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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 1 U 4881/03
Rechtsgebiete: BGB, GG, SchfG, 2. ZuVSchfG


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 839 Abs. 1 S. 2
GG Art. 34
SchfG § 1 Abs. 2
SchfG § 3
SchfG § 3 Abs. 1
SchfG § 3 Abs. 2 S. 2
SchfG § 13 Abs. 1
SchfG § 13 Abs. 1 Nr. 2
SchfG § 13 Abs. 1 Nr. 4
SchfG § 13 Abs. 1 Nr. 5
SchfG § 26 Abs. 1
SchfG § 27
SchfG § 28
SchfG § 52
2. ZuVSchfG § 2 Abs. 2 S. 2
Der Bezirkskaminkehrermeister haftet bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in Bayern nicht als Gebührenbeamter persönlich. Vielmehr tritt für ihn nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG der Freistaat Bayern ein.

Das preussische "Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt" vom 01.08.1909 (PrBHaftG) und damit dessen § 1 Abs. 3 über die persönliche Haftung des Gebührenbeamten, auf den sich die Entscheidung BGHZ 62, 372 bezieht, gilt in Bayern nicht.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 4881/03

Verkündet am 29.01.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kreitmair und die Richter am Oberlandesgericht Ramm und Nagorsen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2004 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.08.2003 wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls der Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten, einen Bezirkskaminkehrermeister, Schadenersatzansprüche wegen der behaupteten Verletzung einer werkvertraglichen Hinweispflicht geltend.

Die Klägerin und ihr Ehemann erwarben 1990 das Anwesen ... Straße 11 in .... Das Haus besaß zwei Kamine. An einen von ihnen war eine ältere Ölfeuerungsanlage im Keller angeschlossen. Dieser Kamin war zum Zeitpunkt des Hauskaufs mit einer Betonsteinplatte vollflächig abgedeckt. Unstreitig ist die Abdeckung nur bei einem Ersteigen des Dachs erkennbar. Die Klägerin beheizte das Haus über einen Kachelofen im Erdgeschoss, dessen Rauch über den zweiten Kamin abzog.

Der Beklagte übernahm den Kehrbezirk ebenfalls im Jahr 1990, aber nach dem Erwerb des Hauses durch die Klägerin und ihren Ehemann, von seinem Vorgänger ....

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin beziehungsweise ihr Ehemann dem Beklagten sagten, die Ölfeuerungsanlage werde nicht betrieben (so die Klägerin) oder sei und bleibe stillgelegt (so der Beklagte).

In einer Rechnung vom 09.12.2000 machte der Beklagte gegenüber dem Ehemann der Klägerin "nach der Kehrordnung (KÜO) vom 18.12.1997 sowie der Gebührenordnung (KÜGebO) vom 09.12.1999 unter anderem die Position "Rauchkamin kehren; Zentrale Feuerstätten für flüssige Brennstoffe" einen Betrag von 9,84 DM netto geltend. Außerdem ist von "Rückstände wegschaffen" die Rede.

Die Klägerin und ihre Familie fuhren am 01.01.2001 in den Skiurlaub.

Während ihrer Abwesenheit schaltete sich der Brenner der Ölfeuerungsanlage ein.

Im Kaminzug für die Ölfeuerungsanlage ereignete sich, weil der Rauch aufgrund der Betonplatte nicht abziehen konnte, eine Rauchgasexplosion, durch die Ruß über die Belüftungsschächte in die Zimmer des Anwesens gedrückt wurde. Dabei entstand erheblicher Sachschaden.

Dies wurde am 05.01.2001 festgestellt. Am 06.01.2001 kehrte die klägerische Familie aus dem Skiurlaub zurück.

Die Hausratversicherung erstattete der Klägerin und ihrem Ehemann einen Betrag von 130.680,-- DM. Den Neuwert des zerstörten Hausrats bezifferte der Sachverständige der Versicherung mit 177.965,-- DM, die Kosten für Entsorgung und auswärtige Unterbringung der klägerischen Familie mit 19.790,-- DM. Die Differenz der Summe zum Auszahlungsbetrag von 67.075,-- DM stellt die Klageforderung dar.

Die Klägerin hat behauptet, sie und ihr Ehemann hätten von der Abdeckung des Kamins nichts gewusst.

Aufgrund der Abkühlung des Hauses habe der Raumthermostat im Esszimmer Wärme angefordert und damit das Anlaufen des betriebsbereiten Brenners ausgelöst.

Der Vater ihres Ehemanns, ..., habe, als er das Haus am 05.01.2001 betreten habe, den Schaden bereits vorgefunden.

Die Neuwertbestimmung des Hausrats durch den Versicherungssachverständigen sei zutreffend.

Der Anspruch ergebe sich aus dem Quotenvorrecht gegenüber dem Hausratversicherer.

Die Klägerin hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 34.294,80 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er hat vorgebracht, die Beklagte sei nicht passiv legitimiert, da die Feuerstättenschau gemäß § 3 Schornsteinfegergesetz hoheitlich geregelt sei.

Der Vater des Ehemannes der Klägerin habe, statt den Kachelofen anzuheizen, die Ölfeuerungsanlage angestellt. Es sei technisch nicht vorstellbar, dass sich die Heizung nach zwölf Jahren selbständig eingeschaltet habe. Die elektrische Leitung zum Thermostat sei nicht über zwölf Jahre eingeschaltet geblieben.

Das Landgericht München wies die Klage mit Endurteil vom 05.08.2003 ab. Nach der Auffassung des Landgerichts durfte sich der Beklagte auf die Zusicherung der Klägerin und ihres Ehemanns verlassen, dass die Ölheizung nicht in Betrieb genommen werde.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin bringt vor, die Ölfeuerungsanlage sei nach dem Hauserwerb niemals benutzt worden.

Bei der Argumentation des Landgerichts, eine Außerbetriebnahme der Ölheizung habe entgegen den Angaben der Klagepartei gegenüber dem Beklagten nicht vorgelegen, handele es sich um eine unzulässige Wortklauberei. Es gehe darum, wer für das Risiko der automatischen Einschaltung der Anlage bei niedrigen Temperaturen einzustehen habe. Dass diese nicht stillgelegt gewesen sei, ergebe sich daraus, dass sie sich eingeschaltet habe.

Dem Beklagten und seinen Mitarbeitern sei die Betriebsbereitschaft der Ölfeuerungsanlage bekannt gewesen, wie die Rechnung Anlage K 4 belege.

Der Kaminkehrer hafte nach Werkvertragsrecht. Nach der bayerischen Verordnung über das Kehren und Überprüfen von Feuerungs- und Lüftungsanlagen (Kehr- und Überprüfungsordnung - KÜO) seien regelmäßig Kehrarbeiten durchzuführen. Die Kehr- und Überwachungspflicht für Schornsteine sei privatrechtlich geregelt. Die Feuerstättenschau nach § 3 Abs. 2 S. 2 SchfG sei demgegenüber eine nur alle 5 Jahre stattfindende Gesamtbegutachtung, die sich auf die Feuerstätte selbst, nicht auf den Kamin und dessen Ausgestaltung über dem Hausdach beziehe. Ausweislich der vorgelegten Rechnung vom 09.12.2000 (Anlage K 4) habe der Beklagte im Jahr 2000 durch seine Mitarbeiter Kehrarbeiten ausführen lassen. Um eine Feuerstättenschau habe es sich schon deshalb nicht gehandelt, weil sie eine nicht delegierbare Überwachungstätigkeit darstelle. Aus der dem Werkvertragsrecht immanenten Prüfungs- und Hinweispflicht hätten der Beklagte oder seine Mitarbeiter bei den Kehrarbeiten auf die von der Kaminabdeckung ausgehenden Gefahren hinweisen müssen.

Ungeachtet einer etwaigen Staatshaftung hafte der Beklagte wegen bedingten Vorsatzes persönlich, da er gewusst habe, dass es bei einem automatischen Anspringen der Ölheizung unausweichlich zum Unfall kommen würde.

Die Schadenshöhe sei in der ersten Instanz schlüssig dargelegt worden (Einzelheiten siehe Seite 11/12 der Berufungsbegründung).

Der Einzelrichter sei gegenüber der Klägerin und ihrer Familie voreingenommen gewesen, was sich aus seinem Verhalten während der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme ergebe (Einzelheiten S. 2 - 5 der Berufungsbegründung vom 24.11.2003).

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts München I, Az.: 28 O 21313/02 vom 05. August 2003 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 34.294,90 zuzüglich Zinsen ich Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2001 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Die Überprüfung des Kamins auf Funktionsfähigkeit falle unter den Begriff Feuerstättenschau.

Es gebe in Bayern keine Vorschriften, die die Haftung des Freistaates für die Kaminkehrer als Gebührenbeamte beschränke.

Es sei realitätsfremd, dass die Klägerin und ihr Ehemann nach zwölf Jahren nichts davon gewusst haben sollten, dass sich noch Öl im Öltank befand, die Ölfeuerungsanlage noch an den Strom angeschlossen war, ob der im Wohnzimmer installierte Thermostat mit einer Kontrolllampe versehen war und ob diese jemals geleuchtet habe und ob sich auf dem Kamin eine Betonplatte befunden habe. Aufgrunddessen habe das Landgericht das klägerische Vorbringen zu Recht als nicht nachvollziehbar angesehen.

Der Beklagte habe keine Anhaltspunkte für eine fortbestehende Betriebsbereitschaft der Ölfeuerungsanlage gehabt.

Die Rechnung vom 09.12.2000 beziehe sich lediglich auf die jährliche Prüfung, ob die Anlage betrieben werde. Aus diesem Grund sei statt der ansonsten üblichen drei Arbeitwerte (AW) nur ein AW angesetzt worden.

Der Kaminkehrer habe weder das Recht, die Stromzufuhr der Ölfeuerung abzuklemmen oder die Ölleitung zu kappen, noch die Kaminabdeckung zu entfernen.

Mit Schriftsatz vom 19.01.2004 verkündete die Klägerin dem Freistaat Bayern den Streit.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird im übrigen verwiesen auf die Schriftsätze der Klägerin vom 24.11.2003 (Bl. 82/93 d. A.), 07.01.2004 (Bl. 107/109 d. A.) und 19.01.2004 (Bl. 116/118 d. A.) und des Beklagten vom 30.12.2003 (Bl. 99/106 d. A.) und 21.01.2004 (Bl. 119/121 d. A.).

Der Senat hat keine Beweise erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten besteht nicht, da dieser nicht passiv legitimiert ist. Damit kommt es auf die Erwägungen des Landgerichts über die Zusicherung einer Nichtinbetriebnahme der Ölfeuerungsanlage durch die Klagepartei nicht an.

1) Ein Anspruch wegen positiver Verletzung des Kaminkehrervertrags besteht nicht. Die dem Beklagten vorgeworfene Pflichtverletzung ist dem hoheitlichen Aufgabenbereich des Kaminkehrers zuzuordnen.

Der Bezirkskaminkehrermeister nimmt nach § 3 Abs. 2 S. 2 Schornsteinfegergesetz (SchfG) bei der Feuerstättenschau eine öffentliche Aufgabe wahr. Für Pflichtverletzungen des Beklagten auf diesem Gebiet haftet nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG die Körperschaft, die dem Beklagten die Aufgabe, bei der eine Pflichtverletzung begangen haben soll, anvertraut hat. Bestellt wurde der Beklagte gemäß den §§ 3 Abs. 1, 52 SchfG, § 1 der zweiten Zuständigkeitsverordnung zum Schornsteinfegergesetz (2. ZuVschfG) des Freistaats Bayern durch die Regierung von Oberbayern.

Das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten sieht die Klägerin darin, dass er und seine Mitarbeiter bei ihren Besuchen nicht auf die von der Abdeckung des Kamins ausgehende Gefahr im Falle einer Zündung des Brenners der Ölfeuerungsanlage hingewiesen haben. Hierbei handelt es sich um eine Frage der Feuersicherheit im Sinne von § 1 Abs. 2 SchfG. Das wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Sie ist jedoch der Auffassung, dass insoweit eine werkvertragliche Hinweispflicht besteht, die eine vertragliche Haftung begründe. Ihre Argumentation vermag aber nicht zu überzeugen.

aa) Die von der Klägerin vorgenommene Abgrenzung zwischen Überprüfung der Feuerungsanlage einerseits und dem Kamin (= Schornstein) andererseits widerspricht dem Wortlaut des Schornsteinfegergesetzes. Zur Feuerstättenschau zählt auch die Überprüfung von Kaminen auf Feuersicherheit und die sich daraus ergebenden, zur Abwendung von Gefahren erforderlichen Hinweise an den Eigentümer.

Die regelmäßige Überprüfung sämtlicher Schornsteine, Feuerstätten, Verbindungsstücke und Lüftungsanlagen oder ähnlicher Einrichtungen auf ihre Feuersicherheit durch persönliche Begehung innerhalb von fünf Jahren wird in § 13 Abs. 1 SchfG durch einen Klammerzusatz ausdrücklich als Feuerstättenschau bezeichnet und diese damit als Oberbegriff ausgewiesen. Eine separate "Schornsteinschau", "Lüftungsanlagenschau" o. ä. kennt das Gesetz nicht.

Dementsprechend gehört nach BGH VersR 1983, 462, 463 die Überprüfung eines Kamins auf künftige Feuersicherheit und die Möglichkeit einer Wiederinbetriebnahme als Feuerstättenschau nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 4 SchfG zu den Amtspflichten des Bezirkskaminkehrermeisters. Im Fall BGHZ 62, 373 ging es um eine Abgasstauung aufgrund eines zugemauerten Kaminzugs (also um einen dem vorliegenden Sachverhalt sehr ähnlichen Streitstoff), ohne dass der BGH die von der Klägerin aufgeworfene Frage überhaupt problematisierte.

bb) Ausdrücklich behandelt und entgegen der klägerischen Rechtsauffassung verneint hat der BGH in seinem Urteil vom 10.06.1974 die Frage, ob die hoheitliche Tätigkeit des Bezirkskaminkehrermeisters bei der Überprüfung der Feuersicherheit auf die alle fünf Jahre durchzuführende Feuerstättenschau nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 SchfG beschränkt ist. Zur Feuerstättenschau gehöre auch die Begutachtung von Schornsteinen, Feuerstätten und Verbindungsstücken auf ihre Sicherheit, die in 13 Abs. 1 Nr. 4 SchfG als weitere Aufgabe des Bezirkskaminkehrermeisters genannt sei. Dass im Gesetz insoweit keine bestimmte Frist genannt werde, falle gegenüber dem gemeinsamen Zweck der Feuersicherheit nicht ins Gewicht (BGHZ 62, 372, 374/375). Dem schließt der Senat sich an.

cc) Ob die Rechnung vom 09.12.2000 korrekt ist, spielt für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle.

Hat der Beklagte schlicht Leistungen in Rechnung gestellt, die er nicht erbracht hat, so könnte der Ehemann der Klägerin die Rückzahlung verlangen. Eine zusätzliche werkvertragliche Hinweispflicht auf Sicherheitsmängel könnte dieses Verhalten aber nicht begründen.

Der Beklagte bestreitet, dass er oder seine Mitarbeiter den unbenützten Kamin tatsächlich gereinigt haben, sondern bringt vor, es habe sich quasi um eine Besichtigung gehandelt. Da dem der Wortlaut der Rechnung entgegen steht, könnte man insoweit von einer Beweislastumkehr ausgehen. Hätten der Beklagte oder seine Mitarbeiter vom Keller aus den Kamin gereinigt (dass sie die Platte auf dem Dach abgehoben haben, bringt auch die Klägerin nicht vor), so wäre ihnen möglicherweise aktuell bewusst geworden, dass der Kamin nicht gefahrlos benutzbar war. Eine Warnung vor einer Inbetriebnahme der Ölheizung und eine Überprüfung, ob sie möglicherweise sogar noch betriebsbereit war, wäre - rückblickend betrachtet - dann sicher sinnvoll gewesen. Ob damit ein übersteigerter Haftungsmaßstab angelegt wird, muss in diesem Rechtsstreit nicht entschieden werden, denn derartige Überlegungen gehören nach der Auffassung des Senats zur hoheitlichen Feuerstättenschau, auch wenn der Kaminkehrer ursprünglich nur reinigen wollte. Die Abgrenzung erfolgt richtigerweise nach dem Zuordnung der Unterlassung zum spezifischem Aufgabenbereich, nicht nach Abrechnungsmodalitäten, dem Anlass des Besuchs des Kaminkehrers (zum Beispiel zum Kehren gemäß § 2 KÜO) und dessen Ausbildungsstand. Falls dieser zur Feuerstättenschau kommt und bei dieser Gelegenheit ungeplant einen Kamin reinigt, wird man diese Tätigkeit nicht deshalb als hoheitlich einordnen. Falls der Kaminkehrermeister die Feuerstättenschau gesetzeswidrig (§ 16 Abs. 1 SchfG) selbständig durch seinen Lehrling ausführen lässt, ändert dies an der hoheitlichen Zuordnung nichts (es spricht allerdings für eine Amtspflichtverletzung).

Diese Betrachtungsweise läßt sich mit der vorliegenden Rechtsprechung weit besser vereinbaren als die Auffassung der Klägerin. Der BGH stellt in BGHZ 62, 372, 375 darauf ab, ob der Kaminkehrer eine "Prüfung und Begutachtung" in Hinsicht auf § 13 Abs. 1 Nr. 4 SchfG vorgenommen hat, nicht darauf, ob (zu diesem Zeitpunkt) eine Verpflichtung hierfür bestand. Dass er daneben gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 SchfG zugleich in feuerungstechnischen Fragen beraten haben mag - eine nichthoheitliche Tätigkeit -, berührt laut BGH die Zuordnung zur hoheitlichen Feuerstättenschau nicht (ausdrücklich ebenso OLG Hamm NJW 1972, 2088, 2089).

Die klägerische Auffassung führte zudem letztlich zu widersinnigen Zufälligkeiten in der Haftungsfrage. Wenn der Kaminkehrer nur die Feuerstätte besichtigt, würde § 839 BGB gelten, wenn er zugleich irgendwelche, vielleicht völlig untergeordneten Reinigungsarbeiten vornehmen sollte, haftete er wegen desselben Unterlassens aus positiver Forderungsverletzung.

2) Der Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB kann nicht gegen den Beklagten persönlich geltend gemacht werden.

Nach Art 34 GG hat die Körperschaft, die dem Beklagten die hoheitliche Aufgabe anvertraut hat, für Pflichtverletzungen bei der Feuerstättenschau einzustehen.

a) Eine persönliche Haftung des Beklagten als "Gebührenbeamter" besteht nicht. Diese ergibt sich nicht aus fortgeltendem Reichs - oder preussischem Recht.

aa) § 5 Abs. 1 des fortgeltenden Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten (RBHG), der die persönliche Haftung des sogenannten Gebührenbeamten vorsieht, ist nicht anwendbar. Der Bezirkskaminkehrermeister ist nicht "Reichsbeamter" (wovon z. B. BGHZ 62, 372 als selbstverständlich ausgeht).

Der Bezirkskaminkehrermeister ist nicht Bediensteter einer Behörde. Es gibt also keine Anstellungskörperschaft im engeren Sinne. Daher ist darauf abzustellen, wer dem Beklagten die hoheitliche Aufgabe anvertraut hat (Palandt/Thomas, 62. Aufl., § 839 BGB Randnr. 18 m. w. N., BGHZ 53, 219 ff). Dies ist nicht die Bundesrepublik Deutschland (die man insoweit als Nachfolgerin des Deutschen Reichs anzusehen hätte). Nach § 3 Abs. 1 SchfG erfolgt die Bestellung durch die zuständige Verwaltungsbehörde. Nach § 52 SchfG bestimmen die Landesregierungen durch Rechtsverordnung die zuständigen Behörden. Die Regelung ist erfolgt durch die 2. ZuVSchfG (Ziegler Nr. 666). Nach § 1 dieser Vorschrift ist die Regierung von Oberbayern für die Bestellung des Beklagten zuständig. Damit würde die Haftung den Freistaat Bayern treffen. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 des 2. ZuVSchfG führt allerdings die Kreisverwaltungsbehörde, d. h. im konkreten Fall das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt ..., die Aufsicht über den Bezirkskaminkehrermeister nach § 26 Abs. 1 SchfG und ist berechtigt, in den §§ 27, 28 SchfG im einzelnen angeführte Maßnahmen zu treffen. Ob nach Art. 34 GG der Freistaat Bayern oder die Landehauptstadt ... haftet, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit jedoch keiner Klärung.

bb) Das preussische "Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt" vom 01.08.1909 (PrBHaftG) und damit dessen § 1 Abs. 3 über die persönliche Haftung des Gebührenbeamten gilt beziehungsweise galt in Bayern nicht (vgl. Frowein JZ 1964, 358 ff mit einer Zusammenstellung der Rechtslage für die westdeutschen Länder). Die Rechtsprechung hierzu (vgl. BGHZ 62, 372; VersR 1983, 472; OLG Hamm NJW 1972, 2088/2089) ist nicht anwendbar. Eine entsprechende Regelung im Bayerischen Landesrecht gibt es nicht. Die Bayerische Rechtssammlung vom 01.10.1983 enthält keine derartige Vorschrift. Gemäß Art. 2 des Bayerischen Rechtssammlungsgesetzes wäre eine etwaige ältere Regelung aufgehoben. Im BayAGBGB als hierfür vorrangig in Betracht kommende Vorschrift bestand eine Spezialregelung für Gebührenbeamte niemals.

Dieser Rechtslage entspricht die vom Beklagten vorgelegte Auskunft des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 06.10.1975 (Anlage zum Schriftsatz vom 30.12.2003).

b) Der Anwendung von Art. 34 GG stünde selbst ein vorsätzliche Amtspflichtverletzung des Beklagten nicht entgegen, wie sich aus Art. 34 S. 2 GG ergibt. § 839 Abs. 1 S.2 BGB findet insoweit auf hoheitliches Handeln keine Anwendung. Die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 19.01.2004, der Beklagte habe mit dolus eventualis den Brandausbruch nicht verhindert, erscheint dem Senat aber zudem nicht nachvollziehbar. Irgendwelche Indizien dafür, dass der Beklagte mit einem Brandausbruch rechnete, trägt die Klägerin nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Seine Entscheidung bedeutet keine Abweichung von BGHZ 62, 372 und BGH VersR 1983, 462, da das PrBHaftG vom 01.08.1909 in Bayern nicht gilt und das Gesetz über die Haftung des Reiches für seine Beamten auf den konkreten Fall nicht anwendbar ist.

Ob die Verletzung einer Hinweispflicht sich auf den hoheitlichen oder werkvertraglichen Aufgabenbereich des Bezirkskaminkehrermeisters bezieht, stellt eine Frage des Einzelfalles dar. Dass das hoheitliche Handeln nicht auf die formelle Feuerstättenschau im Fünfjahresturnus beschränkt ist, hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 62, 372, 375 bereits entschieden.

Ende der Entscheidung

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