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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 1 U 4589/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 234 | |
ZPO § 520 Abs. 2 | |
ZPO § 522 Abs. 1 |
2. Unstatthafte Rechtsbehelfe gegen die Prozesskostenhilfeentscheidung beeinflussen den Fristlauf nicht.
3. Eine arme Partei, der keine Prozesskostenhilfe bewilligt wird, erhält keine zur Berufungsbegründungsfrist von zwei Monaten hinzukommende Bedenkzeit darüber, ob sie das Verfahren auf eigene Kosten durchführen kann und will.
Aktenzeichen: 1 U 4589/05
In dem Rechtsstreit
wegen Amtspflichtverletzung
erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch.......am 21.3.2006 folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 08.08.2005 wird als unzulässig verworfen.
II. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 24.02.2006 wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Mit Urteil vom 08.08.2005, dem Klägervertreter zugestellt am 17.08.2005, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 14.09.2005, eingegangen am 15.09.2005, legte die Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein. In der Folgezeit wurde die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag der Klägerin insgesamt vier Mal, letztmalig bis zum 16.01.2006, verlängert. Mit Beschluss vom 16.12.2005, der Klägerin persönlich und ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten jeweils zugestellt am 21.12.2005, wies der Senat die Anträge der Klägerin vom 19.09., 10.11. und 05.12.2005, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Die Rechtsbeschwerde wurde vom Senat nicht zugelassen. Mit Beschluss vom 26.01.2006, der Klägerin zugegangen am 02.02.2006, wies der Bundesgerichtshof die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 16.12.2005 als unstatthaft zurück. Mit Schriftsatz ihres nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 24.02.2006, eingegangen am selben Tag, begründete die Klägerin die Berufung vom 15.09.2005 und beantragte "höchstvorsorglich", ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren.
II.
Die Klägerin hat die Zweimonatsfrist zur Begründung der Berufung gemäß § 520 Abs. 2 ZPO versäumt. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist unbegründet. Ihre Berufung war folglich gemäß § 522 Abs. 1 ZPO im Beschlussweg zu verwerfen.
1. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Berufung begann mit der Zustellung des die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses des Senats vom 16.12.2005 am 21.12.2005 zu laufen. Mit der Bekanntgabe der negativen Prozesskostenhilfeentscheidung war der Umstand, der die Klägerin an der Begründung der Berufung gehindert hat, entfallen. Der Senat bemisst im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 3275) die Berufungsbegründungsfrist generell mit zwei und nicht nur mit einem Monat. Der bemittelten Partei steht nach der Zivilprozessordnung zur Fertigung der Berufungsbegründung eine Frist von zwei Monaten zur Verfügung. Die Waffengleichheit im Zivilprozess gebietet es, der armen Partei unabhängig davon, ob die Prozesskostenhilfeentscheidung, wie hier, vor oder nach Fristablauf ergeht, die gleiche Frist gerechnet ab Zugang der Prozesskostenhilfeentscheidung einzuräumen. Die Frist zur Begründung der Berufung lief folglich am 21.02.2006 ab. Die Klägerin hat diese Frist versäumt. Ihre Berufungsbegründung ging erst am 24.02.2006 ein.
Mit der unstatthaften Beschwerde der Klägerin zum Bundesgerichtshof war keine weitere Verlängerung der vorgenannten Frist dahingehend verbunden, dass die Berufungsbegründungsfrist erst mit Zugang des Beschlusses des Bundesgerichtshofs am 2.2.2006 angelaufen wäre. Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin war mit der Entscheidung des Senats vom 16.12.2005, da die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen war, unanfechtbar abgewiesen. Unstatthafte Rechtsbehelfe führen zu keiner Fristverlängerung. Vielmehr muss die Partei aus einer Entscheidung, die im regulären Instanzenzug keiner Abänderung mehr unterliegt, die erforderlichen prozessualen Konsequenzen ziehen.
Entgegen ihrem Vorbringen kann der Klägerin zusätzlich zur vorgenannten Zweimonatsfrist keine zusätzliche Bedenkzeit von 3 bis 4 Tagen eingeräumt werden. Zwar hat der Bundesgerichtshof (VersR 1999, 1123) der armen Partei, die keine Prozesskostenhilfe erhält, eine derartige zusätzliche Überlegungsfrist eingeräumt, um sich darüber klar zu werden, ob sie das Verfahren auf eigene Kosten durchführen kann und will. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist jedoch zur knapp bemessenen zweiwöchigen Frist gemäß § 234 ZPO ergangen. Läuft, wie hier, eine zweimonatige Frist, besteht kein Anlass, diese um weitere 3 bis 4 Tage zu verlängern. Die arme Partei hat in diesem Fall ausreichend Zeit, ihr Rechtsmittel zu begründen (vgl. auch Zöller, 25. Auflage, Rn 8 zu § 234 ZPO). Hinzu kommt hier, dass der Klägerin die Berufungsbegründungsfrist ohnehin schon vier Mal um insgesamt drei Monate verlängert worden war. Die Klägerin hatte seit Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 17.08.2005 Zeit, über ihre Berufungsangriffe nachzudenken und die Situation gedanklich zu antizipieren, dass ihr keine Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt wird. Der Senat hatte bei gegenüber dem Berufungsverfahren weitestgehend unveränderter Sach- und Rechtslage mit Beschluss vom 07.03.2005 bereits für das erstinstanzliche Verfahren eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Insofern war in der Berufung im Prozesskostenhilfeverfahren keine für die Klägerin positive Entscheidung zu erwarten.
Gegen die Gewährung einer zusätzlichen Überlegungsfrist von 3 bis 4 Tagen sprechen auch die Erwägungen, mit denen der Bundesgerichtshof (NJW 2003, 2375) der armen Partei eine Berufungsbegründungsfrist von 2 Monaten eingeräumt hat. Der Bundesgerichtshof, der in dieser Entscheidung, da dem Prozesskostenhilfeantrag stattgegeben worden war, nicht über eine zusätzliche Überlegungsfrist von 3 bis 4 Tagen entscheiden musste, führt aus, dass eine Benachteiligung der bemittelten Partei gegenüber der armen Partei bei Gewährung einer Frist von 2 Monaten darin liegen könnte, dass sich die bemittelte Partei innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist von 2 Monaten auch darüber klar werden muss, ob sie überhaupt ein Rechtsmittel einlegen will, während die arme Partei, wie auch hier, diese Entscheidung bereits getroffen hat. Die Überlegungen des Bundesgerichtshofs legen nahe, dass der armen Partei kein beachtlicher Nachteil im Rechtssinne dadurch entsteht, dass sie ihrerseits im Gegensatz zur bemittelten Partei noch Erwägungen darüber anstellen muss, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will.
Die Klägerin wurde bei einem Anruf beim Berichterstatter am 13.02.2006 von diesem ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die von einem Rechtsanwalt abgefasste Berufungsbegründung baldmöglichst eingereicht werden sollte, da ansonsten Verfristung mit der Folge der Unzulässigkeit der Berufung droht. Wie die Vorsprache der Klägerin bei der Rechtspflegerin am 22.02.2006 zeigt, hat die Klägerin diesen Hinweis auch verstanden. Der Berichterstatter konnte der Klägerin anlässlich dieses Telefonates den genauen Zeitpunkt des Fristablaufs schon deshalb nicht benennen, da dieser auch von den vorgenannten Rechtsfragen, über die der Senat zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abschließend beraten hatte, abhängt. Der Senat hält es auch für fraglich, ob es dem Zivilrichter in einem kontradiktorischen Verfahren gestattet ist, einer Partei unter Ausschluss des Gegners dezidierten Rechtsrat zu erteilen. Im Übrigen konnte der Berichterstatter, da ihm bei dem unangemeldeten Anruf der Klägerin die Akten nicht vorlagen, auch schon aus diesem Grund kein Datum nennen.
2. Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist gewährt werden. Die Klägerin hat, wie unter Ziffer 1 ausgeführt, die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Sie und ihr Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden sich die Klägerin zurechnen lassen muss, konnten und durften insbesondere nicht davon ausgehen, dass ein nicht statthaftes Rechtsmittel von Einfluss auf den Fristlauf ist. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin war folglich zurückzuweisen.
3. Der Klägervertreter wurde von der Vorsitzenden des Senats am 22.02.2006 telefonisch darauf hingewiesen, dass der Senat davon ausgeht, dass die Berufungsbegründungsfrist am 21.02.2006 abgelaufen ist.
III.
Im Übrigen wäre die Berufung der Klägerin auch unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Prozesskostenhilfebeschlüsse des Senats vom 7.3. und 16.12.2005 und das Urteil des Landgerichts vom 8.8.2005 verwiesen. Die Berufungsbegründung vom 24.2.2006 enthält keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte.
IV.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren ergibt sich aus dem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 24.02.2006 (Antrag zu Ziffer 2).
Ende der Entscheidung
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