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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 08.02.2001
Aktenzeichen: 29 U 3797/00
Rechtsgebiete: MarkenG, BGB, ZPO
Vorschriften:
MarkenG § 14 Abs. 6 | |
MarkenG § 19 | |
MarkenG § 14 | |
MarkenG § 19 Abs. 1 | |
MarkenG § 19 Abs. 2 | |
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 | |
BGB § 242 | |
ZPO § 148 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ZPO § 97 | |
ZPO § 92 Abs. 1, S. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 S. 1 | |
ZPO § 713 |
1. Während bei der Formulierung eines Unterlassungsanspruchs über den konkreten Verletzungstatbestand hinaus Verallgemeinerungen derselben sachgerecht sein können, bezieht sich der Schadensersatzanspruch und der ihm folgende Auskunftsanspruch stets nur auf die tatsächliche Verletzungshandlung.
2. Zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr bei Interpretation einer Marke in eine dekorative Produktgestaltung.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 29 U 3797/00 4 HKO 12679/99 LG München I
Verkündet am 8. Februar 2001
Die Urkundsbeamtin: Dettenhamer Justizhauptsekretärin
In dem Rechtsstreit
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Retzer und Jackson aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2001
für Recht erkannt: Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18.5.2000 - 4 HKO 12679/99 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Vertriebsweg der von ihr hergestellten und in der Zeit vom 18.6.1997 bis zum 19.2.1998 vertriebenen und mit den nachfolgend unter Nr. 1. bis 6. wiedergegebenen Kennzeichnungen versehenen Kleidungsstücke, insbesondere T-Shirts, Sweat-Shirts, Anoraks und Pullover zu erteilen durch Mitteilung von Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und der Menge der hergestellten und ausgelieferten Bekleidungsstücke.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe des Umsatzes, den sie mit den gemäß Nr. 1. gekennzeichneten Bekleidungsstücken erzielt hat und über den Umfang der betriebenen Werbung für solche Bekleidungsstücke, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Nr. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin 4/10, die Beklagte trägt 6/10.
Von den Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Klägerin 2/10, die Beklagte trägt 8/10.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,-- DM.
Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM nicht.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um markenrechtliche Schadensersatz- und Auskunftsansprüche der Klägerin.
Die Klägerin ist Inhaberin der am 19.6.1995 angemeldeten und am 25.10.1996 in das vom Patentamt geführte Register eingetragenen Wortmarke Nr. 395 25 298 "Slide" (Registerauszug: Anl.K 1). Die Marke ist (unter anderem) für Bekleidungsstücke geschützt. Sie wird nach der Behauptung der Klägerin von einer Lizenznehmerin für diese Waren benutzt.
Die Beklagte, eine bekannte italienische Herstellerin von Bekleidungsstücken, hat eine für die Wintersaison 1997/1998 produzierte Kollektion von insbesondere auf die Zielgruppe "Snowboardfahrer" abgestellten Sport-Bekleidungsstücken mit den im Tenor des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Kennzeichnungen versehen und die so gekennzeichneten Kleidungsstücke in der Bundesrepublik Deutschland über ihr aus Franchisenehmern bestehendes Einzelhandels-Vertriebssystem vertrieben. Die Auslieferung der Ware begann am 18.6.1997; der Vertrieb wurde am 19.2.1998 eingestellt, nachdem die Klägerin die Beklagte abgemahnt und eine den Vertrieb der Bekleidungsstücke untersagende einstweilige Verfügung erwirkt und die Beklagte sich zur Unterlassung des Vertriebs der mit den erwähnten Kennzeichnungen versehenen Kleidungsstücke verpflichtet hatte.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die von der Beklagten benutzten Kennzeichnungen seien ihrer Marke ähnlich; zwischen den von der Beklagten vertriebenen Waren und den Waren, für die ihre Marke geschützt sei, bestehe Identität. Es bestehe deswegen Verwechslungsgefahr. Die Beklagte sei ihr deswegen gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG zum Schadensersatz und gemäß § 19 MarkenG, § 242 BGB zur Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der Ware und den Umfang der Verletzungshandlungen zur Auskunft verpflichtet. Die Klägerin hat - nach Abänderung ursprünglich weitergehender Anträge - folgende Anträge gestellt:
I. 1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts, Sweatshirts, Anoraks und Pullover zu erteilen, die sie in der Zeit vom 18.6.1997 bis 19.2.1998 ohne Zustimmung der Klägerin unter dem Zeichen "Slide" vertrieben hat und bei denen sie insbesondere das Zeichen auf Bekleidungsstücken oder ihrer Aufmachung oder ihrer Verpackung angebracht hat, unter dem Zeichen Bekleidungsstücke angeboten, in den Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken besessen hat oder unter dem Zeichen Bekleidungsstücke eingeführt oder ausgeführt hat und das Zeichen in Geschäftspapieren oder der Werbung benutzt hat, soweit das Wort "Slide" nicht wie bei den Kapuzenpullovern gemäß Anlage B 1 ohne besondere Hervorhebung lediglich als Sinnelement eines zusammenhängenden Textes gebraucht wird. Die Auskunftspflicht beschränkt sich auf die vorgenannten Verletzungshandlungen im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und erstreckt sich auf die Angabe der Namen und Anschrift der Hersteller, der Lieferanten und deren Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie die Angabe der Mengen der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin über den Umfang der von ihr unter dem Zeichen "Slide" ohne Zustimmung der Klägerin in der BRD gemäß Ziffer I. 1. vertriebenen Bekleidungsstücke Rechnung zu legen und zwar unter Angabe des unter dem Zeichen "Slide" mit Bekleidungsstücken erzielten Umsatzes sowie unter Angabe des Umfanges der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Bundesländern und Werbeträgern.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die streitige Kennzeichnung von Snowboard-Bekleidung mit dem Wort "Slide" in unterschiedlichen bildlichen Gestaltungen stelle einen rein dekorativen, nicht markenmäßigen Gebrauch des Wortes "Slide" dar. Der Verkehr entnehme diesem Kennzeichen keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware. § 14 MarkenG gewähre bei einer mit der Markenrechtsrichtlinie konformen Auslegung Schutz nur gegen einen unbefugten markenmäßigen Gebrauch. Auch wenn man dies nicht so sehe, sei die Benutzung von "Slide" im Design der Ware ohne Bezug zum Absatz der Ware und daher für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Jedenfalls aber bestehe keine Verwechslungsgefahr: Die beiderseitigen Kennzeichnungen seien nicht identisch, "Slide" werde stets nur als Bestandteil einer Gesamtgestaltung benutzt. Bei zutreffender Beachtung des Gesamteindrucks der angegriffenen Gestaltungen müsse die Ähnlichkeit zwischen diesen und der Marke der Kläger verneint werden. Dabei sei von einer Schwäche und einem geringen Schutzbereich der Marke der Klägerin auszugehen. Verwechslungen seien auch wegen der unterschiedlichen von den Parteien genutzten Vertriebswege ausgeschlossen. Dem Umfang nach würden die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche durch die herangezogenen Anspruchsgrundlagen nicht gedeckt; Auskunft über die Herkunft der Ware schulde sie nicht, da sie die Ware selbst hergestellt und in der streitigen Weise gekennzeichnet habe. Auch sonst gingen die geltend gemachten Ansprüche über den Umfang der allenfalls berechtigten Ansprüche hinaus, zumal sie, die Beklagte, kein Verschulden treffe.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten.
Durch das angefochtene Urteil, hat das Landgericht die Beklagte nach den zuletzt gestellten Anträgen der Klägerin verurteilt; im Übrigen - hinsichtlich der ursprünglich verfolgten weitergehenden Ansprüche - hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht im Wesentlichen unter Vertiefung ihres Sach- und Rechtsvortrages aus dem ersten Rechtszug geltend, der Tenor des landgerichtlichen Urteils sei nicht hinreichend bestimmt. Die Benutzung der Marke der Klägerin als Bestandteil des Designs der von der Beklagten vertriebenen Bekleidungsstücke sei keine markenmäßige Benutzung des Wortes "Slide"; im Vordergrund der Aufmachung der Bekleidungsstücke stünden die weltbekannten Marken der Beklagten. Alle Produkte der Beklagten trügen außen und innen Etiketten mit den Marken der Beklagten. Ein markenmäßiger Gebrauch von "Slide" scheide damit aus. Die Rechtsauffassung des Landgerichts sei abwegig. Jedenfalls bestehe angesichts der Schwäche der Klagemarke und der weitreichenden Unterschiede zwischen der Marke und den Produktaufmachungen der Beklagten keine Verwechslungsgefahr. Auch die unterschiedlichen von den Parteien benutzten Vertriebswege ließen Verwechslungen nicht befürchten. Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne scheide aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Berufungsverfahren bis zum Abschluss des Vorabentscheidungsverfahrens des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagefrage des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 1999 - 20 U 137/98 OLG Düsseldorf - gemäß § 148 ZPO auszusetzen,
weiter hilfsweise,
den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EGV anzurufen und ihm folgende Auslegungsfrage im Rahmen einer Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Richtlinie 89/104/IG, insbesondere unter Berücksichtigung ihres 10. Erwägungsgrundes und ihres Artikels 5, so auszulegen, dass die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union das Erfordernis des markenmäßigen Gebrauchs zur Voraussetzung einer Markenrechtsverletzung machen können?
Die Klägerin beantragt - einer Anregung des Senats folgend -,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass sich der Auskunftsanspruch auf Bekleidungsstücke mit den konkreten, im Tenor dieses Urteils wiedergegebenen Kennzeichnungen beziehen solle.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren Sach- und Rechtsvortrag aus dem ersten Rechtszug.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich im Kern als unbegründet; lediglich in Randbereichen hat sie Erfolg.
1. Zu den Anträgen und zum Tenor des vorliegenden Urteils:
Bei der Formulierung eines Unterlassungsanspruches sind über den konkreten Verletzungstatbestand hinaus Verallgemeinerungen dieses Tatbestandes sachgerecht, die das Typische der Verletzungshandlung herausarbeiten, soweit sich aus der konkreten Verletzungshandlung die Begehungsgefahr für abgewandelte Handlungsformen ergibt (hierzu ausführlich Teplitzky, Klageantrag und konkrete Verletzungsform, WRP 1999, 75 m.w.N.). Ein Schadensersatzanspruch ist demgegenüber stets nur für tatsächlich geschehene, nicht nur für nur drohende Handlungen begründbar; er kann sich immer nur auf die konkrete Verletzungshandlung, nicht auf deren Verallgemeinerungen beziehen. Das deutsche Recht kennt keine vorbeugende Verurteilung zum Schadensersatz wegen bestehender Gefahr der Begehung einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung. Gleiches gilt sowohl für den aus § 242 BGB entwickelten, dem Schadensersatzanspruch akzessorischen Anspruch auf Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung wie für den sich aus § 19 MarkenG ergebenden Anspruch auf "Drittauskunft"; auch diese Ansprüche beziehen sich stets nur auf tatsächlich geschehene - unstreitige oder bewiesene -, nicht auf nicht bekannte oder nur drohende Verletzungshandlungen. Eine die konkrete Verletzungsform bzw. die konkreten Verletzungsformen verallgemeinernde weitere, nur drohende Verletzungsformen einbeziehende Antragsfassung ist daher hinsichtlich des Anspruches auf Schadensersatz und auf Auskunft nicht sachgerecht. Nachdem die Klägerin, einem Hinweis des Senats folgend, ihre Anträge im Berufungsverfahren diesen Grundsätzen entsprechend eingeschränkt hat, bedarf dies hier keiner weiteren Erörterung.
2. Die Ansprüche der Klägerin auf Drittauskunft, Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung und auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz sind im aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang begründet; sie ergeben sich aus § 19 Abs. 1, 2 MarkenG, § 242 BGB, jeweils in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, § 14 Abs. 6 MarkenG. Im Einzelnen gilt Folgendes:
a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 ist es Dritten unter anderem untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist von der Sicht eines Verbrauchers auszugehen, der dem Warenverzeichnis der Marke der Klägerin entsprechende Waren, die mit der Marke in der eingetragenen Form gekennzeichnet sind, kennt und der nunmehr den Waren der Beklagten mit der angegriffenen Kennzeichnung begegnet. Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Bestimmung besteht nicht nur, wenn die Gefahr besteht, dass der Verbraucher nunmehr meint, er habe in dem Produkt der Beklagten eines der Klägerin vor sich (Verwechslungsgefahr im engeren Sinne, nämlich "unmittelbare" und "mittelbare" Verwechslungsgefahr), sondern auch dann, wenn der Verbraucher zwar sowohl die beiderseitigen Kennzeichen als auch die Unternehmen auseinanderhält, übereinstimmende Merkmale der Marken aber den unzutreffenden Eindruck hervorzurufen drohen, die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen seien wirtschaftlich - etwa lizenz- oder vertriebsvertraglich oder im Konzern - miteinander verbunden (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne; zu diesen Begriffen Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14, Rdnr. 150 m. w. N.). Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist davon auszugehen, dass zwischen den Kriterien der Kennzeichnungskraft des Klagezeichens, der Ähnlichkeit der beiderseitigen Kennzeichnungen und der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren eine Wechselwirkung besteht in dem Sinne, dass ein Mehr bei einem dieser Kriterien ein Weniger bei einem anderen Kriterium ausgleichen kann (Grundsatz der "Wechselwirkung"). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Zeichen ist insbesondere beim Vergleich eines nur aus einem Bestandteil bestehenden Zeichens mit einem mehrgliedrigen, insbesondere einem Wort- und Bildbestandteile enthaltenden Zeichen von dem Gesamteindruck der zu vergleichenden Zeichen auszugehen, der bei einem mehrere Elemente enthaltenden Zeichen von einzelnen Bestandteilen besonders deutlich geprägt sein kann. Voraussetzung dafür ist, dass der übereinstimmende Teil in den Gesamtzeichen eine selbständige kennzeichnende Stellung hat und dort nicht derart untergeht oder in den Hintergrund tritt, dass er durch die Einfügung in das Gesamtzeichen seine Eignung verliert, die Erinnerung an dieses wachzurufen; dabei wird häufig dem Wortbestandteil einer Wort-Bildmarke eine prägende Wirkung in dieser Marke insbesondere deswegen zukommen, weil der Verkehr Marken nach ihrem Wortbestandteil zu benennen pflegt. Wird neben der angegriffenen Marke oder zugleich in dieser auch ein bekanntes Unternehmenskennzeichen benutzt, so unterscheidet das Publikum regelmäßig nicht nach dem Namen des Herstellers, sondern richtet seine Aufmerksamkeit zur Individualisierung der Ware auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung, weil die Verwendung von Namen bekannter Produktionsunternehmen für den Verkehr die Annahme nahelegt, das Unternehmen verwende die bekannte Herstellerangabe zusammen mit zahlreichen produktbezogenen Sortennamen, denen in einem solchen Fall eine das Gesamtzeichen prägende, ein bestimmtes Produkt des Unternehmens kennzeichnende Bedeutung zukommen kann (zu diesen Grundsätzen ausführlich Ingerl/Rohnke a.a.O, Rdnr. 385 - 424; BGH GRUR 1996, 404/405 = WRP 1996, 739 "Blendax Pep"; BGH WRP 2001, 165/167 re. Sp. "Wintergarten"). Bei der Beurteilung sind im Übrigen alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht zweifelhaft sein, dass die von der Beklagten benutzten Produktaufmachungen das Markenrecht der Klägerin verletzten. Dabei ist für die Beurteilung der Frage, ob erstere eine rein dekorative Funktion haben oder ob sie als "Zeichen" im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG benutzt werden, auf die Anschauung des Verkehrs abzustellen. Dieser sieht - am wenigsten in der Gestaltung Nr. 1. des Tenors dieses Urteils und wesentlich stärker in den übrigen Gestaltungen - in den streitigen Aufmachungen einerseits dekorative Gestaltungselemente der Ware, andererseits aber zugleich die Ware - insbesondere hinsichtlich ihrer betrieblichen Herkunft - individualisierende Kennzeichnungen. Dass die Beklagte selbst dies auch so sieht, ergibt sich vor allem daraus, dass sie ihre eigenen Marken - B, 0-12, Benetton einzeln oder in Kombination in die Aufmachungen integriert. Den streitigen Produktaufmachungen der Beklagten kommt somit kennzeichnende Wirkung hinsichtlich der betrieblichen Herkunft der Produkte und damit eine markenmäßige Funktion im eigentlichen Sinne zu. Eine Aussetzung des Rechtsstreits zur Herbeiführung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof gemäß der Anregung der Beklagten kommt daher nicht in Betracht.
Soweit die Kennzeichnungskraft der Marke der Klägerin für die Entscheidung von Bedeutung ist, kann von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Wortmarke ausgegangen werden. Die Marke hat für die hier streitigen Produkte - Bekleidungsstücke - keinen auch nur ansatzweise beschreibenden Gehalt; sie ist andererseits auch nicht von besonderer Originalität. Soweit die Warenähnlichkeit für die Entscheidung von Bedeutung ist, ist davon auszugehen, dass die beiderseitigen Produkte - Bekleidungsstücke - identisch sind.
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass schon eine relativ geringe Ähnlichkeit zwischen den beiderseitigen Kennzeichnungen genügt, um eine Verwechslungsgefahr herbeizuführen. Hinsichtlich der einzelnen Kennzeichnungen gilt Folgendes:
a) Kennzeichnung Nr. 1. des Tenors:
Es handelt sich um das Etikett gemäß Anlage B 1/4, das, wie die Anlagen B 1/1 und B 1/4 zeigen, zur Anbringung an der Vorderseite von Sweat-Shirts eingesetzt wurde, die zusätzlich an den Ärmeln bzw. auf der Vorderseite mit der Bezeichnung "Benetton 012" gekennzeichnet wurden. Innerhalb der Kennzeichnung Nr. 1. kommt dem Wort "Slide" eine prägende Wirkung zu, da dieses sich insbesondere angesichts der zur Benennung der Ware wenig bis gar nicht geeigneten übrigen Kennzeichnungsbestandteile als Markenname anbietet. Unter diesen Umständen besteht zumindest Verwechslungsgefahr in dem oben erläuterten weiteren Sinne, nämlich die Gefahr, dass wirtschaftliche Zusammenhänge oder das Vorliegen eines Vertriebsvertrages angenommen wird, der die Beklagte zum Vertrieb von Ware der Klägerin berechtigt. In diesem Zusammenhang sind die Vertriebswege der Parteien für die Entscheidung ohne Bedeutung. Denn sie unterscheiden sich nicht wesentlich: Während die Klägerin bzw. ihre Lizenznehmerin auf den normalen Einzelhandel zum Absatz ihrer Produkte angewiesen ist, setzt die Beklagte ihre Produkte über ihre ebenfalls dem Einzelhandel zuzurechnenden Franchisenehmer ab. Das schließt die Annahme wirtschaftlicher Zusammenhänge bis zu der Annahme, dass die Beklagte aufgrund entsprechender Vereinbarung Produkte der Klägerin vertreibt, nicht aus. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann daher nicht verneint werden.
b) Kennzeichnung Nr. 2. des Tenors:
Es handelt sich um die Produktaufmachung gemäß Anlage B 1/2. Für diese Aufmachung gelten die vorstehend unter lit. a) angestellten Erwägungen entsprechend. Die Kennzeichnung wird in besonders hohem Maße durch die doppelte Herausstellung des Wortes "Slide" in einer besonderen Großschreibung geprägt. Die Verwechslungsgefahr ist daher zu bejahen.
c) Kennzeichnung Nr. 3. des Tenors:
Es handelt sich um die Aufmachung gemäß Anlage B 1/3. Auch für sie gelten die unter lit. a) angestellten Erwägungen entsprechend. Auch in ihr wird das Wortzeichen "Slide" optisch dominierend herausgestellt. Es bietet sich daher zur Benennung der Marke an. Die Worte "all tuff weather stuff" sind dazu ungeeignet und werden zudem von großen Teilen des Verkehrs als warenbeschreibende Angabe verstanden.
d) Kennzeichnung Nr. 4 des Tenors:
Es handelt sich um die Aufmachung gemäß Anlage B 1/5. Für sie gelten die vorstehenden Erwägungen unter lit. c) entsprechend. Große Teile des Verkehrs werden das optisch dahinter stark zurücktretende Firmenkennzeichen "Benetton" der Beklagten als solches erkennen und in der Gesamtgestaltung "Slide" als die eigentliche Produktkennzeichnung auffassen. Die Verwechslungsgefahr ist daher zu bejahen.
e) Kennzeichnung Nr. 5. des Tenors:
Es handelt sich um die Aufmachung des von der Klägerin vorgelegten Anoraks. Für sie gelten die vorstehend angestellten Erwägungen entsprechend. Die Verwechslungsgefahr kann nicht verneint werden.
f) Kennzeichnung Nr. 6. des Tenors:
Es handelt sich um die Aufmachung gemäß Anlage B 1/6. In ihr tritt der Zeichenbestandteil "Slide" am wenigsten deutlich hervor. Dennoch kann letztlich auch hier die Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Der entscheidende Gesichtspunkt hierfür ist - neben den oben angestellten Erwägungen, die im Kern hier ebenfalls gelten - die Tatsache, dass der Verkehr dem von der Beklagten benutzten Zeichen "Slide" in den streitigen Aufmachungen in unterschiedlicher Gestaltung begegnet und dass er dieses Zeichen als das verbindende Element der Kennzeichnung einer ganzen Produktserie auffassen wird. Unter diesen Umständen muss die Verwechslungsgefahr auch in Bezug auf diese Kennzeichnung bejaht werden.
Da die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der streitigen Kennzeichen somit erfüllt sind, war der Anspruch auf Auskunft gemäß § 19 Abs. 1, 2 MarkenG ursprünglich begründet. Soweit allerdings die Klägerin Auskunft über die Herkunft der Ware begehrt, ist der Anspruch hierauf durch Erfüllung erloschen. Denn die Beklagte hat sowohl im ersten Rechtszug wie auch erneut im zweiten Rechtszug erklärt, dass sie die streitigen Produkte selbst hergestellt hat. Ein Anspruch auf erneute Mitteilung dieser Tatsache steht der Klägerin nicht zu. Soweit die Klägerin dagegen Auskunft über den Vertriebsweg begehrt, ist der geltend gemachte Anspruch gemäß § 19 Abs. 1, 2 MarkenG begründet. Inhaltlich war der Anspruch an § 19 Abs. 1, 2 MarkenG anzupassen.
3. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin, dessen Feststellung sie begehrt, ergibt sich aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Zur Begründung schließt sich der Senat insoweit der Begründung im landgerichtlichen Urteil an und nimmt auf sie Bezug. Hätte die Beklagte vor Aufnahme der Benutzung der Marke die ihr zumutbare Markenrecherche angestellt, so wäre sie auf die am 30.1.1997 veröffentlichte Marke der Klägerin gestoßen. Die Beklagte hat daher schuldhaft gehandelt.
4. Gemäß § 242 BGB kann die Klägerin Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung zur Vorbereitung der Berechnung ihres Schadensersatzanspruches verlangen. Dieser Anspruch ist, wie die Beklagte an sich nicht verkennt, gewohnheitsrechtlich begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 97 ZPO.
Die aus dem Tenor ersichtliche Verteilung der Kosten entspricht unter Berücksichtigung der teilweisen Einschränkung des Klagebegehrens im ersten Rechtszug und seiner weiteren Begrenzung im zweiten Rechtszug sowie der teilweisen Abweisung der Klage § 92 Abs. 1, S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 S. 1, § 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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