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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 26.11.1999
Aktenzeichen: 23 U 4566/99
Rechtsgebiete: BGB, BeurkG, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 164
BeurkG § 10
BeurkG § 12
GmbHG § 35 Abs. 3
Leitsatz:

Erklärungen eines Geschäftsführers in einer notariellen Urkunde wirken auch dann unmittelbar für und gegen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wenn der Geschäftsführer in der notariellen Niederschrift weder als solcher bezeichnet wird noch mit der Firma der Gesellschaft gezeichnet hat und auch Nachweise über dessen Vertretungsberechtigung nicht der Niederschrift beigefügt worden sind, soweit nur das Handeln für die Gesellschaft offenkundig ist; §§ 10 und 12 des Beurkundungsgesetzes sind lediglich Sollvorschriften, § 35 Abs. 3 GmbHG ist nur Ordnungsvorschrift.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 23 U 4566/99 4 O 535/99 LG München I

Verkündet am 26. November 1999

Die Urkundsbeamtin: Freundorfer Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kreitmair, die Richterin am Oberlandesgericht Vavra und den Richter am Oberlandesgericht Kotschy aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 1999 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten seiner Berufung.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 20.000,-- abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Beschwer des Klägers beträgt DM 200.000,--.

Tatbestand:

Der Kläger fordert vom Beklagten, Dr. S., den Kaufpreis von DM 200.000,-- für Geschäftsanteile an der S.-GmbH zurück.

Die S.-GmbH ist im Handelsregister des Amtsgerichts N. unter B 7703 eingetragen. Über ihr Vermögen wurde am 03.08.1998 das Konkursverfahren eröffnet. Ihr Stammkapital betrug DM 414.000,--. Es wurde zunächst von R., M., H. und dem Beklagten gehalten. Alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft war R. Seit 01.01.1996 saß der Kläger in deren Beirat ein. Die "Verfügung über Geschäftsanteile" an der S.-GmbH ist in § 6 der Satzung der Gesellschaft wie folgt geregelt:

"Die Verfügung über einen Geschäftsanteil oder einen Teil eines Geschäftsanteils, insbesondere Abtretung oder Verpfändung, ist nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung möglich. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte zwischen den Gesellschaftern. Diese Regelung gilt entsprechend für die Bestellung eines Nießbrauchs sowie für die Einräumung von Unterbeteiligungen, auch in Teilanteilen. Über die Erteilung der Zustimmung beschließt die Gesellschafterversammlung innerhalb einer Frist von 4 Wochen. Der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht. § 17 GmbHG bleibt unberührt.

Ansprüche eines Gesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis, die nach den gesetzlichen Vorschriften abtretbar sind, können nur mit Zustimmung der Gesellschaft nach Maßgabe eines Gesellschafterbeschlusses, bei dem der abtretungswillige Gesellschafter Stimmrecht hat, abgetreten werden.

Für jeden Veräußerungsfall steht den Gesellschaftern entsprechend dem Verhältnis ihre Beteiligung an dem Gesellschaftsvermögen ein Vorkaufsrecht zu. Der veräußerungswillige Gesellschafter hat die übrigen Gesellschafter durch eingeschriebenen Brief unter Übersendung des mit dem Dritten geschlossenen Vertrages über dessen Inhalt zu informieren und aufzufordern, innerhalb einer Frist von 2 Monaten, gerechnet vom Tag der Absendung des eingeschriebenen Briefes, zu erklären, ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen oder nicht. Wird von dem Vorkaufsrecht nicht Gebrauch gemacht, so ist der veräußerungswillige Gesellschafter vorbehaltlich der Zustimmung der Gesellschafterversammlung in der Verfügung frei." (Anlage K 2)

Am 16.01.1998 fanden sich vor dem Notar in N. die Gesellschafter R., M. und der Beklagte sowie Rechtsanwältin V. unter Übergabe einer schriftlichen Vollmacht des Gesellschafters H. ein. Danach war Rechtsanwältin V. bevollmächtigt, diesen "zu vertreten beim Erwerb eines Teilgeschäftsanteiles an vorbezeichneter Gesellschaft in Höhe von DM 21.000,-- von Herrn Dr. S. zum Kaufpreis von DM 100.000,--.

Diese Vollmacht umfaßt die Erklärung der nach § 6 der Satzung erforderlichen Zustimmung zur Veräußerung von Geschäftsanteilen und des Verzichts auf das in § 6 Ziffer 3 der Satzung vorgesehene Vorkaufsrecht zu meinen Gunsten für die weiteren Geschäftsanteilsabtretungen." (Anlage K 1)

Zudem war Rechtsanwältin V. von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. R. "handelnd in eigenem Namen" als auch als Vertreter ohne Vertretungsmacht für den Kläger, der Beklagte, der Gesellschafter M. und Rechtsanwältin V. "handelnd aufgrund dieser Urkunde beigefügten Vollmacht für H." schlossen sodann einen "Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag" zur Urkunde UR-Nr. Re 103/1998 des Notars (Anlage K 1). In "I. Vorbemerkung" hierin wurde neben anderen Angaben zur S.-GmbH aufgeführt, daß R. deren alleiniger Geschäftsführer ist. Gemäß § 1.1 des Vertrages teilte der Beklagte seinen Geschäftsanteil an der S.-GmbH von nominal DM 49.000,-- in zwei Teilgeschäftsanteile von nominal DM 28.000,-- und nominal DM 21.000,--. Letzteren übertrug er in § 1.2 auf den Gesellschafter H.. Ersteren sowie einen weiteren Geschäftsanteil von nominal DM 14.000,-- trat er nach § 1.3 und § 2.1 an den Kläger zum Preis von DM 200.000,-- ab. Weiter erwarb der Kläger nach § 1.4 vom Gesellschafter M. dessen Anteile von nominal DM 14.000,-- und DM 49.000,-- an der S.-GmbH. Gemäß "§ 3 Zustimmung" wurde sodann folgendes erklärt:

"Die nach § 6 der Satzung erforderliche Zustimmung zur Veräußerung von Geschäftsanteilen wird hiermit erteilt; jeder Gesellschafter verzichtet auf das in § 6 Ziffer 3 der Satzung vorgesehene Vorkaufsrecht.

Die Zustimmung der Gesellschaft zur Teilung eines Geschäftsanteils nach § 17 GmbHG wird ebenfalls erteilt."

Der Kläger hat den Vertrag am 18.01.1998 vor dem Notar genehmigt und am 23.01.1998 wie im Vertrag vorgesehen den Kaufpreis von DM 200.000,-- geleistet.

Der Kläger will nun diesen Betrag zurück haben. Er hält den Vertrag vom 16.01.1998 für unwirksam. Da R. nur "in eigenem Namen" gehandelt habe, fehle es einmal an der erforderlichen Zustimmung des Geschäftsführers der Gesellschaft und damit an deren Genehmigung der Teilung des Geschäftsanteils des Beklagten über nominal DM 49.000,-- nach § 17 Abs. 1 GmbHG. Zum anderen beziehe sich die Vollmacht für Rechtsanwältin V. nur auf den Erwerb des Gesellschafters H. selbst, weshalb auch die nach § 6 der Satzung erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Abtretung der Geschäftsanteile nicht vorliege.

Der Beklagte hält dagegen den Vertrag vom 16.01.1998 für wirksam und bestreitet eine Verpflichtung zur Rückgewähr der erhaltenen DM 200.000,--.

Das Landgericht München I ist nach Einvernahme der Gesellschafter M. und R. sowie der Rechtsanwältin V. als Zeugen von wirksamen Zustimmungen zur Teilung des Geschäftsanteiles des Beklagten über nominal DM 49.000,-- und zur Abtretung von Geschäftsanteilen an den Kläger ausgegangen und hat am 22.06.1999 die Klage abgewiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Im übrigen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 22.10.1999 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückgewähr der für die abgetretenen Anteile an der S.-GmbH geleisteten DM 200.000,-- nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB verneint; der notarielle "Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag" vom 16.01.1998 ist nicht unwirksam.

1. Die nach § 17 Abs. 1 GmbHG erforderliche Genehmigung zur Teilung des Geschäftsanteils des Beklagten über nominal DM 49.000,-- durch die Gesellschaft ist in § 3 Abs. 2 des notariellen Vertrages vom 16.01.1998 wirksam erteilt worden.

a) Der Vertrag ist von R. auch in seiner Eigenschaft als alleiniger Geschäftsführer der S.-GmbH unterzeichnet worden.

Die in § 3 Abs. 2 des notariellen Vertrages vom 16.01.1998 erteilte "Zustimmung der Gesellschaft zur Teilung eines Geschäftsanteiles nach § 17 GmbHG" ist nach Unterschrift von R. unter den Vertrag der S.-GmbH zuzurechnen. So ist R. nicht nur in der Vorbemerkung zu den einzelnen Vertragsbestimmungen als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft ausdrücklich aufgeführt worden, als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft konnte auch nur er gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG eine solche Genehmigung nach § 17 Abs. 1 GmbHG aussprechen. Gegen eine solche an den § 133 und 157 BGB orientierte Auslegung des notariellen Vertrages spricht nicht, daß gemäß der Feststellung eingangs der notariellen Urkunde R. nur "in eigenem Namen" handelte. Eine solche Feststellung kann nur in Abgrenzung zur Vertretung des Klägers durch R. als zunächst vollmachtsloser Vertreter verstanden werden. Sonst hätte weder die Nennung von R. als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft noch die Erteilung der Zustimmung in § 3 Abs. 2 GmbHG einen Sinn gehabt. Dieses Verständnis des Vertrages scheitert auch nicht an den Vorschriften der § 10 und 12 BeurkG. Nach § 10 Abs. 1 BeurkG soll vom Notar in der Niederschrift die Person der Beteiligten so genau bezeichnet werden, daß Zweifel und Verwechslungen ausgeschlossen sind. Gemäß § 12 Satz 1 BeurkG sollen Ausweise über die Berechtigung eines gesetzlichen Vertreters in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift der Niederschrift beigefügt werden. Allerdings genügt nach § 12 Satz 2 BeurkG eine Bescheinigung des Notars nach § 21 BNotO hierüber, wenn sich die Vertretungsberechtigung aus dem Handelsregister ergibt. Sowohl § 10 als auch § 12 BeurkG sind im Vertrag vom 16.01.1998, wie der Beklagte zutreffend moniert, insofern nicht eingehalten worden, als es sich danach angezeigt hätte, das Handeln von R. auch für die S.-GmbH bereits eingangs der notariellen Niederschrift zu vermerken. Bei beiden Vorschriften handelt es sich im Gegensatz zu anderen Vorschriften des Beurkundungsgesetzes aber schon vom Wortlaut her nur um Sollvorschriften. Ihre Nichtbeachtung berührt daher nicht die Qualität der notariellen Niederschrift als öffentliche Urkunde; die darin enthaltenen Erklärungen sind mithin auch nicht unwirksam (Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Aufl., 1999, Rn. 21 zu § 10 und Rn. 32 zu § 12 i. V. m. Einl. 13; siehe auch BGH NJW 1998, 3790, 3791). Zudem ist § 35 Abs. 3 GmbHG, wonach der Geschäftsführer bei Zeichnung für die Gesellschaft zu der Firma der Gesellschaft seine Namensunterschrift beizufügen hat, lediglich Ordnungsvorschrift (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, Rn. 21 zu § 35). Vielmehr kommt es im Rahmen der Vertretung nach dem in § 164 BGB normierten Offenkundungskeitsprinzip allein darauf an, daß der Vertreter erkennbar im Namen des Vertretenen auftritt, damit das vorgenommene Geschäft unmittelbare Wirkung für den Vertretenen zeitigt. Dies ist, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, der Fall. In vergleichbarer Weise geht ja auch bei einem sog. unternehmensbezogenen Geschäft der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, daß der Betriebsinhaber Vertragspartner werden soll, wenn nur der Handelnde sein Auftreten für ein Unternehmen hinreichend deutlich macht (BGH NJW 1995, 43, 44; NJW-RR 1997, 527, 528).

b) Die formellen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 GmbHG an die Erteilung einer Genehmigung sind vorliegend durch die notarielle Urkunde erfüllt (§ 126 Abs. 3 BGB).

2. Die nach § 6 Abs. 1 der Satzung der S.-GmbH in Verbindung mit § 15 Abs. 5 GmbHG erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Übertragung der Geschäftsanteile auf den Beklagten ist in § 3 Abs. 1 des notariellen Vertrages vom 16.01.1998 wirksam erteilt worden.

a) Eine Gesellschafterversammlung kann nach § 51 Abs. 3 GmbHG in der Form der Universalversammlung auch ohne Einhaltung besonderer Förmlichkeiten wie der Einberufung nach den §§ 48 Abs. 1 und 49 GmbHG abgehalten werden, wenn alle Gesellschafter daran widerspruchslos mitwirken (vgl. BGH MDR 1999, 1145). Die Zusammenkunft aller Gesellschafter der S.-GmbH vor dem Notar am 16.01.1998 erfüllt diese Voraussetzungen, da der Gesellschafter H. in Übereinstimmung mit § 47 Abs. 3 GmbHG aufgrund der schriftlichen Vollmacht für Rechtsanwältin V. wirksam vertreten worden ist.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers umfaßte die Vollmacht des Gesellschafters H. für Rechtsanwältin V. auch die mit deren Unterschrift erteilte Zustimmung nach § 6 Abs. 1 der Satzung zu den "weiteren Geschäftsanteilsabtretungen" im notariellen Vertrag vom 16.01.1998; sie war nicht darauf beschränkt, den Gesellschafter H. beim Erwerb eines Teilgeschäftsanteiles zu vertreten. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vollmacht. Die dort ausdrücklich genannten "weiteren Geschäftsanteilsabtretungen" lassen sich schon sprachlich nicht auf den Erwerb eines Geschäftsanteiles durch den Gesellschafter H. beziehen. Darüber hinaus bestimmt die Satzung der S.-GmbH in § 6 in Verbindung mit § 17 Abs. 3 GmbHG, daß eine Zustimmung zu Verfügungen über Geschäftsanteile oder Teile hiervon zugunsten von Gesellschaftern nicht erforderlich ist. Mithin kann sich die laut Vollmacht umfaßte "Erklärung der nach § 6 der Satzung erforderliche Zustimmung" gerade nicht auf den Erwerb eines Teilgeschäftsanteiles durch den Gesellschafter H. vom Beklagten beziehen. Im übrigen bestreitet der Kläger nicht die Richtigkeit der Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen, daß es allen im Notartermin vom 16.01.1998 erschienenen Gesellschaftern und Rechtsanwältin V. klar war, um welche Geschäftsanteilsabtretungen es gehen sollte.

Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Wert der Beschwer: § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit §§ 3, 5 und 6 ZPO.

Ende der Entscheidung

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