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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 29 U 6094/00
Rechtsgebiete: MarkenG, ZPO, UWG, Lebensmittel-KennzeichnungsVO, FertigpackungsVO
Vorschriften:
MarkenG § 126 Abs. 1 | |
MarkenG § 127 | |
MarkenG § 128 | |
MarkenG § 127 Abs. 4 | |
MarkenG § 128 Abs. 1 | |
MarkenG § 127 Abs. 4 Nr. 1 | |
MarkenG § 126 ff. | |
ZPO § 148 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 1 | |
UWG § 3 | |
Lebensmittel-KennzeichnungsVO § 3 Abs. 1 Nr. 2 | |
FertigpackungsVO § 29 Abs. 1 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 29 U 6094/00
Verkündet am 28. Juni 2001
In dem Rechtsstreit
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Jackson und Haußmann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.10.2000 - 7 HKO 15423/99 - wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Wert der Beschwer der Klägerinnen übersteigt jeweils 60.000,- DM.
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind unmittelbare Wettbewerber der Beklagten im Vertrieb von Fruchtsaftgetränken.
Die Klägerin zu 1), die mit der gegen die damals noch in Gründung befindliche Beklagte und deren Geschäftsführer Karl H. B gerichteten Klage den Antrag angekündigt hatte, beide Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, auf Verpackungen, insbesondere auf Fruchtsaftpackungen, Geschäftspapieren oder sonst in der Werbung und im geschäftlichen Verkehr die Firmierung "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88131 L (Bodensee)" zu benutzen, hat die gegen den Geschäftsführer B gerichtete Klage wieder zurückgenommen. Die Unterlassungsklage mit Nebenansprüchen hat die Klägerin zu 1) zunächst allein damit begründet, die Beklagte täusche als nicht eingetragene GmbH das Vorhandensein einer nicht existierenden juristischen Person als Unternehmen vor.
Nachdem die Beklagte am 08.11.1999 ins Handelsregister eingetragen worden war, erstrebten die Klägerin zu 1) und die inzwischen dem Rechtsstreit beigetretene Klägerin zu 2) ferner ein generelles Verbot für die Beklagte, "L" für die Bezeichnung von Fruchtsäften, deren Inhalt nicht ausschließlich als Direktsaft oder als Konzentrat von Früchten aus L/Bodenseegebiet stammt, zu verwenden.
Die Klägerinnen machten geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt, die werbewirksame Bezeichnung "L" zu verwenden, weil die Obstsäfte, mit deren Vertrieb die Beklagte sich befasse, nicht aus Früchten oder aus Konzentrat von Früchten aus dem Bodenseegebiet um L stammten und weil sich dort auch keine Betriebsstätte, vielmehr nur eine als Vertriebsstätte ausgegebene "Briefkastenfirma" befinde. Der Beklagten und der im Saarland angesiedelten Herstellerin gehe es darum, in täuschender Weise den werbewirksamen Vertriebssitz in L am Bodensee angeben zu können. "L" stehe für L am Bodensee und sei damit eine geschützte Herkunfts- und Ursprungsbezeichnung. Da die von der Beklagten vertriebenen Obstsäfte tatsächlich nicht am Bodensee produziert würden und damit keine Beziehung zum positiv besetzten Namen L/L hätten, werde der Verbraucher durch die Benutzung der Kennzeichnung "L" hinsichtlich der Herkunft und Qualität getäuscht. Auch verstoße die Beklagte wegen des Fehlens einer Vertriebsstätte in L gegen lebensmittelkennzeichnungsrechtliche Bestimmungen.
Wegen des zwischenzeitlich gestellten Antrags auf Löschung der eingetragenen Marke "L", auf die sich die Beklagte stütze, sei der Rechtsstreit jedenfalls gemäß § 148 ZPO auszusetzen.
Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt:
I. Die Beklagte wird verpflichtet, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im Wettbewerb auf Verpackungen, insbesondere auf Fruchtsaftverpackungen, Geschäftspapieren oder sonst in der Werbung oder im geschäftlichen Verkehr die Firmierung "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88131 L (Bodensee)" oder die Bezeichnung "L" für die Bezeichnung von Fruchtsäften zu verwenden, deren Inhalt nicht ausschließlich als Direktsaft oder aus Konzentrat von Früchten aus L/Bodensseegebiet stammt.
II. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Umfang der vorstehend zu Ziffer I. seit Klageerhebung erfolgten Handlungen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher diesen durch die nach Ziffer I. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird, einschließlich der außergerichtlichen Kosten.
Die Beklagte hat
Klageabweisung
beantragt. Sie machte geltend, sie sei berechtigt, die Kennzeichnung "L" in der vorgenommenen Weise zu verwenden. Durch Vorlage der Verträge (BK 8 zu Bl. 79/83 sowie BK 21, 22, 19 a, b und 20 zu Blatt 168/169) sei nachgewiesen, daß die ursprüngliche Berechtigte und Markeninhaberin, die in L ansässige "L Fruchtsaft AG (L)", sämtliche Markenrechte ("It. Anlage 1") sowie sämtliche hiermit im Zusammenhang stehenden Rechte an die K Brauerei KG W in H/Saar verkauft und diese mit etwa zeitgleicher Vereinbarung die Kennzeichenrechte der "M Fruchtgetränke GmbH & Co. KG, M/Saarland" übertragen habe, die wiederum ihr, der Beklagten, die Nutzungsrechte an den Marken eingeräumt habe.
Der Benutzung der Marke "L" durch sie, die Beklagte, stehe nicht entgegen, daß nur ein kleinerer Teil der unter dieser Marke vertriebenen Fruchtsäfte aus Obst vom Bodensee hergestellt werde, denn der Verbraucher werde durch die Verwendung dieser Kennzeichnung nicht irregeführt. Es gebe keine "Bodenseequalität" und auch keinen "Bodensee-Obst-Geschmack". Allenfalls ein verschwindend geringer Teil der Verbraucher assoziiere mit dem Begriff "L" die Stadt L und damit das Bodenseegebiet mit der Folge, daß §§ 127, 128 MarkenG der Kennzeichenverwendung nicht entgegenstünden. Soweit die Klägerinnen lebensmittelkennzeichnungsrechtliche Gesichtspunkte ins Spiel brächten, könne auch hierauf das Unterlassungsbegehren nicht gestützt werden.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 11. Oktober 2000 mit der Begründung abgewiesen, den Klägerinnen stünden die geltend gemachten kennzeichenrechtlichen Abwehransprüche weder aus lebensmittelkennzeichnungsrechtlichen Gesichtspunkten (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 LMKVO) noch aus markenrechtlichen Aspekten (§ 127 Abs. 1, Nr. 1 i.V.m. § 128 Abs. 1 MarkenG und § 13 Abs. 2 UWG) noch aus allgemein wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten (§§ 1, 3 UWG) zu. Das Landgericht hat es als nachgewiesen angesehen, daß die Beklagte jedenfalls vertragsrechtlich berechtigt sei, die Wortmarke "L" zu nutzen und sie auch in ihrer Firmierung zu verwenden. Durch markenrechtliche Bestimmungen werde dieses Recht nicht beeinträchtigt. "L" sei keine einfache geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 127 Abs. 1 MarkenG. Die Voraussetzungen, unter denen § 127 Abs. 1 über § 127 Abs. 4 MarkenG Anwendung finden könne, weil etwa eine Kennzeichnung benutzt werde, die der geschützten geographischen Herkunftsangabe ähnlich sei und trotz der Abweichung eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft oder die Eignung zur unlauteren Ausnutzung der geographischen Herkunftsangabe bestehe, lägen hier nicht vor, so daß auch insofern Unterlassungsansprüche und weitere Nebenansprüche gemäß § 128 Abs. 1 MarkenG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht in Betracht kämen.
Auf das landgerichtliche Urteil wird zur Ergänzung des Tatbestands und wegen der weiteren Begründung verwiesen.
Mit der Berufung verfolgen die Klägerinnen das Klagebegehren weiter. Sie stellen klar, daß sie, wie schon zuletzt im ersten Rechtszug, das generelle Verbot für die Beklagte anstreben, die Bezeichnung "L" im Zusammenhang mit den von ihr vertriebenen Obstsäften zu verwenden. Sie wollen das Klagebegehren so verstanden wissen, daß sowohl die Firmierung "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88131 L (Bodensee)" als auch die Bezeichnung "L" als rechtswidrig und wettbewerbswidrig beanstandet werde, wobei auch jede Art von Werbung und somit auch jede Art von konkreter Verpackungsgestaltung mit erfaßt sei. Um das Klageziel eines generellen Verbots der Bezeichnung "L" zu erreichen, führen sie unter Vertiefung ihrer Ausführungen im ersten Rechtszug mit Nachdruck ins Feld, die von der Beklagten unter der angegriffenen Bezeichnung vertriebenen Fruchtsaftgetränke hätten keinerlei Bezug zur Region L am Bodensee. Der Verbraucher werde deshalb wegen des Verkehrsverständnisses der Kennzeichnung "L" als geographische und betriebliche Herkunftsangabe massiv irregeführt. Fruchtsäfte, die im Saarland, in Baden-Württemberg und in Schleswig-Holstein von Dritten aus Früchten produziert würden, die nicht aus L stammten, dürften nicht unter der angegriffenen Kennzeichnung vertrieben werden, zumal wenn von der Beklagten in L keinerlei geschäftliche Tätigkeit ausgeübt werde, schon gar nicht Herstellung, Verpackung und Vertrieb von Fruchtsäften. Wenn die Beklagte für "L"-Obstsäfte mit "Direktsaft, vor Ort abgefüllt" (Anlage K 64, S. 6) "Flüssiges Obst vom Bodensee" (Anlage K 53, Bl. 2, 3, 6) und "L Bodensee-Apfelsaft" (Verpackung Anlage K 52) werbe, so stehe dies im krassen Widerspruch zu den Tatsachen und rechtfertige daher das begehrte generelle Verbot. Da die Öffentlichkeitsarbeit der früheren L Fruchtsaft AG immer wieder die Identität des Kennzeichens "L" mit dem Ort L und den Bezug zu den nur dort geernteten und verarbeiteten Früchten hervorgehoben habe sowie im Hinblick auf die Internet-Selbstdarstellung der Beklagten (Anlage K 58) mit dem Hinweis "L-Saft-Profi vom Bodensee" handle es sich bei der strittigen Kennzeichnung ohne Zweifel um einen Herkunftshinweis. Der früher wie heute durch Werbeaussagen wie etwa: "Süßmosttrinken ist gesund" zum Ausdruck gebrachte Gesundheitsbezug stelle zudem eine gesundheitsförderliche Wirkung von unter "L" vertriebenen Fruchtsäften heraus.
Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts führe dazu, daß die Klageansprüche unter lebensmittelkennzeichnungsrechtlichen, lebensmittelrechtlichen, markenrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen und auch europarechtlichen Aspekten begründet seien.
Den mit der Berufungsbegründung angekündigen Antrag, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und nach Klageantrag zu erkennen, formulieren die Klägerinnen zuletzt mit Schriftsatz vom 20.06.2001 unter nochmaliger Betonung, daß generell die Bezeichnung "L" verboten werden soll, im Antrag 1. "präzisierend" wie folgt:
Die Beklagte wird verpflichtet, es bei Vermeidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, Getränkeprodukte, die nicht im Bereich L/Bodenseegebiet hergestellt oder aus dort gewonnenen Früchten produziert sind, unter der Bezeichnung "L" und/oder unter der Firmierung "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88313 L (Bodensee)" zu bewerben und/oder anzubieten, insbesondere in dieser Weise Geschäftspapiere zu kennzeichnen und/oder sonst im geschäftlichen Verkehr aufzutreten, insbesondere eine Werbung mit der Beschriftung "L - L/Bodensee - hier ernten Sie L ganz frisch" zu verwenden.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte tritt dem Verlangen, ihr die Verwendung der Bezeichnung "L" als Produktbezeichnung und in der Firmierung zu untersagen, entgegen. Sie führt aus, bei der Produktbezeichnung "L" handle es sich weder um eine geographische noch um eine betriebliche Herkunftsangabe. Die Annahme einer irreführenden geographischen Herkunftsangabe scheitere an folgenden Erwägungen: Auch wenn es sich bei "L" um die frühere lateinische Bezeichnung von "L" handeln sollte und ein begrenzter Teil der Bevölkerung möglicherweise besondere Qualitätsvorstellungen mit aus der Region um L stammendem Obst verbinde, kämen die Verbraucher gleichwohl nicht auf den Gedanken, diese Produktbezeichnung beinhalte eine Aussage über die geographische Herkunft des verarbeiteten Obstes oder den Produktionsstandort des Verarbeiters. Sie müßten nämlich zunächst in "L" die lateinische Bezeichnung für L erkennen, sich sodann daran erinnern, daß sich eine Stadt L in der Bodenseeregion befindet, alsdann den Schluß ziehen, daß in der Bodenseeregion Obst angebaut wird, um schließlich zu kombinieren, daß "L" ein Hinweis darauf sein könnte, das in dem Saft verarbeitete Obst stamme aus L am Bodensee. Ein derart aufwendiges Gedankenspiel mache aber kein Verbraucher, wenn er im Supermarkt ein Produkt des täglichen Lebens erwerbe. Es bestehe auch keineswegs durchgängig Kenntnis davon, daß in der Bodenseeregion überdurchschnittlich viel Obst angebaut werde. Diese Kenntnis sei vielmehr regional begrenzt. Es handle sich auch bei L am Bodensee keineswegs um die einzige deutsche Stadt mit diesem Namen. Letztlich sähen die Verbraucher sonach in "L" nichts anderes als eine phantasievolle Produktbezeichnung. Keinesfalls werde aber ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise, nämlich 10 bis 15 % der betroffenen Verbraucher, irregeführt, so daß die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 127 Abs. 1 i.V.m. § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG nicht erfüllt seien.
Zum Beleg der tatsächlichen Verbrauchererwartung bezieht sich die Beklagte auf das im ersten Rechtszug vorgelegte Gutachten "Verbrauchererwartungen zur Herkunft und zum Herstellort von Fruchtsäften unter dem Namen "L" von I B (Anlage BK 7) und die Ausführungen des Landgerichts hierzu. Vorsorglich bietet sie dafür, daß die Verbraucher in der angegriffenen Produktbezeichnung keine für ihren Kaufentschluß relevante geographische Herkunftsangabe sehen, Beweis durch demoskopisches Sachverständigengutachten an.
Unter Bezugnahme auf die von den Klägerinnen vorgelegten Werbeunterlagen für "L" und die Schlußfolgerung der Klägerinnen, sie, die Beklagte, habe den Verbrauchern eine Herkunft des Obstes oder des Saftes aus der Bodenseeregion suggeriert, weist sie darauf hin, die vorgelegte Werbung stamme ganz überwiegend nicht von ihr, sondern von der früheren L Fruchtsaft AG, mit der sie weder wirtschaftlich noch gesellschaftsrechtlich verbunden sei. Sie müsse sich deren Werbung deshalb nicht zurechnen lassen. Im übrigen seien die vorgelegten Werbeunterlagen veraltet. Die Werbung habe nicht dazu geführt, daß die angesprochenen Verkehrskreise in "L" einen Hinweis auf die Stadt L oder die Bodenseeregion sähen. Dies lasse sich auch den Ergebnissen der Umfrage entnehmen.
In "L" könne schließlich auch keine unwahre betriebliche Herkunftsangabe gesehen werden.
Soweit die Klägerinnen die Vertriebsangabe "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88131 L (Bodensee)" angriffen, genüge diese den Anforderungen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Lebensmittel-KennzeichnungsVO, wonach auf Lebensmitteln in Fertigpackungen der Name und die Anschrift des Herstellers, des Verpackers oder eines Verkäufers angegeben sein müsse. "Verkäufer" im Sinne dieser Bestimmung sei dasjenige Unternehmen, das den Kontakt zum Handel halte, die Preise kalkuliere und sich mit den Abnehmern über Zeit, Ort und Menge der auszuliefernden Ware einige. Verpackung, Einlagerung und Auslieferung der Ware sei Aufgabe anderer Unternehmen oder Unternehmensteile. Dementsprechend nehme sie die Abfüllung und Auslieferung ihrer "L"-Fruchtsäfte nicht selbst vor, sondern bediene sich dabei der Hilfe anderer Unternehmen ihres Konzernverbunds. Entgegen der Darstellung der Klägerin reiche die Ausstattung ihrer L Niederlassung aus, um die erwähnten Aufgaben als Verkäuferin der "L"-Fruchtsäfte erfüllen zu können. Sie organisiere aus ihren in der F Straße 83 in L angemieteten Büroräumen ordnungsgemäß den Vertrieb. Es liege auch kein Verstoß gegen § 29 Abs. 1 FertigpackungsVO vor. Schließlich sei die auf den Fruchtsaftverpackungen aufgedruckte Vertriebsangabe auch keine irreführende geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG oder § 3 UWG.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung führt nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Ausführungen abgewiesen. Auf die eingehenden Erwägungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen. Der Senat macht sich die vom Landgericht angeführten Gründe zu Eigen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung, soweit sie den Kern des Rechtsstreits betrifft, und im Anschluß an die Erörterung in der Berufungsverhandlung sind die nachfolgenden Ausführungen veranlaßt.
Die Klägerinnen haben im Berufungsverfahren zuletzt im Schriftsatz vom 20.06.2001 betont, daß ihr Unterlassungsbegehren darauf abzielt, der Beklagten generell die Verwendung der Bezeichnung "L" "im Zusammenhang mit den verfahrensrelevanten Produkten", auch in der Firmierung zu untersagen, was mit dem zuletzt "präzisierend formulierten" Unterlassungsantrag verdeutlicht werden solle. Fruchtsäfte, die nicht im Bereich L/Bodensee hergestellt oder aus dort gewonnenen Früchten produziert würden, sollten nicht unter der Bezeichnung "L" oder unter der Firmierung "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88131 L (Bodensee)" beworben oder vertrieben werden dürfen.
Ersichtlich lassen sich die Klägerinnen von der Vorstellung leiten, die angegriffene Produktbezeichnung werde von der Beklagten in irreführender Weise zumindest als mittelbare geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG verwendet. Dem kann auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht gefolgt werden.
Nach § 127 Abs. 1 MarkenG dürfen geographische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr nicht für Waren benutzt werden, die nicht aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung solcher Namen, Angaben oder Zeichen für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft besteht. Voraussetzung für den Schutz ist zunächst, daß eine unmittelbare oder mittelbare geographische Herkunftsangabe vorliegt, die keine Gattungsbezeichnung ist (§ 126 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG). Um eine unmittelbare geographische Herkunftsangabe handelt es sich bei "L" ersichtlich nicht, weil es sich nicht um einen Hinweis auf ein geographisches Gebiet, nämlich die Gebietskörperschaft L oder das Gebiet um L handelt. "L" ist auch nicht etwa eine veraltete Bezeichnung für L am Bodensee. Das Wort "L" hat keinen geographischen Aussagegehalt. Jedenfalls haben die Klägerinnen entsprechende lexikalische oder sonstige Benutzungsnachweise in dieser Richtung nicht geführt. Eine früher einmal von der L Fruchtsaft AG verwendete Werbeschrift, in der von L am Bodensee die Rede ist und ohne Begründung behauptet wird, L heiße nichts anderes als L (vgl. Anlage K 22), reicht jedenfalls nicht aus, einen entsprechenden Begriffsinhalt des Wortes anzunehmen. L ist auch nicht etwa der römische Name für L gewesen, denn die Ansiedlung ist erst viel später entstanden. Es ist auch nicht dargelegt, daß "L" als quasi neulateinische Bezeichnung für L am Bodensee üblich geworden wäre.
Auch eine mittelbare geographische Herkunftsangabe, bei der dem Verbraucher der Ortsbezug einer Ware anders als durch die Benutzung der geographischen Namen suggeriert wird, nämlich durch sonstige Angaben oder Zeichen, liegt nicht vor. Im übrigen ist eine mittelbare geographische Herkunftsangabe im Sinne des § 126 MarkenG nur gegeben, wenn die Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft benutzt wird (Ingerl-Rohnke, MarkenG, § 126 Rdnr. 9; Althammer-Ströbele-Klaka, MarkenG, § 126 Rdnr. 23). Dieses Erfordernis, daß die Angabe im geschäftlichen Verkehr auch tatsächlich als Herkunftshinweis eingesetzt wird, liegt hier gerade nicht vor - wie die Firmierung "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88131 L (Bodensee)" wie auch die Werbung mit der Beschriftung "L - L/Bodensee - Hier ernten Sie L ganz frisch" belegen.
Fehlt es sonach an den objektiven Voraussetzungen einer geographischen Herkunftsangabe im Sinne des § 126 Abs. 1 MarkenG, so besteht auch kein Unterlassungsanspruch nach § 127 Abs. 1 MarkenG. Zwar finden nach § 127 Abs. 4 MarkenG die in Absätzen 1 bis 3 dieser Bestimmung geregelten Verbote auch dann Anwendung, wenn Namen, Angaben oder Zeichen benutzt werden, die der geschützten geographischen Herkunftsangabe ähnlich sind, und zwar in den Fällen des Absatzes 1, sofern trotz der Abweichung eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft besteht. Dabei kann eine Irreführung über die geographische Herkunft auch durch Phantasieangaben hervorgerufen werden, die eine bestimmte Herkunft nur assoziieren. Dies trifft insbesondere auf solche Angaben zu, die vom Verkehr als sinngleich mit der geographischen Herkunftsangabe verstanden werden. Die Gefahr einer Irreführung (§ 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG) liegt hier aber nicht vor. Maßstab für diese Beurteilung ist die Verkehrsauffassung. Eine Irreführung könnte nur dann angenommen werden, wenn ein hinreichender Teil der relevanten Verkehrskreise über die geographische Herkunft getäuscht würde, also annehmen würde, "L"-Fruchtsaft könne nur aus L am Bodensee stammen. Eine relevante Irreführungsgefahr im Sinne des § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG kann aber - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 16 ff. des Urteils) - nicht festgestellt werden. Die Beklagte führt zudem zu Recht ins Feld, daß die Verbraucher wegen der hierzu erforderlichen Überlegungen, die sie von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht anstellten, nicht auf den Gedanken kämen, die Produktbezeichnung "L" sage etwas über die geographische Herkunft des Fruchtsafts oder des verarbeiteten Obstes oder über den Herstellungsort aus. Allenfalls eine im Hinblick auf die Gesamtzahl der Verbraucher nicht ins Gewicht fallende Zahl insbesondere im Bodenseebereich ansässiger Verbraucher, denen etwa früher schon so bezeichnete Produkte der L Fruchtsaft AG begegnet sind, werden in "L" nicht lediglich eine phantasievolle Produktbezeichnung sehen, sondern auch an eine Herkunft aus L oder vom Bodensee denken. Die Ergebnisse der von der Beklagten veranlaßten Umfrage (Anlage BK 7) sind eine deutliches Indiz für die Richtigkeit dieser Annahme. Insbesondere auch die Tatsache, daß zur Produktpalette der "L"-Fruchtsäfte auch solche aus Zitrusfrüchten und "exotischen" Früchten gehören, steht der Annahme entgegen, der Verkehr werde durch die angegriffene Bezeichnung in indirekter Weise auf die Herkunft der Produkte aus einem bestimmten geographischen Gebiet hingewiesen.
Die Fallgestaltungen der Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Absatz 4 des § 127 MarkenG liegen ersichtlich nicht vor, denn es handelt sich weder um Produkte mit besonderen Eigenschaften, noch kann ein besonderer Ruf der Herkunftsangabe festgestellt werden.
Das Landgericht hat sonach Ansprüche aus §§ 127, 128 MarkenG zu Recht verneint. Es liegt aber auch kein Irreführungstatbestand vor, der zwar nicht von §§ 126 ff. MarkenG, aber von § 3 UWG erfaßt werden könnte.
Soweit die Klägerinnen mit dem begehrten Verbot auch die Verwendung von "L" im Firmennamen der Beklagten angreifen, stehen auch dieser Benutzung weder markenrechtliche noch wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte entgegen.
Auch genügt die Beklagte mit ihrer Vertriebsangabe "L Vertriebsgesellschaft mbH, 88131 L (Bodensee)" den in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Lebensmittel-KennzeichnungsVO bestimmten Anforderungen. Danach müssen auf Lebensmitteln in Fertigpackungen Name und Anschrift des Herstellers, des Verpackers oder eines Verkäufers angegeben sein. Die Beklagte ist als Vertriebsunternehmen "Verkäuferin" der "L"-Fruchtsäfte. Hierzu reicht es aus, daß sie aus ihren Büroräumen in der Friedrichshafener Straße 83 in L den Vertrieb der "L"-Fruchtsäfte organisiert, Abfüllung und Auslieferung der Produkte aber nicht selbst an Ort und Stelle vornimmt, sondern sich der Hilfe anderer Unternehmen des Konzernverbundes bedient. Da nach § 29 Abs. 1 FertigpackungsVO entweder der Hersteller der Fertigverpackung oder derjenige anzugeben ist, der die Packung in den Verkehr bringt, ist dieser Bestimmung durch die von der Beklagten vorgenommene Verkäuferangabe genügt. In der Vertriebsangabe kann schließlich aus den oben angeführten Gründen auch keine irreführende geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG oder § 3 UWG gesehen werden.
Soweit die Klägerinnen mit dem Unterlassungantrag in der zuletzt gestellten Fassung die "Insbesondere"-Zusätze und hierbei vor allem den die Werbung mit der Beschriftung "L - L Bodensee - Hier ernten Sie L ganz frisch" betreffenden Zusatz als zusätzliche Verbotsanträge behandelt wissen wollen, kann auch dem nicht gefolgt werden. "Insbesondere"-Zusätze stellen weder eine Einschränkung noch eine Erweiterung des im Obersatz formulierten Klagebegehrens dar. Der Zusatzantrag hat gegenüber dem näher konkretisierten allgemeinen Begehren keinen eigenen Streitgegenstand (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kap. 51 Rdnr. 39, 36 Fn. 590).
Besondere, auf bestimmte aktuelle Werbeaussagen der Beklagten gerichtete Verbotsanträge haben die Klägerinnen nicht angekündigt und auch die Voraussetzungen entsprechender Unterlassungsansprüche nicht dargelegt. Soweit sich in der Berufungsbegründung und im Schriftsatz vom 20.06.2001 Ausführungen zu Werbemaßnahmen der vormaligen L Fruchtsaft AG und der Beklagten finden, dienen diese dem Ziel des erstrebten Verbots der Kennzeichnung L, führen aber keine konkreten Werbeaussagen als eigene Streitgegenstände ein.
Da mit dem Unterlassungsanspruch auch die Folgeansprüche unbegründet sind, mußte die Berufung insgesamt erfolglos bleiben.
Als Unterlegene tragen die Klägerinnen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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