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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 11.05.2000
Aktenzeichen: 1 U 1532/00
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG
Vorschriften:
BNotO § 19 | |
BeurkG § 17 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 1 U 1532/00
Verkündet am 11. Mai 2000
In dem Rechtsstreit
wegen Feststellung
erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.04.00 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.11.1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt DM 95.000,00.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus eigenem und abgetretenem Recht wegen Verletzung notarieller Belehrungspflichten in Anspruch.
Die Klägerin kaufte zusammen mit ihrem Ehemann im Frühjahr 1996 vier Eigentumswohneinheiten zum Kaufpreis von DM 720.000,00. Der Kaufvertrag wurde dergestalt abgeschlossen, daß der Eigentümer und Verkäufer H dem Ehemann der Klägerin mit notarieller Urkunde des Notars F in Frankfurt am Main vom 06.02.1996 ein Kaufvertragsangebot unterbreitete. Unter Ziffer IV. dieses Angebots war unter anderem eine Mietgarantie des Verkäufers ab Übergabe für eine monatliche Nettomiete von DM 12,00 pro Quadratmeter für Wohnräume und DM 14,00 pro Quadratmeter für Gewerberäume auf die Dauer von 60 Monaten enthalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 06.02.1996 (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 22.06.1999} verwiesen. Das vorgenannte Vertragsangebot nahmen der Ehemann der Klägerin und die Klägerin mit notarieller Urkunde des Beklagten vom 12.03.1996 unverändert lediglich mit der Maßgabe an, daß nicht nur der Ehemann der Klägerin, sondern auch die Klägerin Vertragspartei werden sollten. In der notariellen Urkunde des Beklagten vom 12.03.1996 wird für den Ehemann der Klägerin die Berufsbezeichnung Betriebswirt und für die Klägerin die Berufsbezeichnung Kauffrau angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde des Beklagten vom 12.03.1996 (Anlage K 2 zur Klageschrift vom 22.06.1999) verwiesen. Das modifizierte Vertragsangebot vom 12.03.1996 wurde mit notarieller Urkunde des Notars F vom 25.03.1996 vom Verkäufer angenommen. Die Klägerin und ihr Ehemann bezahlten in der Folgezeit den fällig gewordenen Kaufpreis und wurden Eigentümer des vorgenannten Kaufgegenstandes. Da die Wohnungseinheiten jedenfalls bis August 1996 nicht vermietet waren, nahm die Klägerin den Verkäufer aus der Mietgarantie in Anspruch. Da dieser seinen Verpflichtungen aus der Mietgarantie nicht nachkam, erwirkte die Klägerin insoweit gegen den Verkäufer, der jedenfalls seinerzeit unbekannten Aufenthalts war, ein Versäumnisurteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998. Mit Vertrag vom 04.06.1999 trat der Ehemann der Klägerin an diese seine Schadensersatzansprüche ab. Eine Belehrung der Klägerin und deren Ehemannes durch den Beklagten dahingehend, daß die Klägerin und ihr Ehemann einen Schaden erleiden könnten, wenn der Verkäufer seinen vertraglichen Verpflichtungen aus der Mietgarantie nicht nachkommt, erfolgte nicht. Die Klägerin und deren Ehemann hatten bereits vor der Beurkundung vom 12.03.1996 beim Beklagten zahlreiche Beurkundungen erstellen lassen, denen in der Regel sehr schwierige Sachverhalte zugrunde lagen. Die Klägerin und deren Ehemann betreiben im Rahmen der Hotelgruppe zahlreiche Hotels.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug vorgetragen, daß die Mietgarantie erhöhend in den Kaufpreis eingeflossen sei. Es liege insoweit eine ungesicherte Vorleistung vor. Der Beklagte müsse diesbezüglich für die Folgen der unterbliebenen Belehrung haften.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den der Klägerin und ihrem Ehemann aus der Nichterfüllung des mit Herrn abgeschlossenen Kaufvertrages (URNr. S/96 des Beklagten) entstandenen Schaden zu ersetzen.
Der Beklagte hat im ersten Rechtszug Klageabweisung beantragt.
Er hat vorgetragen, der Feststellungsklage fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Seine Aufgabe sei lediglich die Beurkundung der Annahme gewesen. Auch einem flüchtigen Leser habe nicht verborgen bleiben können, daß die Vermietungsgarantie nicht gesichert gewesen sei. Die Klägerin habe ausdrücklich auf das Verlesen der Angebotsurkunde verzichte. Es liege auch keine ungesicherte Vorleistung vor. Die Mietgarantie sei eine zusätzliche Leistung des Verkäufers gewesen, auf die kein Hinweis erforderlich gewesen wäre.
Mit dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 03.12.1999 zugestellten Urteil vom 24.11.1999, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da weder eine ungesicherte Vorleistung vorliege, noch bei Mietgarantien eine Sicherung üblich sei.
Hiergegen richtet sich die am 03.01.2000 eingegangene und nach Fristverlängerung am 03.03.2000 begründete Berufung der Klägerin.
Die Klägerin behauptet, sie hätte ohne die Mietgarantie des Verkäufers niemals auf dem ihr völlig unbekannten Immobilienmarkt in Eigentumswohnungen erworben. Sie und ihr Ehemann seien keine Immobilienfachleute und hätten keine Erfahrungen mit Mietgarantien und Bauträgern. Die Klägerin und ihr Ehemann seien sich der Risikolage im Zusammenhang mit der Mietgarantie nicht bewußt gewesen. Es sei nicht zutreffend, daß die Absicherung einer Mietgarantie unüblich sei. Vielmehr böten gerade seriöse Immobiliengesellschaften den Erwerbern auch Sicherheiten für die Erfüllung der Mietgarantie an. Es handle sich bei der Mietgarantie um eine ungesicherte Vorleistung. Folglich sei der Beklagte gehalten gewesen, die Klägerin und deren Ehemann diesbezüglich zu belehren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts vom 24.11.1999 (Az. 30 O 11026/99) aufzuheben und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bestreitet unter Hinweis auf die Systematik des notariellen Vertragsangebotes, daß die Mietgarantie sich kaufpreissteigernd ausgewirkt habe. Die Mietgarantie sei keine Vorleistung. Das wirtschaftliche Risiko eines Mietgarantieversprechens sei für jedermann erkennbar, erst Recht für die Klägerin und deren Ehemann. Die Mietgarantie betreffe im übrigen nicht die Durchführung des zu beurkundenden Kaufgeschäftes, sondern den künftigen Ertrag aus der Immobilie nach dem Eigentumserwerb, also nicht das Risiko des Kaufes und einer etwa zu sichernden Eigentumsverschaffung, sondern die Verwertung des Grundbesitzes in der Zukunft. Eine Belehrungspflicht des Beklagten habe folglich nicht bestanden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 03.03. und 18.04.2000 sowie auf den Schriftsatz des Beklagten vom 21.03.2000 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Klägerin steht, da der Beklagte weder gegenüber der Klägerin noch gegenüber deren Ehemann seine notariellen Belehrungspflichten verletzt hat, weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch gemäß § 19 BNotO in Verbindung mit § 17 BeurkG zu. Folglich war die zulässige Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
1. Zwar hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 95, 303 ff, BGH DNotZ 96, 568 ff, jeweils m.w.N.) der beurkundende Notar die Verpflichtung, die Beteiligten auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die mit ungesicherten Vorleistungen verbunden sind und entsprechende Abhilfen aufzuzeigen. Selbst wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, daß die vom Verkäufer gewährte Mietgarantie preissteigernd in den Kaufpreis eingeflossen ist, entzieht sich dieser Faktor jedenfalls im verfahrensgegenständlichen Rechtsstreit einer Quantifizierung der Höhe nach. Es wurden keine konkreten Umstände vorgetragen, die die Bemessung eines etwaigen Anteiles der Mietgarantie am Kaufpreis von DM 720.000,00 zuließen. Das Rechtsinstitut der ungesicherten Vorleistung setzt jedoch begriffslogisch voraus, daß der Umfang der Vorleistung und daraus folgend der Sicherungsbedarf feststellbar ist. Die Mietgarantie betrifft im übrigen auch, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, nicht unmittelbar ein rechtliches Risiko aus dem Kaufvertrag, sondern die wirtschaftliche Verwertung der Immobilie durch den Käufer nach Vollzug des Kaufvertrages in der Zukunft. Die Belehrungspflicht des Notars wegen des aus einer ungesicherten Vorleistung entspringenden Risikos betrifft als Rechtsbelehrung jedoch Umstände, die juristische Überlegungen erforderlich machen, die ein rechtlicher Laie von sich aus nicht ohne weiteres anstellt (BGH VersR 95, 304 = DNotZ 95, 407 ff).
2. Dem klägerischen Schadensersatzanspruch steht darüber hinaus auch entgegen, daß der Notar auf eine Belehrung ohnehin dann verzichten darf, wenn er sich aufgrund der gesamten Umstände zuverlässig davon überzeugt hat, daß die Beteiligten das Risiko kennen und dennoch diese Vertragsgestaltung wünschen, was der Notar im Streitfall zu beweisen hat (BGH VersR 95, 305). Eine Belehrung gegenüber dem Wissenden wäre lediglich leere Förmelei (sapienti non fit iniuria). Bei Durchsicht des notariellen Angebots vom 06.02.1996, das nicht vom Beklagten beurkundet, sondern vielmehr von der Klägerin und ihrem Ehemann dem Beklagten zur Beurkundung einer modifizierten Annahmeerklärung vorgelegt worden war, konnte ein aufmerksamer und verständiger Leser nicht übersehen, daß bezüglich der Mietgarantie des Verkäufers keine Absicherung erfolgt war. Zu dieser Feststellung bedurfte es keiner juristischen Kenntnisse und Analysen. Vielmehr mußte sich aufgrund einfacher kaufmännischer Überlegungen dem gesunden Menschenverstand die Feststellung aufdrängen, daß die Klägerin und deren Ehemann einen Schaden erleiden würden, wenn die Ansprüche aus der Mietgarantie beim Verkäufer nicht durchgesetzt werden können. Insofern ist der Rechtsstreit anders gelagert wie die Fälle der Kaufpreisvorleistung ohne ausreichende dingliche Absicherung des Übereignungsanspruches, da sich dort das mit der Vorleistung verbundene Risiko erst aufgrund rechtlicher Überlegungen über das Zusammenspiel von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, die der juristische Laie nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres anstellen kann, erschließt.
Die Klägerin und deren Ehemann sind weit überdurchschnittlich geschäftserfahrene und geschäftsgewandte Personen. Unstrittig haben die Klägerin und deren Ehemann beim Beklagten schon vor der streitgegenständlichen Beurkundung zahlreiche Beurkundungen, denen in der Regel sehr schwierige Sachverhalte zugrunde lagen, erledigen lassen. Die Klägerin und ihr Ehemann betreiben zahlreiche Hotels. In der vom Beklagten beurkundeten Annahmeerklärung vom 12.03.1996 ist für den Ehemann der Klägerin die Berufsbezeichnung Betriebswirt und für die Klägerin die Berufsbezeichnung Kauffrau genannt. Wenn sich schon der durchschnittliche Leser der Erkenntnis, daß die Mietgarantie nicht abgesichert ist, nicht verschließen konnte, gilt dies aufgrund der vorgenannten Umstände erst recht für die Klägerin und deren Ehemann. Der Senat ist folglich davon überzeugt, daß die Klägerin und ihr Ehemann wußten, daß die Mietgarantie nicht abgesichert ist und sie einen Schaden erleiden, wenn diese gegenüber dem Verkäufer nicht durchgesetzt werden kann. Der Beklagte durfte und mußte daher davon ausgehen, daß die Klägerin und ihr Ehemann das vorgenannte Risiko kennen. Eine diesbezügliche Belehrung war entbehrlich.
3. Im übrigen muß auch in Betracht gezogen werden, daß die Klägerin und deren Ehemann den Beklagten nicht zum Zwecke der rechtskundigen Formulierung und Beurkundung eines noch nicht in rechtliche Kategorien gegossenen Geschäftswillens aufgesucht haben, sondern vielmehr zur Beurkundung einer modifizierten Annahmeerklärung auf ein anderweitig notariell beurkundetes Angebot des Verkäufers, das ausweislich der Urkunde des Beklagten vom 12.03.1996 der Klägerin und deren Ehemann rechtzeitig vor der Beurkundung durch den Beklagten bekannt war und das die wesentlichen vertraglichen Bestimmungen, insbesondere auch die streitgegenständliche Mietgarantie, enthielt. Folglich wäre, wenn diese nicht ohnehin aus den unter Ziffer 1. und 2. genannten Gründen entfiele, an eine vom Beklagten geschuldete Belehrung ohnehin ein reduziertes Anspruchsprofil anzulegen gewesen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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