschädigter bei Insolvenz des Versicherungsnehmers ein Absonderungsrecht hinsichtlich der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer. Der Geschädigte kann hierbei unmittelbar den Versicherer auf Zahlung in Anspruch nehmen, wenn der Haftpflichtanspruch gemäß § 154 Abs. 1 VVG festgestellt worden ist. Eine solche Feststellung kann auf einem Anerkenntnis der Schadensersatzforderung durch den Insolvenzverwalter beruhen (BGH Urt. v. 17.3.2004, IV ZR 268/03, VersR 2004, 634, 635). Ein solches Anerkenntnis liegt in der widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle (OLG Celle, Urt. v. 1.3.2001, 13 U 103/00, VersR 2002, 602; KG B. v. 18.3.2005, 6 U 244/04, NJOZ 2005, 4643, 4644; Senat, Urt. v. 28.10.2005, 9 U 146/04).

Der Insolvenzverwalter der H D, Rechtsanwalt M, hat durch Schreiben an das Amtsgericht Hamburg vom 6.11.2002 seinen zunächst gegen die Forderung der Klägerin erhobenen Widerspruch zurückgezogen. Der Höhe nach war exakt die nunmehr zwischen den Parteien als Hauptforderung streitige Forderung betroffen. Die auf dieser Grundlage erfolgte Eintragung in die Insolvenztabelle hatte die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern.

Entgegen der Auffassung der Klägerin entfaltete diese Feststellung der Forderung auch Wirkung gegenüber der Beklagten. Sie beschränkte sich nicht ausschließlich auf die am Insolvenzverfahren Beteiligten. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin verkennt die sich aus § 157 VVG und dem Versicherungsverhältnis ergebenden Besonderheiten. Diese äußern sich zunächst darin, dass durch die Insolvenz eine besondere Form der Verknüpfung zwischen Schadensersatz- und Versicherungsforderung eintritt (RGZ 135, 295, 298; Honsell, Berliner Kommentar zum VVG, 1998, § 157, Rdn. 3). Indem der Geschädigte ein Absonderungsrecht erhält, welches unter den o.g. Umständen ein eigenes Einziehungsrecht des Geschädigten gegen den Versicherer nach sich ziehen kann, wirkt sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon insoweit gegenüber dem Versicherer aus. Das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters führt darüber hinaus inhaltlich zu einer Bindungswirkung gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherer (Prölss/Martin-Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl. 2004, § 154, Rdn. 22 m.w.N.). Die Beklagte blieb fortan auf Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag beschränkt. Die in der von der Klägerin vorgelegten Entscheidung des Landgerichts Wuppertal (VersR 1962, 629, 630) geäußerten Zweifel an den Auswirkungen des Anerkenntnisses eines Konkurs- bzw. Insolvenzverwalters gegenüber dem Versicherer sind nicht berechtigt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass bei einem Widerspruch der H D GmbH als Schuldnerin die Eintragung in die Insolvenztabelle nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihr gegenüber nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils nach sich gezogen hätte (§ 201 Abs. 2 S. 1 InsO). Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen, so dass ein Widerspruch der Schuldnerin wegen der ausschließlichen Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters derzeit ohnehin bedeutungslos wäre (§ 178 Abs. 1 S. 2 InsO). Was im Falle des Widerspruchs nach Abschluss des Insolvenzverfahrens - insbesondere im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer - gelten würde, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

2.

Die Beklagte kann sich gegenüber der Klageforderung wegen des Anerkenntnisses durch den Insolvenzverwalter auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitspflichtverletzung berufen (§ 5 Nr. 5, § 6 AHB, § 6 Abs. 3 S. 1 VVG).

Die AHB sind für das Versicherungsverhältnis der H D GmbH zur Beklagten maßgeblich. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Bedingungen für die Global-Haftpflichtversicherung, Teil A Ziff. 1. Unstreitig ist die H D GmbH in die Global-Haftpflichtversicherung zwischen dem U-Rheinland und der Beklagten einbezogen. Von daher gilt grundsätzlich das Anerkenntnisverbot.

Ein Verstoß gegen dieses Verbot stellt eine zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitspflichtverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles dar. Er führt dazu, dass auch die Klägerin ihren Direktanspruch gegen die Beklagte verliert. Dies folgt aus dem bei Haftpflichtversicherungen maßgeblichen Grundsatz, wonach der Geschädigte vom Versicherer nur diejenige Leistung beanspruchen kann, die der Versicherer aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer schulden würde. Ist der Versicherer leistungsfrei, weil der Versicherungsnehmer eine Obliegenheitspflicht verletzt hat, so entfällt auch für den Geschädigten die Möglichkeit, Nutzen aus dem Versicherungsvertrag zu ziehen (BGH a.a.O.).

An der Anwendbarkeit dieses Grundsatzes auf das Versicherungsverhältnis zwischen der H D GmbH und der Beklagten bestehen keine Zweifel. Soweit die Klägerin dies mit der Begründung in Frage stellt, es könne eine Pflichtversicherung vorliegen, sind diese Bedenken nicht gerechtfertigt. So gingen die Parteien jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat einvernehmlich von einer grundsätzlichen Geltung des Anerkenntnisverbotes aus. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass es sich nicht um eine Pflichtversicherung handele. Hinweise auf den Charakter einer Pflichtversicherung ergeben sich auch nicht aus den maßgeblichen Bestimmungen über die Anerkennung der H D GmbH als internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft. Hierzu ist auf die Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission über die gemeinsamen Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1253/2002 der Kommission, hinzuweisen. Im Anhang VI zu diesen Regelungen sind die Zulassungsvoraussetzungen für internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaften geregelt. Auch aus der dort teilweise in Bezug genommenen Norm EN 45011 ergibt sich keine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Dies gilt auch für die entsprechenden nationalen Regelungen, vgl. § 14 der Ausfuhrerstattungsverordnung vom 24.5.1996 (BGBl I S. 766), zuletzt geändert durch Gesetz zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 21.7.2004 (BGBl I S. 1763, 1774).

3.

Das Landgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die gegen den Insolvenzverwalter nach § 6 Abs. 3 S. 1 VVG sprechende Verschuldensvermutung nicht widerlegt hat. Dies gilt selbst dann, wenn zugunsten der Klägerin als wahr unterstellt wird, dass der Insolvenzverwalter tatsächlich am 5.9.2002 und 22.10.2002 (lediglich letzteres Schreiben hat die Klägerin vorgelegt) die Beklagte um Stellungnahme und Mitteilung der maßgeblichen Umstände zum Versicherungsvertrag gebeten hat.

Zunächst ist aufgrund des Schreibens vom 22.10.2002 nicht davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter keinerlei Kenntnis vom Bestehen eines Versicherungsverhältnisses hatte. Dagegen spricht schon der Umstand, dass er gerade die Beklagte angeschrieben hat. Der Insolvenzverwalter wusste ferner, dass mehrere Gläubiger einen Absonderungsanspruch gemäß § 157 VVG geltend machten. Der Insolvenzverwalter bat zudem um Kopien der einschlägigen Versicherungsverträge. Er hatte mithin positive Kenntnis davon, dass ein Versicherungsverhältnis zur Beklagten bestand. Weitere Detailkenntnisse waren nicht erforderlich. Gerade als Rechtsanwalt musste der Insolvenzverwalter unter den gegebenen Umständen auf die Einhaltung möglicher Obliegenheiten aus dem Versicherungsverhältnis achten. Hinzu tritt, dass die Beklagte den Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg, 417 O 174/01, für die H D GmbH führte. Auch dies legt die positive Kenntnis des Insolvenzverwalters vom Bestehen eines Versicherungsverhältnisses zur Beklagten nahe.

Der Verschuldensvorwurf wird selbst dann nicht ausgeräumt, wenn die Beklagte auf tatsächlich erfolgte Anfragen nicht reagiert haben sollte. Allerdings ist grundsätzlich anerkannt, dass der Verstoß gegen das Anerkenntnisverbot dann nicht zur Leistungsfreiheit führt, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei der Regulierung "freie Hand" lässt oder eine eigene Entscheidung unangemessen hinauszögert (Prölss/Martin-Voit/Knappmann, § 154 VVG, Rdn. 17). Hierauf könnte sich die Klägerin aber - wenn überhaupt - nur berufen, wenn sie den Zugang der Schreiben bei der Beklagten nachweisen könnte. Dies ist ihr nicht möglich. Hinzu tritt, dass es sich davon unabhängig schon mit Rücksicht auf die Höhe der im Raume stehenden Forderungen um eine derart bedeutsame Angelegenheit handelte, die in jedem Falle eine Rückversicherung des Insolvenzverwalters geboten hätte. Er musste vernünftigerweise damit rechnen, dass die Versicherung mit einer solchen Vorgehensweise nicht einverstanden war. Der Insolvenzverwalter durfte sich nicht allein auf die beiden unbeantworteten Schreiben stützen, in denen ein beabsichtigtes Anerkenntnis nicht einmal erwähnt war.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Verpflichtungen des Insolvenzverwalters hätten eine rasche Prüfung der angemeldeten Forderungen nach sich gezogen. Die Verpflichtung zur Prüfung der Forderungen bestand zweifellos. Andererseits bestanden jedoch auch Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag, für deren Einhaltung der Insolvenzverwalter Sorge zu tragen hatte. Er hätte durch Aufrechterhaltung seines vorläufig erhobenen Widerspruchs beide Verpflichtungen in Einklang bringen können. Zur Abwehr einer dann möglichen Klage auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle bzw. zur Aufnahme des Rechtsstreits gemäß § 180 Abs. 2 InsO hätte die Beklagte aber nach § 150 Abs. 1 VVG Deckung gewähren müssen.

4.

Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob das Verhalten des Insolvenzverwalters als schon bedingt vorsätzlich oder noch als grob fahrlässig anzusehen ist. Selbst bei grober Fahrlässigkeit ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Kausalitätsgegenbeweis (§ 6 Abs. 3 S. 2 VVG) geführt hat. Aus dem Klägervortrag ergibt sich nicht hinreichend, dass die Beklagte für den vom Insolvenzverwalter anerkannten Anspruch auch ohne Obliegenheitspflichtverletzung im Rahmen der Haftpflichtversicherung hätte aufkommen müssen. Abzustellen ist insoweit auf den Ausgang des Verfahrens vor dem Landgericht Hamburg.

Aus den vom Senat beigezogenen Verfahrensakten ergibt sich, dass sich die dortige Beklagte sowohl gegen den Grund als auch gegen die Höhe des Anspruchs verteidigt hat. Anhand der Verfahrensakten ist nicht nachzuvollziehen, dass dieser Rechtsstreit auf ein vollständiges Obsiegen der Klägerin hinausgelaufen wäre. Zutreffend bemerkt die Klägerin allerdings, dass der Schwerpunkt des Rechtsstreits darin lag, ob und inwieweit der dortigen Beklagten eine Pflichtverletzung im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs aus positiver Vertragsverletzung vorzuwerfen war. Dies ergibt sich aus dem gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 10.4.2002 (vgl. Bl. 93 d.A. LG Hamburg). Nach umfangreicher Beweisaufnahme ist das Landgericht Hamburg zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tiere Ohrenmarken hatten und entsprechende Listen die Transporte begleitet haben. Fortan ging es noch um die Frage, ob ein Verschulden der dortigen Beklagten darin gesehen werden konnte, die Ohrenmarken nicht kontrolliert zu haben (vgl. Sitzungsprotokoll 26.8.2002, Bl. 140 ff. d.A. LG Hamburg). Dass dies indes zwingend für ein vollständiges Obsiegen der Klägerin spricht, ist nicht ersichtlich. Die dortige Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 23.9.2002, Bl. 206 ff. d.A. LG Hamburg, zum Verschulden umfassend Stellung genommen und hierzu breit dargelegt, dass ihr die Ohrenmarkenlisten nicht zur Verfügung gestellt wurden. Zudem hat sie dargelegt, dass zur Zeit der Transporte ein Abgleich der Ohrenmarken noch nicht gefordert und zur Erfüllung der Zollformalitäten auch nicht üblich gewesen sei. Die Verpflichtungen der Beklagten hätten sich indes in erster Linie auf die Erfüllung der Zollformalitäten beschränkt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die dortige Beklagte zudem nachvollziehbare Einwendungen gegen die Höhe der Klageforderung geäußert hat.

Vor dem Hintergrund des noch unklaren Prozessausganges und der von der dortigen Beklagten erhobenen Einwendungen zu Grund und Höhe des Anspruchs sind die Darlegungen zum Kausalitätsgegenbeweis nicht ausreichend. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass gegen eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg noch Rechtsmittel eröffnet wären. Vor diesem Hintergrund ist auch der Einwand der Beklagten berechtigt, dass durch das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters jedenfalls die Möglichkeit eines Vergleichs verwehrt ist.

5.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob und inwieweit ein Anerkenntnis durch den Insolenzverwalter Wirkung auch gegenüber dem Versicherer entfaltet, ist als geklärt anzusehen und wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung einheitlich beantwortet.

Gegenstandswert der Berufung: 2.509.309,46 €

Ende der Entscheidung

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