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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.05.2004
Aktenzeichen: 1 U 2998/04
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Hebt sich ein an die Fahrbahn einer älteren, Begegnungsverkehr ermöglichenden Straße anschließender und sodann abfallender schmaler Bankettstreifen deutlich von der Straße ab, kann ein Kraftfahrer diesen grundsätzlich nur auf eigene Gefahr befahren.

Markierungs- oder Warnhinweise sind in einem solchen Fall in der Regel nicht erforderlich.


Aktenzeichen 1 U 2998/04

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter am 6.5.2004 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage Ansprüche des Klägers mangels einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten verneint. Dem schließt sich der Senat unter Bezugnahme auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils an.

Der Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung ist nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu führen.

Ergänzend ist auszuführen:

1. Das Landgericht hat, ausgehend von der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 16.12.1968 (III ZR 110/66 = VersR 1969, 280; bestätigt durch BGH, Entscheidung vom 15.12.1988, III ZR 112/87 = VersR 1989, 847), vollkommen zurecht darauf erkannt, dass der Grasstreifen am Rand der Fahrbahn, auf den der Fahrer des Klägers mit seinem Bus auswich, als unbefestigter Randstreifen weder dazu bestimmt war, von schweren Fahrzeugen als Ausweichstreifen benutzt zu werden, noch von Lenkern solcher Fahrzeuge dafür gehalten werden konnte.

Hierzu bedurfte und bedarf es auch nicht der Einnahme eines vom Kläger beantragten Augenscheins, da die im Verfahren vorgelegten Lichtbilder der Unfallstelle und der weiteren Örtlichkeiten insoweit eine sichere Aussage zulassen.

Das Landgericht hat die vorliegende örtliche Situation zutreffend damit beschrieben, dass das sogenannte Bankett hier ein schmaler, vorwiegend mit Gras überwachsener Erdstreifen sei, an den, zum Teil mit Abgrenzung durch einen Weidezaun eine leichte Böschung ohne Widerlager angrenzt.

Für jeden aufmerksamen Kraftfahrer ist damit ersichtlich, dass das Befahren des sich auch deutlich von der Fahrbahn abhebenden Randstreifens allenfalls auf eigene Gefahr erfolgen kann, die sich für den Lenker eines Pkws wohl als gering, für den Fahrer eines 16-Tonnen-Busses wie im konkreten Fall aber durchaus als erheblich darstellen musste. Dem Fahrer des Klägers konnte, selbst wenn er ortsunkundig war, nicht entgangen sein, dass die Straße seitlich abfiel und dass keinerlei Stützelemente zu erwarten waren. Auch der Zustand der Straße im übrigen zeigte einen vielfach ausgebesserten Belag, der keinesfalls erwarten ließ, dass der mögliche Standard einer neu errichteten Straße eingehalten wäre und auch kein Vertrauen eines Schwerlastfahrers in die Tragfähigkeit des angenommenen Banketts auslösen konnte.

Wenn sich der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs gleichwohl darauf begab, ist er für die dadurch am Fahrzeug entstandenen Schäden allein verantwortlich.

Sofern der Fahrer, der Zeuge Stefan XX, hinsichtlich der Befestigung des Banketts anderer Auffassung war, ist dies sein Verschulden.

2. Eine Verantwortlichkeit oder Mitverantwortlichkeit des Beklagten ergibt sich nicht daraus, dass dieser erforderliche Bau- oder Sicherheitsmaßnahmen unterlassen hätte.

a) Keineswegs bestand für den Beklagten die Verpflichtung, die Staatsstraße 2008 derart auszubauen, dass diese über ein gesichertes, allen Eventualitäten des Begegnungsverkehrs gerecht werdendes Bankett verfügte.

Eine solche Verpflichtung ergibt sich, ohne dass dies ernsthaft erörtert zu werden braucht, nicht bereits daraus, dass die Straße zu der ggf. als solche beworbenen "Riviera des Allgäus" führte.

Aber auch der Umstand, dass die Straße, wie es Staatsstraßen an sich haben, mit größeren Lkws und modernen, geräumigen Massenverkehrsmitteln befahren würde, machte einen weiteren Straßenausbau nicht erforderlich, da sie dafür in jedem Fall geeignet war. Dass eine Straße wie die streitgegenständliche an den Lenker eines größeren Fahrzeugs größere Anforderungen stellen wird als eine gut ausgebaute Autobahn mit mehreren Fahrstreifen, versteht sich, ist aber auch ohne weiteres hinzunehmen.

b) Auch zu den vom Kläger geforderten Markierungs oder Warnhinweisen war der Beklagte nicht verpflichtet.

aa) Wenn der Kläger sich vorstellt, die Straße hätte zumindest am Rand mit einer durchgehenden weißen Markierungslinie versehen werden müssen, um damit jedem Kraftfahrer sofort aufzuzeigen, dass kein gesichertes Bankett vorliege, hält der Senat dies angesichts der örtlichen Begebenheiten für unnötig. Darauf, was offenkundig ist, braucht nicht noch gesondert hingewiesen zu werden. Entsprechende Maßnahmen können auch zu einer Überreglementierung führen und leichtfertige Kraftfahrer mit ausgeprägtem Anspruchsdenken dazu verleiten, dort, wo ihnen keine durchgezogene Linie den Weg weist, voreilig anzunehmen, dass freie Fahrt möglich sei.

bb) In gleicher Weise hält der Senat es auch nicht für geboten, durch ein Warnschild darauf hinzuweisen, dass das Bankett nicht zu befahren sei.

Wenn der Beklagte den Unfall des Klägers zum Anlass nahm, gleichwohl ein solches Schild aufzustellen, kann daraus nicht auf eine entsprechende Verpflichtung geschlossen werden. Es ist eine immer wieder bestätigte und auch verständliche Erfahrungstatsache, dass Verkehrssicherungspflichtige, nachdem sich auf Unachtsamkeit von Verkehrsteilnehmern zurückzuführende Unfälle ereignet haben, bestrebt sind, überobligationsmäßig auch weitere, dabei zu Tage getretene mögliche Gefahrenstellen zu beseitigen. Überdies hat der Beklagte für das Aufstellen des Schildes auch nachvollziehbare andere Gründe genannt.

cc) Eine besondere Sicherungs- oder Warnpflicht des Beklagten lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass ihm aufgrund beengter Straßenverhältnisse oder sonstiger konkreter Umstände bekannt gewesen wäre oder bekannt sein hätte müssen, dass der Seitenstreifen gelegentlich auch von umsichtigen Kraftfahrern zum Ausweichen benutzt würde.

Die Straße war mit einer unstreitigen Breite von 5,67 Metern keineswegs so schmal, dass hiermit ernsthaft zu rechnen war.

Lediglich bei einer nur geringen Breite einer Straße muss der Verkehrssicherungspflichtige damit rechnen, dass bei der Begegnung von zwei Fahrzeugen ein Bankett durch verhältnismäßig geringfügiges Überfahren zum Ausweichen mitbenutzt wird. Er hat dann die Verkehrsteilnehmer vor dort befindlichen Gefahrenquellen zu warnen, allerdings auch nur, wenn diese nicht zu erkennen oder zu vermuten sind (vgl. OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 29.9.77 = VersR 1978,573). Hier war die Gefahrenquelle für den Fahrer des 16-Tonnen-Busses jedoch zu erkennen.

Auch waren die Ausmaße des klägerischen Fahrzeugs und des entgegenkommenden Linienbusses nicht dergestalt, dass diese Fahrzeuge bei ordnungsgemäßem und verantwortlichem Fahrverhalten durch ausreichende Reduzierung der Geschwindigkeit und ggf. umsichtiges Manövrierverhalten nicht auf der Straße aneinander vorbeifahren hätten können. Dies gilt auch, wenn man den Vortrag des Klägers in der Berufungsschrift zugrunde legt, dass sein Fahrzeug mit Spiegel 2,87 Meter breit sei. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Seitenspiegel beider Fahrzeuge einzuklappen war. Der entgegenkommende Linienbus hatte ohnedies zumindest eine etwas geringere Breite.

Es trifft deshalb nicht zu, dass der Linienbus nicht am Fahrzeug des Klägers vorbeigekommen wäre, wenn dieses nicht auf den Seitenstreifen ausgewichen wäre.

Soweit der Kläger schließlich behauptet, dass es Vorfälle dieser Art in der Vergangenheit schon öfters gegeben hätte, vermag auch dies zu keiner anderen Beurteilung zu führen.

Zum einen ist bereits der Tatsachenvortrag des Klägers hierzu weitestgehend unsubstantiiert. Es reicht nicht aus zu behaupten, dass auf der Gesamtstrecke zwischen H. und Ho. immer wieder Lkw's und Omnibusse abgesackt seien und dass im fraglichen Jahr 2000 schon vier Fahrzeuge aufgrund des weichen Untergrundes befreit werden hätten müssen. Dass vergleichbare Verhältnisse wie im vorliegenden Fall vorgelegen hätten, ergibt sich daraus nicht. Dass, insoweit etwas konkreter, im Jahre 1999 ein Lkw abgesackt sei, besagt auch nichts anderes als dass ein Jahr vor dem Kläger ein weiterer Kraftfahrer eines nicht genau bestimmten Fahrzeugs bei ungeklärter Verkehrssituation möglicherweise dem Umstand nicht genügend Beachtung geschenkt hat, dass ein ungesichertes Bankett vorlag.

Ob und inwieweit entsprechende Vorfalle dem Beklagten überhaupt bekannt waren, ist ebenfalls nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Der Beklagte bestreitet sowohl die genannten Vorfälle als auch, davon zu irgendeiner Zeit erfahren zu haben. Eine Kenntnis folgt auch nicht daraus, dass, wie der Kläger unter Beweisangebot ebenfalls pauschal vorträgt, man zum einen (erste Instanz) seitens des Gemeinderats der Gemeinde Ho. bzw. (zweite Instanz) durch die Bürgermeister der an der Strecke liegenden Gemeinden wiederholt an das Straßenbauamt Kempten herangetreten sei, wobei "auf das Gefahrenpotential hingewiesen" worden sei. Der Kläger nennt weder die an den behaupteten Gesprächen beteiligten Personen noch legt er irgendeine Korrespondenz vor noch grenz er das behauptete Herantreten zeitlich ein. Beweis war insoweit nicht zu erheben.

Im übrigen hätte sich nach Auffassung des Senats für den Beklagten selbst bei einer Kenntnis noch kein zwingender Handlungsbedarf ergeben müssen.

II.

Auch die weiteren Voraussetzungen für einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche ergibt sich auch nicht, wie der Kläger meint, "angesichts der zitierten Rechtsprechung".

Eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ist ebenso wenig zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Dem Kläger wird deshalb angeraten, seine Berufung zurückzunehmen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, bis zum 26.5.2004 Stellung zu nehmen.



Ende der Entscheidung

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