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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 23.09.1999
Aktenzeichen: 29 U 2875/99
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 9 Abs. 1
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 2
1. Die allgemeine Versicherungsbedingung für Auslandsreisekrankenversicherungen, die bestimmt, dass als Ausland nicht das Staatsgebiet gilt, dessen Staatsangehörigkeit die versicherte Person besitzt, schränkt für nicht EU-angehörige ausländische Staatsangehörige ohne sachlichen Grund deren vertragliche Rechte in einer Weise ein, dass der Vertragszweck gefährdet ist (§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AGBG).

2. Die Versicherungsbedingung, die die Leistungspflicht des Versicherers für "Untersuchung und Behandlung zur Schwangerschaftsüberwachung" ausschließt, ist ausreichend bestimmt und genügt dem Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit.

OLG München Urteil 14.10.1999 - 29 U 2875/99 - 7 O 8568/98 LG München I


In dem Rechtsstreit Verbraucherschutzverein e.V., gesetzlich vertreten durch den Vorstand Dr. Fritz A. Bultmann, Bayreuther Straße 41, 10787 Berlin

- Kläger/Berufungsbeklagter und Berufungskläger -

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

Vereinte Krankenversicherung AG, gesetzlich vertreten durch den Vorstand, dieser gesetzlich vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. Ulrich Rumm, Fritz-Schäffer-Straße 9, 81373 München

- Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte -

Prozeßbevollmächtigte:

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11. 02. 1999 werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer keiner Partei übersteigt 60.000,-- DM.

V. Die Revision der Beklagten wird beschränkt auf die Entscheidung zur Klausel § 1 Abs. 5 S. 1 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen zugelassen.

Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Gründe

Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bietet für einen Familienjahresbeitrag von DM 26,-- eine Auslandsreise-Krankenversicherung ohne vorangehende Gesundheitsprüfung oder Wartezeit an. Sie verwendet bei Abschluss eines solchen Vertrages Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB), die u.a. folgende Klauseln enthalten:

"§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes

...

(2) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Bei einem im Ausland unvorhergesehen eintretenden Versicherungsfall ersetzt er dort entstehende Aufwendungen für Heilbehandlung und erbringt sonst vereinbarte Leistungen.

(3) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.....

...

(5) Als Ausland im Sinne von Absatz (2) gilt nicht das Staatsgebiet, dessen Staatsangehörigkeit die versicherte Person besitzt oder in dem sie einen ständigen Wohnsitz hat.

Besitzt eine versicherte Person sowohl die deutsche Staatsangehörigkeit als auch die eines anderen Staates oder ist sie Staatsangehörige eines EG-Staates, besteht Versicherungsschutz auch in dem Staatsgebiet, dessen ausländische Staatsangehörigkeit die versicherte Person besitzt.

(6) Der Versicherungsschutz besteht für alle vorübergehenden Auslandsreisen, die von der versicherten Person innerhalb eines Versicherungsjahres angetreten werden. Die Dauer des einzelnen Auslandsaufenthaltes darf dabei jedoch einen Zeitraum von 6 Wochen (42 Tagen) nicht überschreiten.....

(7) Aufnahmefähig sind Personen ...., deren ständiger Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland liegt.

...

§ 4 Umfang der Leistungspflicht

...

(3) Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat die versicherte Person freie Wahl unter den Krankenhäusern, die unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, .... Nicht gewählt werden können Krankenhäuser, die auch Kuren bzw. Sanatarioumsbehandlung durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen.

...

§ 5 Einschränkung der Leistungspflicht

(1) Keine Leistungspflicht besteht für

...

c) Unfälle bei Beteiligung an Wettkämpfen beim ... Skilaufen ... nebst den Vorbereitungen dazu;

...

g) Untersuchung und Behandlung zur Schwangerschaftsüberwachung, ferner für Entbindung und Schwangerschaftsabbruch sowie deren

Folgen.

..."

Der Kläger, ein Verbraucherverband, hielt die Klausel des § 1 Abs. 5 S. 1 AVB wegen der Gefährdung des Vertragszwecks für unwirksam. Die unterschiedliche Behandlung von In- und Ausländern bei Reisen in ein und dasselbe Land entbehre einer sachlichen Rechtfertigung und sei daher willkürlich. Auch die Klausel des § 4 Abs. 3 S. 2 AVB gefährde die Erreichung des Vertragszwecks und benachteilige Versicherungsnehmer in unangemessener Weise. In dieser Klausel sei selbst für Notfälle keine Ausnahme vorgesehen. Der Ausschluss der Leistungspflicht in § 5 Abs. 1 c) AVB (Skiwettkämpfe) verstoße gegen § 9 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, weil er auch solche Unfälle betreffe, die ein Versicherungsnehmer bei der Teilnahme an Abschlussrennen eines Skikurses erleide. Insoweit sei ein den Leistungsausschluss rechtfertigendes erhöhtes Risiko des Versicherers nicht zu erkennen. Die Klausel nach § 5 Abs. 1 g) AVB verstoße ebenfalls gegen § 9 AGBG, weil sie auch medizinisch notwendige Maßnahmen für den Fall erfasse, dass eine Schwangerschaft bei Reiseantritt noch gar nicht vorgelegen habe oder nicht bekannt gewesen sei.

Der Kläger beantragte:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an einem Vorstandsmitglied, zu unterlassen, beim Abschluss von Auslandsreise-Krankenversicherungen, ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes, folgende oder inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden sowie sich auf diese Klauseln bei der Abwicklung derartiger, nach dem 01. 04. 1977 geschlossener Verträge zu berufen:

1. "Als Ausland im Sinne von Abs. 2 gilt nicht das Staatsgebiet, dessen Staatsangehörigkeit die versicherte Person besitzt ... "(§ 1 Abs. 5 S. 1 AVB)".

2. "Nicht gewählt werden können Krankenhäuser, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen. "(§ 4 Abs. 3 S. 2 AVB)".

3. Keine Leistungspflicht besteht für Unfälle bei Beteiligung an Wettkämpfen beim ... Skilaufen ... nebst den Vorbereitungen dazu; (§ 5 Abs. 1 c) AVB).

4. Keine Leistungspflicht besteht für Untersuchung und Behandlung zur Schwangerschaftsüberwachung, ferner für Entbindung und Schwangerschaftsabbruch sowie deren Folgen (§ 5 Abs. 1 g) AVB)."

II. Dem Kläger wird die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel mit der Bezeichnung des verurteilen Verwenders auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger, im übrigen auf eigene Kosten bekanntzumachen.

Die Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Sie meinte, die Auslands-Bestimmung in § 1 Abs. 5 AVB stelle keine Leistungsbegrenzung, sondern eine bloße Beschreibung der Hauptleistungspflicht dar, die gemäß § 8 AGBG einer Inhaltskontrolle entzogen sei. Es liege auch kein Verstoß gegen § 9 AGBG vor. Ausländische Staatsangehörige seien mit den landestypischen Gegebenheiten in ihrem Heimatland vertraut. Dies erhöhe ihr Risiko hinsichtlich einer betrügerischen Inanspruchnahme beträchtlich. Ein Ausländer habe ohne die Klausel bei einer Jahresprämie von 26,-- DM für sich und seine ganze Familie Anspruch auf ganzjährige Privatbehandlung. Dies könne er nutzen, indem er in sein Heimatland reise, sobald eine ärztliche Behandlung anstehe. Deshalb erforderten die Interessen der Versicherungsgemeinschaft den in der Klausel festgelegten Leistungsausschluss. Der günstige Beitrag könnte sonst nicht gehalten werden. Eine willkürliche Benachteiligung ausländischer Staatsangehöriger liege ebenfalls nicht vor. Der Leistungsausschluss für die Nutzung gemischter Anstalten könne zwar ausnahmsweise zu gewissen Härten führen. In solchen Fällen könne sie sich jedoch ohnehin nicht auf den Leistungsausschluss berufen. Die Wirksamkeit der Klausel bleibe davon aber unberührt. Es stehe ihr auch frei, die riskante Teilnahme an Skiwettkämpfen, auch wenn sie im Rahmen von Skikursen stattfänden, vom Versicherungsschutz auszunehmen. Auch die Schwangerschafts-Klausel sei wirksam. Diese stelle lediglich einen deklaratorischen Hinweis darauf dar, dass eine regulär verlaufende Schwangerschaft keine Krankheit im Sinne der AVB sei. Bei irregulärem Verlauf greife der Leistungsausschluss ohnehin nicht.

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der "Ausländer-Klausel" gemäß § 1 Abs. 5 S. 1 AVB, der "Sanatoriums-Klausel" gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 der AVB und des Veröffentlichungsbegehrens stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. In seinem Urteil vom 11. 02. 1999 wies es zur Begründung im wesentlichen darauf hin, dass der Überprüfung der Auslandsklausel § 8 AGBG nicht entgegenstehe. Diese Klausel höhle entgegen § 9 AGBG den Versicherungsschutz in einer den Vertragszweck gefährdenden Weise aus. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG dar. Auch § 4 Abs. 3 S. 2 AVB (gemischte Anstalt) verstoße gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG. Ein Versicherter sei nämlich nach schweren Unfällen typischerweise nicht dazu in der Lage, auf die Auswahl der Krankenanstalt Einfluss zu nehmen. Wenn sich in solchen Fällen die Beklagte nicht auf den Versicherungsschutz berufen könne, dann verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot, weil sich dies ihr nicht entnehmen lasse. Die übrigen vom Kläger angegriffenen Klauseln - Skiwettkämpfe und Schwangerschaft - bestimmten den Leistungsumfang und könnten nur kontrolliert werden, wenn der Versicherungsschutz in den Vertragszweck aushöhlender Weise hinter den berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers zurückbliebe. Eine solche missbräuchliche Risikobewertung sei jedoch nicht zu erkennen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wenden sich beide Parteien mit der Berufung.

Die Beklagte meint, § 1 Abs. 5 S. 1 AVB (Auslands-Klausel) stelle eine nicht kontrollierbare Leistungsbeschreibung im Sinne von § 8 AGBG dar. Selbst wenn man ihre Kontrollfähigkeit bejahen würde, führe die gebotene Interessenabwägung zur Wirksamkeit der Klausel. Durch sie werde der Vertragszweck nämlich nicht ausgehöhlt. Es erfolge keine willkürliche und ungerechtfertigte Differenzierung. Die angebotene Versicherung sei nicht dazu bestimmt, Personen, die wegen ihrer Staatsangehörigkeit eine besondere Affinität zu einem bestimmten Land hätten, dort besonders billig zu versichern. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass ein Italiener, der in seiner Heimat Verona zu Besuch sei, dort aufgewachsen sei und möglicherweise schon seit 30 Jahren dort einen Hausarzt habe, eher geneigt sein werde, wegen einer Grippe seinen Hausarzt zu besuchen. Eine unangemessene Inanspruchnahme werde auch nicht durch die zeitliche Dauer des Versicherungsschutzes verhindert. So befinde sich ein Franzose, der seinen Wohnsitz in Kehl am Rhein habe, aber in Strassburg arbeite, während seiner Arbeitszeit im Ausland. Seine Auslandsreise-Krankenversicherung würde also jede in Frankreich durchgeführte Behandlung decken. Es gebe in Deutschland Hunderttausende oder gar Millionen von Ausländern, die sehr nahe an der Grenze zu ihrem Heimatland lebten, man denke nur an Österreich, die Schweiz, Italien, Frankreich, Benelux-Länder, Dänemark, Polen, Tschechien etc..

Auch die von ihr verwendete Klausel gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 AVB sei nicht zu beanstanden, da nach der Rechtsprechung der Ausschluss in Notfällen ohnehin nicht greife.

Die Beklagte beantragt:

Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts München I vom 11. 02. 1999 wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er meint, die Beklagte wiederhole in der Berufung nur ihren Vortrag, mit dem sich das Landgericht ausführlich auseinandergesetzt habe. Neue Argumente bringe die Beklagte nicht vor. Im übrigen übersehe sie, dass der Versicherungsfall im Ausland unvorhergesehen eingetreten sein müsse. Diese Eingrenzung des Versicherungsschutzes beseitige die Befürchtungen der Beklagten. Zu § 4 Abs. 3 S. 2 AVB ihrer Klausel verkenne die Beklagte die Rechtsfolge aus dem Umstand, dass die angegriffene Klausel die auch nach Auffassung der Beklagten bestehende Rechtslage nicht zutreffend wiedergebe. Deshalb liege, wie vom Landgericht dargestellt, ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.

Mit seiner eigenen Berufung weist der Kläger darauf hin, dass er das Verbot der Schwangerschaftsklausel mit der Begründung verlangt habe, dass nicht jedwede Untersuchung und Behandlung, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft erforderlich sei, von der Leistungspflicht ausgenommen werden dürfe. Die Beklagte habe zum Inhalt der Klausel unterschiedliche Interpretationen gegeben. Das Landgericht habe angenommen, dass mit der Klausel jegliche ärztliche Maßnahme im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft ausgeschlossen sei. Daraus folge, dass es an der notwendigen Transparenz fehle. Der Begriff Schwangerschaftsüberwachung sei offensichtlich nicht hinreichend definierbar. Die Auffassung der Beklagten, krankhafte Befunde oder Zustände im Rahmen der Schwangerschaft begründeten ihre Leistungspflicht, könne der Klausel nicht hinreichend deutlich entnommen werden.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Landgerichts München I vom 11. 02. 1999 wird in Ziffer III. abgeändert soweit

der Klageantrag I. 4. abgewiesen wurde.

Die Beklagte wird zur Unterlassung der Verwendung auch der folgenden

Klausel verurteilt:

"Keine Leistungspflicht besteht für Untersuchung und Behandlung zur Schwangerschaftsüberwachung, ferner für Entbindung und Schwangerschaftsabbruch sowie deren Folgen".

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

Sie meint, ihre Versicherung gebe Schutz bei einer unvorhergesehenen Krankheit. Die vom Kläger angegriffene Klausel konkretisiere diese Festlegung lediglich in deklaratorischer Weise dahin, dass zu solchen Krankheiten und Unfällen die Untersuchung und Behandlung zur Schwangerschaftsüberwachung, die Entbindung und der Schwangerschaftsabbruch nicht gehörten. Weder die Schwangerschaft selbst, noch die Schwangerschaftsüberwachung stellten eine Krankheit dar. Die Klausel sei mitnichten intransparent. Der Kläger konstruiere Widersprüche und reiße zu diesem Zweck Argumente aus dem Zusammenhang.

Wegen der der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf den gesamten übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die zulässigen Berufungen beider Parteien sind im wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, unbegründet.

1. Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass § 8 AGBG der Überprüfung der Klausel in § 1 Abs. 5 S. 1 AVB nicht entgegen steht. § 8 beschränkt die Inhaltskontrolle nach §§ 9 - 11 AGBG auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder die sie ergänzen. Die Vorschrift soll weder eine Kontrolle der Preise oder Leistungsangebote ermöglichen, noch sollen Vorschriften anderer Gesetze modifiziert werden. Da das Gesetz den Vertragspartnern grundsätzlich freistellt, Leistung und Gegenleistung im Vertrag zu bestimmen, unterliegen bloße Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz ebensowenig wie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt. Der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbeschreibung, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. BGHZ 127, 35/41 m.w.N.).

Der wesentliche Vertragsinhalt der von der Beklagten angebotenen Auslandsreise-Krankenversicherung wird in § 1 Abs. 2 beschrieben. Danach bietet der Versicherer Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Bei einem im Ausland unvorhergesehen eintretenden Versicherungsfall ersetzt er dort entstehende Aufwendungen für Heilbehandlung und erbringt sonst vereinbarte Leistungen. Der Kernbereich des versicherten Risikos wird allenfalls zusätzlich beschrieben durch § 1 Abs. 3 der AVB, wo der Versicherungsfall definiert wird.

§ 1 Abs. 5 S. 1 AVB gehört daher nicht zu den Bestimmungen, die den wesentlichen Vertragsinhalt festlegen. Sie ist vielmehr eine Klausel, die das beschriebene Hauptleistungsversprechen einschränkt bzw. verändert und deshalb inhaltlich kontrollfähig ist.

Die Bestimmung des § 1 Abs. 5 S. 1 der AVB der Beklagten benachteiligt einen Teil ihrer ausländischen Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AGBG).

Die Beklagte bietet Personen, deren ständiger Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland liegt, ihre Auslands-Krankenversicherung an (§ 1 Abs. 7 AVB). Ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Inland haben eine besondere Affinität zu ihrem Heimatland und werden dieses auch als Urlaubsland bevorzugen. Die vom Kläger beanstandete Klausel verweigert solchen Versicherungsnehmern vollständig den Schutz in ihrem Heimatland, der der wesentliche Vertragsinhalt der Auslandsreise-Krankenversicherung der Beklagten ist. Dies stellt für Versicherungsnehmer mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die von der Klausel betroffen sind, eine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung dar. Es sind nämlich keine sachgerechten Interessen auf Seiten der Beklagten ersichtlich, die in Abwägung mit den Interessen der betroffenen Versicherungsnehmer die gravierende Einschränkung des Versicherungsschutzes rechtfertigen könnten. Die Beklagte hat die Begrenzung ihrer Eintrittspflicht damit gerechtfertigt, dass die angebotene Versicherung nicht dazu dienen soll, Personen, die wegen ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit ihr Heimatland besonders häufig und lange besuchen, dort besonders billig zu versichern. Dieses Interesse hat die Beklagte gerade im Berufungsverfahren mit Beispielsfällen zu untermauern versucht und dabei auf ausländische Staatsangehörige abgestellt, die im Inland nahe zur Grenze zu ihrem Heimatland leben. Sie hat ausführlich das Beispiel eines französischen Staatsangehörigen beschrieben, der seinen Wohnsitz in Kehl und seinen Arbeitsplatz in Strassburg hat, wobei ohne die beanstandete Klausel die von ihr angebotene Krankenversicherung dann jede in Frankreich durchgeführte Behandlung decke. Diese Beispiele der Beklagten zur Begründung ihres Interesses belegen jedoch gerade, dass die Beklagte kein maßgebliches Interesse an der Begrenzung des Versicherungsschutzes haben kann. In § 1 Abs. 5 S. 2 AVB ist nämlich bestimmt, dass auch Staatsangehörige eines EG-Staates Versicherungsschutz in ihrem Heimatland genießen. Entgegen der Argumentation der Beklagten betrifft die Leistungsbeschränkung also nur ausländische Staatsangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EG-Mitgliedstaates haben. Treu und Glauben gebieten jedoch auch die Berücksichtigung grundrechtlicher Rechtspositionen. Im Rahmen der Interessenabwägung in Ausfüllung der Generalklausel beanspruchen daher die Grundrechte eine mittelbare Wirkung. Dies verbietet der Beklagten, willkürliche Differenzierungen zwischen Vertragspartnern mit gleicher Interessenlage vorzunehmen (Wolf/Horn/Lindacher AGB-Gesetz, 4. Aufl., Rdnr. 113 zu § 9 m.w.N.). Die Differenzierung der Beklagten ist aber ohne sachlichen Grund und daher willkürlich. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der eine unterschiedliche Behandlung eines Franzosen im Vergleich zu einem Schweizer Staatsangehörigen rechtfertigen könnte. Die Beklagte ist jede Erklärung schuldig geblieben, was für ein Interesse sie daran hat, einen griechischen Staatsangehörigen anders als einen türkischen Staatsangehörigen zu behandeln. Dass die Beklagte den Angehörigen von EG-Staaten den Versicherungsschutz aufgrund EG-rechtlicher Vorgaben gewährt, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn wenn sie einen solchen Schutz, ganz gleich aufgrund welcher Vorgabe, gewährt, dann ist sie gehalten, andere ausländische Staatsangehörige, soweit keine sachlichen Gründe vorliegen, grundsätzlich in gleicher Weise zu behandeln (vgl. aber LG Frankfurt/Main, Urteil vom 22. 10. 1998, Az.: 2-2 O 24/98). § 1 Abs. 5 S. 1 AVB ist daher wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.

2. § 4 Abs. 3 S. 2 AVB, in der bestimmt ist, dass bei medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlungen Krankenhäuser nicht gewählt werden können, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen, ist gemäß § 9 Abs. 1 ABGB bereits deshalb unwirksam, weil die Klausel dem Transparenzgebot widerspricht. Allgemeine Geschäftsbedingungen wie die beanstandete Klausel, deren Kontrollfähigkeit von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, müssen die Rechte und Pflichten des Vertragspartners durch eine entsprechende Ausgestaltung und geeignete Formulierung der Vertragsbedingungen durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar darstellen (BGHZ 106, 42). Insoweit hat die Beklagte selbst darauf hingewiesen, dass in Notfällen, in denen eine sofortige Behandlung erforderlich ist, ohne dass ein herkömmliches Krankenhaus verfügbar oder rechtzeitig erreichbar wäre, eine Berufung auf den Leistungsausschluss rechtsmissbräuchlich wäre (vgl. BGH VersicherungsR 1971, 949). Der Durchschnitts-Versicherungskunde, auf dessen Verständnishorizont bei Beurteilung der im Streit stehenden Klausel abzustellen ist (BGH, NJW 1985, 2253/2255), verfügt aber typischerweise über keine detaillierten Kenntnisse über die Rechtspflichten eines Versicherers bei Abwicklung eines Versicherungsvertrags. Für ihn erweckt die angegriffene Klauselformulierung den Eindruck, dass er in allen denkbaren Fällen, also auch in Notfällen, die Kosten einer, medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung in einem Krankenhaus, das auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführt, nicht ersetzt verlangen kann. Eine für den Durchschnittskunden unklare Klausel führt jedoch nicht ohne weiteres dazu, dass durch ihre Verwendung der Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligt wird. Die von der Beklagten verwendete Klausel ist jedoch nicht nur unklar, sondern eröffnet mit ihrer weitgehenden Formulierung die Möglichkeit, dass der Versicherte über seine Rechte und über die Pflichten des Versicherers irregeführt und von der Geltendmachung von Ansprüchen abgehalten werden kann. Die Klausel stellt nämlich, wie von der Beklagten selbst erkannt, die Rechtslage unzutreffend dar und eröffnet so auch ihr die Möglichkeit, begründete Ansprüche auf Kostenersatz unter Hinweis auf die Klauselgestaltung abzulehnen. Dies benachteiligt den Versicherungskunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BGHZ 104, 82/93 m.w.N.). Eine Konkretisierung der Klausel, die die Rechte der Versicherungskunden zutreffend darstellt, ist mit wenigen Worten möglich und der Beklagten auch ohne weiteres zumutbar.

3. Die vom Kläger beanstandete Klausel, dass eine Leistungspflicht der Beklagten für "Untersuchung und Behandlung zur Schwangerschaftsüberwachung, ferner für Entbindung und Schwangerschaftsabbruch sowie deren Folgen" nicht besteht, ist, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht kontrollfähig. Diese Klausel korrespondiert mit der grundsätzlichen Leistungsbeschreibung in § 1 Abs. 2 AVB, wonach die Beklagte Versicherungsschutz für Krankheiten bietet. Eine Schwangerschaft stellt keine Krankheit dar. Mit der beanstandeten Klausel wird daher nur die vertragswesentliche Leistungsbeschreibung aufgenommen und klargestellt, dass Maßnahmen der Schwangerschaftsüberwachung, die Entbindung oder ein Schwangerschaftsabbruch nicht vom Leistungsumfang der Versicherung erfasst sind. Diese Leistungsbestimmung ist also gemäß § 8 AGBG nicht kontrollfähig.

Die Kontrollfreiheit der Klausel entfällt nicht gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EG des Rates vom 05. 04. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, weil die Klausel nicht intransparent ist (vgl. Wolf/Horn/Lindacher a.a.O. Rdnr. 1 zu § 8). Sie ist bestimmt und genügt dem Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit. Der typische Durchschnittskunde der Beklagten, auf den es für die Beurteilung ankommt, wird der Klausel und insbesondere dem Hinweis auf "Schwangerschaftsüberwachung", was der Kläger als unklar beurteilt, entnehmen, dass damit regelmäßige Untersuchungen und Behandlungen bei einem komplikationslosen Schwangerschaftsablauf gemeint sind. Der Gebrauch des Wortbestandteils "Überwachung" schließt es aus, dass der Versicherungskunde davon ausgeht, es sei jegliche Kostenübernahme, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft steht, ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Vertragspartner durch AGB-Klauseln der Gefährdung in der für ihn nachteiligsten Auslegungvariante ausgesetzt ist, läßt angesichts des klaren Sinngehalts von "Überwachung" eine solche fernliegende Auslegung nicht zu. Dem Versicherungskunden, der mit dem Vertrag Schutz für Krankheitskosten erworben hat, ist klar, dass im Gegensatz zu Kosten, die bei Überwachung einer komplikationslosen Schwangerschaft anfallen, von der Beklagten die Kosten übernommen werden, die, zur Behandlung einer Krankheit, also eines anormalen Zustandes auch bei einer Schwangerschaft anfallen.

Das gefundene Ergebnis wird durch das vom Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Urteil des hanseatischen Oberlandesgerichts vom 20. 07. 1999 nicht in Frage gestellt. Die dort überprüfte Klausel hatte einen anderen Wortlaut. Dort wurde die Leistungspflicht allgemein "für Untersuchung und Behandlung wegen Schwangerschaft, Entbindung, Fehlgeburt und Schwangerschaftsabbruch sowie deren Folgen" eingeschränkt. Diese Klausel erfasst nach ihrem Wortlaut auch Krankheiten, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft entstehen können. Von Überwachung ist dort nicht die Rede. Deshalb liegt, wovon das Oberlandesgericht ausgegangen ist, eine Kontrollfähigkeit der Klausel nahe. Der Auffassung, dass die dort geprüfte Klausel mit dem Leitbild des § 178 b Abs. 1 VVG kollidiere, vermag sich der Senat nicht anzuschließen, weil § 178 b Abs. 1 VVG auf die Versicherungsvereinbarung bezug nimmt. Die abdingbare Vorschrift kommt daher als Masstab für die Inhaltskontrolle der Klausel nicht in Betracht (Prölss/Martin, VersicherungsvertragsG, 26. Aufl., Rdnr. 3 zu § 178 b)).

4. Nach alledem waren die Berufungen beider Parteien zurückzuweisen. Allerdings war für beide Parteien die Revision, für die Beklagte beschränkt auf die Auslandsklausel zuzulassen. Die Gültigkeit der Auslandsklausel und der Schwangerschaftsklausel ist höchstrichterlich nicht geklärt. Die zu entscheidenden Fragen sind von grundsätzlicher und allgemeiner Bedeutung. Wie von den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert, werden die Klauseln jedenfalls in ähnlicher Form von zahlreichen Versicherern verwendet. Insoweit sind derzeit zahlreiche Klagen anhängig.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711, § 546 Abs. 1 und 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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