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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 11.11.1999
Aktenzeichen: 29 U 2266/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 718 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1
Zu den Voraussetzungen einer mit hinreichender Deutlichkeit ausgesprochenen Kündigung eines Vertrages im Verlagswesen

OLG München Urteil 11.11.1999 - 29 U 2266/99 - 21 O 2827/98 LG München I


I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18. 01. 1999 - 21 O 2827/98 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,-- DM.

Gründe

Die Parteien streiten um einen Honoraranspruch des Klägers und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob die Beklagte einen zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag wirksam gekündigt hat.

Die Parteien schlossen am 14. 06. 1989 einen Vertrag (Anlage K 1), der durch Vertrag vom 08. 12. 1993 (Kopie einer nicht unterzeichneten Kopie dieses Vertrages: Anlage K 2) ergänzt wurde. Der Vertrag sah - insbesondere für den für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt - im Kern vor, daß der Kläger gegen Zahlung eines monatlichen Honorars von 35.000,-- DM eine "Gesellschaftskolumne" für die Zeitschrift "B." verfassen sollte und daß die Beklagte diesen Vertrag mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Monatsende kündigen konnte (§§ 1, 7 Abs. 3 des Vertrages vom 14. 06. 1989, Nr. 1., 2. des Vertrages vom 08. 12. 1993). Nachdem es zumindest wegen einer Kolumne des Klägers zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war, kam die Beklagte zu der Auffassung, daß eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nur auf der Grundlage eines geänderten Vertrages - die Beklagte wünschte vor allem eine stärkere inhaltliche Kontrolle über die Veröffentlichungen des Klägers - erfolgen könne. Hierüber äußerte sich die Beklagte gegenüber dem Kläger ausführlich mit Schreiben vom 08. 10. 1996 (Anlage K 3). Nachdem der Kläger hierauf zunächst nicht antwortete, setzte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 25. 10. 1996 (Anlage K 4) eine Äußerungsfrist. Der Kläger ließ mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 06. 11. 1996 entgegnen (Anlage K 5). Die Beklagte ließ mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigen vom 18. 11. 1996 (Anlage K 6) mitteilen, nach den Schreiben vom 08. 10. 1996 und 25. 10. 1996 ende das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien am 31. 10. 1997; die Beklagten sehe keine Grundlage, das Vertragsverhältnis mit dem Kläger über den 31. 10. 1997 hinaus fortzusetzen. Verhandlungen der Parteien über eine weitere Zusammenarbeit auf geänderter Basis (Korrespondenz hierzu: Anlagen K 7 bis K 15) scheiterten. Tatsächlich arbeiteten die Parteien bis zum 31. 12. 1997 zusammen; bis zu diesem Zeitpunkt bezahlte die Beklagte das vereinbarte Honorar. Danach verweigerte sie die weitere Zusammenarbeit und weitere Zahlungen.

Der Kläger hat geltend gemacht, eine Kündigung des Vertrages vom 14. 06. 1989/08. 12. 1993 sei nicht erfolgt. Mit der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegenden Klage hat er die Zahlung des Honorars von 35.000,-- DM für Januar 1998 verlangt und beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 35.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer und 4 % Zinsen hieraus seit 01. 02. 1998 zu bezahlen und

II. festzustellen, daß die Vertragsbeziehungen der Parteien durch die Erklärung der Beklagten vom 08. 10. 1996 oder die darauf folgenden Erklärungen nicht zum 31. 12. 1997 beendet wurden, sonderen darüber hinaus unverändert fortbestehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, daß Schreiben vom 08. 10. 1996 enthalte eine Änderungskündigung des Vertrages vom 14. 06. 1989/08. 12. 1993. Selbst wenn die mit diesem Schreiben ausgesprochene Kündigung unwirksam gewesen sein sollte, enthalte das Schreiben vom 18. 11. 1996 eine zur Wirksamkeit der Kündigung führende Bestätigung derselben. Allenfalls sei das Schreiben vom 18. 11. 1996 in eine Kündigung zum 30. 11. 1997 umzudeuten. Zudem habe den Kläger jedenfalls eine Rechtspflicht zum Widerspruch getroffen; das Unterlassen des Widerspruches führe dazu, daß der Kläger die Kündigung als wirksam gegen sich gelten lassen müsse. Hilfsweise hat die Beklagte mit Gegenforderungen aufgerechnet.

Der Kläger ist dem entgegengetreten. Das Schreiben vom 08. 10. 1996 enthalte mangels hinreichender Klarheit keine Kündigung. Es erkläre nicht den Willen zur Beendigung, sondern zur Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Bedingungen. Die Benutzung des fachsprachlichen Terminus "Änderungskündigung" sei ohne Bedeutung. Das Schreiben vom 18. 11. 1996 enthalte lediglich eine Verweisung auf das Schreiben vom 08. 10. 1996 und die Äußerung einer Rechtsauffassung zum Inhalt dieses Schreibens. Die Gegenforderungen hat der Kläger nach Grund und Höhe bestritten.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Schreiben vom 08. 10. 1996 habe eine Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses enthalten. Zudem erfülle das Schreiben vom 18. 11. 1996 alle Voraussetzungen einer selbstständigen Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 30. 11. 1997.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft seinen Sach- und insbesondere Rechtsvortrag aus dem ersten Rechtszug und beantragt

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Beklagte nach den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren Sach- und Rechtsvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich als unbegründet.

I. In rechtlicher Hinsicht hat der Kläger die von der Rechtssprechung an die Klarheit und Eindeutigkeit einer Kündigung zu stellenden Anforderungen zutreffend herausgearbeitet; der Senat geht von diesen Grundsätzen aus. Er teilt jedoch die Auffassung des Landgerichts, daß das Schreiben vom 08. 10. 1996 eine hinreichend klare Kündigung (Änderungskündigung) des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses enthält. Er nimmt insoweit zunächst auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug und schließt sich ihnen an. Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:

Das Schreiben vom 08. 10. 1996 geht in den einleitenden Absätzen (Seite 1, Abs. 1-4) zunächst auf die zwischen den Parteien entstandenen Differenzen hinsichtlich des Inhaltes der Kolumnen des Klägers ein und legt mit großer Deutlichkeit den Standpunkt der Beklagten dar, daß die Texte des Klägers "in wesentlichen Teilen rechtswidrig" und damit vertragswidrig seien und daß die Klägerin sich mit deren Veröffentlichung dem Risiko von Unterlassungs- und Schmerzensgeldklagen aussetze. Es bringt anschließend zum Ausdruck,

a) daß die zwischen den Parteien geltenden vertraglichen Regelungen in bestimmten Punkten nach Auffassung der Beklagten geändert werden müssten (Beseitigung der Veröffentlichungspflicht der Beklagten; Spesenabrechnung);

b) daß die Beklagte dem Kläger eine sofortige Anpassung des Vertragsverhältnisses in den angesprochenen Punkten vorschlage und

c) daß sie, wenn der Kläger nicht einverstanden sein sollte, die Anpassung des Vertragsinhaltes unter Einhaltung der vertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist erzwingen wolle.

Dem Kläger ist zugegeben, daß bei oberflächlicher und wörtlicher Auslegung des Schreibens vom 08. 10. 1996 insbesondere bei Außerachtlassung des ersten Satzes auf Seite 2 des Schreibens ("Ich bin mir bewusst.......zu entscheiden") ein Verständnis des Schreibens dahin, daß der Verfasser glaube, das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis durch einseitige Erklärung ändern zu können, nicht ausgeschlossen erscheint. Bei der Auslegung des Schreibens kann jedoch einerseits der erwähnte Satz nicht außer Betracht bleiben; anderseits ist zu berücksichtigen, daß die Tatsache, daß ein Vertrag - auch unter Einhaltung der Kündigungsfrist - nicht durch einseitige Erklärung geändert werden kann, jedenfalls bei den im geschäftlichen Verkehr auf der hier in Betracht kommenden Ebene tätigen Personen zum Grundbestand rechtlichen Wissens gehört und daß deswegen die Annahme, der Geschäftsführer der Beklagten habe durch das Schreiben vom 08. 10. 1996 den Versuch machen wollen, den Vertrag einseitig mit Wirkung vom 01. 11. 1997 zu ändern, kaum nachvollziebar erscheint. Nimmt man den Hinweis darauf, daß es sich bei der abgegebenen Erklärung nach der Auffassung des Geschäftsführers der Beklagten "um eine Änderungskündigung handelt" und daß der Kläger "das Recht habe, innerhalb angemessener Frist über die Annahme des Angebots der B. Verlag GmbH zu entscheiden", hinzu, so kann am Willen des Geschäftsführers der Beklagten, das Vertragsverhältnis nach Möglichkeit zu geänderten Bedingungen fortzusetzen, es aber, falls darüber eine Einigung nicht zustande komme, zu beenden, ein vernünftiger Zweifel nicht bestehen. Das Schreiben enthält somit eine bedingte Kündigung des Vertragsverhältnisses für den Fall, daß es zu einer Verständigung über die Vertragsänderung in den von der Beklagten angesprochenen Punkten nicht kommen sollte.

II. Der Senat teilt weiter auch die Auffassung des Landgerichts, daß das Schreiben vom 18. 11. 1996 (Anlage K 6) eine eigenständige Kündigungserklärung enthielt. Es trifft zwar zu, daß Abs. 2 Satz 1 des Schreibens ("Nach den B.-Schreiben.......") die Äußerung einer Rechtsauffassung hinsichtlich der Bedeutung und Wirkung der Schreiben vom 08. 10. 1996 und 25. 10. 1996 enthielt. Der folgende Satz enthält jedoch die unzweideutige Mitteilung des Willens der Beklagten, das Vertragsverhältnis über den 31. 10. 1997 hinaus nicht fortzusetzen. Zwar bezieht sich diese Erklärung - insbesondere durch die Bezugnahme auf das Datum 31. 10. 1997 - auf die im vorangegangenen Satz geäußerte Rechtsauffassung, daß bereits durch das Schreiben vom 08. 10. 1996 eine Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 31. 10. 1997 ausgesprochen worden sei. Zugleich bringt das Schreiben aber in dem erwähnten Satz unzweideutig den Willen der Beklagten zum Ausdruck, das Vertragsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden und stellt deswegen eine eigenständige Kündigung mit Wirkung zum 30. 11. 1997 dar.

Soweit der Kläger die Vollmacht des Beklagtenvertreters zum Ausspruch dieser Kündigung bestreitet, ist diese durch Vorlage der Vollmacht vom 01. 06. 1992 (Anlage B 3) nunmehr nachgewiesen. Soweit der Kläger geltend macht, sein Prozeßbevollmächtigter sei zum Empfang einer eventuell im Schreiben vom 18. 11. 1996 liegenden Kündigung nicht bevollmächtigt gewesen, ist dies unbeachtlich. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hatte mit Schreiben vom 06. 11. 1996 (Anlage K 5) mitgeteilt, daß er den Kläger in der hier streitigen Angelegenheit vertrete. Daß dem eine tatsächlich erteilte Vollmacht nicht zugrunde gelegen hätte, ist nicht behauptet. Insbesondere auch angesichts der standesrechtlichen Unzulässigkeit einer unmittelbaren Korrespondenz zwischen den Beklagtenvertretern und dem Kläger konnte die Beklagte das Schreiben vom 06. 11. 1996 nur dahin verstehen, daß der Bevollmächtigte des Klägers auch zum Empfang von Erklärungen bevollmächtigt sei. Daß die vom Kläger erteilte Vollmacht insoweit differenziert hätte, ist nicht sustanziiert behauptet. Jedenfalls aber muß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach den von der Rechtssprechung zur Anscheins- und Duldungsvollmacht entwickelten Grundsätzen auch als zum Empfang von Erklärungen der Beklagten bevollmächtigt angesehen werden. Unabhängig davon muß auch davon ausgegangen werden, daß die Erklärung der Beklagten vom 18. 11. 1996 dem Kläger zugegangen ist. Denn die Erklärung war durch Übersendung an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom Prozeßbevollmächtigen der Beklagten so in den Verkehr gebracht worden, daß mit ihrer Übermittlung durch den Prozeßbevollmächtigen des Klägers an diesen bestimmungsgemäß gerechnet werden konnte. Daß dieser die Erklärung dem Kläger nicht in Kopie oder anderer geeigneter Form mitgeteilt hätte, ist nicht behauptet; daß sich das Original der Erklärung noch heute in den Akten des Prozeßbevollmächtigten des Klägers befindet, ist unter diesen Umständen ohne Bedeutung. Im Ergebnis muß daher sowohl vom Wirksamwerden der Kündigung im Schreiben vom 18. 11. 1996 mit Zugang an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers wie auch von dem Zugang der Kündigungserklärung an den Kläger selbst ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 718 Nr. 10, § 711 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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