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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: 1 U 4947/04
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839 Abs. 2 S. 1
BGB § 254 Abs. 2
GG Art. 34
1. Strafbefehle sind Urteile in Rechtssachen im Sinne von § 839 Abs. 2 S. 1 BGB.

2. Das vereinbarte Verteidigerhonorar ist im Rahmen eines Anspruchs nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu ersetzen, selbst wenn es den gesetzlichen Gebührenrahmen übersteigt. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB ist nur beim Abschluss offenkundig überhöhter Honorarvereinbarungen anzunehmen.


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 4947/04

Verkündet am 10.03.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 1. Zivilsenat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht K., Richter am Oberlandesgericht R. und Richter am Oberlandesgericht N. im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze eingereicht werden konnten bis 24.02.2005, folgendes

ENDURTEIL

Tenor:

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 08.09.2004 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 841,22 EUR zuzüglich 6,5 % Zinsen vom 27.03.2002 bis 31.07.2003, 4,5 % Zinsen vom 01.08.2003 bis zum 22.01.2004 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 23.01.2004 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird ab- und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 92 % und der Beklagte 8 %.

III.

Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Der Kläger, Inhaber eines Sicherheitsdienstes, macht gegen den Beklagten Amtshaftungsansprüche wegen der Durchführung verschiedener Straf- und Bußgeldverfahren geltend. Der Kläger fordert die Erstattung von ihm gezahlter Bußgelder und Geldstrafen, den Ersatz von Gerichts-, Anwalts- und Arztkosten sowie die Zinsen für die Kreditfinanzierung dieser Aufwendungen.

Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in erster Instanz nimmt der Senat auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts München I vom 08.09.2004 Bezug.

Das Landgericht wies die Klage im Wesentlichen gestützt auf § 839 Abs. 3 BGB in vollem Umfang ab. Zudem führte es aus, das über die gesetzlichen Gebühren hinausgehende Wahlverteidigerhonorar sei nicht ersatzfähig. Die Kausalität der gegen den Kläger eingeleiteten Verfahren für die von ihm für Psychotherapie aufgewandten Arztkosten sei nicht ausreichend belegt.

Der Kläger verfolgt sein Begehren im Wege der Berufung weiter.

Er bringt vor, die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Bußgeldbescheide vom 02.01.2001 und 24.10.2001 sowie der Strafbefehle vom 02.04.2001 gegen Frau K. und ihn hätten nicht vorgelegen. Frau K. habe bei ihm in einem Ausbildungsverhältnis gestanden und habe daher von ihm rechtmäßig einen Revolver erhalten.

Das Spruchrichterprivileg nach § 839 Abs. S. 1 BGB sei auf Strafbefehle nicht anwendbar.

Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, die Einsprüche gegen den Bußgeldbescheid vom 02.01.2001 und den Strafbefehl vom 02.04.2001 Aufrecht zu erhalten. Aus demselben Grund habe er Frau K. zur Rücknahme des Einspruchs bewegen und ihre Geldstrafe bezahlen müssen. Die Drohungen des Oberregierungsrats P. vom Landratsamt W., die einseitig auf Verurteilung ausgerichtete Praxis des Richters am Amtsgericht W. F. und die durch eine öffentliche Gerichtsverhandlung zu erwartende Ruf- und Geschäftsschädigung hätten den Gebrauch von Rechtsmitteln ausgeschlossen.

Die Kosten der Honorarvereinbarung für den erfolgreichen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 24.10.2001 seien entgegen der Auffassung des Landgerichts ersatzfähig. Das Honorar von Rechtsanwalt G. sei angemessen. Den Einspruch in diesem Bußgeldverfahren habe er nur Aufrecht erhalten, da es beim Amtsgericht W. zu einem Richterwechsel gekommen sei.

Die Kausalität der gegen ihn eingeleiteten Verfahren für die Entwicklung seines depressiven Syndroms lasse sich durch ein Sachverständigengutachten beweisen.

Der Kläger beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des LG München I vom 08.09.2004, Az. 9 O 4292/04 wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.036,00 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Der Beklagte bringt vor, die Bußgeldbescheide und Strafbefehle seien zu Recht ergangen. Auch der Erlass des Bußgeldbescheids vom 24.10.2001 sei aufgrund des vorhergehenden ungenügenden Sachvortrags des Klägers zumindest vertretbar gewesen. Die gesetzlichen Gebühren übersteigende Aufwendungen für eine Honorarvereinbarung seien nach § 839 BGB nicht ersatzfähig. Dies ergebe ein Vergleich mit dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren verweist der Senat auf die Schriftsätze des Klägers vom 20.12.2004 (Bl. 82/92 d. A.) und vom 01.02.2005 (Bl. 106/107 d. A.) sowie des Beklagten vom 26.01.2004 (Bl. 96/104 d. A.) und vom 24.02.2005 (Bl. 113/119 d. A.).

Der Senat hat die Strafsachen 2 Cs 47 Js 506/00 gegen Monika K. und 2 CS 47 Js 38504/00 gegen Joachim K. sowie die Bußgeldsache 1 OWi 36 Js 43117/01 gegen Joachim K. zu Beweiszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Verteidigerkosten im Einspruchsverfahren gegen den Bußgeldbescheid vom 24.10.2001 sind vom Beklagten gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu erstatten. Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der ihm im Zusammenhang mit dem Erlass des Bußgeldbescheids vom 02.01.2001 und der beiden Strafbefehle vom 02.04.2001 entstandenen Kosten sowie seiner Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlung.

1) Ein Amtshaftungsanspruch im Zusammenhang mit dem Bußgeldbescheid vom 02.01.2001 besteht nicht. Der Kläger kann die von ihm bezahlten 536,00 DM (= 274,05 EUR) nicht zurückfordern.

a) Der Erlass des Bußgeldbescheids erfolgte nicht amtspflichtwidrig.

aa) Für Maßnahmen der Verfolgungsbehörden gelten dieselben Grundsätze wie für die Staatsanwaltschaft (Palandt/Sprau, 64. Aufl., § 839 BGB Randnr. 108). Das bedeutet, die Einleitung des Verfahrens und der Erlass des Bußgeldbescheids sind auf ihre Vertretbarkeit, nicht auf ihre Richtigkeit zu prüfen (BGH WM 1994, 988).

bb) Der Erlass des Bußgeldbescheids war vertretbar. Der Kläger hatte dem Landratsamt einen Vertrag zwischen ihm und Frau K. (Anlage B 2), der auf den 24.09.2000 datiert war, vorgelegt, gemäß dem Frau K. bewaffnet Sicherheitsaufgaben für das Unternehmen des Klägers übernehmen sollte. Das Entgelt für jede Servicestunde sollte 20,-- DM betragen und mit Gegenleistungen des Klägers verrechnet werden. Frau K. hatte bereits eine Waffe ausgehändigt erhalten.

In einem zuvor beim Landratsamt eingegangenen Brief vom 26.09.2000 hatte der Kläger zwar mitgeteilt, er habe Frau K. die Waffe zum Selbstschutz überlassen und von einem Vertragsverhältnis nichts erwähnt. Es erscheint jedoch nachvollziehbar, wenn das Landratsamt den Vertrag vom 24.09.2000, der vom Kläger bis heute als ernsthaft gewollt und nicht rückdatiert dargestellt wird, bei der Beurteilung der Meldepflicht nach § 9 S. 1 und S. 2 BewachV zu Grunde legte.

Diese Vorschrift lautet: "Der Gewerbetreibende darf mit der Bewachung nur zuverlässige Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die einen Unterrichtungsnachweis nach § 3 Abs. 2 Satz 1, ein Prüfungszeugnis nach § 5 Abs. 1 oder eine Bescheinigung des früheren Gewerbetreibenden nach § 17 Abs. 1 S. 2 vorlegen, beschäftigen. Er hat die Wachpersonen, die er beschäftigen will, der zuständigen Behörde durch Übersendung je einer Kopie eines Führungszeugnisses, das nicht älter als drei Monate ist, und der in Satz 1 genannten Unterlagen vorher zu melden."

Die Vorschrift stellt also nicht auf den ersten konkreten Wacheinsatz, sondern auf die "Beschäftigung" ab. Wenn das Landratsamt als Stichtag hierfür den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses , das heißt den 24.09.2000, angenommen hat, ist das ebenso vertretbar, wie die Erstreckung auf das vom Kläger behauptete "Ausbildungsverhältnis", selbst wenn keine förmlich geregelte Ausbildung vorgesehen war. Eine entgegenstehende Rechtsprechung war für den Senat bei einer Juris-Recherche jedenfalls nicht ersichtlich. Die Gefahr, die von einem "Wachdienstpraktikanten" ausgeht, erscheint sogar tendenziell höher als bei einem ausgebildeten Wachmann.

Die Einwendungen, die der Kläger wegen der sehr formellen und im Einzelfall, gewiss schwerfälligen Regelung gestützt auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegen die Bewachungsverordnung erhebt (vgl. Anlage B 3), machen den Ärger über die Bürokratisierung seines Arbeitsalltags verständlich. Sie führen aber nicht dazu, die Ermessensausübung des Landratsamts als unvertretbar anzusehen. Es ging im vorliegenden Fall um keine Bagatelle, da der Kläger Frau K. vor der Anmeldung mit einer Waffe ausstattete.

Damit erfüllte der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen zusätzlich den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 WaffG.

b) § 839 Abs. 3 BGB ist entgegen der Auffassung des Klägers anwendbar. Die Aufrechterhaltung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid war für den Kläger zumutbar.

aa) Der Senat unterstellt wie das Landgericht, dass der Kläger die Äußerungen von Oberregierungsrat P. bezogen auf Maßnahmen des Landratsamts bei einer "Aufbesserung" des Bußgeldbescheids durch Richter am Amtsgericht F. richtig wiedergegeben hat. Der Beklagte hat insoweit auf eine noch ausstehende Stellungnahme verwiesen, die aber nie bei Gericht eingegangen ist.

Dies machte es dem Kläger aber nicht unmöglich, den Rechtsweg zu beschreiten.

Dass das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme die in einem Bußgeldbescheid oder Strafbefehl vorgesehene Geldbuße beziehungsweise -strafe erhöhen kann, entspricht der Gesetzeslage. Dies gilt jedoch nur, wenn der erhobene Vorwurf zutrifft. In diesem Fall wäre aber ein Amtshaftungsanspruch ohnehin ausgeschlossen. Für das Amtshaftungsverfahren ist andererseits grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Strafrichter freispricht, wenn der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nicht nachzuweisen ist. Dies gilt auch im konkreten Fall. Die Behauptung des Klägers, er wäre mit Sicherheit unschuldig verurteilt worden, trifft nicht zu.

Im Termin vor dem Senat gab der Kläger zwar an, er habe sich verschiedene Verhandlungen des Richters am Amtsgericht F. als Zuschauer angesehen und sei zu dem Schluss gekommen, dass dieser Richter immer verurteile. Er habe deshalb seine Einsprüche zurückgezogen. Den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 24.10.2001 habe er nur Aufrecht erhalten, da es zu einem Richterwechsel gekommen sei. Das Vorbringen des Klägers stimmt jedoch nicht. Die Verhandlung vom 12.04.2002 führte, wie sich aus der Bußgeldakte 1 OWi 36 Js 43117/01 ergibt, Richter am Amtsgericht F., der den Kläger freisprach und auch das Protokoll unterzeichnete.

Bei einer Erhöhung der Geldbuße hätte der Kläger zudem gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Rechtsbeschwerde zum Bayerischen Obersten Landesgericht einlegen können.

bb) Die durch eine öffentliche Gerichtsverhandlung nach der Behauptung des Klägers zu befürchtende Ruf- und Geschäftsschädigung ist kein Argument, das im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 839 Abs. § BGB zu berücksichtigen ist. Der Grundsatz der Öffentlichkeit nach § 169 GVG gehört zu den Prinzipien demokratischer Rechtspflege (vgl. BVerfGE 87, 334). Er gilt für bekannte und unbekannte, reiche und arme Angeklagte und Parteien. Der Senat verweist auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu diesem Punkt.

2) Hinsichtlich der beiden Strafbefehle vom 02.04.2001 ist die Berufung ebenfalls unbegründet. Dem Kläger steht kein Amtshaftungsanspruch auf Erstattung der von ihm insgesamt für Geldstrafen, Kosten und Verteidiger aufgewandten 14.613,-- DM (= 7.471,51 EUR) zu.

a) Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger und Frau Monika K. durch die Staatsanwaltschaft war geboten. Der Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen das Waffengesetz lag aufgrund des Schreibens des Klägers vom 26.09.2000, in dem er angab, Frau K. die Waffe zum Selbstschutz gegeben zu haben, auf der Hand.

Zwischen dem Inhalt des Bußgeldbescheids vom 02.01.2001 und den beiden Strafbefehlen scheint zwar ein gewisser Widerspruch zu bestehen. Sie schließen sich aber nicht aus. Es ist sehr wohl möglich, jemand zum Selbstschutz vor dem unberechenbaren Ehemann eine Waffe zu überlassen und unabhängig davon im Wachgewerbe anzustellen. Das Führen der Waffe ist aber nach § 35 Abs. 3 WaffG nur im Arbeitsverhältnis legal.

b) Die Beantragung der Strafbefehle durch die Staatsanwaltschaft war vertretbar, wie die Ermittlungsakten 2 Cs 47 Js und 2 Cs 47 Js zeigen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft (dazu gehört auch die Beantragung eines Strafbefehls) im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre "Richtigkeit", sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar ist (BGH StV 2001, 579).

Die Staatsanwaltschaft durfte einen Strafbefehl gegen den Kläger und Frau Monika K. beantragen, wenn die Ermittlungen hierzu genügenden Anlass boten. Hinreichender Verdacht bedeutet die Feststellung von Tatsachen, die nach praktischer Erfahrung zu einer Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweisen führen werden. Die Staatsanwaltschaft hat nicht die Frage der Täterschaft und Schuld restlos bis in alle Einzelheiten zu klären, sondern nur einen hinreichenden Tat- und Schuldverdacht zu ermitteln, der eine Verurteilung wahrscheinlich macht (§ 203 StPO). Dabei müssen zwar gewisse Belastungsmomente erwiesen sein, jedoch darf die Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Angaben des Beschuldigten und den vorhandenen Beweisergebnissen der Hauptverhandlung überlassen bleiben. Der unbestimmte Rechtsbegriff "hinreichender Tatverdacht" lässt einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum, zumal es sich (auch) um eine Prognose handelt. Entscheidend ist letztlich die - vertretbare - eigene Prognose des Staatsanwalts, dass er selbst nach Sach- und Rechtslage wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen werde (BGH a. a. O.). Es gilt also für diese Entscheidung nicht der Grundsatz in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten).

Der Senat, dessen beisitzende Mitglieder langjährige staatsanwaltschaftliche Erfahrung aufweisen, hält die Beantragung der Strafbefehle für gut vertretbar.

In seinem Schreiben vom 26.09.2000 an das Landratsamt W. schilderte der Kläger einen Sachverhalt, der für ihn und Frau K. den Tatbestand eines Verstoßes gegen das Waffengesetz erfüllte (Überlassen eines Revolvers zum Selbstschutz). Erst nachdem ihn das Landratsamt auf die Unzulässigkeit dieses Verhaltens hingewiesen hatte, legte er den auf den 24.09.2000 datierten Vertrag mit Frau K. vor.

In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21.11.2000 machte der Kläger widersprüchliche Angaben. Einerseits erklärte er, er habe Frau K. den Revolver zum Selbstschutz überlassen. Andererseits sagte er, er habe ihr die Waffe zu Übungszwecken im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses übergeben.

Frau K. erwähnte in ihrer Beschuldigtenvernehmung vom 22.11.2000 die in einem Schreiben an das Landratsamt vom 27.09.2000 ausführlich dargestellte Bedrohung durch ihren Ehemann überhaupt nicht, sondern stellte den Sachverhalt so dar, als hätte der Kläger sie ohne äußeren Anlass als früherer Nachbar darauf angesprochen, ob sie nicht in seinem Sicherheitsunternehmen mitarbeiten und Schießübungen machen wolle. Das erscheint angesichts der Äußerungen des Klägers wenig plausibel.

Die widersprüchlichen Angaben der beiden Beschuldigten legten es nahe, eine Klärung der Hauptverhandlung zu überlassen. In dieser hätten sich Gericht und Staatsanwalt einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Beteiligten machen können und müssen, wenn der Kläger und Frau K. ihre Einsprüche nicht zurückgenommen hätten.

c) Der Erlass der Strafbefehle durch das Amtsgericht W. war nach den Ausführungen unter b) zumindest vertretbar.

Hinzu kommt: Ein erst durch den Erlass der Strafbefehle veranlasster Schaden (insbesondere die Geldstrafe selbst) ist aus Rechtsgründen nicht ersatzfähig. Seine Geltendmachung scheitert sowohl an § 839 Abs. 1 S. 2 BGB als auch an § 839 Abs. 3 BGB.

aa) Die Strafbefehle sind Urteile in Rechtssachen im Sinne von § 839 Abs. 2 S. 1 BGB.

Gerichtliche Entscheidungen sind "Urteilen in einer Rechtssache" gleichzustellen, wenn sie nicht nur von einem unabhängigen Richter in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren unter Anwendung materiell-rechtlicher Normen zur Beendigung eines Strafverfahrens erlassen worden sind (BGHZ 10, 55, 59, 60; 36, 379, 382), sondern wenn darüber hinaus ihr Inhalt in Rechtskraft erwachsen kann, sie also ein urteilsvertretendes Erkenntnis sind (BGZ 46, 106; 51, 326, 328; 64, 347, 349). Das ist beim Strafbefehl der Fall. Er tritt an die Stelle des amtsgerichtlichen Urteils und beendet, wenn kein Rechtsmittel eingelegt wird, das Strafverfahren rechtskräftig (in diese Richtung auch Staudinger/Wurm, 13. Aufl., § 839 BGB Randnr. 336).

Es mit dem Wesen der Rechtskraft nicht vereinbar, wenn jede Entscheidung des Spruchrichters allein schon wegen einer angeblichen Unrichtigkeit, ohne dass diese auf einem strafbaren Tatbestand beruht, zur Grundlage von Ersatzansprüchen gemacht und damit über die von den Prozessordnungen vorgesehenen Rechtsbehelfe hinaus auf dem Weg über das Recht der unerlaubten Handlung zur Nachprüfung durch einen anderen Richter gestellt werden können (BGHZ 50, 14, 19 f). Insbesondere deshalb sollen Urteile, außer bei strafbaren Handlungen des Richters, grundsätzlich nicht zum Gegenstand von Amtshaftungsprozessen gemacht werden (BGHZ 64, 347, 349).

Die vom Kläger angeführte Kommentarstelle bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, 47. Aufl., Vor § 407 StPO Randnr. 2 behandelt nicht die Anwendung von § 839 Abs. 2 BGB auf den Erlass von Strafbefehlen. Dass dort von einer "vorläufigen Entscheidung" die Rede ist, bedeutet nicht, dass der Strafbefehl mit einer einstweiligen Verfügung oder einem Arrest vergleichbar ist. Im Übrigen gilt für letztere selbst bei Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 09.12.2004 NJW 2005, 436) ebenfalls das Spruchrichterprivileg.

Bei richterlichen Entscheidungen kommt zudem außerhalb von § 839 Abs. 2 S. 1 BGB wegen der richterlichen Unabhängigkeit ein Verschulden nur bei besonders groben Verstößen, das heißt im Ergebnis bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Betracht (BGH NJW 2003, 3052; Palandt/Sprau, 64. Aufl., § 839 BGB Randnr. 53). Von Anhaltspunkten hierfür kann keine Rede sein.

bb) Zudem ist insoweit ein Anspruch nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger beziehungsweise Frau K. ihre Einsprüche gegen die Strafbefehle zurückgenommen haben. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug. Insbesondere macht die Furcht vor unliebsamem Aufsehen eine Gerichtsverhandlung nicht unzumutbar.

3) Das Anwaltshonorar für das Einspruchsverfahren gegen Bußgeldbescheid vom 24.10.2001 ist vom Beklagten dagegen gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu ersetzen. Die erstattungsfähige Differenz zwischen Honorarvereinbarung und bereits bezahlten gesetzlichen Gebühren beträgt unstreitig 841,22 EUR.

a) Der Erlass des Bußgeldbescheids erfolgte amtspflichtwidrig.

Der Erlass des Bußgeldbescheids ist auf seine Vertretbarkeit, nicht die Richtigkeit zu prüfen (BGH WM 1994, 988). Angesichts des Kenntnisstandes des Landratsamtes W. am 24.10.2001 war der Erlass des Bußgeldbescheids nicht vertretbar.

Mit Schreiben vom 16.08.2001 (Anlage K 9) wurde der Kläger vom Landratsamt W.-S. zu dem Vorwurf um Stellungnahme gebeten, Namen und Vornamen ausgeschiedener Mitarbeiter und bei ihm beschäftigte Wachpersonen nicht beim Landratsamt gemeldet zu haben. Die Einleitung des Verfahrens war angesichts der bestehenden Unklarheiten nicht pflichtwidrig.

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 30.08.2001 (Anlage B 7). Aus diesem ergibt sich, dass er im Jahr 2001 keine neuen Mitarbeiter eingestellt hatte. Zwei Mitarbeiter seien im Laufe des Jahres 2001 ausgeschieden.

Im Bußgeldbescheid vom 24.10. 2001 (Anlage K 9a) heißt es: "Sie haben in Ihrem Bewachungsunternehmen zwei Personen beschäftigt, ohne dies dem Landratsamt W. mitgeteilt zu haben.

Als Inhaber eines Bewachungsgewerbes müssen Sie Wachpersonen, die Sie beschäftigen wollen, vor dem Beschäftigungsbeginn bei dem zuständigen Landratsamt melden unter Übersendung je einer Kopie eines Führungszeugnisses, das nicht älter als drei Monate ist, sowie eines Unterrichtsnachweises nach § 3 Abs. 2 Satz 1, eines Prüfungszeugnisses nach § 5 Abs. 1 oder einer Bescheinigung des früheren Gewerbetreibenden nach § 17 Abs. 1 Satz 2 der Bewachungsverordnung, vgl. 34 a Abs. 1, Abs. 2 GewO in Verbindung mit § 9 Satz 2 der Bewachungsverordnung.

Dieser Melde- und Übersendungspflicht sind Sie nicht nachgekommen. Die Meldung erfolgte erst mit Ihrem Schreiben vom 30.08.2001, die erforderlichen Unterlagen wurden aber nicht übersandt."

Es ist nicht ersichtlich, dass das Landratsamt W. über konkrete Erkenntnisse verfügte, dass der Kläger zwei neue Mitarbeiter eingestellt hatte, geschweige denn, dass sie im Bußgeldbescheid namentlich aufgeführt werden. Hinsichtlich der zu meldenden ausgeschiedenen Mitarbeiter war die Meldefrist nach § 9 S. 2 der Bewachungsverordnung (31.03.1002) noch nicht abgelaufen. Außerdem bezieht sich der Bußgeldbescheid vom 24.10.2001 eindeutig nicht auf diesen Vorwurf.

Im Schriftsatz des Beklagten vom 24.02.2005 wird der Bußgeldbescheid erstmals so interpretiert, dass die Weiterbeschäftigung von zwei Wachmännern als Neueinstellung gesehen wurde. Dies ergibt sich für den Empfänger aber nicht aus dessen Wortlaut. Außerdem erlaubt der Wortlaut von § 9 der Verordnung nicht, eine Weiterbeschäftigung wie eine Neueinstellung (einschließlich aller dabei zu erfüllender Formalien) zu behandeln.

Der Bußgeldbescheid vom 24.10.2001 (Anlage K 9a), der damit begründet wird, der Kläger habe zwei Wachpersonen ohne Anmeldung beschäftigt, ist daher unverständlich.

b) Das Landgericht hat die Ersatzfähigkeit der aufgrund der Honorarvereinbarung geleisteten Zahlung an Rechtsanwalt G. zu Unrecht verneint.

Nach BGH NJW 2003, 3693, 3697 zählen zum Schaden bei amtspflichtwidriger Strafverfolgung Leistungen an den Verteidiger aufgrund einer Honorarvereinbarung, wie auch sonst im Amtshaftungsrecht die gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwalts nicht die Obergrenze des zu ersetzenden Betrags bilden (BGH LM § 839 (D) BGB Nr. 18 Blatt 2; BGH LM § 839 (Fe) Nr. 18 unter 4.).

Die Einwendungen des Beklagten gegen diese Rechtsprechung im Schriftsatz vom 24.02.2005 überzeugen nicht. Die Entscheidung BGHZ 27, 137, 142 betrifft eine völlig andere Konstellation, nämlich die Frage, ob ein deliktisch haftender privater Unfallverursacher die Verteidigerkosten des Geschädigten in einem gegen diesen wegen des Verkehrsunfalls eingeleiteten Ermittlungsverfahren zu tragen hat. Insoweit fehlt es in der Tat am Schutzzweck der Norm. Es geht im vorliegenden Fall aber um die Haftung der Verfolgungsbehörde, deren Handeln die Beauftragung von Rechtsanwalt G. unmittelbar ausgelöst hat.

Das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) bleibt unter verschiedenen Gesichtspunkten hinter einem vollständigen Schadenersatzanspruch zurück, zum Beispiel bei der Begrenzung des immateriellen Schadens für eine Freiheitsentziehung und dadurch, dass es überhaupt keine Entschädigung für die durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahren ausgelösten Schäden vorsieht, sondern an bestimmte strafprozessuale Maßnahmen anknüpft. Das wird dadurch gerechtfertigt, dass der auf das StrEG gestützte Anspruch kein Verschulden der Ermittlungsbehörden beziehungsweise Gerichte voraussetzt. Aus der Rechtsprechung zum StrEG lassen sich daher keine Folgerungen zur Begrenzung des Amtshaftungsanspruchs ableiten.

Der klägerische Anspruch ist nicht gemäß § 254 BGB zu mindern. Gemessen an den Maßstäben des Bundesgerichtshofs (siehe BGH LM § 839 BGB (D) Nr. 18 Bl. 2) liegt kein aus der Sicht des Klägers überhöhtes Sonderhonorar vor.

Die vereinbarte Pauschale von 1.000,-- EUR zuzüglich Mehrwertsteuer erscheint angesichts der Spezialmaterie, der Bedeutung der Sache für den Kläger (waffenrechtliche Zuverlässigkeit) und der erforderlichen Sitzungswahrnehmung nicht übermäßig hoch. Die in der schriftlichen Stellungnahme von Rechtsanwalt G. vom 18.01.2005 genannte Begründung für die Höhe der Honorarvereinbarung ist daher nachvollziehbar. Bei Rechtsanwalt G. handelt es sich um einen renommierten Strafverteidiger, der einer sehr angesehenen Kanzlei angehört. Der von ihm kalkulatorisch angegebene Stundensatz von 200,-- bis 250,-- EUR liegt keineswegs an der Obergrenze in München von seriösen Verteidigern geforderter Honorare, wie dem Senat bekannt ist. Der Kläger war nicht verpflichtet, nach einem Anwalt zu suchen, der gewillt gewesen wäre, nach den gesetzlichen Gebühren tätig zu werden (siehe BGH a. a. O.). Ein erfahrener Strafverteidiger ist hierzu nach der Erfahrung des Senats in der Regel nicht bereit. Auch zur Erholung weiterer Angebote anderer Strafverteidiger war er zur Schadensminderung nicht verpflichtet. Dies liegt auf der Hand, wenn man den dazu erforderlichen Zeitaufwand im Verhältnis zur theoretisch denkbaren Ersparnis sieht.

4) Ein Anspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG auf Ersatz der Arztkosten in Höhe von 1.118,06 EUR steht dem Kläger nicht zu.

a) Die Begründung, mit der das Landgericht die Klage insoweit abgewiesen hat, erscheint allerdings nicht tragfähig. Die Behauptung, durch eine Serie behördlicher Fehlentscheidungen in eine Depression verfallen zu sein, ist nicht völlig abwegig. Dass der Kläger sich hat behandeln lassen, wird durch die Arztrechnungen belegt. Zum Nachweis der Kausalität hat der Kläger die Erholung eines Sachverständigengutachtens angeboten.

Es lässt sich auch nicht ohne medizinische Begutachtung sagen, dass der Kläger die Depression durch die Einlegung von Rechtsmitteln (§ 839 Abs. 3 BGB) hätte verhindern können.

b) Die Durchführung der Verfahren und der Erlass des Bußgeldbescheids vom 02.01. 2001 und der Strafbefehle vom 02.04.2001 war jedoch nicht amtspflichtwidrig, wie bereits dargelegt worden ist.

Das Schreiben des Landratsamts W. vom 12.06.2001 (Anlage K 8), dass der Kläger ebenso als Grund für seine Depression bezeichnet, weist völlig zu Recht auf die Folgen künftiger waffenrechtlicher Verstöße hin.

Dass die Depressionen durch den Erlass des Bußgeldbescheids vom 24.10.2001 ausgelöst worden sind, schließt der Senat aus.

Der Kläger stellt selbst auf die Gesamtheit aller behördlichen Maßnahmen ab. Er bringt vor, er habe er ab November 2000 wochenlang im dunklen Zimmer gesessen und sich behandeln lassen müssen. Ein Zusammenhang dieser Erscheinungen mit einem ein Jahr später ergangenen Bescheid scheidet aus. Eine Verschlimmerung der Beschwerden ab November 2001 behauptet der Kläger nicht. Der Bußgeldbescheid wurde durch den Freispruch von Richter am Amtsgericht F. zudem wenige Monate später bereits wieder korrigiert.

5) Die Finanzierungskosten für das Verteidigerhonorar von Rechtsanwalt G. sind nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu erstatten.

Die Finanzierungskosten für das Verteidigerhonorar stellen einen Teil des eingetretenen Schadens dar (vgl. BGHZ 61,348). Verzug des Beklagten ist nicht Voraussetzung für ihre Geltendmachung.

Die Finanzierungskosten können aber nicht zeitlich parallel zu den Prozesszinsen nach § 291 BGB verlangt werden. Der Senat hat dementsprechend eine Zinsstaffelung vorgenommen und ab Zustellung des Mahnbescheids den höheren gesetzlichen Zins nach § 291 BGB angesetzt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich den §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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