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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 29 U 3271/06
Rechtsgebiete: UrhWG, UrhG, BGB


Vorschriften:

UrhWG § 11 Abs. 1
UrhG § 42 Abs. 1
UrhG § 77 Abs. 2 Satz 1
UrhG § 79
BGB § 242
Der Abschlusszwang nach § 11 Abs. 1 UrhWG kann im Einzelfall mit Rücksicht auf entgegenstehende berechtigte Interessen der Verwertungsgesellschaft und/oder des Berechtigten aufgehoben sein.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 3271/06

Verkündet am 16.11.2006

In dem Verfahren

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein, Richter am Oberlandesgericht Lehner und Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13.04.2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten beider Instanzen einschließlich der durch die Nebenintervention in beiden Instanzen verursachten Kosten zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens des Nebenintervenienten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine GmbH, begehrt von der Beklagten, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), die Erteilung einer Lizenz für den Tonträger "S. i. B." mit 12 Musikstücken entsprechend der Originalfassung gemäß der CD mit dem Titel "K." (Anlage K 3). Der Nebenintervenient ist Urheber bzw. Miturheber (Komponist bzw. Textdichter) verschiedener Titel auf der genannten CD. Alle Musikstücke wurden 1993 in den USA von der Klägerin mit dem Nebenintervenienten als Interpreten (Sänger) aufgenommen und die genannte CD mit dem Titel "K." (Anlage K 3) erstellt. Grundlage war ein Künstlerexklusivvertrag vom 23.07.1993 zwischen der damals unter N. D. GmbH firmierenden Klägerin und dem Nebenintervenienten (Anlage K 8, im Folgenden: Vereinbarung vom 23.07.1993).

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt mit der Klarstellung, dass sich alle ihre Anträge auf die Originalfassung der Werke auf der CD "K." beziehen, beantragt:

1. Der Beklagten wird aufgegeben, der Klägerin die von ihr beantragte Lizenz für den Tonträger "S. i. B." mit den Musikstücken [folgen 12 Titel] Zug um Zug gegen Zahlung der Lizenzgebühr in Höhe von 6.420,-- € zu erteilen,

hilfsweise,

2. der Beklagten aufzugeben, der Klägerin eine Lizenz für den Tonträger "S. i. B." mit dem Interpreten K. mit den o. g. Musikstücken Zug um Zug gegen Zahlung der Lizenzgebühr in Höhe von 6.420,-- € zu erteilen.

Die Beklagte und der Nebenintervenient haben in erster Instanz

Klageabweisung

beantragt.

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugen Ch. M., N. D. und [Nebenintervenient]) mit am 13.04.2006 verkündeten Urteil der Beklagten aufgegeben, der Klägerin eine Lizenz für den Tonträger "S. i. B." mit den Musikstücken [folgen 12 Titel] entsprechend der Originalfassung gemäß der Anlage K 3 Zug um Zug gegen Zahlung der Lizenzgebühr in Höhe von 6.420,-- € zu erteilen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts München I vom 13.04.2006 wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die der Nebenintervenient unterstützt. Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung aus, das Landgericht habe im Wege einer fehlerhaften Beweiswürdigung seiner Entscheidung Feststellungen zugrunde gelegt, welche weder dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten und des Nebenintervenienten gerecht würden. Die Beklagte unterliege grundsätzlich dem Kontrahierungszwang des § 11 UrhWG. Der sich aus § 11 UrhWG ergebende Abschlusszwang sei jedoch dadurch beschränkt, dass er sich nur auf Rechte beziehen könne, welche von dem jeweiligen Urheberberechtigten mittels Berechtigungsvertrags auf die Beklagte als Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung übertragen worden seien. Das streitgegenständlich betroffene Urheberpersönlichkeitsrecht gehöre nicht zu den Rechten, welche Gegenstand des Berechtigungsvertrags zwischen der Beklagten und ihren Mitgliedern seien.

Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Erstveröffentlichung der streitbefangenen Musikwerke vorliege. Das Landgericht habe darüber hinaus unberücksichtigt gelassen, dass bei zwei Musiktiteln Werkänderungen vorgenommen worden seien, ohne dass hier der Nebenintervenient in seiner Eigenschaft als Urheber seine Genehmigung erteilt hätte. Das Landgericht habe es in seiner Beweiswürdigung nicht nur unterlassen, die Beweislastregeln, welche vorliegend zu Lasten der Klagepartei gingen, anzuwenden, sondern vielmehr streitigen Sachvortrag als unstreitig erachtet. Darüber hinaus habe das Landgericht maßgebliche Einwendungen der Beklagten und des Nebenintervenienten unbeachtet gelassen. Die Beklagte könne eine Lizenzierung der Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte gemäß § 11 Abs. 1 UrhWG verweigern, da die Klägerin gegen das Erstveröffentlichungsrecht des Nebenintervenienten und gegen das gesetzliche Verbot, Änderungen und/oder Bearbeitungen nur mit Zustimmung des betroffenen Urhebers vorzunehmen, verstoßen habe. Die Beklagte müsse aufgrund ihrer treuhänderischen Verbundenheit mit den ihr angeschlossenen Urhebern, auch zum Schutz ihrer Mitglieder, die insoweit betroffenen Urheberpersönlichkeitsrechte beachten.

Das Landgericht habe sich in seiner Entscheidung ausschließlich auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (GRUR 1994, 118, 120 - Beatles CDs) berufen, ohne die insoweit beachtlichen Sachverhaltsunterschiede zu berücksichtigen. Die Klägerin verfüge nicht über die Leistungsschutzrechte, nachdem der seinerzeit zwischen dem Nebenintervenienten und der Klägerin geschlossene Künstlerexklusivvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Das Landgericht habe insoweit übersehen, dass die treuhänderische Verpflichtung der Beklagten ihren Mitgliedern gegenüber auch die Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder zu berücksichtigen habe. Im Streitfall drohe auch die Verletzung der Leistungsschutzrechte des Nebenintervenienten.

Das Landgericht vertrete zwar selbst die Auffassung, dass die Beklagte als Verwertungsgesellschaft nur demjenigen Rechte einräumen müsse, der sich ihr gegenüber auch rechtmäßig verhalte. Die Beklagte habe jedoch mehrfach darauf hingewiesen, dass - selbst wenn streitbefangener Tonträger in den USA veröffentlicht und vertrieben worden wäre - die Klägerin die hierfür erforderlichen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte nicht einer ordnungsgemäßen Lizenzierung unterzogen habe. Die Entscheidung des Landgerichts weise nachhaltig keine korrekte Anwendung des materiellen Rechts auf und sei im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen gerade bezüglich der Beweiswürdigung unrichtig und unvollständig.

Der Nebenintervenient führt aus, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO verfahrensfehlerhaft unterstellt, dass die Klägerin eine Erstveröffentlichung mit Zustimmung des Nebenintervenienten bewiesen habe. Die Beweiswürdigung des Landgerichts bestehe aus der unreflektierten Wiedergabe einer Behauptung von zwei am Ausgang des Rechtsstreits interessierten Zeugen, ohne dass das Landgericht den Sachverhalt mit in die Bewertung einbezogen habe, der gegen den Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugen D. und Mills spreche. Die Beweisaufnahme sei daher auf der Grundlage einer unvollständigen Sachverhaltseinbeziehung erfolgt, was einen Verstoß gegen § 286 ZPO darstelle. Das Landgericht habe darüber hinaus streitige Tatsachen als unstreitig behandelt, was ebenfalls einen Verstoß gegen § 286 ZPO beinhalte.

Entgegen den Ausführungen des Landgerichts liege auch ein wiederholtes rechtswidriges Verhalten der Klägerin gegenüber dem Nebenintervenienten vor. Aufrechterhalten bleibe der Vortrag zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Die Klägerin missbrauche das Lizenzierungsverfahren, um rechtswidrige Verwertungshandlungen vorbereiten zu können, denn sie sei nicht Inhaberin der erforderlichen Leistungsschutzrechte und habe auch durch ihr weiteres Verhalten dokumentiert, dass sie die Rechte des Nebenintervenienten missachten wolle. Auf der Grundlage des die Nichtigkeit des Künstlerexklusivvertrags bestätigenden Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 08.06.2005 habe der Prozessbevollmächtigte des Nebenintervenienten mit Schreiben vom 16.06.2005 - dies ist unstreitig - für den Nebenintervenienten Unterlassungsansprüche gegen die Klägerin geltend gemacht. Statt zu antworten habe die Klägerin - dies ist ebenfalls unstreitig - eine Klage in Italien vor dem Tribunale di Roma mit einem kontradiktorischen Feststellungsantrag erhoben.

Der Klägerin fehle für das hier streitige Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis, denn sie dürfe die Werke des Nebenintervenienten mit seinen Darbietungen auch dann nicht herstellen und verbreiten, wenn ihr die Lizenz auf der Ebene der mechanischen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte eingeräumt würde. Der Lizenzerteilung stünden - unabhängig von den sonstigen Einwendungen - hier berechtigte Interessen der Verwertungsgesellschaft und des Berechtigten gegenüber, weil sich die beantragte Lizenz auf Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen von Tonträgern beziehe, die schon wegen der fehlenden Berechtigung der Klägerin im Hinblick auf die weiter erforderlichen Rechte aus § 77 Abs. 2 UrhG nicht vervielfältigt und verbreitet werden dürften. Es sei festzuhalten, dass die Beklagte als Verwertungsgesellschaft die Rechte des Nebenintervenienten auf der Grundlage des Standardberechtigungsvertrags lediglich als Treuhänderin wahrnehme. Die Beklagte sei verpflichtet, Rücksicht auf die Rechte und Rechtsgüter der bei ihr unter Vertrag stehenden Autoren und Komponisten zu nehmen. Würden also insoweit berechtigte Interessen ihrer Vertragspartner beeinträchtigt, so stelle dies wegen der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten aus dem Treuhandverhältnis ebenfalls einen Eingriff in berechtigte Interessen der Verwertungsgesellschaft dar. Die Klägerin beabsichtige mit der Lizenzierung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte die Vorbereitung für einen Eingriff in die Leistungsschutzrechte des Nebenintervenienten. Der Lizenzantrag der Klägerin beziehe sich nicht nur auf die Werke des Autoren und Komponisten [Nebenintervenient], sondern auch auf ihn in seiner Eigenschaft als Interpreten, also leistungsschutzberechtigten Künstler. Das Landgericht habe sich mit diesen Einwendungen im Kern nicht auseinandergesetzt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München vom 13.04.2006 (Az.: 7 O 20693/03) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Nebenintervenient schließt sich dem Antrag der Beklagten an.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, die Beklagte unterliege gemäß § 11 UrhWG dem Kontrahierungszwang und sei zur Lizenzerteilung verpflichtet. Ausnahmen vom Kontrahierungszwang seien gesetzlich nicht vorgesehen. Soweit Ausnahmen anzuerkennen wären, seien diese hier jedenfalls nicht einschlägig. Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handele es sich offensichtlich um einen Stellvertreterstreit, für den die Beklagte sich vom Nebenintervenienten habe einspannen lassen. Die Klägerin und der Nebenintervenient stritten seit längerem über die Berechtigung der Klägerin, die von ihnen gemeinsam 1993/1994 in den USA produzierte und veröffentlichte CD "K." in Deutschland, ggf. unter der Bezeichnung "S. i. B.", auf den Markt zu bringen. Gegenstand der Auseinandersetzung sei der zwischen dem Nebenintervenienten und der Klägerin geschlossene Künstlerexklusivvertrag vom 23.07.1993. In der Hauptsache - dies ist unstreitig - sei eine Klage der Klägerin gegen den Nebenintervenienten vor dem Tribunale di Roma in Italien und eine Klage des Nebenintervenienten über seine Firma, die N. R. GmbH, gegen die Klägerin vor dem Landgericht Mannheim anhängig. Da [der Nebenintervenient] keinen Unterlassungstitel gegen die Klägerin habe erwirken können, habe er die Beklagte für seine Belange gewonnen, um über den Weg einer Lizenzverweigerung die Veröffentlichung der CD durch die Klägerin zu verhindern. Tatsächlich könne jedoch die Frage, ob die Klägerin nach dem Künstlerexklusivvertrag zur Veröffentlichung der CD "K." berechtigt sei, lediglich in einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Nebenintervenienten geklärt werden. Die Lizenz der Beklagten habe hiermit nichts zu tun.

Die Beklagte verkenne, dass sich der Lizenzantrag der Klägerin nicht auf Urheberpersönlichkeitsrechte, sondern auf die Urheberrechte beziehe. Diese Urheberrechte seien aber der Beklagten vom Nebenintervenienten zur Wahrnehmung übertragen worden. Der Nebenintervenient habe vorgetragen, dass die Werke durch die H. M. GmbH bei der Beklagten angemeldet worden seien. Diese seien auch in der allen Nutzern offenstehenden Datenbank der Beklagten aufgeführt. Weder die Beklagte noch der Nebenintervenient hätten bisher eine Erklärung dafür liefern können, warum die Werke bei der Beklagten gemeldet und in der öffentlichen Datenbank aufgeführt seien, wenn der Beklagten für diese Werke die Wahrnehmungsbefugnis nicht zustehe bzw. wenn sie diese wegen angeblich fehlender Vorveröffentlichung nicht lizenzieren dürfe. Eine Lizenz könne nicht unter Berufung auf eine angeblich fehlende Vorveröffentlichung verweigert werden.

Soweit die Beklagte meine, dass vorliegend ein Ausnahmefall vom Abschlusszwang gegeben sei, treffe diese nicht zu. Offensichtliche, ohne Beweisaufnahme feststellbare Verstöße gegen das Urheberpersönlichkeitsrecht des Nebenintervenienten gebe es in diesem Rechtsstreit nicht.

Das Landgericht habe zu Recht das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin bejaht und eine Ausnahme vom Kontrahierungszwang wegen angeblicher Verletzung von Leistungsschutzrechten des Nebenintervenienten nicht zugelassen. Soweit die Beklagte behaupte, dass der zwischen dem Nebenintervenienten und der Klägerin geschlossene Künstlerexklusivvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei, sei darauf zu verweisen, dass das von der Beklagten und dem Nebenintervenienten angeführte Urteil des Landgerichts Mannheim vom 16.04.2004 bzw. das dieses bestätigende Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 08.06.2005 keine Rechtskraftwirkung bezüglich der angenommenen Nichtigkeit des Künstlerexklusivvertrags entfalte. Trotz verschiedener Bemühungen sei es dem Nebenintervenienten nicht gelungen, eine solche rechtskräftige Feststellung der Nichtigkeit des Künstlerexklusivvertrags zu erreichen. Das Tribunale di Roma werde in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit darüber zu entscheiden haben, ob der Klägerin die weltweiten Verwertungsrechte zustünden. Die Klägerin gehe davon aus, dass dieses Gericht den Künstlerexklusivvertrag sehr wohl für wirksam erachten und der Klägerin die Verwertungsrechte zusprechen werde.

Außerdem habe das Landgericht zu Recht das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin bejaht und ausgeführt, dass die Beklagte aus einer eventuellen Nichtigkeit des Künstlerexklusivvertrags keine beachtlichen Einwendungen herleiten könne. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten und des Nebenintervenienten griffen nicht durch. Die behauptete rechtswidrige Herstellung der CD begründe keine Ausnahme vom Wahrnehmungszwang.

Das Landgericht habe zu Recht ausgeführt, dass der Nebenintervenient der Veröffentlichung der CD in der Endfassung zugestimmt habe. Ferner habe das Landgericht auch zu Recht ausgeführt, dass zur Veröffentlichung der CD 1993/1994 in den USA eine Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte unmittelbar durch den Vertrag bzw. konkludent erfolgt sei, da der Nebenintervenient damals - dies ist unstreitig - noch nicht Mitglied einer Verwertungsgesellschaft gewesen sei.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 16.11.2006 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die zulässige Klage der Klägerin ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.

1. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens nach Art. 28 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 EuGVVO im Hinblick auf das beim Landgericht Rom (Tribunale di Roma) anhängige Verfahren, in dem es um eine von der hiesigen Klägerin u.a. gegen den hiesigen Nebenintervenienten erhobene Feststellungsklage (zu den dortigen Feststellungsanträgen vgl. Anlage BNI 2, S. 10, nach Bl. 348) geht, liegen nicht vor, weil das Landgericht Rom später angerufen wurde als das Landgericht München I im vorliegenden Verfahren. Die Klageschrift in dem genannten italienischen Verfahren datiert vom 24.06.2005 (vgl. Anlage BNI 2, S. 10); Rechtshängigkeit im hiesigen Verfahren in erster Instanz ist am 02.01.2004 eingetreten (nach Bl. 16).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Lizenz nach § 11 Abs. 1 UrhWG, und zwar weder bezüglich des Haupt- noch bezüglich des Hilfsantrags; beide Anträge beziehen sich, wie das Landgericht festgestellt hat (UA S. 5), auf die Originalfassung der Werke auf der CD "K." (Anlage K 3). Obgleich § 11 Abs. 1 UrhWG keine Ausnahmen vom Abschlusszwang der Verwertungsgesellschaften vorsieht, kann der Abschlusszwang im Einzelfall mit Rücksicht auf entgegenstehende berechtigte Interessen der Verwertungsgesellschaft und/oder des Berechtigten aufgehoben sein (vgl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 11 WahrnG, Rdn. 2; Gerlach in Wandtke/Bullinger, UrhR, 2. Aufl., § 11 WahrnG, Rdn. 8; Zeisberg in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, § 11 WahrnG, Rdn. 3). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.

a) Dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung der begehrten Lizenz für den Tonträger "S. i. B." entsprechend der Originalfassung gemäß der CD "K." (Anlage K 3) steht jedenfalls der vom Nebenintervenienten geltend gemachte Missbrauchseinwand (§ 242 BGB) entgegen, den die Beklagte, die die ihr vom Nebenintervenienten übertragenen Urheberrechte gemäß § 1 des Berechtigungsvertrags vom 13.02./15.02.1998 (Anlage K 12) als Treuhänderin wahrnimmt, der Klägerin im Hinblick auf ihre Treuhänderstellung entgegenhalten kann; die Beklagte macht den genannten Missbrauchseinwand auch selbst geltend (vgl. Berufungsbegründung vom 19.07.2006, S. 6 f.). Der Antrag der Klägerin geht, sowohl bezüglich des Haupt- als auch bezüglich des Hilfsantrags, auf die Erteilung einer Lizenz für den Tonträger "S. i. B." mit 12 im Einzelnen bezeichneten Musikstücken entsprechend der Originalfassung gemäß der Anlage K 3 (CD "K."). Die Musikstücke auf der CD "K." wurden mit dem Nebenintervenienten als Interpreten (Sänger) aufgenommen (vgl. die Feststellungen des Landgerichts auf S. 4 des angefochtenen Urteils); der Nebenintervenient ist außerdem Urheber bzw. Miturheber (Komponist bzw. Textdichter) verschiedener Titel der CD "K." (vgl. die Feststellungen des Landgerichts auf S. 4 des angefochtenen Urteils).

Der Klägerin geht es, wie sich aus ihren schriftsätzlichen Ausführungen, etwa den Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 04.10.2006, S. 2 sowie aus ihren Ausführungen im Termin vom 16.11.2006 ergibt, um eine Lizenz für einen herzustellenden Tonträger exakt entsprechend dem Inhalt der CD "K." (Anlage K 3) mit dem Nebenintervenienten als Interpreten (Sänger). Hierfür benötigt die Klägerin neben einem Nutzungsrecht bezüglich der Urheberrechte auch das Leistungsschutzrecht, das der Nebenintervenient als ausübender Künstler erworben hat und das sich darauf erstreckt, den Tonträger, auf den die Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten (vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1, § 79 Abs. 1 UrhG), oder ein Nutzungsrecht bezüglich dieses Leistungsschutzrechts (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 UrhG). Ein solches Recht steht der Klägerin nicht aufgrund der Vereinbarung vom 23.07.1993 (Künstlerexklusivvertrag, Anlage K 8) zu, die in § 14 Nr. 1 eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts (vgl. Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) enthält und die zwischen der Klägerin, die damals unter N. D. GmbH firmierte, und dem Nebenintervenienten geschlossen wurde. Denn diese Vereinbarung ist wegen Sittenwidrigkeit gesamtnichtig (§ 138 Abs. 1, § 139 BGB). Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts Mannheim im Urteil vom 16.04.2004 - 7 O 210/03 (Anlage NI 3) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Urteil vom 08.06.2005 - 6 U 109/04 (Anlage NI 5), die die genannte Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit für gesamtnichtig erachtet haben; auf die genannten Urteile wird Bezug genommen; der Senat schließt sich den Erwägungen, mit denen das Landgericht Mannheim und das Oberlandesgericht Karlsruhe in den genannten Urteilen die Vereinbarung vom 23.07.1993 (Anlage K 8) wegen Sittenwidrigkeit für gesamtnichtig erachtet haben, an und macht sich diese Erwägungen zu Eigen. Der Bundesgerichtshof hat die Beschwerde der hiesigen Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 08.06.2005 mit Beschluss vom 15.12.2005 - I ZR 118/05 (Anlage NI 8, nach Bl. 294) zurückgewiesen. Wegen der Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung vom 23.07.1993 (Künstlerexklusivvertrag, Anlage K 8) ist auch die darin enthaltene Übertragung von Leistungsschutzrechten (vgl. § 2 Nr. 1 der Vereinbarung) auf die Klägerin nichtig.

Der Nebenintervenient lehnt es, wie aus seinen schriftsätzlichen Ausführungen (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 13.07.2006, S. 23) und aus den Ausführungen sowie der Antragstellung im Termin vom 16.11.2006 klar hervorgeht, ab, der Klägerin das für die Vervielfältigung und Verbreitung der CD "K." erforderliche Leistungsschutzrecht als Interpret (Sänger) zu übertragen oder ein diesbezügliches Nutzungsrecht einzuräumen. Entsprechendes gilt für die N. R. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Nebenintervenient ist und der der Nebenintervenient nach den nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Urteil vom 13.09.2006 - 6 U 109/06, S. 8 (Anlage BB 1, nach Bl. 392) sämtliche Leistungsschutzrechte mit Vereinbarung vom 30.05.2006 übertragen hat. Bei dieser Sach- und Rechtslage steht dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Lizenz nach § 11 Abs. 1 UrhWG, und zwar sowohl bezüglich des Haupt- als auch bezüglich des Hilfsantrags, der von der Beklagten im Hinblick auf ihre Treuhänderstellung geltend gemachte Missbrauchseinwand (vgl. Berufungsbegründung vom 19.07.2006, S. 6 f.) entgegen.

Hinzu kommt, dass dieser Einwand auch deshalb durchgreift, weil es für den Nebenintervenienten, dessen Urheberrechte bezüglich der CD "K." (Anlage K 3) die Beklagte als Treuhänderin möglicherweise wahrnimmt, nicht zumutbar ist, dass der Klägerin eine Lizenz erteilt wird, nachdem die Klägerin mit dem damals ca. 21-jährigen (vgl. S. 5 des Protokolls des Termins vom 29.09.2005, Bl. 207) Nebenintervenienten die diesen in erheblichem Umfang benachteiligende, wegen Sittenwidrigkeit gesamtnichtige Vereinbarung vom 23.07.1003 (Künstlerexklusivvertrag; Anlage K 8) geschlossen hat.

Der vorstehenden Beurteilung steht der Senatsbeschluss vom 22.04.1993 - 29 U 2194/93 = GRUR 1994, 118 - Beatles CDs, bei dem es sich um eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO handelt, nicht entgegen. Allerdings hat der Senat in dem genannten Beschluss ausgeführt, die behauptete rechtswidrige Herstellung der Tonträger - es ging um einen von der damaligen Antragstellerin erworbenen Sonderposten von Beatles CDs - könne ein berechtigtes Interesse der damaligen Antragsgegnerin (der hiesigen Beklagten) daran, durch Verweigerung der Lizenz Einfluss darauf zu nehmen, ob die Antragstellerin die Tonträger vertreiben dürfe oder nicht, nicht zu begründen; die Berufung auf die Verletzung von Leistungsschutzrechten, die von E. El. als deren Inhaberin geltend zu machen wären, könne eine Ausnahme vom Abschlusszwang gemäß § 11 UrhWG nicht begründen. Der diesem Beschluss zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem im vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt im Hinblick auf die eingangs erörterte Treuhänderstellung der Beklagten signifikant darin, dass damals Inhaber der Leistungsschutzrechte eine mit den Urhebern nicht personenidentische und von diesen nicht beherrschte Drittfirma war. Außerdem hatte damals die Lizenzantragstellerin mit den Urhebern keinen letztere in erheblichem Umfang benachteiligenden, wegen Sittenwidrigkeit gesamtnichtigen Künstlerexklusivvertrag geschlossen.

b) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die Beklagte auch deshalb berechtigt ist, die Erteilung der beantragten Lizenz zu verweigern, weil dem Vortrag des Nebenintervenienten im Schriftsatz vom 22.03.2004, S. 13 ("Die ohnehin nur für den amerikanischen Markt produzierten Werke von [Nebenintervenient] aus dem Jahre 1993 sind so "grauenhaft", dass sie nach dem 10 Jahre später erfolgten unautorisierten Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland durch die Erfüllungsgehilfen der Klägerin in der Presse "zerrissen" wurden.") ein Rückruf wegen gewandelter Überzeugung nach § 42 Abs. 1 UrhG zu entnehmen ist, den die Beklagte im Hinblick auf den urheberpersönlichkeitsrechtlichen Charakters des Rückrufsrechts wegen gewandelter Überzeugung (vgl. Schricker/Dietz, Urheberrecht, 3. Aufl., § 42, Rdn. 1) beachten muss, weil die Beklagte keine Urheberpersönlichkeitsrechte wahrnimmt (vgl. Anlage B 1, S. 7 unter II. 2.; Anlage B 2, S. 7 (Artikel III)). Des Weiteren kann dahinstehen, ob die Feststellungen des Landgerichts zur Veröffentlichung der CD "K." in den USA und zur Zustimmung des Nebenintervenienten hierzu (UA S. 15-18) rechtsfehlerfrei getroffen sind und ob die diesbezüglichen Angriffe der Beklagten und des Nebenintervenienten gegen die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung durchgreifen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.).

Ende der Entscheidung

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