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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 25 W 2462/07
Rechtsgebiete: EuGVVO
Vorschriften:
EuGVVO Art. 34 Ziff. 2 |
2. Wenn die Beklagte ihren Sitz innerhalb eines Ortes unter einer mit der alten Anschrift in hohem Maße verwechslungsfähigen neuen Anschrift verlegt, muss sie durch geeignete Maßnahmen, etwa einen Postnachsendeauftrag sicherstellen , dass sie Zustellungen unter der neuen Anschrift erreichen.
Aktenzeichen: 25 W 2462/07
In dem Rechtsstreit
wegen Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels
erlässt der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B..., Richter am Oberlandesgericht Dr. B und Richter am Oberlandesgericht F... ohne mündliche Verhandlung am 11.12.2007 folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Deggendorf vom 13.02.2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Auf Antrag der Beschwerdegegnerin hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Deggendorf mit Beschluss vom 13.02.2007 angeordnet, dass die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts K, Az. 15.G.22.087/2005/11 vom 26.04.2006 zugelassen wird und mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die vollstreckbare Verpflichtung dieses Titels lautet: "Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin 19.241,41 € nebst 2 % Verzugszinsen seit dem 07.09.2005 sowie die Prozesskosten von 594.000,-- HUF zu bezahlen". Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf diese Entscheidung (Blatt 3/5 d.A.) Bezug genommen. Die daraufhin am 26.2.2007 von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erteilte Vollstreckungsklausel wurde zusammen mit dem Beschluss vom 13.02.2007 nebst einer beglaubigten Abschrift des Schuldtitels der Antragsgegnerin am 20.02.2007 zugestellt. Sie hat gegen den Beschluss vom 13.02.2007 mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.03.2007, eingegangen am 07.03.2007 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Antrag auf Vollstreckbarerklärung habe zumindest zugestellt werden müssen. Dies sei unstreitig nicht erfolgt Auch sei dem Beklagten das ungarische Versäumnisurteil zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden. Dieses sei aller Voraussicht nach der zwischenzeitlich ausgegründeten Firma K.. GmbH in G..., B..., zugestellt worden. An dieser Firma sei der Geschäftsführer der Beklagten weder beteiligt noch geschäftsführend tätig. Die K... GmbH sei nicht Rechtsnachfolgerin der Antragsgegnerin. Diese beabsichtige gegen das Versäumnisurteil Einspruch einzulegen. Die Antragstellerin möge das Versäumnisurteil ordnungsgemäß zustellen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 06.04.2007 (Blatt 7/9 d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26.9.2007 ( Bl.22/23 d.A.) Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 27.03.2007 Stellung genommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Blatt 10 d.A. Bezug genommen.
II.
1. Auf den vorliegenden Fall findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (im folgenden EuGVVO) Anwendung da diese am 01.03.2002 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 66 I, 76 EuGVVO) und die für vollstreckbar zu erklärende Entscheidung am 26.04.2006 und damit nach diesem Zeitpunkt erlassen worden ist.
2. Die gemäß § 43 Abs. 1, 2 EuGVVO statthafte Beschwerde wurde innerhalb der in Art. 43 Abs. 5 Satz 1 EuGVVO vorgesehenen einmonatigen Beschwerdefrist frist- und formgerecht eingelegt.
3. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin hat keine Anerkennungshindernisse im Sinne von Art. 34, 35 EuGVVO nachgewiesen, dies gilt insbesondere auch für das Anerkennungshindernis des Art. 34 Ziffer 2 EuGVVO. Sie macht zwar geltend, die Ladung sei an den alten Geschäftssitz der KG in der G...straße 7 in B.... zugestellt worden unter der jetzt die K... GmbH ihrer Sitz habe und nicht an die neue Anschrift in G... 7 in B.... Dies genügt im vorliegenden Fall jedoch nicht, um ein Anerkennungshindernis im Sinne von Art. 34 Ziffer 2 EuGVVO darzulegen. Aus der mit der Beschwerde vom 6.3.2007 vorgelegten Korrespondenz mit dem in Ungarn mandatierten Prozessbevollmächtigten ergibt sich, dass die Antragsgegnerin jedenfalls Kenntnis von dem in Ungarn anhängigen gerichtlichen Verfahren hatte. Wann sie diese Kenntnis erlangt hat, gibt sie nicht an. Sollte sie diese Kenntnis infolge der Verlegung ihres Sitzes innerhalb von B... erst verspätet erlangt haben, wäre ihr dies zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann das verfahrenseinleitende Schriftstück auch dann "rechtzeitig" zugestellt worden sein, wenn die versuchte Zustellung deswegen nicht zu bewirken war, weil der Aufenthalt des Beklagten - aus von ihm zu vertretenden Gründen - unbekannt war. Rechtliches Gehör wird dem Beklagten bereits dann gewährt, wenn für ihn normalerweise die Möglichkeit bestand, sich zu verteidigen. Insoweit sind alle Umstände des Falles abzuwägen. Insbesondere kann regelmäßig vermutet werden, dass eine Zustellung an die letzte bekannte Anschrift rechtzeitig erfolgt ist, wenn die neue Adresse des Beklagten unbekannt war (EuGH RIW/AWD 1985, 967, 970 unter Nr. 31). Das Gericht des Vollstreckungsstaates darf ein dem Beklagten zurechenbares Verhalten als einen der Umstände berücksichtigen, anhand deren es feststellen kann, ob die Zustellung rechtzeitig erfolgt ist (EuGH RIW/AWD 1985, 967, 970 unter 32). Mit dieser Regelung soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es in den verschiedenen Vertragsstaaten des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Systeme fiktiver Zustellungen gibt, die Anwendung finden, wenn der Wohnsitz des Beklagten unbekannt ist, und die in unterschiedlichem Maße fiktive Rechtsfolgen vorsehen (vgl. BGH NJW 1992,1239). Die beiden vorgenannten Anschriften sind in hohem Maß verwechslungsfähig, was sich bereits daraus ergibt, dass selbst dem Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin eine Verwechslung unterlaufen ist, indem er die Anschrift der K.. GmbH im Schriftsatz vom 6.3.2007 (S.2; Bl. 8 d.A.) mit G... 7, B... angab. Die Antragsgegnerin hätte daher durch geeignete Maßnahmen, etwa einen Postnachsendeauftrag sicherstellen müssen, dass sie Zustellungen unter der neuen Anschrift sicher erreichen. Ob sie dies getan hat, wofür immerhin spricht, dass ihr die angefochtene Entscheidung so rechtzeitig zugegangen ist, dass sie fristgemäß Beschwerde einlegen konnte, braucht nicht weiter aufgeklärt zu werden, da- wie dargelegt- in beiden Sachverhaltsvarianten ein Anerkennungshindernis nicht anzunehmen ist
4. Ob ihr die vollstreckbar zu erklärende Entscheidung vor der Entscheidung des Erstgerichts zugestellt wurde, kann dahingestellt bleiben, denn es reicht aus, dass der Titel zusammen mit dem die Vollstreckbarkeit anordnenden Beschluss zugestellt wird (BGH NJW-RR 05 295; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. A. Art. 38 EuGVVO, Rn. 7). Die Rechtskraft der zu vollstreckenden Entscheidung ist nicht erforderlich (Thomas/Putzo/Hüßtege a.a.O. Art. 34 Rn 2). Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung musste dem Antragsgegner auch vor der Entscheidung nicht zugestellt werden. § 6 Abs. 1 AVAG ordnet ausdrücklich an, dass die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen Titeln ohne Anhörung des Verpflichteten ergeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Eine Entscheidung über den Gegenstandswert ist entbehrlich.
Eine Entscheidung über die zulässige Rechtsbeschwerde ist wegen § 15 Abs. 1 AVAG nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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