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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 15.04.2003
Aktenzeichen: 29 W 1110/03
Rechtsgebiete: UWG, 32. BImSchV


Vorschriften:

UWG § 1
32. BImSchV § 3
§ 3 der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung - 32. BImSchV (BGBl. 2002 I S. 3478)) weist keinen auch nur sekundären Marktbezug auf, weshalb auf einen Verstoß gegen diese Vorschrift kein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch gestützt werden kann
BESCHLUSS

In dem Verfahren

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wörle, den Richter am Bundespatentgericht Dr. Albrecht und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke ohne mündliche Verhandlung am 15.04.2003 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 12.02.2003 - 1HK O 928/03 aufgehoben.

2. Die Antragstellerin trägt die gesamten Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Am 21.01.2003 hat das Landgericht München I auf den Antrag der Antragstellerin folgende einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin erlassen, die dieser am 24.01.2003 zugestellt wurde:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten

a) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Aggregate, insbesondere Kraftstationen und Hydraulikhämmer anzubieten und in den Verkehr zu bringen, die die Geräuschemissionsgrenzwerte gemäß Richtlinie 2000/14/EG (Art. 12) überschreiten,

b) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Aggregate, insbesondere Kraftstationen und Hydraulikhämmer, mit Klebeschildern zu versehen, die einen Schalleistungspegel von 95 dB ausweisen, obwohl dieser Geräuschemissionsgrenzwert deutlich überschritten wird.

Mit Schriftsatz vom 28.01.2003 hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt und beantragt, unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 21.01.2003 den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Im Termin vom 12.02.2003 hat der Antragsgegnervertreter folgende Erklärung abgegeben:

Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, bei Meidung einer Vertragsstrafe von EUR 5.100,-- es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Gebiet der Europäischen Union neue Aggregate, insbesondere Kraftstationen und Hydraulikhämmer anzubieten und in den Verkehr zu bringen, die die Geräuschemissionsgrenzwerte gemäß Richtlinie 2000/14/EG (Art. 12) überschreiten.

In dem genannten Termin hat der Antragstellervertreter den Verfügungsantrag hinsichtlich Nr. 1 b der einstweiligen Verfügung zurückgenommen. Die Parteivertreter haben den Rechtsstreit im Übrigen übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit am 12.02.2003 verkündeten Beschluss hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Antragstellerin habe die Kosten insoweit zu tragen, als sie ihren Verfügungsantrag bezüglich Nr. 1 b der einstweiligen Verfügung zurückgenommen habe.

Hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Nr. 1 a der einstweiligen Verfügung sei gemäß § 91a ZPO davon auszugehen, dass ohne das erledigende Ereignis die einstweilige Verfügung - mit den auch in der abgegebenen Unterlassungserklärung vorgenommenen Klarstellungen - zu bestätigen gewesen wäre, so dass die Kosten nach billigem Ermessen insoweit der Antragsgegnerin aufzuerlegen seien.

Die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG sei nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigterklärung nicht widerlegt. Auch ein Verfügungsanspruch sei gegeben gewesen; er habe auf § 1 UWG i.V.m. der Richtlinie 2000/14/EG und § 3 der hierzu erlassenen deutschen Ausführungsverordnung vom 29.08.2002 beruht. Der Verfügungsantrag sei auch nicht zu weit gefasst gewesen. Auf diesen Beschluss wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.

Sie macht geltend, aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich eindeutig, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet gestellt worden sei. Jedenfalls habe sich dann herausgestellt, dass die im Rahmen der mündlichen Verhandlung für die Antragsgegnerin abgegebene Erklärung derart von dem von der Antragstellerin Gewollten abgewichen sei, dass eine Kongruenz nicht mehr angenommen werden könne. Die Antragstellerin habe von der Antragsgegnerin verlangt, im Grunde jegliche Bewerbung von Maschinen, die nicht der EU-Norm entsprächen, zu unterlassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Kosten des Verfahrens insgesamt der Antragstellerin aufzuerlegen,

hilfsweise der Antragstellerin 3/4 der Gesamtkosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin tritt der sofortigen Beschwerde entgegen. Sie ist der Ansicht, die im Termin vom 12.02.2003 abgegebene Erklärung sei identisch mit dem entsprechenden Wortlaut der bekämpften einstweiligen Verfügung. Soweit die schließlich abgegebene Unterlassungserklärung auf das Gebiet der Europäischen Union abstelle, sei dies eine Klarstellung, die eigentlich überflüssig gewesen sei, aber auf ausdrücklichen Wunsch der Antragstellerin aufgenommen worden sei. Die Parteien vertrieben unstreitig Neugeräte, auch hierin liege keine Beschränkung. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei auch nicht verspätet gestellt.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom19.03.2003 nicht abgeholfen. Ergänzend wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 91a Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und, da form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegt, auch zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Nach der übereinstimmenden Teilerledigterklärung war über die diesbezüglichen Kosten gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist der allgemeine kostenrechtliche Grundgedanke relevant, dass diejenige Partei die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens zu tragen hat, die ohne die Teilerledigung voraussichtlich unterlegen wäre; das wäre im Streitfall die Antragstellerin gewesen; diese wäre mit dem Antrag gemäß Nr. 1 a der einstweiligen Verfügung vom 21.01.2003 voraussichtlich unterlegen. Denn ein Verfügungsanspruch nach § 1 UWG i.V.m. einem Verstoß gegen § 3 der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung - 32. BImSchV (BGBl. 2002 I S. 3478)), die auf der Richtlinie 2000/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.05.2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen (ABl. EG Nr. L 162, S. 1) beruht, war nicht schlüssig dargetan. Im Hinblick auf die beschränkte Zielsetzung des § 1 UWG, die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zu schützen, ist der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit wettbewerbsbezogen auszulegen (vgl. BGH WRP 2002, 943, 944 - Elektroarbeiten; BGHZ 144, 255, 265 - Abgasemissionen). Demgemäß ist ein Marktverhalten nicht schon dann wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn es Vorteile aus einem Gesetz ausnutzt, das - selbst wenn es wertbezogen ist - keinen auch nur sekundären Marktbezug (vgl. BGHZ 144, 255 - Abgasemissionen, betreffend Verstöße gegen die 13. BImSchV) aufweist, d.h. nicht zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene, auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion (vgl. BGH NJW 2003, 586, 587 - Altautoverwertung) hat. § 3 32. BImSchV weist keinen auch nur sekundären Marktbezug in dem genannten Sinn auf. Mit der zugrunde liegenden Richtlinie 2000/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.05.2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen sollen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten u.a. über Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen harmonisiert werden; die Richtlinie soll zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beitragen und gleichzeitig für den Schutz der menschlichen Gesundheit und des Wohlbefindens sorgen (Art. 1). Unbeschadet der genannten Richtlinienziele ist § 3 32. BImSchV ebenso wie die Immissionsschutzvorschriften der 13. BImSchV (vgl. BGHZ 144, 265 - Abgasemissionen) nicht dazu bestimmt, das Wettbewerbsgeschehen auf dem hier betroffenen Markt unter dem Gesichtspunkt der Lauterkeit des Wettbewerbs zu regeln.

2. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren bemisst sich nach der Hälfte der in erster Instanz angefallenen Verfahrenskosten, die, da berechenbar, keiner Festsetzung bedürfen.



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