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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 09.03.2001
Aktenzeichen: 21 U 4701/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 535
ZPO § 138 III
Dokumentationspflichten von Fahrzeugvermietern

§ 535 BGB; § 138 III ZPO

1. Eine "sekundäre Behauptungslast" zur konkreten Erwiderung trifft den Prozessgegner, wenn ein Sachverhalt substantiiert vorgetragen wurde. Entsprechendes gilt, wenn die nicht beweisbelastete Partei einen Geschehensablauf zulässt, der eine Beweisführung; für die Gegenpartei erheblich erschwert. Die nicht beweisbelastete Partei trifft dann eine Pflicht zur Dokumentation.

2. Dies bedeutet für einen Fahrzeugverleiher; dass er in solchen Fällen (Rückgabe eines Fahrzeugs außerhalb der Öffnungszeiten durch Abstellen des Fahrzeugs beim Vermieter und Einwurf der Schlüssel in Briefkasten) täglich eine Liste der im Briefkasten vorgefundenen Schlüssel erstellen muss. Außerdem ist es zumutbar, dass dokumentiert wird, welche Fahrzeuge auf diese Weise zurückgegeben wurden.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 21 U 4701/00 22 O 10941/98 LG München I

Verkündet am 09.03.2001

Die Urkundsbeamtin: Warmuth Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Klemm und Schmidt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2001 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I, 22. Zivilkammer, vom 27.07.2000 geändert. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts München vom 04.12.1997, Az.: B 057394/98, wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin DM 16.146,25 zuzüglich 10,5 % Zinsen aus DM 10:953,78 seit dem 09.03.1998 und aus weiteren DM 5.192,47 seit dem 09.05.1998 sowie DM 53,11 zu bezahlen.

II. Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 2/5 und er Beklagte 3/5.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Wert der Beschwer der Klägerin im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,-- nicht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten (§§ 511 ff. ZPO), die auf die Verurteilung zur Zahlung der Rechnungen für das Fahrzeug M-XY 2058 vom 27.11.1997, 25.12.1997 und 22.01.1998 in Höhe von insgesamt DM 7.796,30 beschränkt war, ist begründet.

Der Klagepartei steht für die Zeit bis 22.01.1998 kein Mietzinsanspruch gemäß § 535 BGB zu, da die Rückgabe des Fahrzeugs am 30.10.1997 als zugestanden gilt, da die Klagepartei ihrer sekundären Behauptungslast insoweit nicht nachgekommen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß den Beklagten die Beweislast für die Rückgabe des Fahrzeugs trifft (Palandt/Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 556 Rn. 14).

Die Klagepartei hat im Prozeßverlauf behauptet, das Fahrzeug sei erst am 28.01.1998 mit einem Kilometerstand von 13.158 km zurückgegeben worden. Vorgelegt wurden dazu Rechnungskopien vom 30.10.1997 (Übergabe: 02.10.1997, Rückgabe: 30.10.1997, Kilometerstand jeweils 13.158), 27.11.1997 (Übergabe: 30.10.1997, Rückgabe: 27.11.1997, Kilometerstand jeweils 13.158), 25.12.1997 (Übergabe: 27.11.1997, Rückgabe: 25.12.1997, Kilometerstand jeweils 13.158) und 22.01.1998 (Übergabe: 25.12.1997, Rückgabe: 22.01.1998, Kilometerstand jeweils 13.158), die dem Beklagten unstreitig am selben Tag zugingen. Dazu hat die Klägerin ausgeführt, die fehlenden sechs Tage bis zum 28.01.1998 seien auf einer Rechnung für ein anderes Fahrzeug mit enthalten, das der Beklagte ab 28.01.1998 angemietet hatte.

Die von der Klagepartei behauptete Rückgabe am 28.01.1998 wurde durch die von der Klagepartei angebotenen und vom Landgericht vernommenen Zeugen H, B und K nicht bestätigt. Diese Zeugen konnten keinerlei Angaben darüber machen, wie und wann das Fahrzeug konkret wieder in den Besitz der Klägerin gelangt war.

Dagegen hat der für die Rückgabe des Fahrzeugs beweispflichtige Beklagte substantiiert vorgetragen; daß er das Fahrzeug zur Filiale der Klägerin in der Einsteinstraße in München gebracht und die Schlüssel in den dafür vorgesehenen Briefkasten geworfen habe. Als Zeitpunkt nannte der Beklagte den 30.10.1997. Er räumte aber ein, daß die Rückgabe möglicherweise auch erst am 01.11.1997 erfolgt sei.

Der weitere Geschehnisablauf, nämlich das Auffinden oder Nichtauffinden der Schlüssel am 31.10. bzw. 02.11.1997 fand in der Wahrnehmungssphäre der Klägerin statt. Die Klagepartei hat dazu jedoch keine konkrete Erklärung abgegeben, sondern auf die Beweislast des Beklagten verwiesen.

Aus der Wahrheitspflicht, dem Verhandlungsgrundsatz und der Prozeßförderungspflicht folgt, daß sich der Prozeßgegner nicht auf ein bloßes Bestreiten beschränken darf, wenn ein Sachverhalt substantiiert vorgetragen wurde. Ihn trifft die Pflicht zur konkreten Erwiderung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 138 Nr. 8, 8 a). Diese "sekundäre Behauptungslast" des Prozeßgegners der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei besteht immer dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehnisablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozeßgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH NJW 1990, 3151). Entsprechendes muss gelten; wenn die nicht beweisbelastete Partei einen Geschehensablauf zulässt, der eine Beweisführung für die Gegenpartei erheblich erschwert. Die nicht beweisbelastete Partei trifft dann eine Pflicht zur Dokumentation. Dies bedeutet für den Fahrzeugverleiher, dass er in solchen Fällen (Rückgabe eines Fahrzeugs außerhalb der Öffnungszeiten durch Abstellen des Fahrzeugs beim Verleiher und Einwurf der Schlüssel in Briefkasten) täglich eine Liste der im Briefkasten vorgefundenen Schlüssel erstellen muss. Außerdem ist es zumutbar, dass dokumentiert wird, welche Fahrzeuge auf diese Weise zurückgegeben wurden.

Hier wäre es der Klagepartei bei dementsprechender Organisation des Betriebsablaufes wenigstens möglich und zumutbar gewesen darzulegen, daß sich die Schlüssel des Fahrzeugs M-XY 2058 nicht unter den am 31.10.1997 und 02.11.1997 im dafür vorgesehenen Briefkasten vorgefundenen Schlüsseln befunden hatten. Damit hätte die Klagepartei ihre Darlegungslast erfüllt, und die weitere Beweisführung wäre dann wieder Sache des beweispflichtigen Beklagten gewesen (Zöller/Gregor, ZPO, 22. Aufl. vor § 286 Rn. 34). Nachdem hier die Klagepartei ihre sekundäre Behauptungslast jedoch nicht erfüllt hat, gilt die Behauptung des primär darlegungspflichtigen Beklagten als zugestanden im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO (Zöller/Gregor a. a. O.).

Es ist durchaus denkbar, daß eine Person, die Zugang zu dem Betriebsgelände der Klägerin und dem betreffenden Briefkasten hatte, das Fahrzeug bis zum 28.01.1998 genutzt hatte.

Auch bei dem von der Klagepartei vorgetragenen erheblichen Geschäftsumfang ist es durchaus zumutbar und organisatorisch zu bewältigen, die Schlüssel, die außerhalb der normalen Geschäftszeiten in den Briefkasten eingeworfen werden, listenmäßig zu erfassen. Dies ergibt sich schon allein daraus, daß diese Schlüssel ohnehin wieder für eine Weitervermietung vorgehalten werden müssen und deshalb eine organisatorische Erfassung notwendig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92; 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Der Beschwerdewert wurde gemäß § 546 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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