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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 29 U 5382/06
Rechtsgebiete: VerlG


Vorschriften:

VerlG § 30 Abs. 1 Satz 1
VerlG § 31 Abs. 1
1. Zu den Voraussetzungen eines Rücktritts des Verlegers vom Verlagsvertrag bei Vorlage eines nicht vertragsgemäßen Manuskripts.

2. Mängel der Qualität des vom Autoren vorgelegten Manuskripts begründen in der Regel kein Kündigungsrecht des Verlegers nach §§ 30, 31 VerlG (vgl. BGH GRUR 1960, 642, 644 - Drogistenlexikon).


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 5382/06

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke und Lehner auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 31.10.2006 in Ziffern I. bis III. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 5.350.- nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2004 zu bezahlen.

II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, binnen drei Monaten nach Verkündung dieses Urteils das ihr am 11.10.2004 zugegangene Buchmanuskript des Klägers mit dem Titel "ADAC - Die heimliche Macht der Gelben Engel" in gedruckter Form als Buchausgabe herzustellen und im Rahmen ihres Verlagsprogramms zu veröffentlichen und zu vertreiben.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Widerklage wird abgewiesen.

V. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen."

2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 56.000.- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Hinsichtlich der Kosten kann die Beklagte die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Zahlung bzw. Rückzahlung von Autorenhonorar und um die Verpflichtung der Beklagten zur Veröffentlichung eines Buchmanuskripts durch den Kläger.

Der Kläger ist ein bekannter Sachbuchautor. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Verlag, der neben Belletristik Sachbücher verlegt.

Unter dem 21.07./05.08.2004 unterzeichneten die Parteien den als Anl. B 6 vorgelegten Verlagsvertrag. Darin (vgl. § 1 Abs. 1 des Vertrages) verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten ein ca. 250 Seiten umfassendes (§ 4 Abs. 3 des Vertrages) Werk mit dem Arbeitstitel "ADAC - Die heimliche Macht der Gelben Engel (AT)" zur Veröffentlichung (innerhalb von sechs Monaten nach Manuskriptvorlage, vgl. § 5 Abs. 2 des Vertrages) zu überlassen. Zur Beschaffenheit des Werks lautet es in § 4 Abs. 1 des Verlagsvertrages (Anl. B 6):

"Das Werk muss nach Art und Zweck dem vereinbarten und dem anerkannten fachlichen Standard des behandelten Gebiets oder Themas Rechnung tragen. ..."

Anlässlich einer Besprechung vom 05.08.2004 mit dem Mitarbeiter der Beklagten H. J. legte der Kläger das von ihm erarbeitete Thesenpapier nebst Gliederungsentwurf und Einleitungskapitel gemäß Anl. K 2 vor.

Nach Übermittlung des Manuskripts (Anl. K 7) durch den Kläger teilte die Beklagte diesem unter dem 13.10.2004 per E-Mail mit, dass dieses ihren Erwartungen nicht entspreche und das Buch so nicht auf den Markt gebracht werden könne (Anl. K 3). Mit Schreiben vom gleichen Tage, hinsichtlich dessen Inhalts auf Anl. K 4 verwiesen wird, präzisierte die Beklagte ihre Vorbehalte gegen das Manuskript dahingehend, dass es diesem an einer klaren inhaltlichen Linie und dem inhaltlichen Fokus mangele, des weiteren brisantes und beweiskräftiges Belegmaterial fehle. Die Beklagte setzte ferner dem Kläger eine - letzte - Frist zur Mängelbehebung bis 30.11.2004.

Mit Anwaltsschreiben vom 10.11.2004 (Anl. K 5) ließ der Kläger die Beklagte zur Zahlung von € 5.000.- zzgl. MWSt. (= € 5.350), der nach § 17 des Verlagsvertrags gemäß Anl. B 6 nach Manuskriptabgabe geschuldeten zweiten Hälfte der garantierten Vorauszahlung von Autorenhonorar in Höhe von insgesamt € 10.000.-, und zur Erklärung, bis Ende März 2005 ihrer Veröffentlichungsverpflichtung nachzukommen, auffordern.

Da die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob der Kläger diesbezüglich Klage zum Landgericht München I. In ihrer Klageerwiderung vom 17.03.2005 machte die Beklagte ihrerseits im Wege der Widerklage Ansprüche auf Rückzahlung der bereits an den Kläger ausbezahlten ersten Hälfte des garantierten Autorenhonorars in Höhe von ebenfalls € 5.350.- incl. MWSt. geltend.

Am 31.10.2006 erließ das Landgericht folgendes Urteil:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte € 5.350.- nebst 8% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 30. März 2005 zu zahlen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. [Vorläufige Vollstreckbarkeit]

Zur Begründung führte das Landgericht aus: Das vom Kläger vorgelegte Manuskript sei nicht vertragsgemäß, da es den im Verlagsvertrag festgelegten Vereinbarungen nicht entspreche. Dem Kläger stehe daher weder der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von € 5.350.-, noch ein Anspruch auf Veröffentlichung seines Manuskripts gemäß Anl. K 7 zu. Die inhaltlichen Anforderungen an das vom Kläger abzuliefernde Manuskript ergäben sich aus dem Thesenpapier gemäß Anl. K 2. Soweit mit Blick auf das vom Kläger erstellte Exposé "ADAC - Der heimliche Sieger" (Anl. K 2 a) zunächst Anderweitiges vereinbart worden sei, hätten die Parteien den vorgesehenen Werkinhalt einvernehmlich abgeändert, ohne dass dem die im Verlagsinhalt festgelegte Schriftformklausel (§ 17 des Verlagsvertrages, Anl. B 6) entgegenstünde. Das als Anl. K 7 vorgelegte Manuskript sei nicht von vertragsgemäßer Beschaffenheit, da es dem Kläger nicht gelungen sei, die von ihm in seinem Papier gemäß Anl. K 2 aufgestellten Thesen schlüssig und widerspruchsfrei darzulegen. So lasse sich dem Manuskript nicht entnehmen, worauf sich die Behauptung des Klägers stütze, beim ADAC handle es sich um einen "Sanierungsfall". Auch werde nicht erläutert, worin das angebliche Missmanagement bestehe. Es fehle darüber hinaus durchgehend an einer klaren argumentativen Linie im Sinne des Thesenpapiers gemäß Anl. K 2. Der Autor widerlege sogar seine eigenen Thesen an mehreren Stellen des Manuskripts selbst und stelle den ADAC als gut funktionierenden und wirtschaftlich intakten Verein dar. Der Leser gewinne den Eindruck, dass das Manuskript gemäß Anl. K 7 in erheblichem Maße noch Restbestände aus dem - als Erfolgsgeschichte konzipierten - Exposé "ADAC - Der heimliche Sieger" (Anl. K 2 a) aufweise. Die Beklagte sei daher gemäß §§ 30, 31 des VerlG zum Rücktritt und bis dahin nach § 320 BGB zur Verweigerung der Gegenleistung berechtigt, nachdem der Kläger zunächst ein nicht vertragsgerechtes Manuskript abgeliefert habe und die ihm zur Nachlieferung gesetzte angemessene Nachfrist ohne Reaktion habe verstreichen lassen. Aufgrund des wirksam erklärten Rücktritts habe der Kläger zudem die von der Beklagten mit der Widerklage geforderte Vorschusszahlung in Höhe von € 5.350.- zurückzuerstatten.

Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe seiner Entscheidung einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt. Das Konzept des Klägers gemäß Anl. K 2 a sei zu keinem Zeitpunkt Inhalt des Verlagsvertrages gemäß Anl. B 6 geworden. Auch habe das Erstgericht verkannt, dass der Kläger dem Mitarbeiter J. der Beklagten das Thesenpapier gemäß Anl. K 2 erst nach Unterzeichnung des Verlagsvertrages durch den Kläger am 05.08.2004 übergeben habe. Dem angegriffenen Urteil lägen auch mehrere Verfahrensverstöße zugrunde. Die Beweisaufnahme habe ohne Vorliegen eines ordnungsgemäßen Beweisbeschlusses stattgefunden. Das Erstgericht habe zudem einen unzulässigen Ausforschungsbeweis erhoben. Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei fehlerhaft. Das Landgericht habe ferner seine Hinweispflicht missachtet, weil die Parteien nicht darüber aufgeklärt worden seien, dass nach Ansicht des Erstgerichts im Streitfall die vereinbarte Schriftformklausel für Abänderungen des Verlagsvertrages nicht gelte. In der Sache sei zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht ausreichend mit dem Sachvortrag des Klägers auseinandergesetzt, insbesondere offensichtlich dessen Manuskript gemäß Anl. K 7 nicht in genügendem Umfang zur Kenntnis genommen habe. Vielmehr habe das Erstgericht kritiklos den Sachvortrag der Beklagten zu den angeblich vorhandenen inhaltlichen Mängeln des Manuskripts gemäß Anl. K 7 übernommen. Das vom Kläger vorgelegte Manuskript erfülle die in § 4 Abs. 1 des Verlagsvertrages vorgesehenen Beschaffenheitsvoraussetzungen. Bei dem von der Beklagten erhobenen Vorwurf, die vom Kläger aufgestellten Thesen seien im Manuskript gemäß Anl. K 7 nicht schlüssig und widerspruchsfrei dargelegt worden, handle es sich um eine subjektive Bewertungsfrage, die die wissenschaftliche und literarische Güte des Werks betreffe. Dieser Einwand unterliege nicht dem Rügerecht eines Verlegers. Der Kläger habe auch zu allen in seinem Thesenpapier gemäß Anl. K 2 enthaltenen Punkten Stellung genommen und damit das Thema vollumfänglich und erschöpfend behandelt. Die Ausführungen des Klägers seien wissenschaftlich und faktenmäßig fundiert, der Kläger habe auf alle ihm zugänglichen Quellen zurückgegriffen. Ein Rücktrittsrecht stehe der Beklagten auch deshalb nicht zu, weil diese dem Kläger hätte Gelegenheit geben müssen, die von der Beklagten behaupteten Mängel zu beseitigen. Auf ihr Schreiben vom 13.10.2004 (Anl. K 4) könne die Beklagte diesbezüglich nicht verweisen. Damit habe sie lediglich die formalen Voraussetzungen für eine "Vertragskündigung" schaffen wollen. In inhaltlicher Hinsicht gehe aus dem Schreiben vom 13.10.2004 hervor, dass die Beklagte (wie schon der E-Mail-Korrespondenz vom 01.09.2004 mit der Agentin des Klägers W. entnommen werden könne) das Manuskript - unabhängig von einer etwaigen Mängelbeseitigung - nicht abnehmen werde. Angesichts dieser Umstände des Falles könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Nachfristsetzung im Anwaltsschreiben vom 26.11.2004 (Anl. K 6) ernst gemeint gewesen sei, abgesehen davon, dass dieses - wie auch das Schreiben vom 13.10.2004 - kein wirksames Nacherfüllungsverlangen enthalte, nachdem in diesen beiden Schreiben die von der Beklagten gerügten Mängel nicht ausreichend konkret spezifiziert worden seien. Letztlich könnten dem Kläger zustehende Vergütungsansprüche nicht mit der Begründung, die Beklagte habe ihre Programmpolitik kurzfristig geändert, verwehrt werden.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 31.10.2006 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 5.350.- nebst 8% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2004 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, binnen drei Monaten nach Verkündung des Urteils das ihr am 11.10.2004 zugegangene Buchmanuskript des Klägers mit dem Titel "ADAC - Die heimliche Macht der gelben Engel" in gedruckter Form als Buchausgabe herzustellen und im Rahmen ihres Verlagsprogrammes zu veröffentlichen und zu vertreiben.

4. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach seien die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme. Die diesbezüglich einschlägigen prozessualen Vorschriften seien beachtet worden. Die Beweiswürdigung sei frei von Widersprüchen. Seiner Hinweispflicht sei das Erstgericht in ausreichendem Umfang nachgekommen. Der vom Kläger erhobene Vorwurf, das Landgericht habe das von ihm vorgelegte Manuskript gemäß Anl. K 7 nicht zur Kenntnis genommen, entbehre jeglicher Grundlage und sei durch den Inhalt der Entscheidungsgründe im angegriffenen Urteil widerlegt. Die Auffassung des Klägers, die inhaltlichen Anforderungen an das von ihm vorzulegende Werk seien allein an § 4 des Verlagsvertrages zu messen, sei unhaltbar. Vielmehr sollte das Manuskript auf der Basis des Thesenpapiers gemäß Anl. K 2 erstellt werden. Das Manuskript gemäß Anl. K 7 habe allerdings nicht den getroffenen Vereinbarungen entsprochen. Bereits der Titel "ADAC - Die heimliche Macht der Gelben Engel" deute darauf hin, dass sich das Buch nicht mit der - im Thesenpapier gemäß Anl. K 2 vom Kläger behaupteten - politischen Ohnmacht und dem wirtschaftlichen Versagen des ADAC, sondern vielmehr mit der ursprünglich vorgesehenen (vgl. das Exposé gemäß Anl. K 2 a) "Erfolgsstory ADAC" befasse. Die von der Beklagten erhobenen Einwände befassten sich nicht mit der Bewertung der wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Güte des Werkes. Der Kläger habe - was die Beklagte im Rahmen der §§ 30, 31 VerlG rügen könne - vielmehr ein anderes Werk abgeliefert als vereinbart. Er habe ein Manuskript verfasst, das nicht konstant die durchwegs kritischen Thesen gemäß Anl. K 2 belege, sondern abwechselnd den ADAC positiv und negativ beschreibe. Die Argumentationsführung im klägerischen Manuskript gemäß Anl. K 7 sei in sich widersprüchlich. Die vom Kläger aufgestellten Thesen würden auch nicht ausreichend belegt. Fundstellenangaben seien teilweise fehlerhaft, die Mehrzahl der angegebenen Bücher beschäftige sich mit dem Thema des Manuskripts nicht oder nur am Rande. Unhaltbar sei auch der Vorwurf des Klägers, die Beklagte sei ihrerseits nicht vertragstreu gewesen und habe sich von vorneherein vom Verlagsvertrag mit dem Kläger unabhängig von der geforderten Überarbeitung des Manuskripts lösen wollen. Dem Kläger sei mehrfach unter Angabe der beanstandeten Mängel Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt worden.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 14.06.2007 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist weitgehend begründet. Dies führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang. Lediglich im Zinsausspruch war dem Klagebegehren nicht vollumfänglich stattzugeben und insoweit auch die Berufung zurückzuweisen. Im Einzelnen:

1. Klage

a) Zahlungsantrag (Berufungsantrag 2.)

aa) Der Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von € 5.000.- zzgl. 7% MWSt. (= € 350.-, insgesamt somit € 5.350.-) folgt aus §§ 17 Satz 1, 12 Abs. 1 des Verlagsvertrages vom 21.07./05.08.2004 (Anl. B 6). In § 17 Satz 1 des Verlagsvertrages ist festgehalten, dass der Kläger eine garantierte Vorauszahlung in Höhe von € 10.000.- erhalten solle, zahlbar zur Hälfte bei Vertragsabschluss (diese bildet den Gegenstand der Widerklage, vgl. nachstehend zu 2.) und zur Hälfte bei Manuskriptabgabe (Berufungsantrag 2.). Das als Anlage K7 vorgelegte Manuskript des Klägers wurde der Beklagten unstreitig am 11.10.2004 ausgehändigt; damit wurde die streitgegenständliche zweite Hälfte der in § 17 Satz 1 des Verlagsvertrages vereinbarten garantierten Vorauszahlung auf das Autorenhonorar (€ 5.000.-, zzgl. 7% MWSt. gemäß § 12 Abs. 1 des Verlagsvertrages) zur Auszahlung fällig.

bb) Der Zahlungsanspruch des Klägers ist nicht aufgrund im Klageerwiderungsschriftsatz vom 17.03.2005 erklärten (Bl. 25 d.A.) Rücktritts der Beklagten vom Verlagsvertrag erloschen.

§ 5 Abs. 3 des Verlagsvertrages vom 21.07./05.08.2004 (Anl. B 6) trägt den beklagtenseits erklärten Rücktritt nicht, da diese Klausel nach ihrem Wortlaut ein Rücktrittsrecht des Verlags nur bei - hier unstreitig nicht vorliegendem - Versäumnis des vereinbarten Termins zur Ablieferung des Manuskripts durch den Verfasser vorsieht.

Nach § 31 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 VerlG ist der Verleger nach erfolgloser Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung zum Rücktritt vom Verlagsvertrag berechtigt, wenn das vom Verfasser zu erbringende Werk nicht von vertragsgemäßer Beschaffenheit ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Mangels wirksam erklärten Rücktritts ist daher die Beklagte zur Zahlung des eingeklagten Autorenvorschusses verpflichtet. Auf die weiteren vom Kläger in der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

(1) Ein Werk im Sinne von § 31 Abs. 1 VerlG ist nicht vertragsgemäß, wenn es den im Verlagsvertrag festgelegten Vereinbarungen nicht entspricht (Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl. 2001, § 31 Rn. 5). Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die nach dem Verlagsvertrag gemäß Anl. B 6 vereinbarte Beschaffenheit des vom Kläger vorzulegenden Manuskripts nicht allein durch § 1 Abs. 1 (wonach der Arbeitstitel des abzuliefernden Werks "ADAC - Die heimliche Macht der Gelben Engel" lauten sollte) und § 4 Abs. 1:

"Das Werk muss nach Art und Zweck dem vereinbarten und dem anerkannten fachlichen Standard des behandelten Gebiets oder Themas Rechnung tragen. ..."

festgelegt werden, in inhaltlicher Hinsicht vielmehr (auch) durch das Thesenpapier und den Gliederungsentwurf gemäß Anl. K 2 vorgegeben sein sollte. Danach waren, ausgehend vom Gliederungsentwurf

"Einleitung

I. Der ADAC ist toll

II. Die Gelben Engel als Sanierungsfall

III. Trübe Wasser: Die Strukturen des ADAC

IV. Die Geschichte des ADAC

V. Die (politische) Ohnmacht des ADAC

VI. Benchmarking ADAC

Schluss"

folgende Thesen zu diskutieren (vgl. Anl. K 2):

"1. Der ADAC als "Verein [sic:,] der wie ein Unternehmen geführt wird" (ADAC) ist in Wirklichkeit ein Unternehmen, das wie ein Verein geführt wird - und deshalb zum Sanierungsfall geworden ist.

2. Die politische Macht des ADAC wird weit unterschätzt [sic: überschätzt].

3. Die Erfolge der Vergangenheit blenden den ADAC. Überkommene Strukturen und die Misswirtschaft Ehrenamtlicher führen dazu, dass der ADAC bei wichtigen geschäftlichen Weichenstellungen versagt hat und in Zukunft weiter versagen wird.

4. Der ADAC muss Transparenz wagen und Kontrolle zu lassen [sic: zulassen], um zukunftsfähig zu sein.

5. Das englische Pendant des RAC ist eine Kapitalgesellschafft (plc), ist transparent, ist börsennotiert - und ist wesentlich erfolgreicher als der ADAC!"

(2) Grundsätzlich sind dem Rügerecht eines Verlegers gegenüber inhaltlichen Mängeln des Werkes Grenzen gezogen. Mängel der Qualität, also der wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Güte eines Werkes, kann der Verleger im Allgemeinen nicht rügen (BGH GRUR 1960, 642, 644 - Drogistenlexikon mwN.; Schricker aaO., § 31 Rn. 9 mwN.). Weist das Werk allerdings bestimmte Eigenschaften, die nach dem Verlagsvertrag vorausgesetzt sind, nicht auf oder erfüllt es einen nach dem Vertrag vorgesehenen bestimmten Zweck nicht, so ist das Werk nicht vertragsgemäß im Sinne von §§ 30, 31 VerlG (BGH GRUR 1960, 642, 644 - Drogistenlexikon; Schricker, aaO. § 31 Rn. 7/8).

Das vom Kläger vorgelegte Manuskript "ADAC - die heimliche Macht der Gelben Engel" (Anl. K 7) mag in inhaltlicher Hinsicht nicht die von der Beklagten bei Abschluss des Verlagsvertrages gehegten Erwartungen erfüllen. Bei gebotener Gesamtbetrachtung des Manuskripts lässt sich allerdings feststellen, dass dem Manuskript insgesamt eine kritische Betrachtung der Strukturen des ADAC und seines Einflusses auf Politik und Gesellschaft zugrunde liegt. Die in Anl. K 2 enthaltenen Thesen und Gliederungspunkte werden vom Kläger als Verfasser des Manuskripts gemäß Anl. K 7 inhaltlich und thematisch erörtert. Der Vorwurf der Beklagten, das Manuskript gemäß Anl. K 7 entspreche - da es sich mit den einzelnen Thesen gemäß Anl. K 2 nicht auseinandersetze - nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit, es handle sich vielmehr um ein anderes Werk als vereinbart (ein "aliud"), ist daher nicht gerechtfertigt. So versucht der Verfasser durchaus, - auch wenn das Wort "Sanierungsfall" nicht ausdrücklich verwendet wird (vgl. These 1) - vermeintliche wirtschaftliche Probleme beim ADAC anzusprechen, wenn etwa auf den Seiten 4 bis 7 von den "roten Zahlen der gelben Engel" gesprochen und erwähnt wird, dass einige der 23 ADAC-Unternehmen von der wirtschaftlichen Flaute schwer gezeichnet seien (so der ADAC-Verlag mit einem Verlust von 4,3 Mio € im Jahr 2003) oder als Fazit auf Seiten 234/235 festgehalten wird: "Auch bei den wirtschaftlichen Aktivitäten des ADAC scheint nicht mehr die Sonne. Die Beteiligungsunternehmen des Automobilclubs sind von der konjunkturellen Krise schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des ADAC haben sich in der jüngeren Vergangenheit erheblich verschlechtert. Ein Grund liegt in den ausgesprochenen Schwierigkeiten des ADAC im Bereich der Pannenhilfe, deren Kosten ungebremst steigen." Dass die politische Macht des ADAC im Sinne der These 2 weit überschätzt werde (bei dem Begriff "unterschätzt" in Anl. K 2 handelt es sich unstreitig um einen Schreibfehler), was vor allem auch an überkommenen internen Strukturen und mangelnder Transparenz innerhalb des Vereins liege (Thesen 3 und 4), greift der Kläger unter anderem auf, wenn er auf Seiten 234/235 seines Manuskripts gemäß Anl. K 7 ausführt: " ... Die Mitglieder sind zu bloßen Service- und Rabattempfängern verschiedener Vorteilsprogramme geworden. Das ist durchaus gewollt: Eine aktive Teilnahme an den Entscheidungsprozessen im ADAC ist seitens der Spitzenfunktionäre nicht gewünscht. Ein Club der Service- und Rabattempfänger büßt folgerichtig auch an Stoßkraft beim Lobbying ein. Einst war der ADAC eine der mächtigsten Lobbygruppierungen innerhalb der deutschen Politik. ... Erfolge beim Lobbying sind selten geworden. ... Das Management des ADAC ist nicht über alle Zweifel erhaben. Im Gegenteil: Die Manager des ADAC sind übervorsichtig und zögerlich. ... Das "Unternehmen, das wie ein Verein geführt wird" (ADAC), ist in Wirklichkeit weder ein wirklicher Verein, der durch ein lebendiges Vereinsleben und die Partizipation der Mitglieder gekennzeichnet ist, noch ist er ein wirklich gut geführtes Unternehmen." These 5 widmet sich der Autor auf Seiten 229 ff. seines Manuskripts. Auch die in Anl. K 2 angeführten Gliederungspunkte finden im Manuskript gemäß Anl. K 7 Eingang. Dass die endgültige Gliederung des Werkes teilweise hiervon abweicht, ändert nichts an der vertraglichen Beschaffenheit des Manuskripts. Anl. K 2 enthält lediglich einen vorläufigen Gliederungsentwurf, an den der Verfasser nicht abschließend gebunden sein sollte.

Soweit dem klägerischen Manuskript entgegengehalten wird, es sei in seiner Argumentationsführung in sich widersprüchlich, insbesondere wechselten den ADAC positiv darstellende und diesen kritisierende Passagen ohne klar erkennbare Linie ab, erschöpft sich der Vorwurf der Beklagten - ebenso wie die Kritik, wonach sich der Kläger nur am Rande mit den Thesen gemäß Anl. K 2 befasst habe - in der Behauptung, das Manuskript gemäß Anl. K 7 weise in inhaltlicher Hinsicht qualitative Mängel auf, deren Beurteilung wie eingangs erwähnt dem Maßstab der Prüfung eines Rücktrittsrechts nach §§ 30, 31 VerlG entzogen ist. Ob es der Kläger verabsäumt hat, sich von seinem ursprünglichen, den ADAC positiv darstellenden Manuskript "ADAC - Der heimliche Sieger" (Anl. K 2 a) ausreichend zu lösen und sich in dem von der Beklagten gewünschten Umfang und mit der aus ihrer Sicht gebotenen inhaltlichen Stringenz im Einzelnen mit den in Anl. K 2 aufgestellten Thesen auseinanderzusetzen, unterliegt der wissenschaftlichen und literarischen Freiheit des Verfassers und - da das abgelieferte Werk wie vorstehend ausgeführt der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entsprach - nicht dem Beurteilungsspielraum des Verlegers mit der Folge, dass dieser hieraus auch kein Rücktrittsrecht nach Maßgabe der §§ 30, 31 VerlG ableiten kann. Dies gilt in gleicher Weise für den von der Beklagten erhobenen Vorwurf, die vom Kläger aufgestellten Thesen seien nicht ausreichend belegt, die Fundstellenangaben teilweise fehlerhaft oder nicht einschlägig. Derartige vermeintlich fachliche Mängel berechtigen den Verleger nicht zum Rücktritt vom Verlagsvertrag. Dessen Pflicht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes wird davon nicht betroffen. "Es ist vielmehr Sache des Verlegers, sich über Eignung und Fähigkeiten des Verfassers vorher zu erkundigen" (Schricker, aaO., § 31 Rn. 9).

cc) Zinsen auf die Klageforderung kann der Kläger nicht wie beantragt ab 11.11.2004, sondern erst ab 24.11.2004 verlangen. Soweit der Kläger für die Zeit vom 11.11.2004 bis einschließlich 23.11.2004 Verzugszinsen verlangt, konnte der Berufung nicht stattgegeben werden. Zahlungsverzug trat nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB erst nach Ablauf der im Schreiben der Klägerverteter vom 10.11.2004 gesetzten Zahlungsfrist (23.11.2004, vgl. Anl. K 5) ein. Auf § 286 Abs. 3 BGB kann sich der Kläger nicht berufen; er hat nicht dargetan, mit Abgabe des Manuskripts am 11.10.2004 der Beklagten eine Rechnung über den streitgegenständlichen Zahlungsbetrag von € 5.350.- ausgehändigt zu haben.

b) Antrag auf Veröffentlichung des Manuskripts gemäß Anl. K 7 (Berufungsantrag 3.)

Die Verpflichtung der Beklagten zur Erstellung einer Buchausgabe des Manuskripts gemäß Anl. K 7 in gedruckter Form sowie deren Vervielfältigung und Verbreitung folgt aus § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 a) des Verlagsvertrags (Anl. B 6) i.V.m. § 1 Satz 2 VerlG (vgl. Schricker aaO., § 1 Rn. 62). Eine vorzeitige Beendigung des Verlagsvertrages wegen Rücktritts nach §§ 30, 31 VerlG kann die Beklagte aus den vorstehend unter II. 1. a) genannten Gründen dem Klageanspruch nicht entgegenhalten.

2. Widerklage (Berufungsantrag 4.)

Mangels wirksam erklärten Rücktritts vom Verlagsvertrag kann die Beklagte die Rückzahlung des an den Kläger ausbezahlten Autorenvorschusses in Höhe von € 5.350.- nicht verlangen, die Voraussetzungen eines Rückgewähranspruchs nach §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 Satz 1, 37 VerlG, 346 Satz 1 BGB liegen nicht vor.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.). Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

Ende der Entscheidung

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