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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 01.12.2003
Aktenzeichen: 13 U 3707/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt.
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
EGZPO § 26 Nr. 8
Überweist der Schuldner eines sog. Druckvergleichs einen geringfügigen Restbetrag erst nach Ablauf der Zahlungsfrist, weil er bei der fristgerechten Überweisung des Hauptbetrages einem Ablesefehler erlegen war, so kann der dem Gläubiger, der den Irrtum des Schuldners vor Ablauf der Frist hätte erkennen können, § 242 BGB entgegenhalten.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 13 U 3707/03

Verkündet am 01.12.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung

erläßt der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Mayr und die Richter am Oberlandesgericht Bonn und Dr. Gremmer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 13.06.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt Euro 7.413,73.

Tatbestand:

Die Parteien schlossen im Vorprozess im November 2000 außergerichtlich einen Vergleich, in dem sich der jetzige Kläger verpflichtete, an den jetzigen Beklagten bis 15.12.2000 statt des vollen Werklohns von 40.000,-- DM einen Teilbetrag von 25.500,-- DM zu bezahlen; bei rechtzeitiger Zahlung sollte der Restbetrag von 14.500,-- DM erlassen werden. Der Kläger überwies bis zum 15.12.2000 infolge eines Lese- oder Tippfehlers nur 25.000,-- DM. Am 20.12.2000 wurde der Vergleich absprachegemäß mit demselben Inhalt vor dem Landgericht abgeschlossen. Der Kläger bemerkte seinen Irrtum kurz danach und überwies am 28.12.2000 die restlichen 500,-- DM an den Beklagten. Dieser vollstreckte in der Folgezeit aus dem Vergleich die seiner Ansicht nach verwirkten 14.500,-- DM. Im vorliegenden Folgeprozeß erhob der Kläger Vollstreckungsabwehrklage, die er noch in erster Instanz in einen Zahlungsantrag umwandelte. Das Erstgericht gab der Klage unter Hinweis auf Auslegungsgrundsätze statt.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Das Urteil ist rechtskräftig.

I.

Richtig zu stellen ist, dass der Kläger im ersten Rechtszug zuletzt nicht Verurteilung zur Zahlung von 7.413,73 EUR nebst Zinsen, sondern laut Schriftsatz vom 22.1.2003 in Verbindung mit dem Protokoll vom 1.4.2003, S. 2, Verurteilung zur Zahlung von 8.708,85 EUR nebst Zinsen beantragt hatte. Das Urteil bleibt dementsprechend um 1.295,12 EUR hinter dem Klageantrag zurück. Dies wurde aber vom Kläger nicht angefochten. Die Beklagte hat das Urteil in vollem Umfang mit der Berufung angefochten.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 13.6.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze vom 17.9.2003, 22.10.2003 und 27.10.2003 wird Bezug genommen.

Gründe:

II.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig, aber nicht begründet, weil der Kläger einen Anspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., BGB auf Rückzahlung des vollstreckten Betrags hat und die Beklagte mit ihrer Berufung auf die Verfallklausel gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (§ 242 BGB).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) verstößt ein Gläubiger zwar nicht schon dann gegen Treu und Glauben, wenn er sich auf die in einem Vergleich vereinbarte Verfallklausel beruft, weil der Schuldner schuldhaft einen kleinen Teil der Vergleichssumme nicht fristgemäß zahlt, s. NJW 1981, 2686. Der BGH lehnt es grundsätzlich ab, seine zu den Rechtsfolgen unerheblicher Zahlungsrückstände im Rahmen von Versicherungsverhältnissen und dgl. entwickelte Rechtsprechung (vgl. Palandt-Heinrichs, 62. Auflage, § 242 Rn. 53) auf Vergleiche der vorliegenden Art anzuwenden. Im entschiedenen Fall waren 4 % der Vergleichssumme nicht rechtzeitig gezahlt worden.

Eine Ausnahme hat der BGH für den Fall bejaht, dass die Verspätung auf einem vom Gläubiger erkennbaren und nicht richtig gestellten Irrtum des Schuldners beruht, NJW 1980, 1043.

Der Senat bejaht vorliegend aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls, einen Verstoß gegen Treu und Glauben:

Beide Parteivertreter gingen bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 20.12.2000 davon aus, dass der jetzige Kläger den vollständigen Betrag von 25.500,00 DM überwiesen hatte (der weitergehende Vortrag des Klägers, die Prozessbevollmächtigte der Gegenseite habe sogar positive Kenntnis von der unvollständigen Überweisung gehabt, ist nicht unter Beweis gestellt, da die Gutschrift auf dem Konto noch keine positive Kenntnis des Kontoinhabers vom Zahlungseingang beinhaltet).

Die jetzige Beklagte hatte nach Aktenlage auch bis zur Überweisung der restlichen 500,00 DM 13 Tage später noch überhaupt keine Kenntnis von dem Fehlbetrag.

Der Irrtum des Klägers war der Beklagten am 20.12.2000, wenn auch nicht bekannt, so doch erkennbar gewesen. Es ist zwar nicht Aufgabe einer Gläubigerin, Fehler des Schuldners vermeiden zu helfen. Hätte der Geschäftsführer der Beklagten jedoch die Zahlungseingänge überprüft, hätte er feststellen Können, dass ein offensichtlicher Irrtum der Gegenseite vorlag, da damals irgendwelche Gründe für die Zurückhaltung eines Teilbetrags nicht vorhanden oder ersichtlich waren.

BGH NJW 1981, 2868, hat es darüber hinaus ausdrücklich1 offengelassen, wie zu entscheiden wäre, wenn ein "Minimalbetrag ... aus irgend einem Grund von der Vergleichssumme offen geblieben ist" (in der dortigen Entscheidung ging es immerhin um eine ganze Rate). 500,00 DM von 25.000,00 DM sind 2 %.

Das Zahlungsziel wurde nur um etwa 13 bis 14 Tage überschritten.

Das Verschulden des Klägers war sehr gering (Tipp- oder Lesefehler).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhten auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Insbesondere steht die Entscheidung im Einklang mit den oben zitierten Entscheidungen des BGH.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 2,5, 14, 12 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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