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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.11.2004
Aktenzeichen: Ausl 189/04
Rechtsgebiete: GG, IRG, Auslieferungsvertrag zwischen BRD und USA v. 20.06.1978


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 3
IRG § 10
Auslieferungsvertrag zwischen BRD und USA v. 20.06.1978
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

Ausl 189/04

In dem Auslieferungsverfahren

pp.

hat der 2. Strafsenaat des Oberlandesgerichts Köln auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Ahn-Roth sowie die Richter am Oberlandesgericht Scheiter und Dr. Schmidt am 05.11.2004

beschlossen:

Tenor:

Die Auslieferung des US-amerikanischen Staatsangehörigen J. A. M. in die Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfolgung der in dem Haftbefehl des Marin County Superior Court vom 13.11.1998 (SC 105253A) aufgeführten Straftaten wird für zulässig erklärt.

Gründe:

I.

Der Verfolgte ist am 07.07.2004 festgenommen worden. Bei seiner Anhörung am 08.07.2004 vor dem Amtsgericht hat er sich nicht mit einer vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 16. Juli 2004 hat der Senat gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet. Die Frist zur Vorlage des Auslieferungsersuchens und der förmlichen Auslieferungsunterlagen ist mit weiterem Beschluss des Senats vom 14. August 2004 um 20 Tage verlängert worden.

Die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika ersucht nunmehr mit Verbalnote vom 27.08.2004 förmlich um seine Auslieferung zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl des Superior Court für den Justizbezirk Marin County/California vom 13.11.1998 (SC105253A) in Verbindung mit der eidlichen Erklärung der Staatsanwältin Kamena vom 16.08.2004 als leitende Staatsanwältin für Marin County/California (SC1052553A ), der Erklärung des Sergeanten F. vom 13.08.2004 und der Anklageschrift der Grand Jury vom 13.11.1998 (SC1052553A) aufgeführten Straftaten. Nach diesen Unterlagen liegen dem Verfolgten schwerer Mord und weitere Straftaten zur Last: Er soll am 09.01.1997, kurz nach Mitternacht, mit mindestens drei weiteren Personen, u. a. R. C. und I. K. aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes in eine Wohnung in Marin County/California gestürmt sein, in der gerade eine Party stattfand und sich mindestens 17 Personen befanden. M. und die anderen Eindringlinge sollen Schusswaffen bei sich geführt haben und allen Partygästen befohlen haben, sich nicht mehr zu bewegen und auf den Boden zu legen. M. soll den auf einer Couch im Wohnzimmer der Wohnung sitzenden R. S. jr., mit dem er wegen Drogengeschäften im Streit gelegen habe, mit sieben Schüssen erschossen haben. Andere Partygäste, die versuchten, dem Schussfeuer zu entkommen, sollen von außerhalb der Wohnung beschossen worden sein. Eine Person namens T. B. soll von einem der Täter einen Schlag auf den Kopf erhalten und das Bewusstsein verloren haben. Ein 18-monatiges Baby, K. M. P., soll sich während der Schießerei in der Wohnung befunden haben. Über seinem Stuhl sollen Kugeln die Wand getroffen haben.

Dem Ersuchen sind die maßgeblichen US-amerikanischen Strafvorschriften beigefügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, gemäß § 29 Abs. 1 IRG die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären. Der Verfolgte ist dem entgegengetreten, er hält die Auslieferung für unzulässig. Es beständen Zweifel am Tatverdacht, weil die von den US-amerikanischen Behörden vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen inhaltlich falsch wären. Er könne in den USA auch nicht mit einem fairen Verfahren rechnen. Es sei nicht zuverlässig ausgeschlossen, dass er nicht zum Tode verurteilt und dieses Urteil dann auch vollstreckt werde. Jedenfalls müsse er aber mit der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Strafaussetzung rechnen.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären, ist zu entsprechen. Die von dem ersuchenden Staat vorgelegten Auslieferungsunterlagen rechtfertigen den Antrag. Auslieferungshindernisse bestehen nicht.

1. Die an ein Auslieferungsersuchen gestellten Anforderungen (§ 2 Abs. 1 IRG, Art. 14 Abs. 1 des Auslieferungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 20.06.1978 in der Fassung des Zusatzvertrages vom 21.10.1986 - im folgenden: AuslV -) werden durch das vorgelegte Ersuchen der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika vom 27.08.2004 erfüllt. Diesem sind die nach Art. 14 Abs. 2 und 3 AuslV erforderlichen Unterlagen beigefügt worden. Es ist ein Haftbefehl des Superior Court für den Justizbezirk Marin County/California vom 13.11.1998 vorgelegt worden. Auch ist eine nach § 14 Abs. 3 lit. b AuslV erforderliche zusammenfassende Darstellung des Sachverhalts, die nicht aus dem Haftbefehl hervorgeht, beigefügt. Sie ergibt sich aus der eidlichen Erklärung zur Unterstützung des Auslieferungsersuchens der Staatsanwältin K. vom 16.08.2004, die als leitende Staatsanwältin für Marin County tätig ist, der Erklärung des Sergeant F. und der Anklageschrift der Grand Jury vom 13.09.1998. Schließlich enthalten die Unterlagen den Wortlaut der anwendbaren Gesetzesbestimmungen.

Bei den dem Verfolgten zur Last gelegten Taten handelt es sich um auslieferungsfähige Straftaten (Art. 2 AuslV). Die Strafbarkeit der Taten nach dem Recht des ersuchenden Staates - als schwerer Mord, Einbruch, Freiheitsberaubung, Angriff mit einer tödlichen Waffe, Angriff mit einer Schußwaffe und Gefährdung eines Kindes - folgt aus Sec. 187 (a), 188, 189, 190.2(a)(15), 190.2(a)(17)(g), 236, 245(a)(1)(2), 273a(a), 459 des Penal Code des Staates Kalifornien, die mit Freiheitsstrafen im Höchstmaß über einem Jahr geahndet werden.

Das dem Verfolgten zur Last gelegte Verhalten wäre in der Bundesrepublik Deutschland zumindest als Mord, Nötigung, gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz - begangen in Mittäterschaft - strafbar gemäß §§ 211, 240, 223, 224 I Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5; 25 II StGB, § 53 WaffG und im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht (Art. 2 Abs. 2 lit. a AuslV). Bei der rechtlichen Subsumtion ist als "Tat" im Sinne des Auslieferungsrechts der einheitliche geschichtliche Lebensvorgang (vgl. § 264 StPO) zugrunde zu legen (Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe, 3. Aufl., § 3 Rdn. 6 ). Dieses Geschehen muss sich als rechtswidrige Tat darstellen, wobei es ausreicht, wenn irgendeine Norm des deutschen Neben- oder Kernstrafrechts diesen Sachverhalt trifft. Eine Identität der materiell-rechtlichen Beurteilung zwischen dem Recht des ersuchenden und dem des ersuchten Staates ist nicht erforderlich (vgl. Schomburg/Lagodny, a.a.O., § 3 Rdn. 13). Deshalb ist es hier unschädlich, dass das kalifornische Strafrecht anders als das deutsche Strafrecht das Geschehen u. a. als Einbruch und - statt Nötigung durch Zwang zur Ortsveränderung - Freiheitsberaubung unter Strafe stellt und darüber hinaus die Vorschrift der Sec. 273 a (a) cal. Penal Code zur Anwendung kommt, der eine Gefährdung eines Kindes als strafbar ansieht. Das deutsche Strafrecht kennt eine dementsprechende Norm nicht.

Einer näheren Befassung mit den dem Auslieferungsersuchen beigefügten Beweismitteln bedarf es nicht, da eine Tatverdachtsprüfung im Auslieferungsverkehr mit den Vereinigten Staaten von Amerika auf deutscher Seite nicht stattfindet (vgl. OLG Karlsruhe MDR 1986, 521 = GA 1986, 459; OLG Düsseldorf, NStZ 2003, 684 = StV 2004,147 mit eingehender Begründung). Das formelle Prüfungsprinzip, demzufolge grundsätzlich von der Richtigkeit der dem Ersuchen zugrunde liegenden Beschuldigung ausgegangen wird (vgl. BGHSt 2, 44 [48]; StV 1984, 295 [296]), gilt im deutschen Auslieferungsrecht grundsätzlich auch bei Auslieferungsersuchen aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis. Hieran vermag die Regelung in Art. 14 Abs. 3 lit. a) des AuslV nichts zu ändern. Diese Regelung gewinnt ihre Bedeutung alleine auf der völkerrechtlichen Ebene, indem sie eine Auslieferungsverpflichtung der Vertragsstaaten von der Vorlage der den Tatverdacht begründenden Beweismittel abhängig macht. Sie schränkt die Entscheidungsbefugnis des ersuchten Staates aber nicht in der Weise ein, dass eine nach innerstaatlichem Recht auch ohne belegten Tatverdacht zulässige Auslieferung ausgeschlossen wäre.

Den vom Verfolgten dargelegten Unstimmigkeiten zwischen der eidesstattlichen Versicherungen der Staatsanwältin K. und des Sergeanten F. misst der Senat bei seiner Entscheidung keine Bedeutung bei. Entscheidend für die formelle Prüfung sind die - grundsätzlich als zutreffend zu unterstellenden - tatsächlichen Angaben zur Tat im Auslieferungsersuchen. Die von dem ersuchenden Staat ergänzend beigefügten eidesstattlichen Versicherungen stellen ersichtlich lediglich Beweismittel i. S. des Art. 14 AuslV dar, auf die es aus den vorstehend dargestellten Gründen aber nicht ankommt. Selbst wenn die eidesstattlichen Versicherungen inhaltlich unvollständig oder ungenau sein sollten, weil sie die im Ermittlungsverfahren und dem Verfahren vor der Grand Jury erhobenen Beweise nicht vollständig wiedergeben, würde dies keinen besonderen Umstand i. S. des § 10 Abs. 2 IRG darstellen, der erst eine Prüfung des Tatverdachts rechtfertigt. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass das Auslieferungsersuchen missbräuchlich erscheint oder dem Betroffenen im ersuchenden Staat ein rechtsstaatswidriges Verfahren droht (BVerfGE 109, 38 (59( = NJW 2004, 142 (145(; BGH St 32, 314 (319 ff.(). Ein solcher Schluss lässt sich aber aus möglicherweise verkürzten und deshalb unzutreffenden Darstellungen in den eidesstattlichen Versicherungen nicht entnehmen. Maßgeblich für die Verfolgung ist vielmehr die Anklageerhebung gemäß der Entscheidung der Grand Jury. Die Entscheidung der Grand Jury, wonach hinreichender Anlass zur Anklageerhebung bestand, beruht indes auf der Würdigung aller bis dahin erhobener Beweise, also auch derjenigen, die in den eidesstattlichen Versicherungen angeblich unzutreffend oder gar nicht dargestellt wurden.

2.Gründe, die der Zulässigkeit einer Auslieferung nach den Art. 4 ff. des AuslV entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Verfolgte ist nicht Deutscher. Eine Auslieferung würde wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung nicht widersprechen (§ 73 IRG).

a) Der Umstand, dass Mord nach dem kalifornischen Strafrecht mit der Todesstrafe bedroht wird, steht einer Auslieferung nicht entgegen. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat der Regierung der Bundesrepublik Deutschland durch Verbalnote ihrer Botschaft vom 20.09.2004 zugesichert, dass die Todesstrafe bei der Strafverfolgung des Verfolgten nicht ersucht und nicht verhängt wird. Damit ist die Voraussetzung des § 8 IRG erfüllt. Der Senat hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass diese Zusage eingehalten werden wird.

b) Der Möglichkeit, dass gegen den Verfolgten gemäß Sec. 190.a cal. Penal Code eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Strafaussetzung ("imprisonment in the state prison for life without the possibility of parole") verhängt werden kann, macht die Auslieferung nicht unzulässig. Auf der Ebene des einfachen Rechts stellt die Möglichkeit der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Strafaussetzung kein Auslieferungshindernis dar. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 83b Nr. 4 IRG. Danach stellt die Möglichkeit der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, deren weiterer Vollzug nicht spätestens nach zwanzig Jahren überprüft wird, lediglich einen Grund dar, aus dem die Auslieferung abgelehnt werden kann und zwar durch die Bewilligungsbehörde (vgl. BT-Drs. 15/1718, S. 21f.). Dies impliziert aber, dass die Möglichkeit der Verhängung einer solchen Strafe nach Auffassung des Gesetzgebers nicht bereits zwingend ein bei der Zulässigkeitsentscheidung zu beachtendes Auslieferungshindernis darstellt.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Strafaussetzung nach innerdeutschem Recht verfassungsrechtlich unzulässig wäre (BVerfGE 45, 187). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben deutsche Gerichte in Auslieferungsverfahren lediglich zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrunde liegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind. Dies folgt aus der Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft, die es gebietet, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten, auch wenn sie im Einzelfall nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen (BVerfGE 108, 129 (136( = JZ 2004, 141 m. Anm. Vogel).

Die Möglichkeit der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Strafaussetzung verstößt nicht gegen völkerrechtliche Mindeststandards. Sie verstößt aber auch nicht gegen unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze der Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Grundsatzentscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe zu dem Ergebnis gelangt, dass diese selbst dann nicht gegen das Gebot zur Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 3 GG) verstößt, das unzweifelhaft zu den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gehört, wenn diese tatsächlich im Einzelfall bis zum Tod vollzogen wird (BVerfGE 45, 187 (229, 242( = NJW 1977, 1525 (1526, 1529(). Der Verurteilte muss allerdings zumindest die Chance haben, wieder in Freiheit gelangen zu können (BVerfGE 45, 187 (229( = NJW 1977, 1525 (1526(). Diese Chance besteht auch in Kalifornien im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung, denn Sec. 4801 Penal Code schließt eine Begnadigung ("pardon") oder Umwandlung der Strafe ("commutation") auch für diesen Fall nicht aus:

"(a)The Board of Prison Terms may report to the Governor, from time to time, the names of any and all persons imprisoned in any state prison who, in its judgment, ought to have a commutation of sentence or be pardoned and set at liberty on account of good conduct, or unusual term of sentence, or any other cause, including evidence of battered woman syndrome. For purposes of this section, "evidence of battered woman syndrome" may include evidence of the effects of physical, emotional, or mental abuse upon the beliefs, perceptions, or behavior of victims of domestic violence where it appears the criminal behavior was the result of that victimization.

(b) The Board of Prison Terms, in reviewing a prisoner's suitability for parole pursuant to Section 3041.5, shall consider any information or evidence that, at the time of the commission of the crime, the prisoner had suffered from battered woman syndrome, but was convicted of the offense prior to the enactment of Section 1107 of the Evidence Code by Chapter 812 of the Statutes of 1991. The board shall state on the record the information or evidence that it considered pursuant to this subdivision, and the reasons for the parole decision. The board shall annually report to the Legislature and the Governor on the cases the board considered pursuant to this subdivision during the previous year, including the board's decision and the findings of its investigations of these cases.

Die Aussicht, die Freiheit nur im Wege der Begnadigung zurück erlangen zu können, wäre allerdings mit deutschem Verfassungsrecht nicht vereinbar. Dies ergibt sich aber nicht aus Art. 1 Abs. 3 GG, sondern aus dem Rechtsstaatsgebots (Art. 19 Abs. 4 GG) in der konkreten Ausprägung, die dieses in Deutschland erfahren hat (BVerfGE 45, 187 (245f.( = NJW 1977, 1525 (1529f.(). Die durch die Erfahrungen der Willkürherrschaft des Nationalsozialismus geprägte sehr strenge Anwendung des Rechtsstaatsprinzips entspricht nicht dem Verständnis vieler anderer Staaten und gehört auch nicht zu den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen unserer öffentlichen Ordnung, von denen auch in Fällen der Auslieferung keinesfalls abgewichen werden kann (vgl. insoweit auch BVerfG NStZ-RR 2004, 179 (180( zu Art. 101 GG). Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht in keinem der gerade in jüngerer Zeit entschiedenen Auslieferungsfälle, in denen jeweils auch eine lebenslange Freiheitsstrafe im Raum stand, die Frage der Möglichkeit der Strafaussetzung auch nur als mögliches Kriterium für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung erwähnt (vgl. BVerfGE 108, 129 = JZ 2004, 141 m. Anm. Vogel; BVerfGE 109, 38 = JZ 2004, 410 m. Anm. Vogel = StV 2004, 435 m. Anm. Dickersbach).

Der Senat weicht damit auch nicht von der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 19.01.2001 (NStZ 2001, 447 - LS - ) ab, so dass keine Veranlassung zur Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 42 Abs. 1 3. Alt. IRG besteht. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat zwar die Chance auf Wiedererlangung der Freiheit auch in Fällen der Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu den elementaren rechtstaatlichen Anforderungen gerechnet, die auch im vertraglichen Auslieferungsverkehr zu beachten sind, es aber genügen lassen, "dass das Recht des ersuchenden Staates die Möglichkeit der Strafaussetzung oder Begnadigung oder mindestens Strafvollzugslockerung mit Freigang kennt und hiervon in der Rechtspraxis Gebrauch gemacht wird." Dies entspricht der hier vertretenen Auffassung. Der Senat kann auch nicht davon ausgehen, dass von der Möglichkeit der rechtlich bestehenden Begnadigung oder Umwandlung der Strafe in der Praxis kein Gebrauch gemacht würde. Aus einer vom U.S. Department of Justice im Jahre 1995 veröffentlichten Untersuchung ergibt sich vielmehr, dass 70 % der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten davon ausgehen, aus der Haft entlassen zu werden (Beck, Violent Offenders in State Prison: Sentences and Time Served, Bureau of Justice Statistics, Selected Findings, July 1995, S. 2 (http//:www.ojp.usdoj.gov/bjs/pub/pdf/vospats.pdf(.

Dieses Untersuchungsergebnis belegt, dass es eine entsprechende Begnadigungspraxis gibt. Es ist nicht erkennbar, dass sich die Verschärfung in der Strafvollstreckungspraxis in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren dahin ausgewirkt hat, dass nunmehr keine realistische Chance auf Haftentlassung für Personen besteht, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Strafaussetzung verurteilt wurden. Diesbezügliche Vermutungen (vgl. van Zyl Smit/Oppert, ZStW 111 (1999), 558, 576) können sich bislang nicht auf entsprechende Daten stützen.

c) Es ist auch nicht zu befürchten, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung einem unfairen, rechtsstaatswidrigen Verfahren ausgesetzt sein würde. Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag über den Auslieferungsverkehr geschlossen hat, die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes einhält. Dies hat das Bundesverfassungsgericht für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union so entschieden (BVerfG NJW 2004, 1858). Der Senat hat keine Zweifel daran, dass dieser Grundsatz jedenfalls in Fällen "normaler" Kriminalität auch auf die Vereinigten Staaten von Amerika zu übertragen ist. Konkrete Umstände, die ein rechtsstaatswidriges Vorgehen gegen den Verfolgten besorgen lassen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus dem Umstand, dass nach dem Vortrag des Verfolgten das Verfahren gegen seine angeblichen Mittäter R. C. und I. K., gegen die nach der Entscheidung der Grand Jury ebenfalls Anklage zu erheben war, zwischenzeitlich eingestellt worden sein soll, dass mit der Entscheidung der Grand Jury und der Anklageerhebung keine Vorverurteilung verbunden ist.

Ende der Entscheidung

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