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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.10.2003
Aktenzeichen: 29 W 2155/03
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG, UWG


Vorschriften:

GVG § 13
GVG § 17
GVG § 17a
ArbGG § 2 Abs. 1
UWG § 1
Für eine Unterlassungsklage wegen Wettbewerbsverstößen in Gestalt rufschädigender Äußerungen und Geschäftsehrverletzungen zu Lasten des Arbeitgebers, die ein ehemaliger Angestellter am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses angeblich begangen hat, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, nicht zu den Zivilgerichten eröffnet, auch wenn der Deliktserfolg erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten sollte.
Aktenzeichen: 29 W 2155/03

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Cassardt und Dr. Kartzke ohne mündliche Verhandlung am 06.10.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 31.07.2003 - 17HK O 10606/03 aufgehoben.

2. Der beschrittene Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist unzulässig.

3. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht München verwiesen.

4. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

5. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat mit Anwaltsschriftsatz vom 03.06.2003 Klage zum Landgericht München I u.a. mit folgendem Antrag erhoben:

I. Dem Beklagten wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Dritten gegenüber rufschädigende Äußerungen zu Lasten der Klägerin mit Aussagen wie "Fa. D. B. (Ges. mit beschränktem H.)" zu tätigen und/oder ein von der Klägerin lizenzierte Computerprogramm als durch einen Mitarbeiter "geklaut" zu bezeichnen.

Der Beklagte war vom 01.11.1999 bis 28.02.2003 bei der Klägerin als Leiter des deutschen Verkaufsbüros "Nord" als Angestellter tätig. Nach seinem Ausscheiden hat sich der Beklagte als Handelsvertreter selbständig gemacht.

Der Beklagte hat während seiner Tätigkeit als Mitarbeiter der Klägerin einen firmeneigenen Laptop zur Verfügung gestellt bekommen, den er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Klägerin zurückgegeben hat. Nach dem Vortrag der Klägerin hat der Beklagte diesen Laptop am 28.02.2003 mit folgender Windows XP-Lizenzinformation präpariert:

Name: "geklaut von Herrn G."

Firma: "Fa. D. B. (Ges. m. beschränktem H.)"

Das Landgericht hat mit Beschluss gemäß § 17a Abs. 3 GVG vom 31.07.2003 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Auf diesen Beschluss wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

Er macht geltend, die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des OLG Hamm in NJW-RR 1988, 1022 sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Zum Zeitpunkt der behaupteten streitgegenständlichen unerlaubten Handlung habe zwischen den Parteien unstreitig ein Arbeitsverhältnis bestanden. Der innere Zusammenhang zum streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis stehe außer Frage. Der innere Zusammenhang sei allgemein dann zu bejahen, wenn die unerlaubte Handlung in der Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Berührungspunkten und Reibungen ihre Ursache finde. Im Streitfall ergebe sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bereits aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG. Zumindest sei § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d oder Buchst. c ArbGG einschlägig.

Der Beklagte beantragt,

den Beschluss des Landgerichts München I gemäß § 17a Abs. 3 GVG vom 31.07.2003 (AZ: 17 HK O 10606/03) aufzuheben und den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung an das zuständige Arbeitsgericht München zu verweisen.

Die Klägerin beantragt,

die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 14.08.2003 zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Im Streitfall seien die Arbeitsgerichte nicht zuständig, da es sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber aus einem Arbeitsverhältnis oder aus einer unerlaubten Handlung handele, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehe. Der Beklagte habe alles so arrangiert, dass sich die am letzten Tag seines Arbeitsverhältnisses angelegten rechtswidrigen Handlungen während seiner freiberuflichen Tätigkeit verwirklichen sollten. Der Erfolg habe sich demnach gerade nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses verwirklichen sollen. Ein innerer Zusammenhag mit seinen bis zum 28.02.2003 bestehenden arbeitsvertraglichen Pflichten liege damit von Hause aus nicht vor. Vielmehr seien die streitgegenständlichen Handlungen nur gelegentlich eines auslaufenden Arbeitsverhältnisses getroffen worden.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.08.2003 nicht abgeholfen.

Im Übrigen wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG; § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO) sofortige Beschwerde des Beklagten hat Erfolg

1. Im Streitfall ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, nicht zu den Zivilgerichten eröffnet.

a) Die Arbeitsgerichte sind auch für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten nach Maßgabe des § 2 Abs. 1, Abs. 3 ArbGG zuständig. Als unerlaubte Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG ist jeder Wettbewerbsverstoß anzusehen; ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis ist immer dann anzunehmen, wenn der Verstoß zugleich eine Verletzung des Arbeitsvertrags einschließlich nachwirkender Pflichten darstellt (vgl. Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Vor § 13, Rdn. 248); eine solche unerlaubte Handlung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Anspruch auf eine Handlung gestützt wird, die noch während des Arbeitsverhältnisses begangen oder zielgerichtet vorbereitet worden ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.04.1997 - 2 W 7/97 = OLGR Zweibrücken 1997, 298-299, in juris dokumentiert; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.07.2002 - 20 W 55/02 = NZA-RR 2003, 211).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG erfüllt. Die Klägerin macht rufschädigende Äußerungen sowie Geschäftsehrverletzungen zu ihren Lasten geltend, die der Beklagte am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses begangen haben soll. Dass das Arbeitsverhältnis mittlerweile beendet ist und der Deliktserfolg erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten sollte, ist insoweit unerheblich (vgl. OLG Düsseldorf aaO; OLG Zweibrücken aaO).

Die vorstehenden Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zum Urteil des OLG Hamm vom 15.01.1988 - 9 U 120/87 = NJW-RR 1988, 1022. Dort ging es um einen anders gelagerten Sachverhalt, nämlich den Widerruf ehrkränkender Behauptungen bezüglich des Arbeitsgebers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. In diesem Fall hat das OLG Hamm einen inneren Zusammenhang der betreffenden Behauptungen mit den früheren arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers verneint. Im Streitfall, in dem die beanstandeten Wettbewerbsverstöße noch während des Arbeitsverhältnisses, nämlich an dessen letzten Tag, begangen worden sein sollen, besteht hingegen ein hinreichender innerer Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis.

b) Der Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht München I im vorausgegangenen Verfügungsverfahren 17HK O 7851/03 (vgl. Anlage K 5) präjudiziert die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht. Die Klage zur Hauptsache ist vor dem für sie zuständigen Gericht ohne Rücksicht darauf zu erheben, vor welchem Gericht die Verfügungssache anhängig ist oder war (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdn. 328).

2. Die Kostenentscheidung bezüglich der Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH NJW 1993, 2541, 2542).

3. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.

4. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG) ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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