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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.02.2005
Aktenzeichen: Ausl 10/05
Rechtsgebiete: IRG


Vorschriften:

IRG § 9 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Auslieferungshaftbefehl

Ausl 10/05

In dem Auslieferungsverfahren

hat der 2.Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg sowie der Richter am Oberlandesgericht Scheiter und Dr. Schmidt

am 15.02.2005

beschlossen:

Tenor:

Gegen den australischen Staatsangehörigen A. E. G. wird die Auslieferungshaft angeordnet.

Gründe:

I.

Der Verfolgte befindet sich seit geraumer Zeit in anderer Sache in Untersuchungshaft. Mit Anklageschrift vom 17.12.2003 (90 Js 1188/02) wird ihm u. a. vorgeworfen im Jahr 2000 816 kg Kokain zum gewinnbringenden Preis von 16.320.000 $ verkauft zu haben, wobei er seinen legalen Betrieb als Deckmantel verwendet haben soll; Verbrechen strafbar gemäß §§ 1, 3, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Derzeit findet deswegen die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn statt.

Der in Deutschland gegen den Verfolgten erhobene Vorwurf ist den chilenischen Behörden aufgrund eines Rechtshilfeersuchens des Amtsgerichts Bonn bekannt geworden. Daraufhin in Chile durchgeführte Ermittlungen haben den Verdacht begründet, dass er aus dem von ihm in der Zeit von 1999 bis zum 23.06.2003 betriebenen Drogenhandel erlangte Gelder in Chile insbesondere in Immobilien angelegt und sich dadurch wegen Geldwäsche gemäß Art. 12 des Gesetzes Nr. 19.366 über den Verkehr mit Betäubungsmitteln und anderen psychotropen Stoffen strafbar gemacht haben soll. Diese Bestimmung lautet:

"Mit presidio mayor en su grado minimo a medio (d. i. Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren) oder mit Geldstrafe von 200 bis 1000 Monatssätzen wird bestraft, wer sich in Kenntnis dessen, dass bestimmte Güter, Vermögenswerte, Vorteile, Geldbeträge, Gewinne oder Nutzen durch die Begehung einer unter dieses Gesetz fallenden Straftat in Chile oder im Ausland erlangt wurden oder davon herrühren, an deren Gebrauch, Nutzung oder Zweckverwendung beteiligt oder daran mitwirkt.

Unter Gebrauch, Nutzung oder Zweckverwendung der vorstehend erwähnten Güter versteht sich jede Handlung - gleich welcher Rechtsnatur -, die den Besitz, die Inhaberschaft oder die Beherrschung derselben mit sich bringt oder gegebenenfalls brachte, sei es in direkter oder indirekter, ursprünglicher, vorgetäuschter, verheimlichter oder verschleierter Form."

Am 13.09.2004 hat das Berufungsgericht in La Serena/Chile beschlossen (Az.: 180 - 2004), dass die Bundesrepublik Deutschland um Verhaftung und Auslieferung des Verfolgten ersucht werden soll. Mit Verbalnote vom 20.12.2004 hat die Botschaft der Republik Chile ein entsprechendes Ersuchen den Behörden der Bundesrepublik Deutschland zugeleitet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft anzuordnen.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferungshaft anzuordnen, ist zu entsprechen.

1. Ein formell ordnungsgemäßes Ersuchen liegt vor. Der Beschluss des Berufungsgerichtes in La Serena/Chile vom 13.09.2004 (180 - 2004), in dem die Bundesrepublik Deutschland um Verhaftung und Auslieferung des Verfolgten ersucht wird, stellt eine Urkunde mit entsprechender Rechtswirkung wie ein Haftbefehl dar. Dieses Begehren ist der Bundesrepublik Deutschland auch auf dem dafür vorgesehenen diplomatischen Weg übermittelt worden. Der Umstand, dass dem Ersuchen eine Darstellung der anwendbaren chilenischen gesetzlichen Bestimmungen nicht beigefügt war, ist unschädlich. Diese Bestimmungen sind dem Senat aufgrund ihrer Veröffentlichung im Internet bekannt, so dass die Prüfung möglich ist, ob der dem Verfolgten vorgeworfene Sachverhalt nach dem Recht beider Staaten strafbar ist.

2. Eine Auslieferung ist auch nicht von vornherein unzulässig.

a) Die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten sind sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates (Art. 12 des Gesetzes Nr. 19.366) als auch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (§ 261 StGB) strafbar und lassen daher seine Auslieferung nach § 3 IRG zu. Der Umstand, dass der Verfolgte in Deutschland jedenfalls nach der aus Sicht des Senats (vgl. Beschlüsse im Haftprüfungsverfahren gem. §§ 121f. StPO vom 20.09.2003, 13.01., 20.04., 03.08. und 17.12.2004, HEs 168/03 bzw. HEs 179/04) zu erwartenden Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz gem. § 261 Abs. 9 S. 2 StGB nicht auch noch wegen Geldwäsche verurteilt werden könnte, steht dem nicht entgegen. § 3 Abs. 1 IRG setzt nämlich nicht die (volle) Strafbarkeit nach deutschem Recht voraus. Ausreichend ist vielmehr, dass "die Tat auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist". Dies ist der Fall. Der hier verwendete Begriff der rechtswidrigen Tat ist mit demjenigen in § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB identisch, der Zusatz "die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt" hat keine selbständige Bedeutung (vgl. Begründung des Regierungsentwurf, BT-Drs. 9/1338, S. 36, rechte Spalte; Lagodny, in Schomburg/Lagodny, Int. Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., 1998, § 3 IRG Rdnr. 12; Vogler, in: Grützner/Pötz, Int. Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl. (Stand 1983), § 3 IRG Rdnr. 4). Der Umstand, dass § 261 StGB für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer) an der Vortat als mitbestrafte Nachtat gem. § 261 Abs. 9 S. 2 StGB straflos bleibt, ändert nichts daran, dass es sich um eine rechtswidrige Tat i. S. des § 3 Abs. 1 IRG handelt. Diese Regelung macht vielmehr nur deshalb Sinn, weil auch der Vortäter durch sein Verhalten rechtswidrig den Tatbestand der Geldwäsche erfüllen kann.

b) Auch § 9 Nr. 1 IRG steht der Auslieferung des Verfolgten nicht entgegen. Zwar unterliegt die dem Verfolgten angelastete Geldwäsche auch der deutschen Gerichtsbarkeit, denn sie wurde teilweise in Deutschland begangen. Von hier aus soll der Verfolgte Erlöse aus Drogengeschäften nach Chile transferiert haben. Dies erfüllt in Deutschland die Tatbestandsalternative des Vereitelns der Sicherstellung in § 261 Abs. 1 StGB (vgl. Körner, Betäubungsmittelgesetz, 5. Aufl., 2001, § 29 Rdnr. 1868). Abgesehen davon, dass bislang in dem Inlandsverfahren noch keine Verurteilung erfolgt ist, beträfe diese auch nicht dieselbe Tat i. S. des § 9 Nr. 1 IRG, der insoweit dem Tatbegriff des § 264 StPO folgt.

Die dem Verfolgten in Chile angelastete Tat ist mit derjenigen, die Gegenstand des Verfahrens beim Landgericht Bonn ist, nicht identisch. Grundsätzlich ist für die Frage der Tatidentität auf den Anklagesatz abzustellen. Tat i. S. des § 264 StPO ist danach der von der (zugelassenen) Anklage betroffene Vorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen, also das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die zugelassene Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGHSt 45, 211, 212f.). Die beim Landgericht Bonn gegen den Verfolgten erhobene und zugelassene Anklage enthält weder im Anklagesatz noch sonst irgendwelche Hinweise darauf, was der Verfolgte mit den angeblich erzielten Erlösen aus Drogengeschäften getan hat.

Ohne eine ausdrückliche Schilderung wäre die Geldwäsche nur dann Teil der in Bonn angeklagten Tat, wenn sie mit dem angeklagten Betäubungsmittelhandel innerlich derart verknüpft wäre, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes empfunden würde (vgl. BGH NStZ 2001, 195f.). Das ist jedoch aus folgenden Gründen nicht der Fall:

- Die Transferierung von Drogengeldern nach Chile und deren Anlage dort stellt sich aus deutscher Sicht nicht mehr als Teil des Handels mit Betäubungsmitteln dar. Handlungen zur Förderung des Geldkreislaufs sind nämlich nur dann als Handel mit Betäubungsmitteln strafbar, wenn der Geldfluss als Entgelt der Drogenlieferung noch nicht zur Ruhe gekommen ist, also längstens bis zur Übergabe der Erlöse aus den Drogengeschäften an den Verkäufer der Gesamtmenge (BGHSt 43, 158, 162f. = NJW 1997, 3223, 3224). Die in Chile verfolgten Taten liegen nach diesem Zeitpunkt, denn die von dem Verfolgten angeblich nach Chile transferierten und dort vorzugsweise in Immobilien angelegten Gelder waren ersichtlich nicht mehr zur Finanzierung von Drogengeschäften bestimmt.

- Für die Würdigung der dem Verfolgten in Deutschland angelasteten Drogendelikte ist die Verwendung der Erlöse bedeutungslos. Sie hat weder Auswirkungen auf die Strafbarkeit seines Verhaltens noch ist erkennbar, dass sie im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung erlangen kann.

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung, dass es sich bei der Vortat und der Geldwäsche grundsätzlich um zwei unterschiedliche Taten i. S. des § 264 StPO handelt bestärkt durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.06. 1995 - 2 StR 157/95 - (wistra 1995, 310 m. Anm. Körner = NStZ 1995, 500 = StV 1995, 522). Darin hat der Bundesgerichtshof zwar nach Anklageerhebung wegen erpresserischen Menschenraubes eine Verurteilung wegen Geldwäsche ohne Nachtragsanklage zugelassen, aber nur, weil das hierfür maßgebliche Verhalten des Angeklagten im Anklagesatz beschrieben worden war und sich nicht feststellen ließ, "dass die Staatsanwaltschaft ein bestimmtes, als selbständige prozessuale Tat (§ 264 StPO) zu wertendes Geschehen nicht der Kognition des Gerichts unterwerfen wollte".

3. Der Auslieferung des Verfolgten nach Chile steht auch nicht entgegen, dass er mit einer deutschen Staatsagehörigen verheiratet ist, mit der er zwei Kinder hat (vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 179, 180; OLG Hamm NStZ-RR 2000, 158; 2001, 315, 316).

III.

Die Anordnung der Haft ist geboten. Bei dem Verfolgten besteht Fluchtgefahr. Er ist nicht Deutscher. Sollte der derzeit gegen ihn vollzogene Untersuchungshaftbefehl aufgehoben werden, muss damit gerechnet werden, dass er sich aus Deutschland absetzen wird, um der Auslieferung nach Chile zu entgehen, wo ihm eine empfindliche Bestrafung droht. Hierzu verfügt der Verfolgte aufgrund seiner australischen Staatsangehörigkeit und seiner Verbindungen ins Ausland auch über die entsprechenden Möglichkeiten. Weniger einschneidende Maßnahmen sind nicht geeignet, der Fluchtgefahr wirksam zu begegnen.

Ende der Entscheidung

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