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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: 1 U 2640/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 412 Abs. 1 | |
ZPO § 522 Abs. 2 | |
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 847 |
Dabei spielt es allenfalls eine untergeordnete Rolle, in welchem Ausmaß die Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit des Kindes eingeschränkt ist.
Aktenzeichen: 1 U 2640/05
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes u.a.
erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 19.9.2005
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 2.3.2005 wird durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Kläger wird des eingelegten Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt.
III. 1. Die Kosten des Berufungsverfahrens bis zur Rücknahme der Berufung des Klägers tragen der Kläger zu 29% und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 71%.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens nach Rücknahme der Berufung des Klägers tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens bis zur Rücknahme des Klägers wird auf 663.418,38 €, der Streitwert danach auf 473.472,70 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1.
Der Kläger macht wegen fehlerhafter Behandlung seiner Mutter bei seiner Geburt am 15.4.1995 im Krankenhaus M.H. gegenüber den Beklagten Ansprüche auf Schmerzensgeld und Ausgleich des Pflegemehrbedarfs sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden geltend.
Die Beklagte zu 1) ist die Trägerin des Städtischen Krankenhauses M.H., die Beklagten zu 2) und 3) waren damals und sind auch heute angestellte Hebammen in dieser Klinik.
Obwohl die Mutter des Klägers sowohl im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung eine Allergie auf das Schmerzmittel Optalidon angegeben hatte, die auch in dem von der Beklagten zu 3) ausgefüllten Aufnahmebogen vermerkt worden war, als auch sich ein Vermerk auf diese Allergie im Mutterpass findet, der der Beklagten zu 3) bei Klinikaufnahme ebenfalls ausgehändigt wurde, verabreichte die Beklagte zu 2) der Mutter des Klägers wegen starker Wehentätigkeit das Schmerzmittel Spasmo-Cibalgin in Form eines Suppositoriums, das ebenso wie das Medikament Optalidon, auf das die bekannte Allergie bestand, den Wirkstoff Propyphenazon enthält.
Die Mutter des Klägers reagierte hierauf innerhalb weniger Minuten mit einem allergisch bedingten Kreislaufschock.
Der kurz darauf geborene Kläger erlitt durch eine fetale Bradycardie infolge der allergischen Reaktion der Mutter eine schwere perinatale Hirnschädigung und ist seit der Geburt zu 100 % schwerbehindert.
Er leidet heute unter einer schweren Form einer komplexen und globalen Entwicklungsstörung tiefgreifender Art mit körperlicher wie mentaler Behinderung.
Insbesondere bestehen eine Behinderung der Sprachentwicklung, Kommunikationsfähigkeit und Koordination sowie eine Behinderung der Autonomie bei Zeichen einer zunehmenden Invalidisierung und vollständigen Immobilität. Der Kläger ist weder zur selbständigen Nahrungsaufnahme noch zum selbständigen Spiel oder gar zur Selbstbestimmung in der Lage. Er leidet unter einer dystonen Tetraparese mit Dyskinesiemerkmalen. Darüber hinaus bestehen ein Krampfleiden, eine Spitzfußstellung und Athetose sowie eine Stuhl- und Harninkontinenz.
Die Beklagten haben die Haftung dem Grunde nach unstreitig gestellt.
Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 2.3.2005 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 350.000,- € abzüglich eines vom Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits bezahlten Betrages von 127.822 €, zur Zahlung einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 500,- € sowie zur Zahlung einer monatlichen Pflegemehrbedarfsrente ab 1.11.2000, hierbei ab 1.5.2007 in Höhe von 2.410 € verurteilt und weiter festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, dem Kläger auch den weiteren, von den Leistungsanträgen nicht erfassten materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die anlässlich der Geburt am 15.4.1995 erlittene Schädigung bereits entstanden ist und noch entstehen wird, sowie den dadurch zukünftig noch entstehenden immateriellen Schaden, soweit kein Anspruchsübergang stattfindet oder stattgefunden hat.
Im übrigen hat das Landgericht die geringfügig weiter gehende Klage abgewiesen.
Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Der Kläger hat seine Berufung nach der mit Senatsbeschluss vom 9.8.2005 erfolgten Ankündigung der beabsichtigten beidseitigen Berufungszurückweisung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatz vom 12.9.2005 zurückgenommen.
Die Beklagten haben ihre Berufung aufrechterhalten, mit der sie eine Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und eine Verurteilung lediglich zur Zahlung einer monatlichen Pflegemehrbedarfsrente in Höhe von 835 € ab 1.8.2005 sowie die Feststellung ihrer Pflicht, dem Kläger gesamtschuldnerisch den weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, erstreben
2.
Die Berufung der Beklagten wird einstimmig zurückgewiesen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Das Landgericht hat nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage dem Kläger Ansprüche in bestimmter Höhe zuerkannt und die Klage im übrigen abgewiesen. Dem schließt sich der Senat unter Bezugnahme auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils an.
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, sind zu verneinen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu stützen.
Ergänzend ist im Hinblick darauf auszuführen:
Weder hat das Landgericht unzulässigerweise Beweisanträge übergangen noch ist das dem Kläger zugesprochene Schmerzensgeld ebenso wie die zuerkannte Schmerzensgeldrente unangemessen hoch noch greifen die Einwände zur Berechnung des Pflegemehrbedarfs noch sind die Einwendungen gegen den Feststellungsausspruch begründet.
a) Hinsichtlich der von den Beklagten unter der Überschrift "Verfahrensfehler" sowie "Pflegemehraufwand" erhobenen Rügen ist auszuführen:
aa) Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. V. hat sich zu dem beim Kläger vorliegenden Pflegemehrbedarf in einer Weise geäußert, die in Verbindung mit den Angaben der als Partei vernommenen Mutter des Klägers die landgerichtliche Entscheidung zu stützen geeignet ist.
In keiner Weise zu beanstanden ist es, wenn der Sachverständige sich dabei auf das von den Eltern erstellte Protokoll über den Tagesablauf an Schultagen und an schulfreien Tagen bezieht. Es ist nicht Aufgabe des Sachverständigen, zusätzlich selbst den Pflegebedarf des Klägers nach Zeitabschnitten unterteilt darzulegen und detailliert auszuführen, wie sich der Pflegebedarf in Zukunft darstellen würde. Das Landgericht hat, gestützt auf die von ihm ausreichend ermittelten tatsächlichen Anhaltspunkte, die auch den Pflegebedarf eines gesunden Kindes umschließen, hieraus in nachvollziehbarer und verständiger Weise den Pflegemehrbedarf errechnet. Das Landgericht hat hierbei auch keineswegs lediglich vermehrte elterliche Zuwendung, wie sie der BGH in seinem Urteil vom 8.6.1999 (III ZR = VersR 1999, 1156 ff) feinsinnig umschreibt, schon als berücksichtigungsfähige Schadensersatzposition gewürdigt.
Im übrigen wird auf die Ausführungen oben 1. Bezug genommen.
Die Berechnungen des Landgerichts, die die Beklagten nach unten korrigiert wissen wollen, beruhen auf einer hinreichend sicheren Grundlage. Das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung berücksichtigt nicht den tatsächlich beim Kläger angefallenen und weiter anfallenden Pflegemehraufwand, da es sich im wesentlichen nur auf die Grundpflege und die notwendige hauswirtschaftliche Versorgung bezieht.
Zurecht hat das Landgericht in seinem Urteil vom 2.3.2005 die monatliche Pflegemehrbedarfsrente auch für den Zeitpunkt ab 1.5.2007 festgelegt. Dass der Sachverständige empfohlen hat, alle drei Jahre den Entwicklungsstand und den Pflegemehrbedarf des Klägers festzulegen, steht dem nicht entgegen. Die Möglichkeit, dass sich beim Kläger eine Verbesserung in seiner Entwicklung einstellt, hat der Sachverständige bei richtigem Verständnis seiner Ausführungen im übrigen allenfalls als theoretisch bestehend erkannt. Ganz klar geht seine Aussage dahin, dass sich der Pflegemehraufwand beim Kläger im Laufe der Jahre erhöhen wird.
bb) In ausreichender Weise hat das Landgericht auch durch Gutachten des Sachverständigen wie durch die Vernehmung der Mutter des Klägers als Partei geklärt, inwieweit der Kläger in der Lage ist, seine Abhängigkeit und Hilflosigkeit zu empfinden und Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen. Die auch vom Sachverständigen dargelegten kommunikativen Fähigkeiten des Klägers haben durch die in jeder Hinsicht glaubhaften Angaben der Mutter, die in den vorgelegten Schulzeugnissen eine gewisse Bestätigung finden, die erforderliche Präzisierung erfahren.
Auf das in der Sache lediglich zweiseitige Kurzgutachten des vom Landgericht bereits im Juni 2001 von der Gutachtenerstattung entbundenen vormaligen Sachverständigen Prof. Dr. S. war nicht weiter einzugehen. Wenn dieser Sachverständige im übrigen ohne eigene Untersuchung des Klägers meint, bei diesem läge zweifelsohne eine schwerste Entwicklungsstörung aller motorischen und geistigen Fähigkeiten im Sinne einer schwersten Zerebralparese mit schwerer Intelligenzminderung vor, besagt dies noch nichts darüber, ob und inwieweit das Empfindungsvermögen des Klägers in einer Weise eingeschränkt bzw. aufgehoben ist, dass dies - worauf die Beklagten insbesondere abheben - bei der Frage der Zubilligung einer Schmerzensgeldrente ggf. Berücksichtigung finden sollte oder müsste.
Auch wenn es nicht verfehlt gewesen wäre, wenn sich der Sachverständige Prof. Dr. Dr. V. mit der Frage der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Klägers, wie sie der Beklagte insbesondere in seinem Schriftsatz vom 21.11.2003 thematisiert hat, noch eingehender als geschehen auseinander gesetzt hätte, ergeben sich, wie bereits ausgeführt, auch für den Senat aus den Angaben der Mutter des Klägers ausreichende Informationen hierzu, die es ermöglichen, diese Frage auch ohne erneute Befassung des Sachverständigen hiermit abschließend zu klären.
Es geht bei der Frage, ob und wie der Kläger seine Umwelt und die daraus entstehenden Reize wahrnimmt und darauf reagiert und wie seine Fähigkeit zu Empfindungen ausgeprägt ist, ohnedies nicht so sehr darum, primär mit den Methoden der Wissenschaft messbare Resultate zu erzielen als vielmehr darum, Erkenntnisse aus der vertrauten Beobachtung des Kindes und aus der intensiven Beschäftigung mit ihm zu gewinnen, die bei einer Beantwortung der Frage nach dem Empfindungsvermögen hilfreich sein können. Niemand kann solche Erkenntnisse besser vermitteln als die Mutter des Kindes, die sich in regelmäßiger, täglich vielstündiger Zuwendung mit ihrem Kind beschäftigt. Deshalb ist es auch sachgerecht, wenn das Landgericht deren Angaben entscheidend berücksichtigt hat.
Dass die vom Sachverständigen angeregte psychologische Untersuchung des Klägers im Kinderzentrum München unterblieben ist, ist unschädlich. Der Sachverständige erklärte hierzu ausdrücklich, dass dabei "erneut" eine schwere mentale Behinderung und Wahrnehmungsstörung bestätigt werde, mit anderen Worten, neue Ergebnisse nicht zu erwarten seien. Wenn der Sachverständige weiter ausführt, beim Kläger läge eine Mehrfachbehinderung vor, trifft dies zu. Diese sowie weitere Ausführungen fehlinterpretieren die Beklagten jedoch, wenn sie meinen, der Sachverständige habe dem Kläger damit jegliches Empfindungsvermögen abgesprochen und gehe von einer nahezu vollständig aufgehobenen Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Klägers aus. Dass dem nicht so ist, haben die Angaben der Mutter des Klägers in Verbindung mit den auch vom Landgericht zutreffend gewürdigten weiteren Gesichtspunkten in überzeugender Weise ergeben. Dies ergibt sich letztlich auch aus den Darlegungen des Sachverständigen zu dem vom Kläger im Schriftsatz vom 28.11.2003 unter Ziffer 3. enthaltenen Fragenkomplex. Die von den Beklagten behaupteten Widersprüche vermag der Senat in den verschiedenen sachverständigen Äußerungen nicht zu erkennen. Im Gegenteil: das vom Sachverständigen zunächst vermittelte und zu Fehlinterpretationen der Beklagten möglicherweise Anlass bietende Bild wird letztlich präzisiert und korrigiert. Soweit der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten auch in einem kurzen Satz niedergelegt hat, die Empfindung des Klägers sei maximal eingeschränkt, ist daraus, wie der Gesamtkontext der gutachterlichen Äußerungen ergibt, gerade nicht der von den Beklagten gezogene Schluss zu ziehen, dass das Empfindungsvermögen des Klägers gänzlich aufgehoben sei.
Den mit Schriftsatz vom 21.11.2003 gestellten Antrag auf Anhörung des Sachverständigen haben die Beklagten nach Erholung des schriftlichen Ergänzungsgutachtens durch das Landgericht ersichtlich nicht aufrechterhalten.
Es besteht weder Anlass, ein neues Gutachten zu erholen noch liegen die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO vor.
b) Soweit die Beklagten das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld (Kapitalbetrag und Rente) als zu hoch ansehen, kann Ihnen ebenfalls nicht gefolgt werden.
Hinsichtlich des gerichtlichen Ermessens im Zusammenhang mit der Höhe des Schmerzensgelds kann das Berufungsgericht nach herrschender Meinung im Rahmen der ihm nunmehr in erster Line obliegenden Rechtskontrolle ohnehin nur noch nachprüfen, ob der Erstrichter alle maßgeblichen Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen hat, da es grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, alle maßgeblichen Umstände zu erfassen und zu bewerten (OLG Hamm, MDR 2003, 1249; OLG Braunschweig, VersR 2004, 924; OLG Braunschweig, VersR 2005, 953; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 513 Rdnr. 2). Wird die Höhe eines Schmerzensgeldes beanstandet, genügt es schon für die Zulässigkeit der Berufung nicht, bloß seine eigene abweichende Auffassung darzulegen, es muss vielmehr das Vorliegen eines der vorgenannten Fehler wenigstens behauptet werden; für die sachlich erfolgreiche Berufung bedarf es dann einer eingehenden Auseinandersetzung mit den einschlägigen Bemessungskriterien und der dazu ergangenen Rechtsprechung.
Die Beklagten haben insoweit Abwägungsdefizite des Ersturteils behauptet, die jedoch nicht vorliegen.
Wenn die Beklagten meinen, die Schmerzensgeldvorstellung des Klägers und das vom Erstgericht tatsächlich zugesprochene Schmerzensgeld würden zu einer Aufblähung des allgemeinen Schmerzensgeldgefüges führen, das der Versichertengemeinschaft nicht zugemutet werden dürfe, überzeugt dies nicht.
Was der Versichertengemeinschaft zugemutet werden kann, richtet sich danach, was bei den durch Versagen des ärztlichen Personals und/oder Hilfspersonals schwerstgeschädigten Patienten im Bewusstsein redlich denkender und fühlender Menschen als angemessen anzusehen ist.
Im Falle des Klägers ein Schmerzensgeld von 127.822,- Euro als angemessene Entschädigung anzusehen, wie es die Beklagten unternehmen, wobei sie ausdrücklich betonen, dass dies auch dann zu gelten habe, wenn man den Vortrag des Klägers zu seinen Verletzungsfolgen, insbesondere zu seiner geistigen Leistungs-, Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit als richtig unterstellt, berührt peinlich.
Es mag sein, dass die Beklagten einer Zeit nachhängen, in der sich die bundesdeutsche Rechtsprechung darauf verstanden hat, auch in Fällen groben ärztlichen Verschuldens Schmerzensgeld zuzusprechen, das sich auf Almosenniveau bewegt hat.
Wie einige Entscheidungen von Obergerichten der vergangenen Jahre aufzeigen, ist in der Rechtsprechung aber insoweit bereits ein gewisser Wandel eingetreten.
Soweit die Beklagten eine Reihe gerichtlicher Schmerzensgeldentscheidungen aufzählen, denen jeweils Fallgestaltungen zugrunde liegen sollen, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar seien, und in denen auf ein geringeres Schmerzensgeld erkannt wurde, als es hier vom Landgericht zugesprochen wurde, handelt es sich um ein untaugliches Unterfangen. Abgesehen davon, dass kein Fall mit dem anderen zur Gänze vergleichbar ist und die Beklagten beispielsweise auch nicht anführen, wie es in den bemühten Vergleichsfällen mit dem Grad des ärztlichen Verschuldens bestellt ist und ob auch insoweit Vergleichbarkeit vorliegt, kann dem Heranziehen anderer gerichtlicher Entscheidungen letztlich nur insoweit Bedeutung zukommen, als sich eine neue gerichtliche Entscheidung nicht zu weit davon entfernen sollte, was bislang in der Rechtsprechung im weiteren Vergleichsumfeld als angemessen erkannt und entschieden wurde. Auch die in den Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfälle sind deshalb nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm, NJW 2000, 3219; OLG Celle, OLGR 2001, 162).
Eine absolut angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Nachteile gibt es nicht, da diese nicht in Geld messbar sind (BGH GrSZ 18, 149 [156, 164]). Der Tatrichter unterliegt bei der Schmerzensgeldbemessung von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen. Deshalb können aus der Existenz bestimmter ausgeurteilter Schmerzensgeldbeträge keine unmittelbaren Folgerungen abgeleitet werden. Schließlich muss die Entstehungszeit der herangezogenen Vergleichsfälle beachtet werden: Der Bundesgerichtshof hat betont, dass das erkennende Gericht grundsätzlich nicht gehindert sei, die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bisher gewährten Beträge zu unterschreiten oder über sie hinauszugehen, wenn dies durch die wirtschaftliche Entwicklung oder veränderte allgemeine Wertvorstellungen gerechtfertigt ist (BGH, VersR 1976, 967 [968]). Konkret bedeutet dies, bei der Heranziehung von Vergleichsfällen auch der Zeitablauf seit diesen Entscheidungen zu berücksichtigen ist und zugunsten des Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung (KGR NZV 2002, 230 [232] und 338 [340]; 2003, 416 [420]; 2004, 473) ebenso in Rechnung zu stellen ist wie die Tatsache, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen großzügiger verfährt als früher (OLG Köln, VersR 1992, 1013 und 1995, 549).
Die Entscheidung des Erstgerichts hält sich ersichtlich in dem ihm danach in gewisser Weise vorgegebenen Rahmen. Dass es diesen nicht zuletzt angesichts der Schwere der Beeinträchtigungen des Klägers, die der Sachverständige zusammenfassend als "vita minima" beschrieben hat, nach oben hin ausfüllt, ist rechtens.
Das Landgericht ist seiner Verpflichtung nachgekommen, diejenigen Umstände, die dem Schaden im Einzelfall sein Gepräge geben, eigenständig zu bewerten und aus einer Gesamtschau die angemessene Entschädigung für das sich ihm darbietende Schadensbild zu gewinnen.
Hinsichtlich der Größenordnung des zuzuerkennenden Gesamtbetrages vermag, um einen Vergleichsfall zu zitieren, das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 16.1.2002 (3 U 156/00 = NJW-RR 2002, 1604 = VersR 2002, 1163f), in dem ein Schmerzensgeldbetrag von 500.000,- € zuerkannt wurde, die richtige Richtung aufzuzeigen. In dem dort entschiedenen Fall - zugrunde lag ein Behandlungsfehler im Rahmen einer Entbindung - bot der Kläger das Bild eines völlig hilflosen, blinden Kindes mit schwersten Allgemeinveränderungen, dem Vollbild der schwersten Tetraspastik und kaum behandelbaren cerebralen Krampfanfällen. Diese Verletzungsfolgen sind den Beeinträchtigungen des Klägers im vorliegenden Fall zumindest vergleichbar. Wenn das Oberlandesgericht Hamm zur Begründung der Höhe des von ihm zuerkannten Schmerzensgelds weiter ausführt, dem Kläger sei jede Möglichkeit einer körperlichen und geistigen Entwicklung genommen, er werde nie Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter bewusst erleben und seine Persönlichkeit entwickeln können und sei in der Wurzel seiner Persönlichkeit getroffen, unterscheidet sich dieser Fall zwar etwas von dem vorliegenden. Indessen gebietet das Ausmaß der Mehrfachbehinderungen des hiesigen Klägers, der tagsüber wie nachts einer umfassenden Pflege und Versorgung bedarf und dem der Sachverständige eine schwere Form einer komplexen und damit globalen Entwicklungsstörung tiefgreifender Art mit schweren körperlichen Behinderungen, mentaler Behinderung, Behinderung der Sprachentwicklung, Behinderung der Kommunikationsfähigkeit und Koordination, Behinderung der Autonomie bei zunehmenden Zeichen einer Invalidisierung bei vollständiger Immobilität sowie die Unfähigkeit zu selbständiger Nahrungsaufnahme und eine erhöhte Morbidität und Krankheitshäufigkeit bescheinigt hat, angesichts des hohen Wertes, den das Grundgesetz in Art. 1 und 2 der Persönlichkeit und der Würde des Menschen beimisst, auch hier eine herausragende Entschädigung.
Auch die Entscheidung des OLG Naumburg vom 28.11.2001 (1 U 161/99 = VersR 2002,1295f: Schmerzensgeld von 643.000 DM) geht in diese Richtung.
Ein sich aus Schmerzensgeldbetrag und kapitalisierter Schmerzensgeldrente im Fall des Klägers unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Kapitalisierung ergebendes Gesamtschmerzensgeld von ca. 410.000,- bzw., unter Außerachtlassung der klägerischen Besonderheiten, im höchsten Fall von 460.000,- Euro ist zwar hoch, jedoch keinesfalls derart, dass eine Korrektur angezeigt wäre.
Eine solche Korrekturbedürftigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger, wie von den Beklagten in den Raum gestellt, sich seiner Beeinträchtigung möglicherweise nicht bewusst wäre und nicht in besonderem Maß darunter leiden würde bzw. daraus, dass der Grad der dem Kläger verbliebenen Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit erheblichst reduziert wäre. Dies ist, wie bereits ausgeführt und vom Landgericht auch näher dargelegt, nicht der Fall.
Im übrigen hat der Bundesgerichtshof, soweit er in seinem Urteil vom 13.10.1992 (VI ZR 201/91 = NJW 1993, 781 ff) unter Aufgabe seiner bis dahin bestehenden Rechtsprechung (Entscheidungen vom 16.12.1975, 22.7.1982 und 2.7.1985), die bei fast vollständiger Zerstörung der Persönlichkeit des Betroffenen dann eine Reduzierung des Schmerzensgeldes auf eine lediglich symbolhafte Entschädigung für zulässig erachtet hatte, wenn die fast vollständige Zerstörung der Persönlichkeit den Betroffenen daran hindere, den Zusammenhang der Entschädigungszahlung mit seinem Schaden zu erfassen, zwar ausgeführt, dass der Richter je nach dem Ausmaß der jeweiligen Beeinträchtigungen und dem Grad der dem Verletzten verbliebenen Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit Abstufungen vornehmen könne. Dies ist jedoch nicht zwingend und vor allem nicht schematisch vorzunehmen. Der Senat hielte, selbst wenn der Vortrag der Beklagten zur Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit des Klägers sich bestätigt hätte, was angesichts des Ergebnisses der Beweiserhebung durch das Landgericht jedoch als ausgeschlossen zu gelten hat, das zuerkannte Gesamtschmerzensgeld für angemessen. Im Rahmen dieser Beurteilung ginge es vor allem darum, bei der Bewertung der Einbußen des Klägers der Tatsache angemessene Geltung zu verschaffen, dass die von den Schädigern zu verantwortende weitgehende Störung der Grundlagen für die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit den Kläger in seiner Wurzel trifft und für ihn deshalb existentielle Bedeutung hat. Es handelt sich bei Schäden dieser Art um eine Fallgruppe, bei der die Zerstörung der Persönlichkeit durch den Fortfall oder das Vorenthalten der Empfindungsfähigkeit geradezu im Mittelpunkt steht und deshalb auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 847 BGB einer eigenständigen Bewertung zugeführt werden muss, die der zentralen Bedeutung dieser Einbuße für die Person gerecht wird (vgl. auch BGH, a.a.O.). Dem Richter ist es dabei nicht erlaubt, sich an einem nur gedachten Schadensbild, das von einer ungeschmälerten Empfindungs- und Leidensfähigkeit gekennzeichnet ist, zu orientieren und sodann mit Rücksicht auf den vollständigen oder weitgehenden Wegfall der Empfindungsfähigkeit Abstriche vorzunehmen.
Ohne Beanstandung bleibt auch die Entscheidung des Landgerichts, neben dem in Kapitalform gewährten Schmerzensgeldbetrag dem Kläger noch eine Schmerzensgeldrente zuzusprechen. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor. Der Senat teilt ausdrücklich auch die Entscheidung des Landgerichts zur Bemessung der Höhe der Rente. Eine zeitliche Abstufung der Rente war nicht veranlasst.
c) Soweit sich die Beklagten schließlich noch dagegen wehren, dass das Landgericht dem Kläger im Wege der Feststellung zugesprochen hat, dass die Beklagten ihm auch den künftig noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen haben, geht dieser Angriff ebenfalls ins Leere.
Selbstverständlich wird von diesem Ausspruch nur derjenige immaterielle Schaden umfasst, der sich bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens noch nicht absehen lässt. Soweit ein künftiger immaterieller Schaden bereits absehbar ist, ist dieser mit dem zuerkannten Schmerzensgeld bereits mit abgeurteilt, das nicht nur die Verletzungsfolgen berücksichtigt, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind.
Ein zusätzlicher, noch nicht berücksichtigter weiterer künftiger immaterieller Schaden ist zumindest denkbar, wenn auch wenig wahrscheinlich.
Die aufgrund der bestehenden Schädigung und Erkrankung des Klägers bereits jetzt zu treffende Prognose einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands und die mit zunehmendem Alter zu erwartende Zunahme seiner Pflegebedürftigkeit vermögen jedenfalls einen weiteren Anspruch auf Ausgleichung künftigen immateriellen Schadens nicht zu begründen.
Das Feststellungsinteresse entfällt im übrigen nicht dadurch, dass sich gewisse Schäden nach Erhebung einer - wie im vorliegenden Fall - zulässig erhobenen Feststellungsklage betragsmäßig darstellen lassen.
II.
Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, liegen auch die weiteren Voraussetzungen für einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vor.
Soweit die Beklagten vortragen, sie hätten erwarten dürfen, dass die anstehenden Rechtsfragen in einer Berufungsverhandlung erörtert würden, irren sie.
Es ist nicht Sinn der Berufungsverhandlung, den Parteien lediglich nochmals ein Forum dafür zu geben, ihre bereits in erster Instanz ausführlich dargelegten Rechtsmeinungen, die in der Berufungsbegründung ebenso ausführlich wiederholt und vertieft wurden und hinsichtlich derer sich kein weiterer Erörterungsbedarf ergibt, aufs neue sich wiederholend in mündlicher Verhandlung vorzutragen. Das Beschlussverfahren des § 522 Abs. 2 ZPO soll gerade das Berufungsgericht von unnötigen mündlichen Verhandlungen entlasten und zu schneller Rechtskraft bei eindeutig aussichtslosen Berufungen führen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich auch nicht um eine Rechtssache, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würde.
Nicht jeder neu ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag, der sich mit den Vorstellungen einer Partei, was zu zahlen sie gegebenenfalls bereit ist, nicht deckt, und die ihn tragenden Gründe bedürfen der Überprüfung durch den Bundesgerichtshof daraufhin, ob und inwieweit die Entscheidung sich in das auf dem Boden bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehende Gefüge einordnet. Auch die Beklagten haben im übrigen zutreffend erkannt, dass die Gewichtung der einzelnen Schadensfaktoren und die geldmäßige Bewertung in erster Linie Sache des Tatrichters ist. Ihre Behauptung, dass der Schmerzensgeldrahmen, den andere Gerichte für vergleichbare Fälle zuerkannt haben, vorliegend bei weitem überschritten wäre und "zu einer nicht mehr hinnehmbaren Aufblähung des allgemeinen Schmerzensgeldgefüges" führen würde, trifft nicht zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 516 Abs. 3, 97 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.