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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 20.06.2002
Aktenzeichen: 1 U 3930/96
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

BGB § 278
ZPO § 91
ZPO § 92
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 97
ZPO § 100
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 708 Ziffer 10
ZPO § 711
EGZPO § 26 Ziffer 8 n.F.
1. Sofern die Behandlungsseite, die für einen groben (schadensgeeigneten) Behandlungsfehler einstehen muss, eine Vorschädigung des Patienten behauptet, muss sie diese und deren Umfang beweisen.

2. Als Ausgleich für durch einen groben Behandlungsfehler verursachte schwerste körperliche und geistige Geburtsschäden ist ein Schmerzensgeld von 350.000 Euro angemessen.

3. Soweit in Folge des Behandlungsfehlers die Empfindungs- und Erlebnisfähigkeit des Geschädigten eingeschränkt ist, führt dies nicht per se zu einer Kürzung des Schmerzensgeldes. Vielmehr ist die Einbuße der Persönlichkeit schon für sich ein auszugleichender immaterieller Schaden.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 3930/96

Verkündet am 20.06.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

25.04.2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin zu 3) hin wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 in Ziffer II. dahin abgeändert, daß der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 3) samtverbindlich verurteilt werden, an die Klägerin zu 3) ein Schmerzensgeld von insgesamt 350.000,- Euro nebst 6 % Zinsen aus der Differenz zwischen 350.000,- Euro und 250.000,- DM seit dem 15.12.1993 zu zahlen. Im übrigen verbleibt es bei den der Klägerin zu 3) gemäß Ziffer II. des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 und Ziffer 1. des Urteils des Oberlandesgerichts München vom 30.07.1998 zugesprochenen Zinsen. Der diesbezügliche neuerliche Zinsanspruch der Klägerin zu 3) wird abgewiesen.

II. Der Beklagte zu 2) wird unter diesbezüglicher Aufhebung von Ziffer V. des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 verurteilt, samtverbindlich neben dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 3), soweit diese insoweit verurteilt sind, an die Klägerin zu 3) 7.588,24 Euro (14.841,30 DM) nebst 6% Zinsen hieraus seit dem 12.03.1992 zu bezahlen.

III. Der Beklagte zu 2) wird unter diesbezüglicher Aufhebung von Ziffer V. des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 verurteilt, samtverbindlich neben dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 3) der Klägerin zu 3) jeglichen weiteren bisher entstandenen materiellen Schaden sowie jeglichen zukünftig noch entstehenden materiellen Schaden zu erstatten, der auf der fehlerhaften Behandlung vom 17.03.1989 im Zusammenhang mit der Geburt der Klägerin zu 3) beruht, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder noch übergeht.

IV. a) Von den Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) jeweils 1 %, die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich 49 % und die Beklagten zu 1) und 3) samtverbindlich weitere 49 %.

Die außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten der Klägerin zu 3) tragen die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich zu 50 % und die Beklagten zu 1) und 3) samtverbindlich zu weiteren 50 %.

Von den außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten des Beklagten zu 1), des Beklagten zu 2) und des Beklagten zu 3) tragen die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) jeweils 1 %.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten selbst.

b) Von den Gerichtskosten des Berufungsrechtszuges tragen die Klägerin zu 1) 0,5 %, die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich 49,75 % und die Beklagten zu 1) und 3) samtverbindlich weitere 49,75 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 3) im gesamten Berufungsrechtszug tragen die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich zu 50 % und die Beklagten zu 1) und 3) samtverbindlich zu weiteren 50 %.

Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 3) im ersten Berufungsverfahren trägt die Klägerin zu 1) jeweils 1,0%.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsrechtszug selbst.

c) Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich zu 50 % und die Beklagten zu 1) und 3) samtverbindlich zu weiteren 50 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

VII. Die Beschwer der Beklagten übersteigt jeweils 20.000,- Euro.

Tatbestand:

Die Klägerin zu 3) begehrt von den Beklagten Entschädigung wegen eines Geburtsschadens.

Die Beklagten zu 1) und 2) führten zum Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin zu 1), der Mutter der Klägerin zu 3), eine Gemeinschaftspraxis. Dies gilt auch für die Belegarzttätigkeit der Beklagten zu 1) und 2) im Kreiskrankenhaus F, dessen Träger der Beklagte zu 3) ist. Die Beklagten zu 1) und 2) haben sich umfassend gegenseitig bei Abwesenheit, insbesondere Urlaub, vertreten.

Die Klägerin zu 1) war mit einer Zwillingsschwangerschaft Patientin des Zweitbeklagten in der vorgenannten gynäkologischen Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 1) und 2). Am 24.02.1989 war die Klägerin zu 1) wegen vorzeitiger Wehentätigkeit in das Kreiskrankenhaus F aufgenommen und vom Zweitbeklagten u.a. mit intravenöser Wehenhemmung behandelt worden. Am 15. März 1989 wurde die Behandlung der Klägerin zu 1) vom Erstbeklagten als Urlaubsvertreter des Zweitbeklagten übernommen. Am 17, März 1989 fertigte die beim Drittbeklagten angestellte Hebamme von 6.35 bis ca. 7.05 Uhr und nach einer Unterbrechung für weitere 40 Minuten ein CTG. Um 7.20 Uhr benachrichtigte sie telefonisch den Erstbeklagten, der nach seinem geburtshilflichen Bericht anläßlich der Visite gegen 8.30 Uhr, nach Darstellung der Klägerseite bereits um 7.30 Uhr, bei der Klägerin zu 1) erschien und jedenfalls ab 7.45 Uhr bei einer anderen Patientin einen Eingriff vornahm. Gegen 8.50 Uhr wurde bei der Klägerin zu 1) die Tokolyse abgesetzt und anschließend vom Erstbeklagten eine Untersuchung durchgeführt. Von 9.30 Uhr bis 10.06 Uhr wurde ein weiteres CTG geschrieben. Um 9.40 Uhr wurde die Klägerin zu 1) im Kreißbett gelagert und um 10.00 Uhr der Erstbeklagte gerufen. Um 10.06 Uhr erfolgte die Geburt der Klägerin zu 3) mit Apgarwerten von 1, 2 und 5. Anschließend wurde die Klägerin zu 1) von einem toten männlichen Kind entbunden. Die Klägerin zu 3) leidet unter erheblichen Dauerschäden, insbesondere spastischer Tetraplegie (Lähmung aller vier Gliedmaßen), zentraler Hypotonie (Muskelerschlaffung) sowie einer Optikusatrophie mit wohl weitgehendem Visusverlust (Blindheit). Die Klägerin zu 3) kann nicht selbständig sitzen und nicht stehen und gehen. Sie muß gefüttert werden. Sie leidet unter Folgeschäden wie Wirbelsäulenverbiegung. Sie ist auch geistig behindert, insbesondere kann sie nicht sprechen. Die Klägerin zu 3) ist unter der Woche in einer Therapieeinrichtung untergebracht. Am Wochenende wird sie in ihrer Familie versorgt.

Die Kläger haben im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 1) habe die Schwangerschaft am 16. und 17. März 1989 nicht ausreichend überwacht und den Geburtsvorgang deshalb nicht rechtzeitig durch Schnittentbindung durchgeführt. Der Beklagte zu 2) habe die aufgetretenen Komplikationen früher erkennen und ihnen vorbeugen müssen. Die Klinikleitung müsse für die mangelhafte Betreuung ebenfalls haften. Den Klägern zu 1) und 2) stehe wegen der Totgeburt und den schweren Schäden der Klägerin zu 3) ein eigenes Schmerzensgeld von 20.000,- DM bzw. 15.000,- DM zu. Für die Klägerin zu 3) sei ein Schmerzensgeld von 800.000,- DM angemessen, von dem zunächst nur ein Teilbetrag von 80.000,- DM geltend gemacht werde. Der materielle Schaden der Kläger zu 1) und 2) wegen Behandlungskosten für die Klägerin zu 3) und für Fahrtkosten betrage insgesamt 14.841,30 DM. Ferner werde die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden beantragt.

Im Verhandlungstermin vom 15.12.1993 vor dem Landgericht Traunstein wurde die Klage des Klägers zu 2) zurückgenommen. Die Klägerin zu 1) beschränkt ihre Klage auf den Schmerzensgeldanspruch von 20.000,- DM. Der materielle Schaden und der Feststellungsantrag wurden nunmehr von der Klägerin zu 3) geltend gemacht. Für diese sei ein Schmerzensgeld von 300.000,- DM gerechtfertigt. Die Kläger haben daher zuletzt vor dem Landgericht beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld zuzüglich 8 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 3) ein angemessenes Schmerzensgeld zuzüglich 8 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 3) 14.841,30 DM zuzüglich 8% Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Die Beklagen werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 3) jeglichen weiteren bisher entstandenen materiellen Schaden sowie jeglichen zukünftig noch entstehenden immateriellen Schaden zu erstatten, der auf der fehlerhaften Behandlung während der Schwangerschaft in der Zeit vom 22.08.1988 bis 17,03.1989 und anläßlich der Geburt der Klägerin zu 3) und des tot geborenen Kindes Emanuel beruht und soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. noch übergehen werden.

Die Beklagten haben

Klageabweisung

beantragt.

Sie haben die Auffassung vertreten, daß die Geburt schicksalhaft verlaufen sei und folglich die Totgeburt sowie die Schäden der Klägerin zu 3) nicht auf schuldhafte Versäumnisse bei der ärztlichen und pflegerischen Betreuung von Schwangerschaft und Geburt zurückzuführen seien. Im übrigen sei, soweit die Klage 1993 abgeändert bzw. erweitert wurde, die Einrede der Verjährung zu erheben.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines neonatologischen und eines geburtshelferischen Gutachtens. Auf die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. (Blatt 237/266) und Prof. Dr. (Blatt 294/306) wird verwiesen. Das Landgericht hat ferner die Zeuginnen und vernommen und den Sachverständigen Prof. Dr. angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll (Blatt 352/364 d.A.) verwiesen. Ferner hat das Landgericht die Klägerin zu 1) angehört (Blatt 390/394).

Mit Urteil vom 29.05.1996 (Blatt 417/439) hat das Landgericht Traunstein der Klage gegen die Beklagten zu 1) und 3) mit der Einschränkung stattgegeben, daß der Klägerin zu 3) nur ein Schmerzensgeld von 250.000,- DM zuerkannt wurde, im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil des Landgerichts, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, richtete sich die Berufung der Beklagten zu 1) und 3), mit der diese Klageabweisung erreichen wollten. Der Beklagte zu 1) vertrat die Auffassung, daß das CTG von der Hebamme hätte überprüft werden müssen. Nach Durchführung der Ausschabung bei einer anderen Patientin habe sich der Beklagte zu 1) um 8.30 Uhr zur Klägerin zu 1) begeben und diese untersucht. Dabei habe er festgestellt, daß ein Kind wohl bereits tot sei. Daher habe er um 8.55 Uhr eine sofortige Verlegung in den Kreißsaal veranlaßt. Die Schnittentbindung habe zu diesem Zeitpunkt wegen des fortgeschrittenen Geburtsverlaufs nicht mehr erfolgen können, zumal dabei der tote Zwilling zuerst hätte entwickelt werden müssen.

Der Beklagte zu 3) brachte vor, daß kein Organisationsverschulden vorliege. Die erholten Gutachten seien widersprüchlich. Letztlich sei jedenfalls die CTG-Befundung allein Sache des Arztes.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Berufungsbegründung in den Schriftsätzen vom 05.07. und 30.10.1 996 verwiesen.

Die Kläger beantragten, die Berufung zurückzuweisen. Sie vertraten die Ansicht, daß die Reanimationsbemühungen eindeutig dagegen sprächen, daß bereits vor der Geburt das Absterben des männlichen Zwillings erkannt worden sei. Zutreffend hätten die Sachverständigen insbesondere die Geburtsüberwachung am 17. März 1 989 für mangelhaft angesehen. Insoweit sei auch die Hebamme, für die der Beklagte zu 3) haften müsse, verantwortlich. Das Schmerzensgeld für die Klägerin zu 3) sei vom Landgericht angesichts der erheblichen Dauerschäden zu gering bemessen worden. Angemessen seien 300.000,- DM. Ferner müsse der Beklagte zu 2) als Mitinhaber der Gemeinschaftspraxis aus Behandlungsvertrag für den materiellen Schaden mithaften. Die Klägerin zu 3) hat daher ebenfalls gegen das Urteil des Landgerichts vom 29.05.1996 Berufung eingelegt, mit der sie ein Schmerzensgeld von mindestens 300.000,- DM sowie eine Mitverurteilung des Beklagten zu 2) zur Zahlung von 14.841,30 DM sowie bezüglich der Feststellung für materielle Schäden begehrt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 16.10. und 19.12.1996 verwiesen.

Die Beklagten haben die Zurückweisung der Berufung der Klägerin zu 3) beantragt.

Das Oberlandesgericht erholte ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. und hörte den Sachverständigen nochmals an. Ferner wurde die Zeugin erneut vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten (Blatt 545/549) sowie das Sitzungsprotokoll (Blatt 612/624) verwiesen.

Mit Urteil vom 30.07.1998 (Blatt 659/677), berichtigt durch Beschluß vom 14.09.1998 (Blatt 688/689), wies das Oberlandesgericht auf die Berufungen der Beklagten zu 1) und 3) hin unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel der Beklagten die Klage der Klägerin zu 1) rechtskräftig ab. Die Berufung der Klägerin zu 3) hatte lediglich wegen der Verzinsung des Schmerzensgeldes Erfolg.

Mit ihrer Revision zum Bundesgerichtshof verfolgte die Klägerin zu 3) ihre bisherigen Ansprüche weiter, während die Beklagten zu 1) und 3) mit ihren Revisionen völlige Klageabweisung erreichen wollten.

Mit Urteil vom 16.05.2000 (Blatt 153/164 der Revisionsakte) hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 30.07.1998 unter Zurückweisung der Revisionen der Beklagten zu 1) und 3) insoweit auf, als dort zum Nachteil der Klägerin zu 3) erkannt worden war und verwies den Rechtsstreit im Umfang der Aufhebung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München zurück.

Die Klägerin zu 3) macht im erneuerten Berufungsverfahren geltend, daß vor den maßgeblichen Fehlern der Hebamme und des Beklagten zu 1) am Morgen des 17.03.1989 noch keine Vorschädigung eingetreten gewesen sei. Im übrigen sei es ohnehin ausgeschlossen, daß selbst der kompetenteste Facharzt hinreichend zuverlässige Angaben dazu machen könne, in welchem Umfang die Hirnschädigung der Klägerin zu 3) zu welchem Zeitpunkt eingetreten sei, da es dazu erforderlich wäre, festzustellen, zu welchem Zeitpunkt welche Hirnzellen zerstört worden seien und welche Auswirkungen dies für das Befinden der Klägerin zu 3) gehabt habe. Überdies sei am 17.03.1989 bereits um 2.40 Uhr ein grober Behandlungsfehler vorgekommen, für den entweder die Nachtschwester oder die Nachthebamme, für die der Beklagte zu 3) haften müsse, verantwortlich sei.

Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes sei auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm hinzuweisen, das in einem ähnlich gelagerten Fall ein Schmerzensgeld von 500.000,- Euro zugesprochen habe. Es würden zwischenzeitlich wesentlich höhere Schmerzensgeldbeträge wie in der Vergangenheit als angemessen angesehen. Eine Verjährung des Schmerzensgeldanspruches komme nicht in Betracht, da die durch die Klageerhebung erwirkte Unterbrechung der Verjährung den gesamten Schmerzensgeldanspruch betreffe. Über den Schmerzensgeldanspruch der Klägerin zu 3) sei auch nicht rechtskräftig entschieden, da der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München vom 30.07.1998 aufgehoben habe, soweit zum Nachteil der Klägerin zu 3) entschieden worden sei.

Die Klägerin zu 3) beantragt:

1. Das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1 996 wird in den Ziffern II. bis IV. abgeändert.

2. Der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, zusätzlich zu dem bereits zugesprochenen Schmerzensgeld von DM 250.000,- ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, zumindest jedoch weitere DM 200.000,- zuzüglich 6% Zinsen hieraus seit 15.12.1993, sowie über die bereits zugesprochenen 4 % Zinsen hinaus weitere 2% Zinsen für die Zeit vom 12.03.1992 bis 14.12.1993 aus DM 80.000,- und seit 15.03.1993 aus DM 250.000,-.

3. Der Beklagte zu 2) wird neben den Beklagten zu 1) und zu 3) als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 3) Schadenersatz in Höhe von DM 14.841,30 nebst 6% Zinsen hieraus seit 12.03.1992 zu zahlen.

4. Der Beklagte zu 2) wird außerdem neben den Beklagten zu 1) und zu 3) als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 3) jeglichen weiteren bisher entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen Schaden zu erstatten, der auf der fehlerhaften Behandlung vom 16./17.03.1989 im Zusammenhang mit der Geburt der Klägerin zu 3) beruht und soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder noch übergeht.

Die Beklagten zu 1) und zu 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen und die Klageerweiterung abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

die Berufung der Klägerin zu 3) gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 29.06.1996, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2) richtet, kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 3) macht geltend, daß davon auszugehen sei, daß die Schädigung der Klägerin zu 3) bereits um 2.40 Uhr am Morgen des 17.03.1989 in vollem Umfang eingetreten gewesen sei. Das von der Klägerin zu 3) verlangte Schmerzensgeld sei übersetzt. Außerdem stehe dem Anspruch ein rechtskräftiges Urteil entgegen. Zudem werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Beklagte zu 1) hat ebenfalls den Einwand eines entgegenstehenden rechtskräftigen Urteils vorgebracht und die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. (Blatt 738/743) und zweier Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. (Blatt 774/782 und 798/801).

Am 25.04.2002 hat der Senat den Sachverständigen Prof. Dr. angehört (Blatt 812/815).

Im übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der erneuerten Berufungsinstanz auf die Schriftsätze der Klägerin zu 3) vom 13,11.2000, 25.01., 27.08., 04.10. und 22.10.2001 sowie vom 1 1.03.2002, auf die Schriftsätze des Beklagten zu 1) vom 13.11.2000 und 05.02.2001 sowie vom 01.03., 18.04. und 22.04.2002, die Schriftsätze des Beklagten zu 2) vom 15.11.2000 und 12.10.2001 sowie die Schriftsätze des Beklagten zu 3) vom 15.1 1.2000, 15.02. und 02.10.2001 sowie vom 08.03.2002 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Aufgrund der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2000 und des Oberlandesgerichts München vom 30.07.1998 steht fest, daß der Hebamme VHP für die der Beklagte zu 3) haften muß und dem Beklagten zu 1) am Morgen des 17.03.1989 in der Zeit ab 6.50 Uhr jeweils grobe Behandlungsfehler unterlaufen sind, die generell geeignet waren, die Gesundheitsschäden, die die Klägerin zu 3) erlitten hat, herbeizuführen. Die Hebamme hätte spätestens um 6.50 Uhr angesichts eines auffälligen CTG den Arzt herbeirufen müssen. Der Beklagte zu 1) hat insgesamt grob fehlerhaft unter Zurückstellung der Behandlung und Untersuchung der Klägerin zunächst eine Ausschabung bei einer anderen Patientin durchgeführt, bei der anschließenden Visite gebotene Untersuchungen weiter verzögert und die angezeigte Schnittentbindung unterlassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Urteile des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München verwiesen.

II.

Die Beklagten zu 1) und 3) müssen aufgrund der unter Ziffer 1) genannten groben Behandlungsfehler für den gesamten materiellen und immateriellen Schaden der Klägerin zu 3) einstehen, da ein grober Behandlungsfehler, der zur Herbeiführung des geltend gemachten Gesundheitsschadens geeignet ist, zur Folge hat, daß die Behandlungsseite, was den Beklagten nicht möglich ist, beweisen muß, daß die ihr unterlaufenen groben Behandlungsfehler nicht für den Gesundheitsschaden des Patienten ursächlich waren.

Insbesondere konnten die Beklagten keine abgrenzbare Vorschädigung der Klägerin zu 3) beweisen. Dazu wäre es, was nicht annähernd möglich war, erforderlich gewesen, mit Bestimmtheit festzustellen, zu welchem Zeitpunkt welche Hirnzellen zerstört wurden und welche Auswirkungen dies für sich genommen auf die Klägerin zu 3) gehabt hätte.

Demzufolge hat der Sachverständige Prof. Dr. im Gutachten vom 27.07.2001 auch ausgeführt, daß einerseits zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung der Klägerin zu 3) schon vor 6.35 Uhr am 07.03.1989 gegeben war und daß wahrscheinlich ein erheblicher Teil der Schädigung bereits zeitlich vor den vorgenannten groben Behandlungsfehlern der Hebamme und des Beklagten zu 1) entstanden war, andererseits die festgestellten Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) und der Hebamme in der Zeit danach bis zur Geburt als Erklärung für die Schädigung der Klägerin zu 3) ausreichen. Der Sachverständige hat ausdrücklich festgestellt, daß eine Zuordnung oder Graduierung des Anteils der Vorschädigung nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht möglich ist.

Der Sachverständige Prof. Dr. hat ausgeführt, daß das bei der Klägerin zu 3) nach der Geburt festgestellte Multiorganversagen und die relativ rasch erfolgreiche Reanimation der Klägerin zu 3) wie auch der weitere klinische Verlauf ein Beleg dafür sind, daß die Sauerstoffmangelsituation der Klägerin zu 3) relativ akut in den Stunden vor der Geburt entstanden ist. Der Sachverständige hält die Annahme einer Vorschädigung der Klägerin zu 3) für rein spekulativ, da die Klägerin, wenn sie schon vor 6.00 Uhr geschädigt gewesen wäre, tot geboren worden wäre. Vielmehr ist es nach Einschätzung des Sachverständigen möglich, daß die gesamte Schädigung der Klägerin erst in der Stunde vor der Geburt eingetreten ist.

Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, daß die Beklagten eine konkret abgrenzbare Vorschädigung nachgewiesen hätten.

Die Beklagten zu 1) und 3) müssen folglich für den gesamten immateriellen und materiellen Schaden der Klägerin zu 3) einstehen. Insofern unterliegt auch der Feststellungsanspruch gemäß Ziffer IV. des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 entgegen den Ausführungen auf Seite 16, letzter Absatz des Urteils des Oberlandesgerichts München vom 30.07.1998 keinerlei Einschränkungen.

Hilfsweise und ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß es entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. (Gutachten vom 27.07.2001) als grober Behandlungsfehler anzusehen ist, wenn, wie hier, nachdem die Klägerin zu 1) am 17.03.1989 um 02.40 Uhr über

Erbrechen und Dauerschmerzen im Bauchbereich geklagt hatte, keine palpatorische Abklärung des Uterustonus und auch keine CTG-Registrierung erfolgt. Dies hat zur Folge, daß sich jedenfalls der Beklagte zu 3) auch für den 17.03.1989, 2.40 Uhr, einen groben Behandlungsfehler, der der Nachthebamme oder der Nachtkrankenschwester unterlaufen ist, zurechnen lassen muß. Insofern ist für den Beklagten zu 3) die Frage der Vorschädigung vor 6.40 Uhr ohnehin von geringer Relevanz. Der Beklagte zu 1), der um 2.40 Uhr nicht in der Klinik anwesend war und der für das Personal der Klinik zu diesem Zeitpunkt auch nicht einstehen muß, muß für den groben Behandlungsfehler um 2.40 Uhr nur dann haften, wenn er in diesem Zusammenhang selbst Fehler gemacht hat, insbesondere keine organisatorische Vorsorge dafür getroffen hat, daß er bei der bestehenden Risikoschwangerschaft von nennenswerten Unregelmäßigkeiten umgehend benachrichtigt wird.

III.

Der Beklagte zu 2) haftet gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und 3) für die materiellen Schäden der Klägerin zu 3).

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß die Beklagten zu 1) und 2) auch bezüglich der Belegarzttätigkeit im Kreiskrankenhaus F eine Gemeinschaftspraxis führten und überdies der Beklagte zu 1) auch Urlaubsvertreter des Beklagten zu 2) war. Der Beklagte zu 2) haftet folglich wegen des vorgenannten groben Behandlungsfehlers des Beklagten zu 1) aus PVV des Behandlungsvertrages bzw. aus dem Behandlungsvertrag i.V.m. § 278 BGB auf den materiellen Schaden der Klägerin zu 3).

Der Beklagte zu 2) war folglich dazu zu verurteilen, samtverbindlich mit den Beklagten zu 1) und 3) an die Klägerin zu 3) 14.841,30 DM nebst Zinsen zu zahlen, wobei der Senat bei der Tenorierung zu berücksichtigen hatte, daß die Beklagten zu 1) und 3) insoweit rechtskräftig lediglich zu einer Verzinsung von 4 % verurteilt sind. Wegen der Einzelheiten des der Höhe nach unstreitigen Anspruches wird auf Ziffer IV. 3. des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 und auf Ziffer 1. 3. des Urteils des Oberlandesgerichts München vom 30.07.1998 verwiesen.

Desweiteren war dem Feststellungsantrag der Klägerin zu 3) gegen den Beklagten zu 2) bezüglich des über den ausgeurteilten Betrag hinausgehenden entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen Schadens stattzugeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Ziffer III, des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 verwiesen.

IV.

Der Senat hält ein Schmerzensgeld von 350.000,- Euro für angemessen, da die Klägerin zu 3) durch die groben Behandlungsfehler der Beklagten zu 1) und 3) schwerste körperliche und geistige Schäden (vgl. auch den mit Schriftsatz der Klägerin zu 3) vom 25.01.2001 vorgelegten ärztlichen Bericht vom 11.12.2000) erlitten hat. Die Klägerin zu 3) kann insbesondere aufgrund der spastischen Tetraplegie alle vier Gliedmaßen nicht bewegen, leidet unter Folgeschäden wie Wirbelsäulenverbiegung, ist völlig oder weitgehend erblindet und leidet an Muskelerschlaffung, kann nicht stehen oder gehen und auch nicht selbständig sitzen und muß gefüttert werden. Sie kann nicht sprechen. Die Klägerin zu 3) wird die Woche über in einem Blindeninstitut behandelt und gepflegt. Am Wochenende wird sie in ihrer Familie versorgt. Der Klägerin zu 3) ist aufgrund der irreversiblen Schädigung ihres Gehirns und den daraus resultierenden schwersten körperlichen und geistigen Behinderungen von Beginn ihres Lebens an jede Möglichkeit zu einer Entwicklung in normalen und glücklichen Bahnen genommen. Sie ist zu einem Leben in Dunkelheit, Bewegungslosigkeit, Passivität und weitestgehender Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit gezwungen.

Auf Grund der Schilderung der Klägerin zu 1), der Mutter der Klägerin zu 3), in der Sitzung vom 25.04.2002, derzufolge eine nonverbale Kommunikation mit der Klägerin zu 3) möglich ist, die Klägerin zu 3) gerne Radio, insbesondere Musik, hört, geht der Senat davon aus, daß die Empfindungs- und Erlebnisfähigkeit der Klägerin zu 3) jedenfalls nicht völlig zerstört ist. Soweit die Empfindungs- und Erlebnisfähigkeit der Klägerin zu 3) eingeschränkt ist, kann dies angesichts des hohen Wertes, den das Grundgesetz in Artikel 1 und 2 der Persönlichkeit und Würde des Menschen beimißt, nicht per se zu einer Kürzung des Schmerzensgeldes führen. Der schmerzensgeldfähige Schaden des Geschädigten besteht nicht nur in körperlichen oder seelischen Schmerzen. Vielmehr stellt die Einbuße der Persönlichkeit, der Verlust an personaler Qualität schon für sich einen auszugleichenden immateriellen Schaden unabhängig davon dar, ob der Betroffene die Beeinträchtigung empfinden kann (BGH 120, 1 ff.). Das der Klägerin zu 3) vom Senat zugesprochene Schmerzensgeld soll folglich auch die teilweise Zerstörung von deren Persönlichkeit ausgleichen. Mittels des Schmerzensgeldes können der Klägerin zu 3) auch Annehmlichkeiten und überobligatorische Pflege- und Behandlungsmaßnahmen verschafft werden, die, da in den einschlägigen Leistungskatalogen von Kranken- und Pflegekassen nicht enthalten, über den materiellen Schadenersatz nicht liquidiert werden können. Der Sachverständige Prof. Dr. hat dem Senat erläutert, daß die Lebenserwartung schwerstbehinderter Menschen ganz wesentlich vom Niveau der Pflege abhängig ist.

Der Senat verkennt nicht und hat berücksichtigt, daß der mißglückte ärztliche Heileingriff wegen seiner altruistischen Tendenz im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung nicht mit einer Körperverletzung durch vorsätzliche Straftaten oder rücksichtsloses bzw. leichtfertiges Verhalten im Straßenverkehr auf eine Stufe gestellt werden kann. Andererseits war gebührend zu berücksichtigen, daß die schweren Schädigungen der Klägerin zu 3) durch grobe Behandlungsfehler der Beklagten zu 1) und 3) verursacht wurden. Die Unzulänglichkeiten und Fehler des Behandlungsgeschehens haben dazu geführt, daß dieses von Seiten der Sachverständigen mit ungewöhnlich deutlicher Kritik bedacht wurde.

Der Senat hat berücksichtigt, daß die Beklagten einerseits versichert sind, andererseits in Anbetracht der hohen Forderungen, die auf die Beklagten von dritter Seite zukommen dürften, es derzeit nicht völlig ausgeschlossen zu sein scheint, daß die Höchstversicherungssummen der beklagten Ärzte, die zu einer Zeit vereinbart wurden, in der die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeldern noch zurückhaltender war, überschritten werden könnten.

Die Beklagten zu 1) und 3) müssen, da sie eine abgrenzbare Vorschädigung der Klägerin zu 3) nicht nachweisen können (vgl. Ziffer II.), für den gesamten ungekürzten immateriellen Schaden der Klägerin zu 3) aufkommen. Die vom Senat im Urteil vom 14.09.1998 unter Ziffer II. 2. vorgenommene Kürzung kommt nicht mehr in Betracht.

Das Schmerzensgeld war ungeachtet des Umstandes, daß das streitgegenständliche Behandlungsgeschehen vom März 1 989 datiert, nach den Maßstäben zum Schluß der mündlichen Verhandlung im Jahr 2002 zu bemessen. Dabei war der Senat, abgesehen davon, daß der Schriftsatz der Klägerin zu 3) vom 18.04.2002 erkennen läßt, daß nunmehr ein Schmerzensgeld von 500.000,- Euro als angemessen angesehen wird, nicht an den im Antrag vom 25.04.2002 genannten Mindestbetrag von 450.000,- DM gebunden.

V.

a) Der Schmerzensgeldanspruch der Klägerin zu 3) ist nicht (teilweise) verjährt. Eine Verjährung des Schmerzensgeldanspruches kommt zwar in Betracht, wenn nur ein Teilbetrag des Schmerzensgeldes eingeklagt wird, da die Klage nur für den eingeklagten Teilbetrag die Verjährung unterbricht. Das Landgericht Traunstein hat, bestätigt durch den Bundesgerichtshof, im Urteil vom 29.05.1996 insoweit ausgeführt, daß der den zunächst eingeklagten Teilbetrag von 80.000,- DM übersteigende Schmerzensgeldanspruch Bestandteil des Feststellungsantrages gewesen ist und insoweit folglich über den Feststellungsantrag die Verjährung unterbrochen wurde. In der Folgezeit hat die Klägerin zu 3) ein Schmerzensgeld von mindestens 300.000,- DM bzw. mindestens 450.000,- DM geltend gemacht, also ein nach "oben" offenes Schmerzensgeld verlangt. Ein Teilschmerzensgeld wurde nicht mehr verlangt. Eine Verjährung des Schmerzensgeldanspruches kommt folglich nicht in Betracht.

b) Die Beklagten machen zu Unrecht geltend, daß einer Erhöhung des Schmerzensgeldes die Teilrechtskraft des Urteils des Senats vom 30.07.1998 entgegenstehe. Die Klägerin zu 3) hatte im ersten Berufungsverfahren zuletzt ein Schmerzensgeld von mindestens 300.000,- DM verlangt. Im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof hat die Klägerin zu 3) beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zum Nachteil der Klägerin zu 3) entschieden wurde, und in diesem Umfang nach deren Schlußanträgen in der Berufungsinstanz zu erkennen. Die Klägerin zu 3) hat folglich auch im Revisionsverfahren, in dem sie obsiegt hat, ein nach "oben" offenes Schmerzensgeld von mindestens 300.000,- DM verlangt. Deshalb ist durch das Revisionsverfahren keine die Schmerzensgeldforderung der Klägerin zu 3) limitierende Rechtskraft eingetreten. Eine rechtskraftbedingte Begrenzung des Schmerzensgeldanspruches der Klägerin durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2000 und des Senats vom 29.05.1996 könnte allenfalls in Betracht gezogen werden, wenn die Klägerin, wie nicht, in der Revision ein weiteres Schmerzensgeld von 50.000,- DM verlangt hätte.

Der Senat hält, soweit über die Zinsen nicht ohnehin schon rechtskräftig entschieden ist, wenn auch in den letzten Jahren das Zinsniveau gesunken ist, an seiner Einschätzung aus dem Urteil vom 14.09.1998 fest, daß im maßgeblichen Zeitraum im Durchschnitt eine Verzinsung von 6 % zu erzielen war.

Soweit die Klägerin zu 3) auch im erneuerten Berufungsverfahren 6 % Zinsen für das durch die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 29.05.1996 und des Senats vom 30.07.1998 zugesprochene Schmerzensgeld verlangt, übersieht die Klägerin zu 3), dass ihr bereits gemäß Ziffer 1 des vorgenannten Urteils des Senats insoweit rechtskräftig 6 % Zinsen zugesprochen sind. Die Klage war folglich insoweit abzuweisen.

VII.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97, 100, 269 Abs. 3 ZPO.

Dabei bemißt der Senat den Schmerzensgeldanspruch und den um 20 % reduzierten Feststellungsantrag jeweils mit 350.000,- Euro. Dies hat, da im Rahmen des Fesistellungsantrages der immaterielle Schaden nur von untergeordneter Bedeutung ist, zur Folge, daß der Beklagte zu 2), der nur auf materiellen Schadenersatz in Anspruch genommen ist, am Gesamtstreitwert in Relation zu den Beklagten zu 1) und 3) ungefähr hälftig beteiligt ist. Die Beteiligung der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) am Gesamtstreitwert bemißt der Senat mit jeweils 1 %, da die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) letztlich mit den in eigener Person geltend gemachten Schmerzensgeldansprüchen unterlegen sind bzw. diese zurückgenommen haben. Im Berufungsrechtszug war allerdings nur noch der Schmerzensgeldanspruch der Klägerin zu 1) beschränkt auf die Beklagten zu 1) und 3) anhängig, wobei zusätzlich zu berücksichtigen war, daß die Klägerin zu 1) nur am "ersten" Berufungsverfahren beteiligt war. Der Kläger zu 2) war am Berufungsverfahren nicht beteiligt. Soweit die Klägerin zu 3) im erneuerten Berufungsverfahren bereits rechtskräftig zuerkannte Zinsen geltend gemacht hat, hat der Senat gemäß § 92 Abs. 2 ZPO davon abgesehen, der Klägerin zu 3) einen Teil der Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, da die Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig war und, da nicht streitwerterhöhend, auch keine besonderen Kosten verursacht hat.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. sind nicht gegeben.

Im Hinblick auf § 26 Ziffer 8 EGZPO n.F. war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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