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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 29 W 2039/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
In dem Verfahren
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Richter am Oberlandesgericht Cassardt als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 17. März 2005
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 7. Juni 2004 dahin geändert, dass die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 6.904,92 € mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Februar 2004 verzinslich festgesetzt werden.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 4.713,42 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Einholung zweier Parteigutachten zum schweizerischen Patentrecht.
Die durch die Rechtsanwaltkanzlei CMS H. vertretene Klägerin machte gegen den Beklagten unter anderem einen Patentvindikationsanspruch hinsichtlich einer schweizerischen Patentanmeldung geltend. In einem Aufklärungs- und Hinweisbeschluss vom 10. Januar 2002 (vgl. Bl. 149 ff. d. A.) führte das Landgericht aus, dass hinsichtlich dieser Anmeldung nach dem Sachvortrag der Klägerin weder vertragliche noch deliktische Anspruchsgrundlagen gegeben seien und auch die Vorschrift des § 8 PatG zur Patentvindikation alleine deutsche Patente und Patentanmeldungen betreffe. Das Landgericht forderte die Klägerin deshalb auf, mitzuteilen, worauf sie ihren entsprechenden Abtretungsanspruch stütze, und ergänzte diese Aufforderung mit dem Hinweis, dass ein Vindikationsanspruch, weil ein quasi-dingliches Recht betreffend, nach allgemeinen internationalprivatrechtlichen Vorschriften dem Recht der Schweiz unterliegen dürfe. Daraufhin legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 25. Februar 2002 (vgl. Bl. 155 ff. d. A.) ein Rechtsgutachten der Schweizer Rechtsanwaltskanzlei CMS E. zu patentrechtlichen Abtretungsansprüchen nach schweizerischem Recht (Anlage K 38) vor. Nach weiterem Sachvortrag der Parteien gab das Landgericht der Klägerin mit Hinweisbeschluss vom 23. Januar 2003 (vgl. Bl. 248 ff. d. A.) auf, darzulegen, wie nach schweizerischem Recht Merkmale in der zu vindizierenden Patentanmeldung zu behandeln seien, die über die Erfindung, wegen derer die Vindikation verlangt wird, hinausgingen. Daraufhin legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. März 2003 ein weiteres Rechtsgutachten der Kanzlei CMS E. (Anlage K 39) vor, das diese Frage behandelte.
In der Folge schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, der unter anderem vorsah, dass von den Kosten des Verfahrens und des Vergleichs die Klägerin 60 % und der Beklagte 40 % tragen.
Anschließend hat die Klägerin beantragt, die ihr zu erstattenden Kosten festzusetzen und dabei Kosten für die Erstellung der beiden Rechtsgutachten in Höhe von 11.783,56 € in Ansatz gebracht. Mit am 9. Februar 2004 eingegangenem Schriftsatz hat auch der Beklagte seine Kosten zur Kostenausgleichung angemeldet und sich der Berücksichtigung der klägerischen Kosten für die Gutachtenerholung widersetzt. Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Honorarbemessung in der Schweiz üblicherweise nach Zeitaufwand erfolge und detaillierte Einzelzeitnachweise der schweizerischen Kanzlei vorgelegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Juni 2004 hat das Landgericht die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 11.618,34 € mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Februar 2004 festgesetzt. Dabei hat es die Kosten für die beiden Rechtsgutachten als nicht erstattungsfähig angesehen, weil die Kanzlei, welche die Gutachten erstattet habe, und die Kanzlei der Klägervertreter angesichts der gemeinsamen Bezeichnung CMS und der Nennung der schweizerischen Kanzlei mit dem Zusatz EWIV für Europäische Wirtschaftsinteressenvereinigung auf dem Briefkopf der Klägervertreter zumindest so behandeln lassen müssten, als seien sie in einer überörtlichen Sozietät verbunden. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um Gutachten von einer neutralen dritten Person handele. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Gutachten innerhalb des Kanzleienverbunds erstellt und daher mit der Prozessgebühr abgegolten worden seien.
Gegen diesen der Klägerin am 9. Juni 2004 zugestellten Beschluss richtet sich deren am 23. Juni 2004 eingegangene sofortige Beschwerde, soweit die Kosten für die Rechtsgutachten in Höhe von 11.783,56 € abgesetzt worden sind. Sie trägt vor, dass zwischen der schweizerischen und der deutschen Kanzlei lediglich gemeinsame Marketing- und Fortbildungsmaßnahmen stattfänden, sie also nicht als überörtliche Sozietät zu behandeln seien. Auch komme es nicht darauf an, ob die Gutachten von einer neutralen dritten Person stammten, da gemäß § 21 BRAGO auch der Prozessbevollmächtigte für die Ausarbeitung eines Gutachtens eine nicht auf andere Gebühren anzurechnende Gebühr erhalte. Zu erstatten sei eine solche Gebühr, wenn die Einholung des Gutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei. Das sei im Streitfall so gewesen.
Sie beantragt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Juni 2004 aufzuheben und die Kostenfestsetzung unter Berücksichtigung der der Beklagten (richtig: der Klägerin) entstandenen Gutachterkosten von 11.783,56 € vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, dass sich die beteiligten Kanzleien wegen der Bezeichnung als EWIV wie eine überörtliche Sozietät behandeln lassen müssten und auch eine Erstattungsfähigkeit gemäß § 21 BRAGO ausscheide, weil es sich bei den in den Gutachten erörterten Fragen nicht um fern liegende Rechtsfragen aus Sondergebieten handele, deren Kenntnis bei Rechtsanwälten und Richtern nicht vorausgesetzt werden könne und auch durch Benutzung des vorhandenen Schrifttums nicht oder nur sehr schwer zu erwerben sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die Darlegung der schweizerischen Rechtsnormen nebst Auslegung, aus denen sich der geltend gemachte Abtretungsanspruch ergeben habe, nicht durch Benutzung des vorhandenen Schrifttums erfolgen könnte.
II.
1. Es besteht keine Veranlassung, das Verfahren dem Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO zur Entscheidung zu übertragen, da die Sache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch grundsätzliche Bedeutung hat. Aus diesem Grund ist auch die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen (vgl. § 574 ZPO).
2. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
a) Grundsätzlich sind die Kosten für Rechtsgutachten, die eine Partei im Verfahren einholt, nicht erstattungsfähig (vgl. BVerfGE 88, 382 [383]; BayVerfGH NJW 1993, 2794 f.; Herget in: Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 91 Rz. 13 Stichwort Privatgutachten m. w. N.). Bei der im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebotenen Notwendigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass die Verfahrensordnung für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten eine qualifizierte rechtliche Bewertung und auch Erörterung des Streitstoffs dadurch sichert, dass für das Verfahren vor dem Landgericht Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege zwingend eingeschaltet sind (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und deshalb davon auszugehen ist, dass grundsätzlich die rechtliche Beurteilung des Tatsachenstoffs durch den Prozessbevollmächtigten einer Partei vorgenommen werden kann und die (zusätzliche) Heranziehung eines Gutachters nicht notwendig ist (vgl. OLG München WRP 1991, 513 [514]). Es gehört mithin zu den mit der Prozessgebühr abgegoltenen Aufgaben eines Rechtsanwalts, die in einem Rechtsstreit erforderlichen rechtlichen Prüfungen anzustellen (vgl. Wolst in: Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 91 Rz. 60). Dabei kann einem Rechtsanwalt in gleicher Weise wie einem Richter zugemutet werden, auch in entlegenere und weniger geläufige Rechtsmaterien einzudringen (vgl. OLG München NJW-RR 2001, 1723).
Von einem Rechtsanwalt kann aber nicht mehr an Rechtskenntnis verlangt werden als von einem Richter. Da gemäß § 293 ZPO ein Gericht das in einem anderen Staat geltende Recht nicht von Amts wegen zu kennen braucht, sondern dazu ein Sachverständigengutachten einholen kann, darf die eben solche Kenntnisse erfordernde Darlegung ausländischen Rechts auch nicht als Tätigkeit des Rechtsanwalts angesehen werden, die im Rahmen seiner gewöhnlichen Aufgaben liegt und bereits mit der allgemeinen Prozessgebühr abgegolten ist. Es handelt sich vielmehr um eine davon zu unterscheidende Tätigkeit, die nicht zwangsläufig vom Rechtsanwalt in seiner Funktion als Prozessvertreter zu erbringen ist. Daher kann einer Partei, die ein Gutachten zu ausländischem Recht erholt hat, nicht entgegengehalten werden, sie hätte sich deswegen ohne Verursachung weiterer Kosten an ihren Rechtsanwalt wenden müssen. Vielmehr sind die Kosten für ein solches Gutachten im Grundsatz erstattungsfähig (vgl. OLG München NJW-RR 2001, 1723; OLG Franfurt a. M. GRUR 1993, 161 - Französischer Rechtsanwalt und GRUR 1953, 500 [502]; Geimer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 293 Rz. 7; Mankowski, MDR 2001, 194 [195]).
Solche Kosten können jedoch nur ersetzt werden, wenn sie auch im Übrigen notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO waren. Dabei kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte; dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH GRUR 2005, 271 - Unterbevollmächtigter III).
b) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die für die Einholung der beiden Gutachten angefallenen Kosten erstattungsfähig.
aa) Die Beauftragung der schweizerischen Kanzlei ist nicht zu beanstanden.
(1) Beiden Gutachten gingen Hinweisbeschlüsse des Gerichts voraus, wonach die Klägerin zum materiellen schweizerischen Recht vortragen sollte. Die Klägerin musste es daher als sachdienlich ansehen, hierzu detaillierte Informationen einzuholen, um ihren Anspruch hinsichtlich der schweizerischen Patentanmeldung schlüssig begründen zu können.
(2) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass sich die Klägerin an Rechtsanwälte gehalten hat, statt etwa ein Universitätsgutachten (dessen Kosten im Übrigen im Streitfall nicht abschätzbar wären) einzuholen. Da sich die Anwendung fremden Rechts durch deutsche Gerichte nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken darf, sondern die konkrete Ausgestaltung des Rechts, insbesondere dessen praktische Handhabung in der ausländischen Rechtsprechung, berücksichtigen muss (vgl. BGH NJW 2003, 2685 f. m. w. N.), durfte die Klägerin es für sachgerecht erachten, die zur Stützung ihres Anspruchs erforderlichen Auskünfte von Praktikern einzuholen, die die tatsächliche Rechtsanwendung aus ihrer Berufserfahrung kennen.
(3) Eine wie auch immer geartete Kooperation der Klägervertreter mit der schweizerischen Kanzlei ist ohne Belang, weil die Gutachten nicht wie die eines gerichtlich bestellten Sachverständigen als Beweismittel dienen sollten, sondern lediglich der Herbeiführung eines schlüssigen Vortrags zur Rechtsverfolgung. Ein zu diesem Zweck privat beauftragter Sachverständiger kann nicht von der Gegenpartei wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden; es besteht auch keine Veranlassung, einen derartigen Einwand nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren zuzulassen. Vielmehr gibt auch insoweit das Erfordernis der Notwendigkeit der Kosten den Rahmen vor: Wenn der Sachverständige Anlass zu der Befürchtung gibt, wegen seiner Nähe zur beauftragenden Partei oder aus anderen Gründen unzutreffende Auskünfte zu erteilen, kann seine Beauftragung nicht als sachdienlich angesehen werden.
Dass sich aus der von der Beklagten behaupteten Kanzleikooperation Anhaltspunkte für die sachliche Unrichtigkeit der erteilten Auskünfte ergäben, ist weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte weder im Rechtsstreit selbst noch im Kostenfestsetzungsverfahren die Richtigkeit der auf die Gutachten gestützten Ausführungen der Klägerin zum schweizerischen Patentrecht bestritten.
bb) Die geltend gemachten Kosten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Es ist weder von der Beklagten substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Auskünfte zum schweizerischen Patentrecht in anderer Weise zu geringeren Kosten hätten erholt werden können. Der Hinweis der Beklagten darauf, dass einem Wirtschaftsprüfer für die Erstellung eines Gutachtens bei schwierigen Fragen der Unternehmensberatung ein Stundensatz von 200,- DM zugebilligt worden sei, liegt neben der Sache, da Angebot und Vergütung deutscher Wirtschaftsprüfer mit denen schweizerischer Rechtsanwälte nichts zu tun haben.
Mangels Rechtswahl richtet sich die Höhe der erstattungsfähigen Anwaltskosten gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nach dem schweizerischen Recht (vgl. Mankowski, a. a. O., S. 198 m. w. N.), so dass § 21 BRAGO ohne Bedeutung ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kanzlei CMS E. nicht ordnungsgemäß nach schweizerischem Recht abgerechnet, insbesondere nach Maßgabe der dort anwendbaren Sätze überhöhte Gebühren berechnet hätte (vgl. OLG Frankfurt a. M., a. a. O. - Französischer Rechtsanwalt).
3. Da nach der Kostengrundentscheidung, dem von den Parteien geschlossenen Vergleich, der Beklagte 40 % der erstattungsfähigen Kosten der Klägerin zu tragen hat, ist der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss dahin zu ändern, dass die Klägerin im Wege der Kostenausgleichung gemäß § 106 ZPO dem Beklagten 4.713,42 € (= 40 % aus 11.783,56 €) weniger dem Beklagten zu erstatten hat.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
2. Die Festsetzung des Streitswerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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