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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 05.04.2000
Aktenzeichen: 3 U 5502/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 8 | |
ZPO § 7 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1 | |
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative |
1. Sichert eine Dienstbarkeit die Gebrauchsgewährung aus einem Mietvertrag, so kann Löschung der Dienstbarkeit verlangt werden, wenn der Mietvertrag beendet ist.
2. In einem solchen Fall bestimmt sich der Streitwert für eine Klage auf Abgabe der Löschungsbewilligung nicht nach § 8 ZPO, sondern nach § 7 ZPO auch dann, wenn die Wirksamkeit der Kündigung des Mietvertrages streitig ist.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
Aktenzeichen: 3 U 5502/99 2 O 290/99 LG Traunstein
Verkündet am 05.04.2000
Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
erlässt der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2000
folgendes
ENDURTEIL
Tenor:
I. Die Berufung gegen das Enturteil des Landgericht Traunstein vom 21.09.1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Nebenintervenientin trägt ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer des Beklagten im Berufungsverfahrens übersteigt 60.000,00 DM nicht.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Löschung einer Grunddienstbarkeit.
Wegen des ersten instanziellen Vorbringen der Parteien des dortigen Verfahrensganges und der Entscheidung des Landgerichts wird Bezug genommen auf das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 21.09.1999 (Bl. 118 f. d. A.).
Das Urteil des Landgerichts Traunstein wurde der Klägervertreterin zugestellt am 27.09.1999 und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) am 28.09.1999. Die Berufung der Beklagten zu 1) ging am 27.10.1999 ein (Bl. 134 d. A.). Begründet wurde die Berufung mit Schriftsatz vom 08.11.1999 bei Gericht eingegangen am 09.11.1999. Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 23.11.1999, bei Gericht eingegangen am 29.11.1999 hilfsweise bedingte Anschlussberufung für den Fall ein, dass eine Berichtigung des ursprünglichen Ersturteils nicht erfolgt (Bl. 142 f. d. A.). Mit Beschluss vom 27.12.1999 (Bl. 125 A d. A.) berichtigte das Landgericht Traunstein das Urteil vom 21.09.1999. Auf den Berichtigungsbeschluss wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 11.01.2000, bei Gericht eingegangen am 12.01.2000, legte die frühere Beklagte zu 2) in ihrer Eigenschaft als Streithelferin für die Beklagte zu 1) ebenfalls Berufung ein, beantragte gegen die mögliche Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und begründete die Berufung im selben Schriftsatz (Bl. 156 f. d.A.).
Die Beklagte zu 1) ist der Auffassung, dass sie zu keinem Zeitpunkt passivlegitimiert gewesen sei. Das streitbefangene Grundstück sei von Zeitpunkt der Klageerhebung an bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter Institutsverwaltung nach ZVG gestanden. Die Klage sei deshalb auf eine unmögliche Leistung gerichtet gewesen. Auch in materieller Hinsicht habe der Klager keinen Anspruch auf Löschung. Allenfalls stünde dem Kläger wegen Nichtzahlung einer Nutzungsentschädigung ein Zurückbehaltungsrecht zu. Außerdem beruft sich die Beklagte zu 1) auf die für sie eingetragene Auflassungsvormerkung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 21.09.1999 - auch in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 27.12.1999 - aufzuheben und die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen und legt hilfsweise bedingt Anschlussberufung ein, für den Fall, dass eine Berichtigung des Urteils nicht erfolgt. Für diesen Fall beantragt, die Anschlussberufung zu erkennen wie folgt:
Das Urteil des Landgerichts Traunstein, Aktenzeichen: 2 O 290/99 vom 21.09.1999 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte zu 1) verurteilt wird, die Löschung der nachbenannten Grunddienstbarkeit zu bewilligen:
a) PKW Stellplatz für den jeweiligen Eigentümer von Flst. Nr. Gemarkung, Grundbuch von R Band, Blatt
b) am Grundstück Flst. Nr. Gemarkung R Grundbuch von R, Band an Blatt
Der Kläger verteidigt das Ersturteil in der Form des Berichtigungsbeschlusses und ist weiterhin der Meinung, dass ihm wegen der Kündigung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses ein Anspruch auf Löschung der Grundschuld zustehe. Er trägt vor, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Zwangsverwaltung bereits aufgehoben gewesen sei.
Im Übrigen wird wegen des Berufungsvorbringens der Parteien Bezug genommen auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze. Ferner wird Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 05.04.2000.
Entscheidungsgründe:
Die nur hilfsweise eingelegten Anschlussberufung ist gegenstandslos, da dem Berichtigungsbegehren des Klägers entsprochen wurde.
Die Berufung der Beklagten zu 1) ist zulässig. Insbesondere ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch fristgerecht begründet. Zum Zeitpunkt der Begründung der Berufung durch die Beklagte zu 1) selbst genügte wegen des damals noch nicht vorliegenden Berichtigungsbeschlusses die Berufungsbegründung den Anforderungen, da vom Wortlaut des Urteils her die Entscheidung in der damaligen Fassung nicht zutreffend war. Die hierauf gestützte Rüge der Berufung erfüllte damit die Voraussetzungen für einen ordungsgemäße Berufungsbegründung. Da sowohl die Berufungsfrist als auch die Berufungsbegründungsfrist gewahrt wurden, konnte die Streithelferin dem Rechtsstreit mit eigenen Ausführungen beitreten, ohne dass es auf eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ankäme.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Abgabe einer Löschungsbewilligung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative BGB zu.
Die Beklagte zu 1) ist passivlegitimiert. Dabei kann es dahinstehen, ob und inwieweit die angeordnete Zwangsverwaltung als solche die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) berührte. Die Zwangsverwaltung wurde nämlich während des Laufes des Prozesses aufgehoben. Aufgrund der Eintragungsmitteilung des Amtsgerichts R vom 12.02.1999 (Anlage B 2 in Bl. 15) steht fest, dass in der zweiten Abteilung Spalten 6 und 7 die laufende Nr. 9 am 12.02.1999 gelöscht wurde. Aus dem Kaufvertrag vom 15.12.1998 Seite 4 (Anlage B 1 in Bl. 15 d. A.) ergibt sich, dass diese laufende Nr. 9 die Anordnung der Zwangsverwaltung betraf. Die Echtheit und Richtigkeit dieser Urkunden wurde trotz Erörterung im Termin vom 05.04.2000 von der Beklagten nicht bestritten. Es bedarf deshalb bezüglich des unspezifizierten Vortrages, dass die Aufhebung der Zwangsverwaltung erst nach der Eigentumsumschreibung im Grundbuch folgte, nicht der Erholung der Grundakten. Die Eigentumsumschreibung erfolgte nämlich unstreitig erst am 22.03.1999.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der Klageerhebung wegen der angeordneten Zwangsverwaltung ncht passivlegitimiert gewesen sein sollte, so trat die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) mit der Aufhebung der Zwangsverwaltung ein. Der spätere Eigentumserwerb durch die vormalige Beklagte zu 2) und nunmehrige Streithelferin liess die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) unberührt (§ 325 ZPO).
Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass die Klage nicht deshalb unbegründet ist, weil sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist. Es gelten hier die gleichen Erwägungen wie für die Passivligitimation. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Klagerhebung die Klage auf eine unmögliche Leistung gerichtet gewesen sein sollte, so trat das Leistungsvermögen der Beklagten zu 1) mit der Aufhebung der Zwangsverwaltung ein. Durch den Eigentumsübergang auf die vormalige Beklagte zu 2) wurde eine Unmöglichkeit der Leistung nicht begründet, da das rechtskräftige Urteil auch gegen die Rechtsnachfolgerin wirkt ( § 325 Abs. 1 ZPO).
Der Anspruch ist auch materiell rechtlich begründet. In Ziffer 9 des Kaufvertrages vom 19.11.1999 haben sich der Kläger und Frau G verpflichtet, dem Käufer durch Eintragung entsprechender Dienstbarkeiten bei Bedarf Stellplätze Zurverfügung zu stellen. Dabei wurde unter anderem vereinbart, dass die zur Verfügungstellung gegen Zahlung der ortsüblichen Miete erfolgt. Unstreitig wurde eine Miete nicht bezahlt, weshalb das Mietverhältnis klägerseits gekündigt wurde. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Vereinbarung im Kaufvertrag vom 19.11.1990 als Mietvertrag oder zumindestens mietvertragsähnliches Rechtsgeschäft zu werten ist. Der Senat folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auf Seite 6 und 7 des Urteils und nimmt zunächst hierauf Bezug. Weiter ist auszuführen: Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung ergibt, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Grunddienstbarkeit und der Zahlung des ortsüblichen Mietzinses. Die Vereinbarung kann deshalb nach Auffassung des Senats nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger die Stellplätze stets bereit halten müsste, die Beklagte zu 1) aber nur im Falle einer tatsächlichen Inanspruchnahme eine Gegenleistung erbringen müsste. Damit würde dem Kläger eine einseitige Verpflichtung auferlegt, die ihn auf Dauer belasten würde, ohne dass ihm eine Gegenleistung zufließen würde. Eine solche Verpflichtung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf erfolgt ist. Hiergegen spricht das in Ziffer 9 deutlich zum Ausdruck gekommene Synallagma zwischen der Zurverfügungstellung der Stellplätze und der Zahlung des Mietzinses. Da unstreitig Mietzins nicht bezahlt wurde, war die Kündigung wirksam. Damit, ist das schuldrechtliche Grundgeschäft für die Dienstbarkeit entfallen und der Kläger kann diese kondizieren mit der Folge, dass die Beklagte zur Abgabe einer Löschungsbewilligung verpflichtet ist.
Zum gleichen Ergebnis kommt man, wie das Landgericht bereits ausgeführt hat, wenn man das Bestehen eines Mietverhältnisses oder mietähnlicher Verhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) überhaupt verneinen würde. Es würde dann von vorne herein an einem Rechtsgrund fehlen. Es kann deshalb letztlich dahinstehen, ob die Mietzinsvereinbarung im Vertrag vom 19.11.1999 dem damaligen § 3 des Währungsgesetzes entsprochen hat beziehungsweise von der Landeszentralbank genehmigt ist oder ob durch das Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes insoweit eine Heilung eingetreten ist.
Jedenfalls bei der vorliegenden Fallkonstellation kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger nur ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Ausübung der Dienstbarkeit zusteht. Dem widerspricht die vertragliche Regelung, wonach ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Zahlung des ortsüblichen Mietzinses und der Zurverfügungstellung der Stellplätze besteht. Der einem Mietvertrag zumindest angenäherte Vertrag bildet die schuldrechtliche Grundlage für die Dienstbarkeit. Mit einem blosen Zurückbehaltungsrecht wäre dem Kläger nicht gedient, da die Beklagte die Dienstbarkeit auf unabsehbare Zeit aufrecht erhalten könnte, wenn sie die Stellplätze nicht in Anspruch nimmt und dafür auch nichts bezahlt. Dies widerspräche der bereits erwähnten, im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Wertung.
Die für die frühere Beklagte zu 2) und nunmehrige Streithelferin eingetragene Auflassungsvormerkung steht dem Anspruch des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Zum einen sichert die Auflassungsvormerkung nicht das Bestehen von Grunddienstbarkeiten zugunsten des aufzulassenden Grundstücks, sondern die Verschaffung des Eigentums frei von nachträglich eingetragenen Belastungen des aufzulassenden Grundstücks. Zum anderen wäre die Streithelferin ebenfalls dem Bewilligungsanspruch des Klägers ausgesetzt, da die Dienstbarkeit - wie bereits mehrfach erwähnt - im engen Zusammenhang mit dem zumindest mietvertragsähnlichen Verhältnis gesehen werden muss. Auch der Erwerber eines Grundstücks könnte deshalb nicht das Recht für sich ableiten, die Stellplätze ohne Entgelt nutzen zu dürfen bzw. den Bestand der Dienstbarkeit unabhängig von einer Zahlung gewährleistet zu erhalten. Durch die Auflassungsvormerkung wurde deshalb die Beklagte zu 1) in ihrer Verfügungsbefugnis über die Dienstbarkeit nicht beschränkt. Die Auflassungsvormerkung wirkt nicht zu Lasten des Klägers hinsichtlich seiner Löschungsanspruches.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird der Wert der Beschwer auf 50.000,00 DM festgesetzt. Da der Klageantrag nicht das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses betrifft, sondern die Abgabe einer Löschungsbewilligung für eine Grunddienstbarkeit, richtet sich die Wertfestsetzung nicht nach § 8 ZPO sondern nach § 7 ZPO. Dabei ist davon auszugehen, dass nach Nr. 5 der Urkunde über die Bestellung von Grunddienstbarkeiten (Anlage K 2 in Bl. 7) der Eigentümer des dienenden Grundstücks jederzeit das Recht hat, die Verlegung einzelner oder aller Stellplätze zu verlangen. Der Wert der Grunddienstbarkeit ist deshalb für das herrschende Grundstück grundsätzlich nach dem Wert der geringer veranschlagten oberirdischen Stellplätze zu bemessen, da die Beklagte keinen Anspruch auf Tiefgaragenstellplätze hat. Der Mietwert für einen oberirdischen Stellplatz wurde damals mit 30,00 DM bemessen. Dass eine erhebliche Wertsteigerung eingetreten ist, ist weder allgemein kundig noch von den Parteien behauptet. Da die Dienstbarkeit lediglich das schuldrechtliche Nutzungsrecht sichert und die Ausübung der Dienstbarkeit zudem von einer Gegenleistung abhängig ist, die dem ortsüblichen Entgelt entspricht, ist der Wert der Grunddienstbarkeit für das herrschende Grundstück mit 50.000,00 DM ausreichend bemessen. Der Senat befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Streitwertfestsetzung durch das Landgericht (Bl. 69 d. A.). Gegen diese Streitwertfestsetzung haben die Parteien bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Einwendungen nicht erhoben. Sowohl die Beklagte zu 1) als auch die damalige Beklagte zu 2) und nunmehrige Streithelferin haben diesen Streitwert ihren Kostenausgleichsanträgen in erster Instanz (Bl. 128 und 130 d. A.) zu Grunde gelegt. Auch der Kläger, der ursprünglich einen Streitwert von 12.000,00 DM in Vorschlag gebracht hatte, hat der Streitwertfestsetzung nicht widersprochen. Auch aus der Sicht der Parteien wurde deshalb eine Wertfestsetzung von 50.000,00 DM für angemessen erachtet.
Ende der Entscheidung
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