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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 29 U 2390/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 723 Abs. 2 S. 2
ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
Ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Unterlassungsanspruches setzt regelmäßig eine Anspruchsberühmung des Beklagten voraus. Mit dem Hinweis auf die Gefahr einer drohenden Unterlassungsklage umgekehrten Rubrums in den USA lässt es sich nicht begründen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 2390/01

Verkündet am 22. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Retzer und Jackson und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.12.2000 - 1 HKO 18524/00 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Klägerinnen übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerinnen erstreben mit der Klage die Feststellung, dass der Vertrieb eines Produktes der Klägerin zu 1) durch die Klägerin zu 2) in den Vereinigten Staaten von Amerika sich aus amerikanischem Recht ergebende Rechte der Beklagten nicht verletzt.

Die Beklagte vertreibt in den USA ein dort unter Patentschutz stehendes Pipettiergerät (ein Gerät, dass mit Hilfe einer Pipette labortechnisch zu untersuchende Flüssigkeiten programmgesteuert in bzw. auf verschiedene Untersuchungsgefäße bzw. -träger verteilt). Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung "K" auch die zugehörigen, nicht unter Patentschutz stehenden Pipetten (Abbildungen: Anl. K 2). Solche Pipetten haben unter der Bezeichnung "R" (Abbildungen: Anl. K 1) auch die Klägerin zu 1) (nach ihrer Behauptung als Herstellerin) und die Klägerin zu 2) (nach ihrer Behauptung als Vertriebsunternehmen) sowie andere Hersteller im Wettbewerb zur Beklagten in den USA vertrieben. Die Beklagte hat in Jackson/USA Klage gegen die Klägerinnen erhoben und unter Berufung auf amerikanisches Markenrecht - den Lanham Act - geltend gemacht, die Klägerinnen verletzten durch den erwähnten Vertrieb von Pipetten für das Pipettiergerät der Beklagten das Recht der Beklagten am "Trade Dress" für ihre Pipetten. Die Beklagte obsiegte in diesem Rechtsstreit (Urteil vom 30.6.2000 in Kopie und deutscher Übersetzung: Anlagen K 8, K 9). Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen Berufung eingelegt.

Die Klägerin zu 1) hat die von ihr vertriebenen Pipetten daraufhin geändert (Abbildungen: Anl. K 3); sie ist der Auffassung, dass jedenfalls die geänderten Pipetten in das Recht der Beklagten am "Trade Dress" für ihre Pipetten nach amerikanischem Markenrecht nicht eingreifen. Mit Schreiben vom 27.07.2000 (Anlage K 4) hat die Klägerin zu 1) der Beklagten Muster der geänderten Pipette übersandt "mit der Bitte um umgehende Rückäußerung, ob sie, wenn diese R in USA vertrieben würden, darin eine Verletzung des K-trade-dress erblicken würden". Die Beklagte ließ mit Schreiben ihrer amerikanischen Anwälte vom 18.08.2000 (Anlage K 5) eine Stellungnahme verweigern und sich alle Rechte vorbehalten.

Die Klägerin hat weiter behauptet, in einem in der dritten November-Woche des Jahres 2000 zwischen Herrn R und dem Geschäftsführer der Beklagten geführten Telefonat habe letzterer angekündigt, dass die Beklagte "selbstverständlich gegen die neuen R wieder vorgehen wolle".

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die Beklagte sei aus dem durch den Rechtsstreit in den USA begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis verpflichtet, zu der im Schreiben vom 27.07.2000 aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen. Im Übrigen habe die Beklagte sich sowohl im Schreiben vom 18.08.2000 wie auch in dem Telefonat im November 2000 eines Unterlassungsanspruches hinsichtlich des Vertriebs der geänderten Pipetten mit hinreichender Deutlichkeit berühmt. Daraus ergebe sich in Verbindung mit der Tatsache, dass die Klägerinnen auf den Vertrieb der Pipetten in den USA dringend angewiesen seien, ein rechtliches Interesse der Klägerinnen daran, dass die Zulässigkeit des Vertriebes der geänderten Pipetten festgestellt werde.

Die Klägerinnen haben beantragt,

festzustellen, dass die im

Anlagenkonvolut K3

abgebildeten Pipetten der Klägerinnen in den Größen 0,05 ml, 0,5ml, 1,25 ml, 2,5 ml, 5,0 ml, 12,5 ml, 25ml und 50ml bei Vertrieb auf dem US-amerikanischen Markt keine Kennzeichenrechte ("trade-dress"- Rechte nach dem US-amerikanischen Markengesetz "Trade Mark Law", auch als "Lanham Act" bezeichnet) der Beklagten verletzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, das Landgericht München I sei örtlich und international zur Entscheidung für den Rechtsstreit nicht zuständig. Die Klage sei aber auch mangels eines Feststellungsinteresses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Denn mit einer Anerkennung des erstrebten Feststellungsurteils in den USA sei nicht zu rechnen. Die Beklagte habe sich auch hinsichtlich der geänderten Pipetten keines Unterlassungsanspruches gegenüber den Klägerinnen berühmt; den Inhalt des erwähnten Telefonats hat die Beklagte bestritten. Die Klägerinnen müssten über die Markteinführung des neuen Produkts auf eigenes Risiko entscheiden und könnten die Entscheidung nicht auf die Beklagte oder die Gerichte abwälzen; die Beklagte sei zur Prüfung des neuen Produkts der Klägerin und zur Äußerung dazu nicht verpflichtet.

Das Landgericht hat zum Inhalt des erwähnten Telefonats Beweis erhoben und durch das angefochtene Urteil die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die negative Feststellungsklage bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Beklagte sich bezüglich der streitgegenständlichen Pipetten eines Unterlassungsanspruches gegenüber der Klägerin nicht berühmt habe. Dies könne insbesondere hinsichtlich des Telefonats nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Zudem könne das begehrte Urteil eine erneute Verletzungsklage der Beklagten gegen die Klägerin vor einem amerikanischen Gericht nicht verhindern, da mit einer Anerkennung des Urteils in den USA nicht gerechnet werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerinnen. Sie machen erneut geltend, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 18.08.2000 (Anlage K 2) eine massive Rechtsunsicherheit geschaffen. Hinsichtlich des Telefonats vom November 2000 habe das Landgericht die erhobenen Beweise falsch gewürdigt: Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber dem Zeugen R geäußert habe, er sehe große Probleme, wenn die Klägerin die Pipetten in der geänderten Form in den USA vertrieben, da seine juristischen Berater ihm erklärt hätten, dass auch die neue Form gegen die im Urteil vom 30.06.2000 genannten Verbote verstoßen würde. Im Ergebnis habe sich die Beklagte damit - insbesondere durch den Vorbehalt aller Rechte - eines Unterlassungsanspruches gegenüber den Klägerinnen hinsichtlich der streitgegenständlichen Pipetten berühmt. Zudem treffe die Beklagte nach Treu und Glauben aus der durch den in den USA geführten Rechtsstreit begründeten Sonderbeziehung eine Pflicht zur Äußerung zu dem geänderten Produkt der Klägerinnen. Die Klägerinnen befänden sich in einer Zwangslage: Sie müssten entweder das neue Produkt mit hohem Risiko (eines Rechtsstreits mit der Beklagten) in den Markt einführen oder sich gänzlich aus dem Markt zurückziehen; eine vernünftige Entscheidung erfordere daher eine Äußerung der Beklagten. Die bestehende Ungewissheit begründe ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an der begehrten Feststellung. Die fehlende Bindungswirkung des begehrten Urteils für die amerikanischen Gerichte stehe dem nicht entgegen; die Klägerinnen könnten nach einem Obsiegen im vorliegenden Rechtsstreit einem anders lautenden Urteil eines amerikanischen Gerichtes dann immerhin bei der Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland das hier erstrittene Urteil entgegenhalten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 11.10.2001 haben die Klägerinnen vorgetragen, dass sie das streitige Produkt inzwischen - unbestritten - auf dem amerikanischen Markt vertreiben. Ergänzend haben sie geltend gemacht, sie hätten ein rechtliches Interesse auch daran, dass festgestellt werde, dass dieser Vertrieb nicht gegen den sehr weit gefassten Tenor des Verbotsausspruches im Urteil vom 30.06.2000 (Anlage K 8, Seite 6, Abs. 2; Deutsche Übersetzung: Anlage K 9, Seite 4, letzter Absatz) verstoße.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die im

Anlagenkonvolut K 3

abgebildeten Pipetten der Klägerinnen in den Größen 0,05 ml, 0,5 ml, 1,25 ml, 2,5 ml, 5,0 ml, 12,5 ml, 25 ml und 50 ml bei Vertrieb auf dem US-amerikanischen Markt keine Kennzeichnungsrechte ("trade-dress"- Rechte nach dem US-amerikanischen Markengesetz "Trade Mark Law", auch als Lanham Act" bezeichnet) der Beklagten verletzen, insbesondere keinen Verstoß gegen das Endurteil des United States District Court für den südlichen Gerichtsbezirk von Mississippi vom 31.10.2000, Az. 3; 98cv797HN darstellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil: Weder im Schreiben vom 18.08.2000 noch im Telefonat vom November 2000 habe die Beklagte sich, selbst wenn man die Aussage des Zeugen Ritter als zutreffend unterstelle, eines Anspruchs des streitigen Inhaltes gegenüber den Klägerinnen berühmt. Auch aus der vorangegangenen Auseinandersetzung lasse sich eine Erklärungspflicht der Beklagten zu der von den Klägerinnen aufgeworfenen Frage nicht herleiten.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerinnen erweist sich als unbegründet.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines. Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Danach kann, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen, auch das Nichtbestehen eines sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebenden Unterlassungsanspruches Gegenstand einer negativen Feststellungsklage sein. Das Rechtsverhältnis darf allerdings nicht zukünftig, es muss vielmehr gegenwärtig sein; daran, dass diese Voraussetzung vorliegt, kann, nachdem die Klägerinnen den Vertrieb der streitigen Pipetten inzwischen aufgenommen haben, jedenfalls jetzt kein Zweifel mehr bestehen. Der Antrag der Klägerinnen betrifft somit das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO.

Das nach der genannten Bestimmung erforderliche rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung besteht, wenn der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Ungewissheit droht und das Urteil infolge seiner Rechtskraftwirkung geeignet ist, diese zu beseitigen. Eine Ungewissheit in diesem Sinne liegt nicht schon in der generell für jedermann bei der Beurteilung mehr oder weniger schwieriger Rechtslagen bestehenden Unsicherheit, insbesondere etwa in der Ungewissheit, die besteht, wenn jemand ein neues Produkt in den Markt einführt und er nicht sicher ist, ob dieses ein ihm bekanntes fremdes Schutzrecht verletzt. Die gemäß § 256 Abs. 1 erforderliche Ungewissheit entsteht vielmehr regelmäßig aus einer vom Beklagten aufgestellten Bestandsbehauptung hinsichtlich der vom Kläger verneinten Rechtslage; der Beklagte muss sich eines Anspruches "berühmen". Dies muss nicht notwendig ausdrücklich geschehen; ein Schweigen oder passives Verhalten genügt jedoch in der Regel nicht, es sei denn, der Kläger kann aufgrund vorangegangenen Verhaltens nach Treu und Glauben eine ihn sicherstellende Erklärung erwarten (BGH NJW 1992, 436/437 li. Sp.; BGH NJW 95, 2032/2033 re. Sp.; BGH WRP 2001, 1231/1232; Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 256, Rdnr. 7, 14 a; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 256, Rdnr. 13, jeweils m.w.N.). Es genügt, wenn geltend gemacht wird, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen, deren Eintritt noch ungewiss ist, ein Anspruch ergeben; demgegenüber enthält die bloße Ankündigung, unter bestimmten Voraussetzungen in eine Prüfung eintreten zu wollen, ob ein Anspruch besteht, noch keinen ernsthaften und hinreichend bestimmten Eingriff in die Rechtssphäre des Klägers, der ein alsbaldiges Interesse an gerichtlicher Klärung eines Rechtsverhältnisses der Parteien zu begründen vermag (BGH NJW 1992, 436/437). Das Feststellungsinteresse ist - auch unter dem Gesichtspunkt, dass das erstrebte Urteil nicht geeignet ist, infolge seiner Rechtskraftwirkung die bestehende Unsicherheit zu beseitigen - zu verneinen, wenn nicht zu erwarten ist, dass das Feststellungsurteil eine gesicherte Grundlage der Anerkennung des vor anderen Behörden zu verfolgenden Anspruchs schaffen werde (BGHZ 32, 173/177).

Nach diesen Grundsätzen besteht für die Klägerinnen kein rechtliches Interesse an der begehrten alsbaldigen Feststellung.

a) Dem Schreiben vom 18.08.2000 (Anlage K 5) kann eine Anspruchsberühmung nicht entnommen werden. Schon der isolierte letzte Satz, auf den die Klägerinnen abstellen und durch den die Anwälte der Beklagten dieser "alle Rechte in dieser Angelegenheit für den Fall, dass Ihre Klienten in den Vereinigten Staaten die geänderten Pipetten herstellen und verkaufen sollten", vorbehielten, enthält eine solche Berühmung nicht. Schon der gedankliche Ausgangspunkt der Klägerinnen, man könne sich nur Rechte vorbehalten, die man habe, trifft nicht zu; man kann sich auch Rechte vorbehalten, deren Bestehen man für möglich, aber zweifelhaft hält. Die gewählte Formulierung besagt nur, dass die Beklagte im damaligen Zeitpunkt nicht bereit war, auf Rechte zu verzichten und sich die Möglichkeit offen halten wollte, eventuell bestehende Rechte im Falle der Aufnahme der Herstellung und des Vertriebs der Pipetten durch die Klägerinnen zu prüfen und geltend zu machen. Dass diese Auslegung zutrifft ergibt sich erst recht bei Einbeziehung der übrigen Sätze, in denen sich die Anwälte weigerten, eine Stellungnahme zu der Frage abzugeben, ob das geänderte Design der Pipetten Rechte der Beklagten verletze und in denen sie darauf hinwiesen, dass sie keine Verpflichtung (der Beklagten) sähen, dass Design "abzusegnen" oder Widerspruch dagegen zu erheben, in die Auslegung des Schreibens. Dem Schreiben kann daher eine Anspruchsberühmung und damit die Begründung einer gegenwärtigen Gefahr für das Recht der Klägerinnen, die Pipetten zu vertreiben, nicht entnommen werden.

b) Gleiches gilt für das zwischen dem Zeugen R und dem Geschäftsführer der Beklagten im November 2000 geführte Telefongespräch. Dabei kann die Aussage des Zeugen R (Protokoll vom 20.12.2000, Seite 3) als richtig unterstellt werden. Nach dieser Aussage hat der Geschäftsführer der Beklagten gesagt, er sehe große Probleme, wenn die Klägerinnen den Vertrieb der geänderten Pipetten aufnähmen, da seine juristischen Berater ihm erklärt hätten, dass auch die neuen Form gegen die im Urteil genannten Verbote verstoße. Nachdem anschließend die Gesprächspartner ihre Meinungen über die beiderseitigen Anwälte ausgetauscht hatten, erklärte der Geschäftsführer ergänzend, es unterliege nicht seiner alleinigen Entscheidung, "hierüber" - also über die Geltendmachung von Rechten gegenüber den geänderten Pipetten durch die Beklagte - zu entscheiden. Der Geschäftsführer der Klägerin hat dem Zeugen somit die Rechtsauffassung der Anwälte der Beklagten mitgeteilt, ohne dazu eine eigene Auffassung zu vertreten, und ergänzend angemerkt, er könne über die Frage des Vorgehens gegen die Klägerinnen nicht allein entscheiden. Die von dem Zeugen R bezeugte Aussage des Geschäftsführers der Beklagten ging damit inhaltlich nicht über den bereits im Schreiben vom 18.08.2000 enthaltenen Vorbehalt der Rechte für die Beklagte hinaus; sie enthielt weder die definitive Behauptung des Bestehens von Rechten der Beklagten noch die Drohung, solche geltend machen zu wollen. Unabhängig davon teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass die Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten zulässig und sachgerecht war und dass dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht hinreichend sicher die Richtigkeit der Aussage des Zeugen R entnommen werden kann; es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Gesprächspartner hinsichtlich der Pipetten, über die sie sich unterhielten, "aneinander vorbei geredet" und von unterschiedlichen Entwicklungen gesprochen haben.

c) Auch unter Hinweis auf den vorangegangenen Rechtsstreit zwischen den Parteien lässt sich ein Feststellungsinteresse für die vorliegende Klage nicht begründen. Es kann ohne Bedenken davon ausgegangen werden, dass ein Rechtsstreit zwischen den Parteien nach Treu und Glauben Rücksichtspflichten zu begründen in der Lage ist; so gilt auch in Bezug auf Rechtsstreitigkeiten und deren Durchführung - insbesondere etwa in der Zwangsvollstreckung - das allgemeine Schikaneverbot. Aus einem Rechtsstreit um einen bestimmten Streitgegenstand lässt sich jedoch eine Verpflichtung der Klägerin, die Beklagte hinsichtlich eines anderen Streitgegenstandes durch eine Stellungnahme der hier von den Klägerinnen mit Schreiben vom 18.08.2000 erbetenen Art sicherzustellen, nicht herleiten. Eine solche Verpflichtung ließe sich allenfalls begründen, wenn feststünde, dass die Beklagte die Klägerinnen im vorangegangenen Rechtsstreit zu Unrecht angegriffen hätten. Das dies der Fall wäre, können die Klägerinnen aber nicht dartun und insbesondere nicht beweisen. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist vielmehr vom Obsiegen der Beklagten im vorangegangenen Rechtsstreit und davon auszugehen, dass sie die Klägerinnen zurecht verklagt hat. Geht man davon aus, so erscheint eine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerinnen hinsichtlich der geänderten Pipetten durch eine "Unbedenklichkeitserklärung" sicherzustellen oder ihre Bedenken oder gar ihre Absicht, gegen diese Pipetten ebenfalls vorzugehen, mitzuteilen, nicht begründbar. Insbesondere unter Berücksichtigung der mit einer solchen Stellungnahme verbundenen Kosten und Unsicherheiten und auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerinnen die geänderten Pipetten damals in den Markt noch nicht eingeführt hatten, konnte die Beklagte auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben eine Stellungnahme zu der an sie herangetragene Frage verweigern. Ein Interesse an der begehrten Feststellung lässt sich aus dieser Weigerung nicht herleiten.

Der Senat vermag sich in diesem Zusammenhang der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (GRUR 1988, 789 "Unterlassungsvertrag"), allein das Unterlassen der Beantwortung einer Anfrage der Unterlassungsschuldnerin an den Unterlassungsgläubiger, ob er ein bestimmtes Verhalten als Verletzung der Unterlassungspflicht ansehe, begründe ein Feststellungsinteresse, ohne das es auf das Bestehen einer Antwortpflicht ankomme, nicht anschließen. Es ist vielmehr in Übereinstimmung mit der einleitend zitierten Rechtssprechung davon auszugehen, dass ein Feststellungsinteresse hinsichtlich des Nichtbestehens eines Unterlassungsanspruches nur durch eine Anspruchsberühumg begründet werden kann. Allein das Unterlassen der erwähnten Anwort kann eine Unsicherheit im Sinne der erörterten Rechtssprechung nicht begründen, denn die schon vorher bestehende Unsicherheit des Schuldners wird durch das Unterlassen einer Beantwortung seiner Anfrage nicht verändert. Das Schweigen seines Gläubigers sagt über dessen Einschätzung der Rechtslage nichts aus.

d) Das Feststellungsinteresse ist im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt zu verneinen, dass das begehrte Urteil durch seine Rechtskraftwirkung die bestehende Unsicherheit nicht zu beseitigen vermag. Denn es ist, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, nicht damit zu rechnen, dass ein Gericht der Vereinigten Staaten im Falle einer Klage der Beklagten wegen der geänderten Pipetten das begehrte Urteil als zutreffende Beurteilung der Rechtslage anerkennen und die neuerliche Klage als unzulässig oder unbegründet abweisen oder auch nur das begehrte Urteil bei seiner Entscheidung berücksichtigen würde. Denn zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Staaten der Vereinigten Staaten von Amerika bestehen keinerlei Abkommen über die gegenseitige Anerkennung (und Vollstreckung) von Urteilen. Das begehrte Urteil ist daher nicht geeignet, die von den Klägerinnen gesuchte Sicherheit hinsichtlich ihres Rechts, die geänderten Pipetten zu vertreiben, herbeizuführen.

e) Auch unter dem Gesichtspunkt, dass das begehrte Urteil immerhin geeignet sei könnte, einem später von der Beklagten in den USA gegen die Klägerinnen erstrittenen Urteil bei der Zwangsvollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 723 Abs. 2 S. 2, § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entgegengehalten zu werden, lässt sich das Feststellungsinteresse nicht begründen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nicht ersichtlich ist, wie die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2), die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten hat und in Bezug auf die das Vorhandensein vollstreckungsfähigen Vermögens in der Bundesrepublik Deutschland nicht behauptet ist, in der Bundesrepublik Deutschland die Zwangsvollstreckung sollte betreiben können. Auch in Bezug auf die Klägerin zu 1) ist im Übrigen jedoch daran festzuhalten, dass ein Feststellungsinteresse nur aus einer gegenwärtigen Gefahr der Ungewissheit hinsichtlich des Rechtsverhältnisses hergeleitet werden kann. Allein mit dem Hinweis auf die Möglichkeit eines Rechtsstreits in den USA und auf die Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung aus einem dort von der Beklagten erstrittenen Urteil lässt sich eine gegenwärtige Gefahr für das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung die Klägerinnen begehren, jedoch nicht begründen.

Diese Überlegungen gelten auch insoweit, als die Klägerinnen nunmehr insbesondere die Feststellung begehren, dass der Vertrieb der geänderten Pipetten nicht gegen das Urteil vom 30. Juni 2000 verstößt. Insoweit kann dahinstehen, ob und wie die Beklagten geltend machen könnte, der Vertrieb der geänderten Pipetten verletze ihnen in dem Urteil zugesprochene Rechte. Denn die Wirkung des Urteils ist, soweit es die Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, nach allgemeinen Grundsätzen und insbesondere auch nach seinem Wortlaut auf die Vereinigten Staaten von Amerika beschränkt. Eine Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland kommt insoweit nicht in Betracht. Soweit das Urteil finanzielle Verpflichtungen der Klägerinnen begründet, resultieren diese nicht aus dem Vertrieb der streitigen Pipetten. Insoweit kann daher die begehrte Feststellung die Zwangsvollstreckung nicht hindern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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