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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: 13 U 5690/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 634 a. F.
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 313 a
ZPO § 319
ZPO § 543 Abs. 2
1. Der Architekt ist nicht verpflichtet, Details eines Bauvorhabens so zu planen, dass die objektiv beste oder kostengünstigste Lösung erzielt wird. Etwas anderes kann gelten, wenn Kernbereiche der Planung betroffen sind.

2. Bei einer Minderung nach § 634 BGB a. F. (§ 638 BGB n. F.) ist die Mehrwertsteuer anzusetzen, wenn die Minderung aus den Kosten für die potenzielle Mängelbeseitigung berechnet wird, nicht aber, wenn ihr der technische oder merkantile Minderwert zu Grunde gelegt wird.

3. Spricht das Gericht aufgrund der Ergebnisse einer Beweisaufnahme hinsichtlich einzelner Teilbeträge der Klageforderung mehr zu als beantragt, liegt kein Verstoß gegen das Gebot des "ne ultra petitum" vor, wenn die Summe der zuerkannten Teilbeträge die Klageforderung nicht übersteigt.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 13 U 5690/03

Verkündet am 08.06.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

08.06.2004 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin und den Antrag der Klägerin auf Urteilsberichtigung wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.11.2003 dahin abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, über den bereits zugesprochenen Betrag hinaus weitere 143,53 EUR sowie weitere 782,27 EUR jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.08.2002 zu bezahlen, dass es in Ziffer

II. des Ersturteils statt Position "3.2.4.2. (Der Spitzboden von Haus 2 kann nicht be- und entlüftet werden)" richtig heißen muss:

"3.2.4.3 (Der Spitzboden von Haus 2 kann nicht be- und entlüftet werden)"

und dass in Ziffer II des Ersturteils vor den Worten "Im übrigen wird der Feststellungsantrag abgewiesen" folgende weitere Position aufgenommen wird

"5.11.2.5 (Höhendifferenz von mehr als 2,0 mm zwischen Marmorbelag und Teppichbodenbelag in allen Treppenhäusern").

Insoweit ändert sich dementsprechend auch Ziffer III des Endurteils.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 72 %, der Beklagte 28 %.

Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 89 %, der Beklagte 11 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis zu 16.000,00 EUR.

Tatbestand:

Die Klägerin war Bauherrin eines umfangreichen Bauvorhabens mit zehn Mehrfamilienhäusern und 111 Wohneinheiten in München. Sie nimmt den Beklagten, den sie 1994 mit der Planung beantragt hatte, wegen einiger, angeblich auf Planungsfehlern beruhender Baumängel u. a. auf Zahlung von € 13.054,49 in Anspruch. Das Landgericht München I gab der Klage nur in Höhe von € 2.767,40 statt. Die Klägerin greift das Urteil mit Berufung hinsichtlich einzelner Positionen an, zu denen das Erstgericht - sachverständig beraten - feststellte, dass zwar ein Planungsmangel vorliege, dass aber bei richtiger Planung von vornherein höhere Kosten entstanden wären, die als Sowieso-Kosten nicht erstattungsfähig seien. Die Klägerin vertritt die Ansicht, wenn von vornherein kostengünstigere Alternativen geplant worden wären, wären nachträglich überhaupt keine jetzt veranlassten Zusatzmaßnahmen erforderlich gewesen und damit keine Mehrkosten ausgelöst worden. Die Berufung hatte nur in einem geringen Umfang Erfolg.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen. Hinsichtlich der Anträge wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27.02.2004 und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.05.2004 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet.

1. Position 3.5.2.8 und Position 5.4.1 (Treppenhausfenster):

Das Anbringen von Schutzgittern ist eine von mehreren technisch vertretbaren Lösungen. Der Architekt ist nicht verpflichtet, für ein Bauvorhaben stets die objektiv bestmögliche Lösung zu liefern, vgl. Bindhardt/Jagenburg, 8. Aufl., § 1 Rn. 8, § 4 Rn. 2 und § 6 Rn. 36; siehe auch BGH BauR 1973, 120: Der Architekt ist nicht verpflichtet, die kostengünstigste Lösung zu bieten (a.A.K. Meurer, BauR 2004, 904; die dort in Bezug genommene Entscheidung BGH BauR 1998, 354, betraf aber einen Fall, in dem es dem Bauherrn - für den Architekten erkennbar - auf eine Optimierung des Verhältnisses Wohn-/Nutzfläche ankam, also auf einen Kernpunkt des Bauvorhabens). Der Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Baukunst liegt allein im Fehlen einer Absturzsicherung. Das Anbringen eines Schutzgitters selbst ist kein Verstoß gegen diese Regeln, weil der Sachverständige diese Lösung als ordnungsgemäße Nachbesserung vorgeschlagen hat, mag sich auch die Klägerin eine ästhetisch anmutigere Lösung vorstellen. Der Hinweis auf OLG Saarbrücken, NJW RR - 1998, 93 geht fehl, weil dort die Architektenhaftung auf unterlassener Aufklärung über fehlende Spezialkenntnisse des Architekten und über fehlende gesicherte bautechnische Erkenntnisse beruhte.

Entsprechendes gilt für die "Hilfsüberlegung", dass keine Mehrkosten angefallen wären, wenn von vornherein das unterteilte Kippfenster eingeplant worden wäre. Soweit hilfsweise die Kosten für das Anbringen von Geländern in Höhe von 3.880,00 DM geltend gemacht werden, würde es sich wiederum um Sowiesokosten handeln, eben weil der Architekt nicht gehalten war, von vornherein unterteilte Kippfenster vorzusehen. Die gegenteilige Meinung, dass der Architekt jedes Detail einer Bauplanung daraufhin untersuchen müsste, ob nicht eine kostenmindernde oder kostenneutrale Alternative möglich wäre, würde zu einer uferlosen Haftung der Architekten führen.

2. Position 3.11.8,7 und Position 3.11.9.1 (Tiefgaragenhäuschen)

Es gelten die Ausführungen zu 1. Die beiden Lösungen - Ausführung von vornherein in feuerhemmenden Material oder Ausführung aus Holz mit Rigipsverkleidung - sind technisch gleichwertig. Der Architekt muss nicht die objektiv billigste Lösung bieten.

3. Das Erstgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass laut Sachverständigem bei nachträglicher Anbringung der Gipskartonverkleidung Kosten für Anfahrt, Baustelleneinrichtung und Reinigung in Höhe von 1.500,00 DM entstehen. Zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer (240,00 DM) und 10 % für Bauaufsicht (174,00 DM) ergibt dies einen Betrag von 1.914,00 DM = 978,61 EUR. Der Hilfsantrag hat daher insoweit Erfolg.

Davon abzuziehen sind aber 16 % Mehrwertsteuer aus dem Minderungsbetrag von 2.400,00 DM für die Position 5.11.2.5 (Höhendifferenz zwischen Marmorbelag und Teppichböden in Treppenhäusern), das sind 384,00 DM oder 196,34 EUR. Einem Minderungsbetrag kann nur dann Mehrwertsteuer hinzugeschlagen werden, wenn der Minderung - wie in der Praxis meist üblich - die Kosten für die Nachbesserung zugrunde gelegt werden (vgl. Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, Hdb. des priv. Baurechts, 2. Auflage, § 12 RdNr. 40). Hier wurde der Minderungsbetrag vom Sachverständigen aber im Wege der Schätzung als technischer Minderwert ermittelt.

Daher stehen der Klägerin weitere (978,61 EUR - 196,34 EUR =) 782,27 EUR zu.

Die Klägerin bekam zwar vom Erstgericht aufgrund sachverständiger Beratung für einzelne Position höhere Geldbeträge zugesprochen als jeweils beantragt.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz des "Ne ultra petitum" liegt aber nicht vor, weil entscheidend ist, dass die durch die Saldierung entstehende Schlusssumme die Anträge nicht übersteigt, nicht, ob einzelne Positionen über den von der Klägerin behaupteten Beträgen liegen, vgl. Thomas/Putzo, 25. Aufl., § 308 Rn. 3.

4. Der Rechenfehler von 143,53 EUR, der sich zu Ungunsten der Klägerin durch falsche Addition der im Urteil ausgewiesenen Einzelpositionen ergeben hatte, sowie die beiden weiteren Korrekturen zu Ziffer II und III des Ersturteils waren als offensichtliche Versehen im Sinne von § 319 ZPO zu behandeln. Ziffer III des Tenors des Ersturteils enthält zwar namentlich keine Mangelpositionen. Aus Klarheitsgründen war jedoch im obigen Tenor festzuhalten, dass sich die Freistellung in Ziffer III auch auf die Mängelaufzählung in der berichtigten Fassung bezieht.

5. Die von der Klägerin beantragte Schriftsatzfrist war nicht zu gewähren, weil Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nur Rechtsfragen waren, die auch schon in Schriftsätzen des Beklagten angeschnitten wurden.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 92 Abs. 1, 97 ZPO; der Rechenfehler von 143,53 EUR war bei den Kosten zweiter Instanz nicht zugunsten der Klägerin anzusetzen, weil insoweit nur eine formale Berichtigung erfolgte, die auf die Begründetheit der Berufung ohne Einfluss bleibt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 25, 14, 12 GKG, § 3 ZPO. Auf den Beschluss des Senats vom 19.04.2004 wird Bezug genommen; da zwischen der dort genannten Streitwertsumme und dem im Tenor ausgeworfenen Höchstbetrag kein Gebührensprung liegt, brauchte lediglich eine Obergrenze festgesetzt zu werden.

Ende der Entscheidung

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