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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: 31 Wx 113/06
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 1626
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2
Für ein Mädchen deutscher Staatsangehörigkeit mit Lebensmittelpunkt in Deutschland, welches der Ehe einer Mutter mit deutscher Staatsangehörigkeit und einem indischen Vater entstammt, kommt die ausschließliche Bestimmung des Vornamens "Kiran" nicht in Betracht, weil er das Geschlecht des Trägers nicht eindeutig bezeichnet.
Gründe:

I.

Die Beteiligte ist am 21.4.2006 in G. geboren. Die Eltern des Kindes, die weiteren Beteiligten zu 1 und 2, beabsichtigen, ihrem Kind den alleinigen Vornamen "Kiran" zu geben. Der Standesbeamte der Stadt G. bat die Eltern, für das Kind einen zweiten Vornamen zu bestimmen, welcher das Geschlecht eindeutig erkennen lässt, da der Vorname "Kiran" sowohl Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gegeben werden könne. Die Aufsichtsbehörde des Standesbeamten, der Beteiligte zu 3, legte die Zweifelsfrage gemäß § 45 Abs. 2 PStG dem Amtsgericht M. zur Entscheidung vor. Mit Beschluss vom 31.7.2006 stellte dieses fest, dass die Eintragung des Vornamens "Kiran" für die Beteiligte in das Geburtenbuch ohne weiteren, auf das Geschlecht des Kindes hinweisenden Vornamen nicht zulässig ist. Hiergegen legte die Beteiligte, vertreten durch ihre Eltern, mit Schriftsatz vom 17.8.2006 sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht M. half der Beschwerde nicht ab. Durch Beschluss des Landgerichts M. vom 17.11.2006 wurde der Standesbeamte der Stadt G. angewiesen, für die Beteiligte den Namen "Kiran" als alleinigen Vornamen im Geburtenbuch einzutragen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 3 als Aufsichtsbehörde sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Das Recht, einem Kind einen Vornamen zu geben, steht den Sorgeberechtigten zu. Der Vorname sei u.a. dazu bestimmt, ihn von anderen Personen mit demselben Familiennamen zu unterscheiden. Außerdem soll er das Geschlecht des Namensträgers kenntlich machen. Daher sei es nahezu unbestritten, dass der Vorname das Geschlecht des Trägers offenkundig zu bezeichnen habe. Dies sei im konkreten Fall gewährleistet, weil der Name "Kiran" bei den Hindus, zu denen die Eltern der Beteiligten zählen, ein weiblicher Vorname sei. Dem stehe nicht entgegen, dass in anderen Kulturkreisen in Indien der Name "Kiran" auch als männlicher Vorname benutzt werde. Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles sprächen dafür, den Namen "Kiran" als alleinigen Vornamen für die Betroffene zuzulassen. Es sei in den letzten Jahrzehnten immer gebräuchlicher geworden, dass deutsche Eltern ihren Kindern ausländische Namen geben. Des Weiteren gebe es eine Vielzahl ausländischer Mitbürger und eine Zunahme gemischt-nationaler Familien, in welchen Vornamen geführt werden, die hier keinerlei Tradition hätten und für die der deutsche Sprachgebrauch keinerlei Geschlechtsbezogenheit aufweise. Die Eltern der Beteiligten seien beide Hindus und indischer Abstammung. Die Mutter sei deutsche Staatsangehörige, der Vater Inder. Beide Eltern fühlten sich ihrem Kulturkreis, aus dem sie herkommen, noch stark verbunden. Nach der Hindi-Tradition und deren Religion sei es nicht zulässig, zwei Namen zu vergeben. Ein vom Standesamt geforderter weiterer Vorname würde die Eltern zum Verstoß für sie verbindlicher religiöser Gebote veranlassen. Der von den Eltern gewählte Name entspreche dem Kindesinteresse. Ungeachtet der deutschen Staatsangehörigkeit lebe es mit seinen aus dem indischen Kulturkreis stammenden Eltern zusammen. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Familie wieder nach Indien zurückgehe.

2. Diese Ausführungen halten nicht in jeder Hinsicht rechtlicher Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

Die Beteiligte und ihre Mutter sind deutsche Staatsangehörige, der Vater besitzt die indische Staatsangehörigkeit. Die Bestimmung des Vornamens der Beteiligten bestimmt sich deshalb in jedem Fall nach deutschem Recht (Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB)

a) Das Recht, einem Kind Vornamen zu geben, steht den Sorgeberechtigten zu (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, § 1626 BGB). Allgemein verbindliche Vorschriften über die Wahl und die Führung von Vornamen gibt es nicht (BayObLGZ 1983, 305/306). Die Entscheidung, welchen Namen das Kind tragen soll, haben die Eltern in Ausübung der Verantwortung für das Kind zu treffen. Dies betrifft auch die Wahl eines Vornamens, der ausschließlich der Individualität einer Person Ausdruck verleiht, den Einzelnen bezeichnet und diesen von anderen unterscheidet (BVerfGE 104, 373/385). Es ist Aufgabe der Eltern, ihrem Kind in freier gemeinsamer Wahl einen Namen zu bestimmen, den es sich selbst noch nicht geben kann, wobei sie mangels einschlägiger Bestimmungen im Namensrecht in der Wahl des Vornamens grundsätzlich frei sind (BVerfG NJW 2004, 1586; NJW 2006, 1414/1415). Dem Recht der Eltern zur Vornamenswahl für ihr Kind darf allein dort eine Grenze gesetzt werden, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht (vgl. BVerfGE 104, 373/385). Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt den Vornamen eines Menschen zum einen als Mittel zu seiner Identitätsfindung und zur Entwicklung der eigenen Individualität (vgl. BVerfGE 100, 373/385) und zum anderen als Ausdruck seiner geschlechtlichen Identität (vgl. BVerfGE 109, 256/266). Deshalb hat der Staat bei der Namensgebung ein Wächteramt nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG (BVerfG NJW 2006, 1414/1415).

Die durch das Kindeswohl gezogenen Grenzen werden z.B. dann nicht eingehalten, wenn bei der Namensgebung der natürlichen Ordnung der Geschlechter nicht Rechnung getragen wird, wenn also Jungen oder Mädchen Vornamen beigelegt werden, die das Geschlecht nicht kennzeichnen (BayObLGZ 1983, 305/308). Es ist herrschende Auffassung, dass die einem Kind gegebenen Vornamen geeignet sein sollen, ohne weiteres dessen Geschlecht erkennen zu lassen. Ist ein Vorname nicht eindeutig männlich oder weiblich, steht dies der Eintragung dann nicht entgegen, wenn dem Kind ein weiterer, den Zweifel über das Geschlecht ausräumender Vorname beigelegt wird (OLG Hamm NJW-RR 2005, 874/875). Es besteht der Grundsatz, dass bei der Namensgebung nicht nur das Recht der Eltern auf Namensbestimmung, sondern auch das wohlverstandene Interesse des Kindes zu berücksichtigen ist, welches gerade in einer das Geschlecht eindeutig kennzeichnenden Namensgebung bestehen kann (OLG Hamm aaO).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt die alleinige Bezeichnung "Kiran" für ein Mädchen, welches der Ehe einer Mutter mit deutscher Staatsangehörigkeit und eines indischen Vaters entstammt und welches zusammen mit ihren Eltern in Deutschland lebt, mangels eindeutiger Bezeichnung des Geschlechts nicht in Frage.

Das Landgericht hat in seiner Entscheidung einseitig auf die Rechte und die kulturellen Bezüge der Eltern abgestellt und nicht berücksichtigt, in welchem Kulturkreis die Beteiligte, um deren Vornamen es schließlich geht, in nächster Zukunft oder auf Dauer aufwachsen wird. Die Beteiligte ist deutsche Staatsangehörige und wird zunächst auf nicht absehbare Zeit in einer Kleinstadt im Regierungsbezirk S. aufwachsen. Es ist nicht dargetan, dass die Eltern der Beteiligten demnächst beabsichtigten, ihren Lebensmittelpunkt zeitweise oder dauerhaft nach Indien zu verlagern; solches ist allenfalls im Beschwerdeverfahren als Möglichkeit angedeutet worden, ohne dass konkrete Umstände für eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts behauptet worden wären.

Nachdem deshalb für die hier zu treffende Entscheidung davon auszugehen ist, dass die Beteiligte im deutschen Sprach- und Kulturkreis aufwächst, erfordert es das Kindeswohl, die Vornamen in einer Art und Weise zu bestimmen, dass sie in ihrem engeren und weiteren Lebensumfeld namensmäßig in ihrem Geschlecht eindeutig wahrgenommen wird. Dem würde nicht Rechnung getragen, wenn die Beteiligte allein den Vornamen "Kiran" trüge. Im deutschen Sprachgebrauch, welcher bei der Namensgebung unter Berücksichtigung des Kindeswohls nicht außer Acht gelassen werden kann, bezeichnen Vornamen mit der Endsilbe "an" eher Personen männlichen Geschlechts wie z.B. Christian, Florian, Julian, Jonathan, Kilian, Maximilian, Sebastian, Stefan, Tristan.

Die Eltern haben nicht nachzuweisen vermocht, dass der Name "Kiran" in Indien als eindeutig weiblicher Vorname gebräuchlich ist. Daran ändern auch die Bestätigungen der Universität Tübingen und des Generalkonsulats von Indien nichts, wonach der Name "Kiran" üblicherweise als weiblicher Name gebräuchlich ist. Diese Bescheinigungen bestehen in einer lapidaren Behauptung und setzen sich nicht mit dem Umstand auseinander, wonach nach unbestrittenen Darlegungen in einem nicht zu vernachlässigenden Teil Indiens, in welchem nicht Hindi gesprochen wird, die Bezeichnung "Kiran" männlichen Personen zugeordnet ist. Dies belegte der Beteiligte zu 3 mit einem Hinweis auf eine kulturelle Fernsehsendung zur Frankfurter Buchmesse 2006, die u.a. einen der bedeutendsten Schriftsteller Indiens mit Namen Kiran Nagarkar, behandelte. Aus diesem Bericht ergibt sich, dass auch in der deutschen Öffentlichkeit offenbar geworden ist, wonach in Indien "Kiran" (auch) als männlicher Vorname verwendet wird. Die von den weiteren Beteiligten zu 1 und 2 vorgetragene Differenzierung, in welchen Bundesstaaten Indiens die Bezeichnung "Kiran" weiblich, in welchen sie männlich und in welchen sie überhaupt nicht bekannt sei, wird in Deutschland gemeinhin nicht nachvollzogen und kann somit nicht Beurteilungsmaßstab für die Bestimmung eines Vornamens sein. Vielmehr ergeben die bekannten und unbestrittenen Tatsachen, dass in Indien "Kiran" als Name sowohl für männliche als auch für weibliche Personen verwendet wird. Somit war die Auffassung des Standesbeamten der Stadt G. nicht verfehlt, die Eltern der Beteiligten aufzufordern, dem Namen "Kiran" als Vornamen einen weiteren Vornamen beizufügen, welcher das Geschlecht der Beteiligten eindeutig kennzeichnet.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 127 Abs. 2, § 131 Abs. 1, § 30 Abs. 2 KostO. Ein Anlass, die Erstattung von Kosten vorzusehen, hat sich weder im Beschwerdeverfahren noch im Verfahren der weiteren Beschwerde ergeben.

Ende der Entscheidung

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