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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: Ss 36/03
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 353 | |
StPO § 354 Abs. 2 |
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Siegburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 25. März 2002 wegen gemeinschaftlichen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Seine in der Berufungshauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkte Berufung ist vom Landgericht Bonn mit Urteil vom 16. Oktober 2002 verworfen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten u. a. mit der Sachrüge.
II.
Das - hinsichtlich der Erfüllung seiner Zulässigkeitsvoraussetzungen unbedenkliche - Rechtsmittel hat insoweit (vorläufigen) Erfolg, als es, ohne dass es einer Erörterung der Verfahrensrüge bedarf, bereits auf die in zulässiger Weise erhobene Sachrüge gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts führt. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die angegriffene Entscheidung auf einem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO).
Während der Schuldspruch des amtsgerichtlichen Urteils aufgrund der - wirksamen - Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen ist, erweisen sich die Gründe des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Strafzumessung als materiell-rechtlich unvollständig.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit in ihrer Antragsschrift ausgeführt:
"Der Grundsatz, dass die Strafzumessung Sache des Tatrichters ist und dessen Wertung vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren ist (BGH NStZ 1984, 360; SenE vom 17. 01. 2003 - Ss 535/02 -1-), gilt nur, wenn der Strafzumessung rechtsfehlerfreie Erwägungen zugrunde liegen. Fehlerhafte Strafzumessungserwägungen liegen u. a. dann vor, wenn das Urteil Rechtsfehler bei der Feststellung der einzelnen Strafzumessungstatsachen aufweist, sei es, dass diese z. B. fehlen oder unvollständig sind (Senat a. a. O.).
Danach sind die Urteilsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils vorliegend hinsichtlich der Rechtsfolgenseite materiell-rechtlich unvollständig, weil sich ihnen zu den zum Nachteil des Angeklagten verwerteten Vorbelastungen Hinreichendes nicht entnehmen lässt. Wenn der Tatrichter Vorbelastungen zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, hat er diese im Urteil so genau mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung ermöglicht wird, ob und inwieweit die Vorstrafen noch verwertet werden dürfen und - falls verwertbar - ob sie im Hinblick auf ihre Bedeutung und Schwere für den Strafausspruch richtig bewertet worden sind. Neben dem Zeitpunkt der Verurteilung und der Art und Höhe der Strafen sind daher in der Regel die den als belastend eingestuften Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte zwar knapp, aber doch in einer aussagekräftigen Form zu umreißen (BGH NStZ 1996, 266 f.; ständige Senatsrechtsprechung; vgl. Senat StV 1996, 321 ff.; Senat VRS 100, 123 (129(; zuletzt SenE vom 17.01.2002 -Ss 535/02 -1-). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es teilt zwar den Zeitpunkt sämtlicher Vorverurteilungen, den jeweils verwirklichten Tatbestand mit der gesetzlichen Überschrift sowie Art und Höhe der verhängten Strafen mit; hinsichtlich der letzten Verurteilungen, die zur Verhängung von Bewährungsstrafen führten, in deren Verlauf die hier in Rede stehende Tat verübt wurde, die mithin für die Strafbemessung von herausragender Bedeutung sind, mangelt es indes an jedweder - auch nur knappster - Mitteilung der zugrunde liegenden Sachverhalte".
Diesen Ausführungen stimmt der Senat zu.
Ergänzend ist darauf zu hinweisen, dass die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils auch zu den Anforderungen des § 47 Abs. 1 StGB für die Verhängung einer Freiheitsstrafe mit einer Dauer von weniger als sechs Monaten - hier: fünf Monate Freiheitsstrafe - unzureichend sind.
Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGHSt. 24, 40 (42 f.(; OLG Hamm VRS 97, 410 (411(; SenE v. 15. 8. 2000 - Ss 333/00 = VRS 99, 276 (281(, insoweit in NStZ-RR 2001, 86 nicht abgedruckt; SenE v. 9. 11. 2000 - Ss 457/00 = StraFo 2001, 93 (94(; SenE v. 28. 12. 2000 - Ss 513/00; SenE v. 14. 2. 2001 - Ss 25/01; SenE v. 16. 4. 2002 - Ss 136/02; SenE v. 3. 1. 2003 - Ss 536/02). Daher ist eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten regelmäßig nur noch dann auszusprechen, wenn sich diese Sanktion aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. BGH StV 1994, 370; BGH NStZ 1996, 429; OLG Hamm a. a. O.; Senat a. a. O.). Wegen dieses Ausnahmecharakters erfordert die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe eine eingehende und nachvollziehbare Begründung (vgl. BGH StV 1982, 366; BGH StV 1994, 370; SenE v. 17. 10. 1980 - 1 Ss 719/80 = NJW 1981, 411; Senat a. a. O.). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte - wie hier - erheblich vorbelastet ist. Zwar sind bei wiederholter Rückfälligkeit des Angeklagten geringere Anforderungen an die vorstehend dargelegte Begründungspflicht zu stellen (vgl. OLG Köln (3. Strafsenat) GoldtA 1980, 267; SenE v. 9. 11. 2000 - Ss 457/00 = StraFo 2001, 93 (94(; SenE v. 14. 2. 2001 - Ss 25/01; SenE 16. 4. 2002 - Ss 136/02; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 47 Rdnr. 10 f.; m. w. N.). Bloße summarische Hinweise im Urteil auf Vorstrafen werden allerdings auch in diesen Fällen den aus § 47 Abs. 1 StGB folgenden Begründungsanforderungen nicht gerecht (vgl. OLG Celle DAR 1970, 188; OLG Düsseldorf VRS 39, 328; Senat a. a. O.). Vielmehr sind insbesondere die näheren Umstände solcher Vortaten festzustellen, auf welche das Tatgericht seine Entscheidung über die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe wesentlich gestützt hat (vgl. OLG Frankfurt/M. StV 1995, 27 (29(; OLG Koblenz VRS 51, 428 (429(; Senat a. a.O.). Denn aufgrund des in § 47 Abs. 1 StGB verankerten Ausnahmecharakters der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe kann eine diesbezügliche Entscheidung keinesfalls schematisch mit dem bloßen Vorliegen einschlägiger Vorbelastungen begründet werden, sondern bedarf in jedem Fall einer gesonderten Erörterung des Einzelfalles (vgl. OLG Schleswig StV 1993, 29 (30(; SenE v. 9. 1. 1998 - Ss 723/97; SenE v. 25. 3. 1999 - Ss 85/99; SenE v. 9. 11. 2000 - Ss 457/00 = StraFo 2001, 93 (95(; Senat a. a. O.).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht, indem es aufgrund der nicht näher mitgeteilten Vorbelastungen des Angeklagten die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe ohne nähere Begründung lediglich als "zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich" bezeichnet.
Ende der Entscheidung
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