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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.11.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 164/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1897
BGB § 1899 Abs. 1 Satz 3
BGB § 1908b Abs. 1
FGG § 20
1. Sind für verschiedene Aufgabenkreise ein ehrenamtlicher und ein berufsmäßiger Betreuer bestellt, so stellt die Entlassung des ehrenamtlichen Betreuers jedenfalls dann einen wichtigen Grund für die Entlassung des anderen Betreuers dar, wenn für alle bestehenden Aufgabenkreise ein anderer berufsmäßiger Betreuer bestellt werden soll.

2. In einem derartigen Fall ist jeder der bisherigen Betreuer beschwerdebefugt mit dem Ziel, seine Entlassung aufzuheben und ihn auch für die übrigen Aufgabenkreise zu bestellen.

3. Bei der Auswahl des neuen Betreuers ist auch das Interesse des Betroffenen an der Kontinuität des Betreuungsverhältnisses zu berücksichtigen.


Tatbestand:

Für den Betroffenen besteht seit 7.2.2001 eine Betreuung. Zuletzt war die frühere Betreuerin zuständig für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim -, Pflegevertrages, Wohnungsangelegenheiten, Organisation ambulanter Hilfen, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post. Für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge war der frühere weitere Betreuer bestellt.

Mit Beschluss vom 1.7.2005 entließ das Amtsgericht die frühere Betreuerin aus Altersgründen. Gleichzeitig entließ es den früheren weiteren Betreuer und bestellte die nunmehrige Betreuerin für sämtliche bestehenden und bisher auf zwei Betreuer aufgeteilten Aufgabenkreise mit Ausnahme der Wohnungsangelegenheiten und der Organisation der ambulanten Hilfen.

Gegen diesen Beschluss erhob der frühere weitere Betreuer Beschwerde mit der Begründung, seine Entlassung komme völlig überraschend, da die Fortdauer seiner Bestellung in den Vorgesprächen nie in Frage gestanden habe und er auch bereit sei, zusätzlich die übrigen von der früheren Betreuerin wahrgenommenen Aufgaben zu übernehmen. Auch lägen keine Gründe für seine Entlassung vor.

Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 10.8.2005 zurück.

Hiergegen wendet sich der frühere weitere Betreuer mit der weiteren Beschwerde vom 26. August 2005, eingegangen am gleichen Tage. Mit dieser strebt er weiterhin die Aufhebung seiner Entlassung und die Bestellung als alleiniger Betreuer an. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Gründe:

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Zwar ist, da durch die Entscheidung ein Betreuer gegen seinen Willen entlassen wurde, die sofortige Beschwerde (§ 69 g Abs. 4 Nr. 3 FGG) und damit auch die sofortige weitere Beschwerde (§ 29 Abs. 2 FGG) gegeben, doch wurde diese rechtzeitig innerhalb der Zwei-Wochenfrist eingelegt. Da die angefochtene Entscheidung nicht zugestellt wurde, ist davon auszugehen, dass diese dem früheren weiteren Betreuer nicht vor dem 12.8.2005 zugegangen ist. Außerdem hatte das Landgericht den Beteiligten keine zutreffende Rechtsmittelbelehrung erteilt.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung.

a. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

In der Entlassung der früheren Betreuerin, die auf Altersgründen und dem ungeklärten Verbleib von 9000 EUR beruhte, liege auch ein wichtiger Grund für die Entlassung des weiteren Betreuers. Es sei hierdurch der Grund für die Bestellung des früheren weiteren Betreuers weggefallen. Würde die Beschwerde Erfolg haben, wären zwei Berufsbetreuer bestellt, was § 1899 Abs. 1 Satz 3 BGB widerspreche. Eine Beschwerdeentscheidung des Inhalts, dass der frühere weitere Betreuer auch für die übrigen Aufgabenkreise bestellt werde, sei rechtlich nicht möglich und auch in der Beschwerdeschrift nicht beantragt worden. Die Auswahl der neuen Betreuerin sei ermessensfehlerfrei vorgenommen worden; insbesondere habe das Amtsgericht sich vergewissert, dass keine besondere persönliche Beziehung zwischen dem Betreuten und dem früheren weiteren Betreuer bestehe, deren Beendigung für den Betreuten von erheblichem Nachteil wäre oder ihn psychisch sehr belasten würde.

b. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand (§ 27 Abs.1 FGG, § 546 ZPO).

aa) Nicht gefolgt werden kann schon der Annahme des Landgerichts, der frühere weitere Betreuer habe seine Bestellung in der Beschwerdeschrift nicht beantragt. Der frühere weitere Betreuer hat vielmehr darin ausdrücklich erklärt, dass er bereit sei, auch die übrigen Aufgabenkreise wahrzunehmen. Die Beschwerdeschrift kann daher nur dahingehend ausgelegt werden, dass die Aufhebung des Beschlusses und die umfassende Bestellung des Beschwerdeführers für alle von ihm und der früheren Betreuerin wahrgenommen Aufgabenkreisen beantragt werde. Zudem hat der frühere weitere Betreuer auf fernmündliche Nachfrage des Landgerichts diese mögliche Auslegung bestätigt.

bb) Die Beschwerde war auch entgegen der Annahme des Landgerichts mit diesem Ziel zulässig. Da wegen der seit 1. 7. 2005 geltenden Vorschrift des § 1899 Abs. 1 Satz 3 BGB die Entscheidung über die Entlassung des weiteren Betreuers in Zusammenhang mit der Bestellung eines berufsmäßigen Hauptbetreuers nicht von der Auswahlentscheidung getrennt werden kann, war der frühere weitere Betreuer auch nach § 20 FGG beschwerdebefugt. Führt nämlich die Auswahl eines anderen, nunmehr berufsmäßig tätigen Hauptbetreuers dazu, dass allein hierdurch ein wichtiger Grund für die Entlassung des weiteren ebenfalls berufsmäßigen Betreuers nach § 1908 b BGB zwingend gegeben ist, werden hierdurch dessen Rechte beeinträchtigt.

cc) Zu Recht geht allerdings das Landgericht davon aus, dass die Entlassung eines Betreuers auch einen wichtigen Grund i. S. des § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB für die Entlassung des für einen Teilbereich der Aufgabenkreise bestellten weiteren Betreuers darstellen kann. Sind mehrere Betreuer für unterschiedliche Aufgabenkreise bestellt, ist ein wichtiger Grund für die Entlassung eines Betreuers schon dann gegeben, wenn sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen des § 1899 Abs. 1 BGB für die Bestellung mehrerer Betreuer von Anfang an nicht vorgelegen haben oder später weggefallen sind. Das folgt nicht zuletzt aus dem Rechtsgedanken von § 1897 Abs. 1, § 1899 Abs. 1 BGB (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht MDR 2002, 886 = Rpfleger 2002, 445). Dieser Grundsatz gilt in besonderer Weise, wenn die erstmalige Bestellung eines Berufsbetreuers für einen Teil der Aufgabenkreise geboten ist und es bei Fortdauer der Bestellung des weiteren, ebenfalls berufsmäßig tätigen Betreuers zu einem Verstoß gegen § 1899 Abs. 1 Satz 3 BGB kommen würde. Deshalb ist es gerechtfertigt, in entsprechenden Fällen einen wichtigen Grund für die Entlassung des weiteren Betreuers anzunehmen. Andernfalls würde häufig das Auswahlermessen für die Bestellung eines Betreuers auf Null reduziert. Dies kann aber dem Wohle des Betreuten widersprechen, da er dann möglicherweise nicht den am besten geeigneten Betreuer für alle ihn betreffenden Aufgabenkreise erhalten würde.

dd) Ferner ist der Ansatzpunkt des Landgerichts, dass das Vormundschaftsgericht den neuen Betreuer für alle bestehenden Aufgabenkreise gemäß § 1897 BGB nach seinem pflichtgemäßen Ermessen auswählen kann, nicht zu beanstanden. Zwar kann das Gericht der weiteren Beschwerde die Ermessensentscheidung des Gerichts der Tatsacheninstanz nur beschränkt nachprüfen, insbesondere darauf hin, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden, das Tatsachengericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und von zutreffenden und verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen ausgegangen ist (vgl. BayObLG FGPrax 1997, 32; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl . § 27 Rn.23); doch erweist sich insoweit die Entscheidung als fehlerhaft.

Das Landgericht hat nur geprüft, ob eine besondere persönliche Beziehung zwischen dem Betreuten und dem früheren weiteren Betreuer bestehe, deren Beendigung für den Betreuten von erheblichem Nachteil wäre oder ihn psychisch sehr belasten würde. Die Kammer hat aber im Rahmen dieser Prüfung lediglich festgestellt, dass bei der amtsgerichtlichen Anhörung eine Verständigung über den Betreuerwechsel nicht möglich gewesen sei.

Der Beschluss des Landgerichts lässt hingegen nicht erkennen, inwiefern es alle wesentlichen Umstände, insbesondere die vom Gesetzgeber gewünschte und dem Betroffenen grundsätzlich dienliche Kontinuität (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht aaO) der Betreuerstellung in die Auswahlentscheidung mit einbezogen hat, zumal die Bestellung des übernahmebereiten früheren weiteren Betreuers durchaus nahe gelegen hätte. § 1908 b BGB lässt den Beteuerwechsel nicht einschränkungslos, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Hieraus ergibt sich, dass nach Möglichkeit eine gewisse Kontinuität zu wahren ist. Das kann aus dem Rechtsgedanken des Vorranges der Einzelbetreuung gegenüber der Vereins- oder Behördenbetreuung entnommen werden.

ee) Darüber hinaus hat das Landgericht nicht geprüft, inwieweit die Ermessensentscheidung über die Auswahl des neuen Betreuers durch einen Wunsch des Betreuten beschränkt war (§ 1897 Abs. 4 BGB). Anlass hierfür hätte auf Grund des Schreibens der früheren Betreuerin vom 14. Juni 2005 bestanden. Selbst wenn dieses Schreiben, wie die frühere Betreuerin in der Anhörung erklärte, von Frau K. geschrieben worden sein sollte, und in der Anhörung eine Verständigung über den Betreuerwechsel nicht möglich war, kann aufgrund der hier erkennbaren Umstände nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene in anderer Umgebung doch einen zu beachtenden Wunsch geäußert hat. Daher wäre zumindest eine Rückfrage durch das Landgericht veranlasst gewesen, inwieweit die frühere Betreuerin oder Frau K. tatsächlich die Frage des Betreuerwechsels, wie im Schreiben vom 14. Juni 2005 behauptet, mit dem Betreuten besprochen hat.

Ende der Entscheidung

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