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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.11.2000
Aktenzeichen: Ss 422/00 (B)
Rechtsgebiete: OWiG, StPO, StVO, StVG, BkatV


Vorschriften:

OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 79 Abs. 5
OWiG § 79 Abs. 6
OWiG § 46 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
StVO § 1 Abs. 2
StVO § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2
StVO § 1
StVO § 37
StVO § 49
StVO § 37 Abs. 2
StVO § 49 Abs. 3 Nr. 2
StVO § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2
StVG § 24
StVG § 25
StVG § 24 a
StVG § 25 Abs. 1
StVG § 25 Abs. 2 a
BkatV § 2 Abs. 1 Nr. 4
BkatV § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Ss 422/00 (B) - 175 B -

Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14. Juni 2000

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und teilweise auf deren Antrag gemäß §§ 79 Abs. 3, 5 und 6 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO

am 3. November 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Jedoch wird die Urteilsformel unter Klarstellung zum Schuldspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

"Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Nichtbeachtung eines Halt gebietenden (Sonder-)Wechsellichtzeichens (weißer waagerechter Lichtbalken) in Tateinheit mit fahrlässiger Schädigung eines anderen Verkehrsteilnehmers zu einer Geldbuße von 400,00 DM verurteilt.

Dem Betroffenen wird für die Dauer eines Monats verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

- §§ 1 Abs. 2, 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 (i.V.m. Zeichen FO Anlage 4 BOStrab), 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO, 24, 25 StVG -"

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen "wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 1, 37, 49 StVO, 24 StVG" eine Geldbuße von 400,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.

Nach den Feststellungen befuhr der Zeuge K. am 19.06.1999 gegen 17.40 Uhr mit seinem Pkw Ford die S.er Straße in K. in Richtung B.er Straße. An der Lichtzeichenanlage S.er Straße/B.er Straße hielt er bei Rotlicht an. Vor ihm hielten zwei weitere Pkw vor der Rotlicht zeigenden LZA. Nach dem Wechsel auf Grün fuhren die beiden vor dem Zeugen befindlichen Fahrzeuge an und bogen nach links auf die B.er Straße ab. Der Zeuge war gleichfalls angefahren, passierte die LZA bei Grün und wollte ebenfalls nach links auf die B.er Straße abbiegen. Der Zeuge war gerade in den Kreuzungsbereich hineingefahren, als für ihn von links der Betroffene mit der Taxe kam und beide Fahrzeuge zusammenstießen. Der Betroffene hatte die Busspur der B.er Straße in Richtung Verteilerkreis befahren. Diese Busspur verläuft rechts neben den beiden für den übrigen Verkehr zugelassenen Fahrspuren und durfte auch von Taxen benutzt werden. Der Betroffene hatte die für die Busspur geltende LZA B.er Straße/S.er Straße bei schon länger als eine Sekunde andauernder "Rotphase (Querbalken)" überfahren, wodurch es zum Unfall kam. Der Zeuge K. wurde durch den Unfall am linken Handgelenk verletzt und musste fünf Wochen lang Gips tragen. Sein Pkw erlitt Totalschaden.

Zur Rechtsfolgenbemessung heißt es im Urteil des Amtsgerichts u. a.:

"Die festgesetzte Geldbuße ist schuldangemessen und entspricht der BKatV, wovon abzugehen kein Anlass bestand.... Darüber hinaus war gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 BkatV, § 25 StVG ein Fahrverbot von einem Monat anzuordnen. Durch die begangene Ordnungswidrigkeit ist die Notwendigkeit der Nebenfolge indiziert. Das Gericht war sich der Tatsache bewusst, dass ein Absehen vom Fahrverbot, eventuell unter Erhöhung einer Geldbuße, möglich ist. Es hat diese Frage geprüft und verneint..."

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Was den Schuldspruch angeht, ist die Rechtsbeschwerde dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO). Das Amtsgericht hat einen fahrlässig begangenen Verstoß des Betroffenen gegen § 37 Abs. 2 StVO und damit eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 24 StVG angenommen. Gegen welches der in § 37 Abs. 2 StVO genannten Gebote der Betroffene verstoßen hat, ist im angefochtenen Urteil allerdings nicht ausdrücklich vermerkt. Die - auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden - Feststellungen des Amtsgerichts belegen indes eine fahrlässige Zuwiderhandlung des Betroffenen gegen § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StVO i.V.m. der Anlage 4 Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab).

Nach § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 StVO können für Schienenbahnen besondere Zeichen, auch in abweichenden Phasen, gegeben werden. Diese Zeichen sind in der Anlage 4 BOStrab aufgeführt (Vwv-StVO zu § 37 Abs. 2 Nr. 4). Nach § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StVO können sie auch für Linienomnibusse und Taxen eingerichtet werden, wenn sie einen vom übrigen Verkehr freigehaltenen Verkehrsraum benutzen (vgl. zu allem: BayObLGSt VRS 67, 436). Die Anlage 4 BOStrab sieht unter Nr. 3 als Fahrsignale u.a. einen weißen Lichtpunkt mit der Bedeutung "Halt zu erwarten" (Signal F 4) sowie einen waagerechten weißen Lichtbalken mit der Anordnung "Halt" (Signal FO) vor.

In den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist von "Rotphase (Querbalken) " die Rede. Damit ist ersichtlich das Halt gebietende Fahrsignal "weißer waagerechter Lichtbalken" gemeint.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen ferner wegen eines tateinheitlich (fahrlässig) begangenen Verstoßes gegen § 1 StVO verurteilt. Dabei hat es erkennbar auf den Abs. 2 dieser Vorschrift abgestellt, der nach den Feststellungen erfüllt ist. Durch den vom Betroffenen verursachten Verkehrsunfall ist der Zeuge K. verletzt und dessen Pkw beschädigt worden, § 1 Abs. 2 StVO ist in seiner Anwendbarkeit durch § 37 StVO nicht ausgeschlossen. Letztere Vorschrift setzt nicht voraus, dass es zu einer der in § 1 Abs. 2 StVO beschriebenen Verletzungsfolgen gekommen ist.

Der Senat hat den Schuldspruch zur Klarstellung wie aus der Beschlussformel ersichtlich neu gefasst.

Im Rechtsfolgenausspruch hält das angefochtene Urteil materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Dem Zusammenhang der Feststellungen und der Begründung des Rechtsfolgenausspruchs lässt sich entnehmen, dass das Amtsgericht die Tat als Regelfall der Nr. 34.2.1 BKat gewertet hat.

Nach dieser Bestimmung des Bußgeldkatalogs ist zur Ahndung der Nichtbeachtung roten Wechsellichtzeichens bei einer schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase mit Gefährdung oder Sachbeschädigung eine Geldbuße von 400,00 DM und ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen. Danach ist die Bewertung der Tat des Betroffenen als Regelfall im Sinne dieser Bußgeldkatalogbestimmung rechtsfehlerhaft. Der "Halt" gebietende "weiße waagerechte Lichtbalken" des Sonderlichtzeichens der Anlage 4 BOStrab ist kein rotes Wechsellichtzeichen.

Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils auf der unrichtigen Annahme eines Regelfalls beruht.

Dieser Mangel führt nicht zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Der Senat macht insoweit von der ihm nach § 76 Abs. 6 OWiG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden, da weitere für den Rechtsfolgenausspruch bedeutsame Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind.

Im Ergebnis bleibt es bei der Rechtsfolgenentscheidung im angefochtenen Urteil. Die Missachtung des Wechsellichtzeichens "weißer Querbalken" ist weder im Verwarnungsgeldkatalog noch im Bußgeldkatalog genannt. Die Erfassung einer Verkehrsordnungswidrigkeit in diesen Katalogen ist aber nicht Voraussetzung für ihre Ahndung. Alleinige Rechtsgrundlage für die Sanktionierung von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind ohnehin die §§ 24, 24 a, 25 StVG (vgl. Jagusch/Hentschel, StVR, 35. Aufl., StVG § 25 Rdnr. 15 b mit Nachweiser). Soweit Katalog-Regelsätze fehlen, können sich die Gerichte bei der Zumessung der Geldbuße (§ 17 Abs. 3 OWiG) aber an Regelsanktionen für Tatbestände ähnlicher Art und Schwere orientieren (vgl. Jagusch/Hentschel a.a.O., StVG § 24 Rdnr. 63, 64 mit Nachweisen). Entsprechendes gilt für die Entscheidung, ob ein Fahrverbot zu verhängen ist. Ein Fahrverbot kann auch dann zulässig sein, wenn kein Regelfall nach § 2 BKatV gegeben ist. In einem solchen Fall ist aber für das Gericht der Begründungsaufwand größer als in den katalogmäßig bestimmten Regelfällen (vgl. BGHSt 38, 125 = NJW 1992, 446, 448). Die Annahme grober Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 StVG erfordert die Feststellung einer besonderen Gefährlichkeit und Verantwortungslosigkeit unter Berücksichtigung der Örtlichkeit und der Verkehrslage (vgl. Senatsentscheidung vom 23.12.1997 - Ss 719/97 (B); vgl. auch BGH DAR 1997, 450 = NZV 1997, 525), Darüber hinaus setzt in den Fällen eines nicht durch § 2 BKatV indizierten Fahrverbots die Anordnung eines solchen die Feststellung voraus, dass der angestrebte Erfolg auch durch eine erhöhte Geldbuße nicht erreicht werden kann (vgl. BGHSt 39, 125 = NJW 1992, 446; BGHSt 38, 231 = NJW 1992, 1397).

Zur Ahndung der Nichtbeachtung des Halt gebietenden Wechsellichtzeichens (weißer waagerechter Lichtbalken) und der damit tateinheitlich begangenen fahrlässigen Schädigung eines anderen Verkehrsteilnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO hält der Senat eine Geldbuße von 400,00 DM und die Anordnung eines Fahrverbots von einem Monat für tat- und schuldangemessen. Diese Sanktion entspricht der Regelsanktion für die Zuwiderhandlung: Missachtung roten Wechsellichtzeichens bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase und Sachbeschädigung (laufende Nr. 34.2.1 BKat). Die Ordnungswidrigkeit des Betroffenen wiegt nämlich ebenso schwer wie eine solche. Für die Gefährdung eines Verkehrsteilnehmers des Querverkehrs in der Grünlichtphase macht es keinen Unterschied, ob seine Bevorrechtigung durch Nichtbeachtung eines Rotlichts oder eines weißen waagerechten Lichtbalkens missachtet wird. Wer als Kraftfahrzeugführer einen Sonderfahrstreifen (berechtigt) benutzt, dabei das für diese Fahrspur geltende "Halt" gebietende Sonderlichtzeichen "weißer waagerechter Lichtbalken" trotz schon länger als eine Sekunde andauernder Lichtphase missachtet und dadurch einen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet oder gar (wie hier) schädigt, handelt daher ebenso grob pflichtwidrig wie derjenige, der einen den Tatbestand der laufenden Nr. 34.2.1 BKat ausfüllende Zuwiderhandlung begeht.

Der mit dem Fahrverbot angestrebte Erfolg lässt sich mit einer - selbst empfindlichen - Erhöhung der Geldbuße nicht erreichen. Auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf es vorliegend der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots, zumal der vorliegende Fall über die Fallgestaltung der laufenden Nr. 34.2.1 BKat auch insoweit hinausgeht, als der Zeuge K. durch den vom Betroffenen verschuldeten Unfall verletzt worden ist.

Umstände, die zur Annahme führen könnten, dass sich das Fahrverbot für den Betroffenen als erhebliche (unzumutbare) Härte darstellen würde, liegen nicht vor. Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt:

"Der Betroffene hat vorgebracht, er betreibe allein einen Kiosk/Trinkhalle und fahre ab und zu aushilfsweise Taxi. Für den Kiosk müsse er 4-5 mal wöchentlich mit seinem PKW Einkäufe tätigen und sei daher auf den Führerschein angewiesen. Die häufigen Einkäufe seien notwendig, da er auch Sandwiches verkaufe und hierfür frische Lebensmittel wie Brot, Baguete, Wurst, Eier und Gemüse wie z.B. Gurke benötige. Er habe keine Freunde oder Bekannte, die diese Fahrten übernehmen könnten.

Der hierfür benannte Zeuge K. bestätige, daß der Betroffene 3 bis 4mal wöchentlich für seine Trinkhalle einkaufe. Er sei mit dem Betroffenen befreundet und besuche diesen auch öfters in dessen Trinkhalle. Er sei arbeitslos. Er habe zwar einen Führerschein, könne jedoch wegen eines Bandscheibenleidens nur kurze Strecken zwischen 3-4 Kilometern fahren. Er und der Betroffene hätte etwa 3-4 gemeinsame Freunde. Jedoch wisse er nicht, ob diese im Besitz eines Führerscheins seien. Auf Befragen gab der Zeuge an, daß zur Verhandlung mit dem Betroffenen in dessen PKW von P. zum Gericht gefahren sei.

Da der Zeuge offenbar zumindest zeitweise in der Lage ist, eine längere Strecke in einem Auto zu fahren, wie die Fahrt zum Gericht zeigt, ist es wenig überzeugend, daß der Zeuge dem Betroffenen für Einkaufsfahrten nicht zur Verfügung stehen sollte.

Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, daß es nach Ansicht des Gerichts durchaus möglich ist, für einen Monat die Anzahl der Einkaufsfahrten zu beschränken. Gemüse wie Gurke oder haltbare Wurst, Brot und Eier lassen sich mehrere Tage im Kühlschrank unbeschadet aufbewahren. Die übrig bleiben den Einkäufe können dann z.B. mit Hilfe einer Taxe durchgeführt werden. Die insoweit kurzfristige finanzielle Belastung des Betroffenen ist diesem im Hinblick auf sein Einkommen zumutbar.

Zudem hat der Betroffene 4 Monate lang Zeit, um die Überbrückung eines Monats ohne Führerschein zu organisieren."

Diese Erwägungen macht sich der Senat zu eigen.

Der Ausspruch zum Beginn der Wirksamkeit des Fahrverbots beruht auf § 25 Abs. 2 a StVG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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