Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 28.06.1999
Aktenzeichen: 29 U 2870/99
Rechtsgebiete: UWG, AMG, LMBG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 1
AMG § 21
AMG § 2 Abs. 1 Nr. 4
AMG § 2 Abs. 3 Nr. 1
LMBG § 1 Abs. 1
LMBG § 1
ZPO § 91
Der Vertrieb eines Produktes als Nahrungsergänzungsmittel, dessen lebensmittelrechtliche Zweckbestimmung nicht festgestellt werden kann und den Anschein eines Arzneimittels erweckt, ohne als solches zugelassen zu sein, verstößt gegen § 3 UWG.

OLG München Urteil 28.06.1999 - 29 U 2870/99 - 1 HKO 7107/98 LG München II


hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Mangstl und die Richter Jackson und Haußmann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. 06. 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Landgerichts München II vom 13. 01. 1999 - 1 HKO 7107/98 - aufgehoben.

II. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "C." wie in dem nachstehend als Anlage K 4 wiedergegebenen in der Zeitschrift "Welt der Frau" Nr. 1/89 auf Seite 45 abgedruckten Beitrag zu bewerben oder in der Umverpackung und mit dem Beipackzettel/Dosierungsanleitung gemäß beigefügter Anlage A 5 zu vertreiben.

III. Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Gründe

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche und arzneimittelrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs des Produkts "C." und bestimmter Werbeaussagen der Antragsgegnerin.

Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßiger Aufgabe es gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren, nimmt die Klagebefugnis solcher Verbände gemäß § 13 Abs. 2 Nr. UWG für sich in Anspruch. Die Antragsgegnerin vertreibt C., das sie als Nahrungsergänzungsmittel bewirbt und dessen maßgeblicher Inhaltsstoff Kollagen ist. Das Rohmaterial für C. wird unstreitig aus den Flechsen des Rinds hergestellt. Durch ein bestimmtes Verfahren wird aus dem Rohmaterial reines Kollagen gewonnen. Es handelt sich nach den Aussagen des Lebensmittelchemikers Dr. Volker K. in anderem Zusammenhang, die unwidersprochen geblieben sind, bei Kollagen um ein in Wasser oder Salzlösungen unlösliches Proteinmaterial. Nach der Darstellung des Antragstellers kann es im menschlichen Körper nicht verwertet werden weil es sich um unverdauliches Gerüsteiweiß ohne Ernährungszweck handele. Wegen der Gestaltung und Beschriftung der Umverpackung und des Beipackzettels von C. wird auf die Anlage A 5, wegen der Werbung der Antragsgegnerin auf die Anlage A 4 Bezug genommen.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, bei dem Mittel "C.", handele es sich auf Grund der Aussagen in der Werbung, der Umverpackung und dem Beipackzettel nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel, sondern um ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 AMG. Solche Mittel dürften nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundsesoberbehörde zugelassen seien. Da das Mittel der Antragsgegnerin eine derartige Zulassung nicht habe, dürfe es gem. § 3 a des Heilmittelwerbegesetzes nicht beworben werden. Um ein Nahrungsergänzungsmittel, das wie andere Lebensmittel überwiegend zur Ernährung oder zum Genuß bestimmt sei, könne es sich hier nicht handeln. Die vorzunehmende Prüfung der objektiven Zweckbestimmung ergebe, daß hier von einem Arzneimittel auszugehen sei.

Der Antragssteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel durch einstweilige Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "C." ohne Zulassung als Arzneimittel (gem. § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben.

Die Antragsgegnerin hat

Zurückweisung des Verfügungsantrags

beantragt.

Sie brachte vor, Kollagen sei teilweise resorbierbar, es diene der Ergänzung des Kollagenbedarfs und sei deshalb Nahrungsergänzungsmittel, für welches die Zulassung gemäß § 21 AMG nicht erforderlich sei. Für die Einordnung des Produkts als Lebensmittel oder Arzneimittel sei insbesondere auch die Aufmachung und somit die Zweckbestimmung durch den Hersteller entscheidend. Die Verpackung des Produkts enthalte keine Hinweise auf eine arzneiliche Wirkung des Mittels. Vielmehr finde sich der Hinweis, daß es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel zur Ergänzung des Kollagenbedarfs handele. Aus der Bestätigung vom 03. 11. 1998 des Prüflabors Dr. B. aus dem im Prüflabor erstellten Untersuchungsbericht vom 19. 11. 1997 gehe hervor, daß sich keine Beanstandungen des Mittels ergeben hätten. Entscheidend sei insbesondere, daß die Lyophilisierung von Kollagen zur Resorbierbarkeit des Produkts "C." und damit zu seiner Wirkung beitrage.

Im übrigen habe sie sich, bevor sie das Produkt in Verkehr gebracht habe, sowohl an die Regierung von Oberbayern, als auch an das Landratsamt Fürstenfeldbruck gewandt; von dort sei bekräftigt worden, daß sie aufgrund der vorliegenden Bestätigung des Prüflabors Dr. B. die Zulassung als Arzneimittel nicht benötige.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch Urteil vom 13. 01. 1999 zurückgewiesen. Auf das angefochtene Urteil wird verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Antragsteller das Ziel weiter, der Antragsgegnerin den Vertrieb des Mittels "C." und die Werbung hierfür zu untersagen. Er vertieft seinen Vortrag im ersten Rechtszug, weshalb es sich bei C. nicht um ein Nahrungsmittel, auch nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel handeln könne, und daß das Mittel, weil es der innerlichen Anwendung diene, nur Arzneimittel sein könne. Hierzu vertiefend führt der Antragsteller aus, das Landgericht lege bereits im Ansatz fehlerhaft ein Verkehrsverständnis zu Grunde, das so nicht existiere, wenn es nämlich davon ausgehe, daß der angesprochene Verkehr hinsichtlich der objektiven Zweckbestimmung zwischen einer "Nahrungsergänzung" und einem "Arzneimittel" zu unterscheiden wisse. Der Verkehr kenne weder die juristischen Feinheiten des Arzneimittelbegriffs noch den tiefgreifenden Unterschied im rechtlichen Status zwischen einem Lebensmittel und einem Arzneimittel. Sehe sich der angesprochene Verkehr einem Produkt gegenüber, welches als "Nahrungsergänzung" gekennzeichnet sei, dann nehme er an, daß es sich um etwas anderes handeln müsse, als um ein Lebensmittel, sonst wäre es keine Nahrungsergänzung. Auch unter dem Gesichtspunkt der Bezeichnung einer Ware sei der Begriff "Nahrung" ungewöhnlich und nicht gebräuchlich. Im übrigen seien Nahrungsergänzungsmittel überflüssig, weil bei normaler (= gesunder) Ernährung regelmäßig keine Mangelerscheinungen aufträten. Von einem solchen Verkehrsverständnis sei der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Vitaminmangel" (WRP 1998, 882) ausgegangen. Die Deklarierung eines Mittels als "Nahrungsergänzung" gebe sonach nichts dazu her, ob es als Lebensmittel oder als Arzneimittel einzustufen sei. Dazwischen gebe es nichts und es sei auch nicht gerechtfertigt, anknüpfend an den Begriff der "Nahrungsergänzung" Produkte den Lebensmitteln zuzurechnen, die keinerlei Ernährungszweck hätten und stattdessen alle objektiven Merkmale aufwiesen, die Arzneimitteln eigen seien. Die einzelnen Merkmale des Mittels C. habe das Landgericht unzutreffend gewürdigt. Gleiches gelte für die Schlußfolgerung, aus der werblichen Anpreisung und der Aufmachung von Verpackung und Beipackzettel sei nicht auf ein Arzneimittel - mithin zwangsläufig auf ein Lebensmittel zu schließen. Wenn in der Packungsbeilage unter "Zusammensetzung" zu lesen sei, daß das Mittel "lyophilisiertes Bovinkollagen" enthalte (was anderweitig zutreffend als "Flechsen vom Rindvieh" bezeichnet werde) so sei diese Verwendung fremdsprachlicher Begriffe, deren Bedeutung der angesprochene Verkehr regelmäßig nicht verstehe, für Arzneimittel üblich und nicht für Lebensmittel. Gäbe es Kollagenmangel wirklich, so handelte es sich ausweislich der in der Packungsbeilage dargestellten Folgen um eine Erkrankung. Zu den weiteren für Arzneimittel typischen Merkmalen, die das Mittel aufweise, gehörten der extrem hohe Preis, die Beigabe einer Dosierungsanleitung, der Hinweis auf ein Patent sowie auf einen klinischen Test und ferner die Pharma-Zentralnummer mit der Folge, daß das Mittel durch Apotheken, den Vertriebsweg für Arzneimittel, vertrieben werde.

Der Antragsteller beantragt daher,

das angefochtene Urteil vom 13. 01. 1999 abzuändern und der Antragsgegnerin bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "C." in der Form zu bewerben oder zu vertreiben, wie es derzeit geschieht.

Die Antragsgegnerin beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihrerseits das Vorbringen im ersten Rechtszug. Sie betont, bei den Nahrungsergänzungsmitteln handele es sich um Erzeugnisse, die dem Verbraucher einen oder mehrere anerkannte Nährstoffe liefern, die die Nährstoffaufnahme über die normale Ernährung ergänzen sollen, wobei diese Erzeugnisse aus einzelnen Vitaminen oder Mineralstoffen oder aus Kombinationen von Vitaminen und Mineralstoffen, Aminosäuren oder Fettsäuren bestehen könnten. Wenn nicht festgestellt werden könne, ob der Ernährungs- bzw. der Genußzweck oder ein anderer Zweck überwiege, sei nach ständiger Rechtsprechung von einem Lebensmittel auszugehen. Bei Abwägung der relevanten Gesichtspunkte könne C. nicht als Arzneimittel bewertet werden, insbesondere deshalb nicht, weil schon die stoffliche Zusammensetzung auf ein Nahrungsmittel hindeute, zumal in der Werbung ausdrücklich darauf hingewiesen werde, daß das Mittel bei Kollagenmangel infolge nicht ausgeglichener Ernährung die Möglichkeit gebe, reines Kollagen als Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung zu stellen und das Mittel auf der Verpackung als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichnet sei.

Die Antragsgegnerin verweist nochmals auf die vorgelegte Bestätigung und den Untersuchungsbericht des Prüflabors Dr. B., aus denen hervorgehe, daß Kollagen in lyophilisiertem Zustand zumindest teilweise resorbierbar sei und somit einem Ernährungszweck diene. Die Tatsache, daß das Produkt aus Sehnen des Rindes, die im unverarbeiteten Zustand als Abfall anzusehen seien, hergestellt werde, lasse nicht den Rückschluß zu, das Mittel sei kein Lebensmittel bzw. kein Nahrungsergänzungsmittel. Auch aus der Verpackung werde der aufgeklärte Verbraucher nicht schließen, daß es sich um ein Arzneimittel handele, zumal die Beschriftung diesen Schluß nicht nahelege.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin zu Recht, daß sie es unterläßt, das Mittel "C." in der im Antrag und im Tenor näher beschriebenen Form zu bewerben oder zu vertreiben. Die von der Antragsgegnerin vertriebenen, als Nahrungsergänzungsmittel ausgegebenen "C.-Würfel" erwecken auf Grund des Vorliegens einer Reihe von Kriterien, die zur Einordnung heranzuziehen sind, den Anschein eines Arzneimittels, während eine lebensmittelrechtliche Zweckbestimmung ausscheidet. Der Verkauf des Mittels ohne die nach § 21 AMG vorgeschriebene Zulassung verstößt deshalb gegen § 1 UWG. Unzulässig ist gemäß § 3 HWG auch die Werbung für das Mittel.

Für die Entscheidung der Frage, ob C. als Arzneimittel zu gelten hat und deshalb der Zulassung bedarf oder ob es sich um ein Lebensmittel handelt, ist zunächst festzustellen, ob das Mittel unter § 1 Abs. 1 LMBG fällt, denn gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG sind Stoffe, die Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG sind, nicht Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes. Ein Stoff kann sonach nicht sowohl Arzneimittel als auch Lebensmittel im Sinne der genannten Bestimmungen sein.

Lebensmittel sind gemäß § 1 LMBG Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuß verzehrt zu werden. Das Vorliegen der in § 1 Abs. 1 LMBG genannten Zweckbestimmung - zum Verzehr oder Genuß - ist nach einer an objektiven Merkmalen anknüpfenden überwiegenden Zweckbestimmung festzustellen. Die hierfür maßgebliche Verkehrsanschauung wird regelmäßig durch die allgemeine Verwendung seitens der Verbraucher bestimmt, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten der Stoff seiner Art nach hat. Dabei kann die Vorstellung der Verbraucher u. a. auch durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt, beeinflußt sein (BGH WRP 1995, 386, 387 - Knoblauchkapseln). Die Aussagen des Herstellers oder Vertreibers des Mittels sind insbesondere dann bedeutsam, wenn das Produkt bzw. der ihm zu Grunde liegende Stoff dem Verbraucher nicht bekannt ist und er sich deshalb an diesen Aussagen orientiert.

Die Antragsgegnerin will C. als Lebensmittel und zwar als Nahrungsergänzungsmittel einordnen. Die gesetzlich nicht definierten Nahrungsergänzungsmittel sind nach allgemeinem Sprachgebrauch Stoffe und Zubereitungen zur Nahrungsergänzung; sie sollen die Ernährung durch verkehrsübliche Lebensmittel mit bestimmten, in diesen möglicherweise nicht ausreichend vorhandenen Nährstoffen wie vor allem Vitaminen, Mineral- oder Eiweißstoffen sowie Ballaststoffen anreichern. Sie dienen allgemeinen Ernährungserfordernissen, sind aber keine diätischen Lebensmittel oder Arzneimittel. Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder Funktion des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Wenn auch Nahrungsergänzungsmittel gemeinhin den Lebensmitteln zugeordnet werden, so kann im Streitfall die lebensmittelrechtliche Zweckbestimmung von C. nicht festgestellt werden. Anhand der hier vorliegenden Anhaltspunkte für die rechtliche Einordnung des Produkts ist der Stoff überwiegend dazu bestimmt, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuß verzehrt zu werden. Für die Ernährung des Menschen hat lyophilisiertes Kollagen, das unstreitig allenfalls teilweise resorbierbar ist, ersichtlich keine Bedeutung. Ein aus dem Grundstoff Rinder-Flechsen, also Sehnen, hergestelltes Mittel ist ebenso offensichtlich auch nicht zum Genuß geeignet. Die Verbraucher sehen das Mittel trotz des Hinweises auf der Verpackung "Nahrungsergänzungsmittel zur Ergänzung des Kollagenbedarfs" überwiegend deshalb nicht als zur Ernährung bestimmt an, weil es ihnen auf dem Markt und in der Werbung nicht als Lebensmittel gegenübertritt. C. wird erst seit relativ kurzer Zeit vertrieben. Die maßgebliche Verkehrsanschauung hinsichtlich der überwiegenden Zweckbestimmung konnte daher kaum durch die allgemeine Verwendung seitens der Verbraucher bestimmt werden. Die allgemeine Verkehrsauffassung der Verbraucher wird bei einem bislang unbekannten Erzeugnis insbesondere durch die Art und Weise der Präsentierung auf dem Markt geprägt. Bei neuen Produkten, zu denen sich noch keine allgemeine Verkehrsauffassung bilden konnte, werden im allgemeinen bereits durch das Erscheinungsbild und die Werbung Erwartungen und Vorstellungen bei den Verbrauchern über die Zweckbestimmung hervorgerufen.

Im vorliegenden Fall findet sich aber eine Reihe von Hinweisen auf eine arzneimittelrechtliche Zweckbestimmung. Während der Verpackungsgestaltung weniger Bedeutung zukommt, weil sich der Verkehr daran gewöhnt hat, daß Nahrungsergänzungsmittel ähnlich wie Arzneimittel verpackt werden können, lassen sich dagegen der Verpackungsbeschriftung und insbesondere der Packungsbeilage durchaus Hinweise für die Zweckbestimmung entnehmen. Auf der Verpackung findet sich der Hinweis "Reines Kristallines Kollagen für Gelenke, Zellgewebe und Haut" neben entsprechenden Abbildungen. Auf der Verpackungsrückseite heißt es unter dem Stichwort Anwendung "Ergänzung des Kollagenbedarfs bei erhöhtem Bedarf für Knorpel, Haut, Knochen und Bindegewebe. Kollagen ist sehr wichtig für die Struktur des Knorpels, der Gelenkkapseln, des Bindegewebes, der Knochen, der Haare und der Haut". Schon diese arzneilichen Ausdrücke deuten in die Richtung eines Arzneimittels. Hinzukommen die hervorgehobenen Hinweise "patentgeschützt" und "klinisch getestet". In der Packungsbeilage wird unter der Überschrift "Bedeutung des Kollagens" darauf hingewiesen, daß Kollagenmangel zu verschiedenen Erkrankungen im Körper führen kann. Es heißt sodann "Erkrankungen des Zellgewebes, Arthrose, Arthritis und Hautekzeme sind mit deutlichem Verlust des Kollagens verbunden. Auch bei Osteoarthrose handelt es nicht nur um den Verlust der Proteoglykose, aber auch des Kollagens, das wir dem Körper in Form des C. geben können." Solche Krankheitsaussagen sprechen eindeutig für ein Arzneimittel, bei einem Lebensmittel wären sie nach § 18 Abs. 1 LMBG verboten. Auch die Dosierungsanleitung "Einmal täglich 1 Löffel C. auf nüchternen Magen, spätestens 30 Minuten vor dem Essen einnehmen. C. sollte über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten genommen werden", erweckt den Anschein eines Arzneimittels. Ein deutlicher Hinweis in Richtung auf eine arzneimittelrechtliche Zweckbestimmung ist auch der Preis des Produkts. Das Mittel enthält je Packung 30 Kollagen-Würfelchen mit einem Gewicht von je 8 mg, also je Packung 240 mg. Die Packungen werden in der Apotheke zum Preis von 37,85 DM verkauft. Der Antragsteller trägt unwidersprochen vor, daß sich ein Grammpreis von 150,-- DM ergibt, wenn der Preis einer Packung zur Füllmenge in Relation gesetzt wird. Einen solchen Preis akzeptiert der Verbraucher nur dann, wenn er davon ausgeht, daß durch die Einnahme des Mittels therapeutische Wirkungen im Sinne des Arzneimittels zu erwarten sind. Für ein der schlichten Nahrungsergänzung dienendes Produkt aus Rindersehnen einen solch horrenden Preis zu zahlen, wäre kaum ein Verbraucher bereit.

Schließlich läßt auch die Werbung für das Produkt, wie sie dem Verbraucher beispielsweise in der Zeitschrift "W." Nr. 1/98 auf Seite 45 gegenübertritt, nur den Schluß auf eine arzneiliche Zweckbestimmung zu. Sie liegt immer dann nahe, wenn Krankheitsaussagen gemacht werden, therapeutische Ziele angegeben oder eine Beeinflußung von Körperfunktionen in Aussicht gestellt werden. In dem Werbebeitrag gemäß Anlage A 4 werden die aus der Packungsbeilage zitierten krankheitsbezogenen Aussagen teilweise ebenfalls gemacht. Zur Verdeutlichung wird ein Knochengelenk farbig dargestellt, bei dem sich offenbar Kollagenmangel drastisch ausgewirkt hat. Zwar folgt in dieser Werbung anschließend der Hinweis "bei Kollagenmangel durch nicht ausgeglichene Ernährung gibt es die Möglichkeit, reines Kollagen als Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung zu stellen". Dieser Hinweis ist aber wegen der Krankheitsaussagen nicht geeignet, dem Verbraucher den Eindruck zu vermitteln, es handele sich bei C. um ein Lebensmittel.

Das von der Antragsgegnerin angebotene Mittel ist auch unter Berücksichtigung der europäischen Richtlinie 65/65 als Arzneimittel anzusehen. Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie sind Arzneimittel u. a. alle Stoffe oder Zusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet werden. Die Vorschrift ist dahin auszulegen, daß ein Erzeugnis nicht nur dann als "Mittel zur Heilung oder zur Verhütung... von Krankheiten" bezeichnet wird, wenn es ausdrücklich als solches "bezeichnet" oder "empfohlen" wird, sondern auch dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig der sichere Eindruck entsteht, daß dieses Erzeugnis - in Anbetracht seiner Aufmachung - die beschriebene Wirkung haben müsse (BGH a.a.O). Diese Voraussetzungen liegen bei dem von der Antragsgegnerin vertriebenen Mittel vor. C. wird deshalb vom Verkehr als Arzneimittel bewertet, auch wenn es tatsächlich keine arzneimitteltypische Wirkung hat.

Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, sie habe ihr Produkt bei dem ihr vom Landratsamt Fürstenfeldbruck genannten staatlich anerkannten Prüflabor Dr. B. überprüfen lassen und dabei sei festgestellt worden, daß es sich bei C. um ein Nahrungsergänzungsmittel handle, ist klarzustellen, daß der Untersuchungsbericht vom 19. 11. 1997 die Durchführung einer mikrobiologischen Untersuchung, u.a. auf Schimmel, bestätigt, bei der sich kein Grund zur Beanstandung ergeben habe. Für die Frage der Einordnung des Mittels als Arzneimittel oder als Lebensmittel besagt dieser Untersuchungsbericht nichts. Das von der Antragsgegnerin mit der Schutzschrift als Anlage 2 vorgelegte Schreiben eines Mitarbeiters des Labors Dr. B. vom 3. 11. 1998 stützt die Meinung, daß das Inverkehrbringen von C. als Nahrungsergänzungsmittel "u.E. möglich" sei, ersichtlich gleichfalls nicht auf relevante Prüfergebnisse. Es wird vielmehr nur eine nicht näher begründete Einschätzung anhand der von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Unterlagen und Produktinformationen vorgenommen. Diese Beurteilung ist aus den oben dargelegten Gründen nicht nachvollziehbar, ebenso nicht, warum sich ihr das Landratsamt - wie die Antragsgegnerin versichert - angeschlossen hat.

Durch den Vertrieb des Mittels ohne die nach dem Arzneimittelgesetz vorgeschriebene Zulassung verstößt die Antragsgegnerin zugleich gegen die guten Sitten im Wettbewerb, indem sie sich über Vorschriften hinwegsetzt, die aus Gründen der Volksgesundheit erlassen worden sind. Der Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin ist auch geeignet, den Wettbewerb auf dem maßgeblichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG).

Da die Antragsgegnerin sonach verpflichtet ist, den Vertrieb von "C." und die Werbung für dieses Mittel in der angegriffenen Weise zu unterlassen, war sie antragsgemäß unter Überbürdung der Kosten des Verfahrens (§ 91 ZPO) zu verurteilen.



Ende der Entscheidung

Zurück