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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 31 Wx 12/06
Rechtsgebiete: SpruchG, AktG


Vorschriften:

SpruchG § 12 Abs. 1
AktG § 327a ff
Die Barabfindung bei einem Ausschluss der Minderheitsaktionäre kann auch dann nach dem Ertragswert des Unternehmens bemessen werden, wenn ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag bestanden hat; der Barwert des festen Ausgleichs ist in der Regel nicht geeignet, die Verhältnisse des Unternehmens zum für den Squeeze-Out maßgeblichen Stichtag hinreichend wiederzugeben.
Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die angemessene Barabfindung nach dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre.

Die Antragsteller waren Aktionäre der F-AG, die nach Durchführung des Squeeze-Out aufgrund Vertrages vom 9.8.2002 mit der Antragsgegnerin verschmolzen wurde. Die Antragsgegnerin war Hauptaktionärin und hielt mit 2.141.782 Stamm- und 396 Vorzugsaktien 95,19 % des Grundkapitals. Das Stammkapital der F-AG von insgesamt 58.510.296 EUR war in 2.250.000 Stammstückaktien (58.500.000 EUR) und 396 Vorzugsstückaktien (10.296 EUR) aufgeteilt, so dass der rechnerische Nennwert jeder Aktie 26 EUR betrug. Auf jede Vorzugsaktie entfielen 3.200 Stimmen sowie eine Dividende von 1,50 EUR. Die Vorzugsaktien wurden nicht an der Börse gehandelt. Sie wurden zunächst von der T-AG gehalten und 2001 auf die Antragsgegnerin übertragen.

Die F-AG hat zunächst mit der Antragsgegnerin am 9.4.2001 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen, dem die Hauptversammlung der F-AG am 29.5.2001 zugestimmt hat. Barabfindung und Ausgleich aufgrund dieses Unternehmensvertrages sind Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 19.10.2006 (31 Wx 92/05). Am 17.5.2002 hat die Hauptversammlung beschlossen, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung von 165 EUR je Aktie auf die Antragsgegnerin zu übertragen. Der Beschluss wurde am 27.6.2002 im Handelsregister eingetragen. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den letzten drei Monaten vor der Hauptversammlung betrug 176,10 EUR je Stammstückaktie, in den drei Monaten vor der Ankündigung des Squeeze-Out 173,03 EUR. Das Landgericht hat auf Antrag der F-AG mit Beschluss vom 11.2.2002 einen sachverständigen Prüfer für die Angemessenheit der Abfindung bestellt. Die Prüfer haben in ihrem Bericht vom 28.3.2002 die vorgeschlagene Abfindung als angemessen bewertet.

Die Antragsteller haben beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung festzusetzen. Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2003 die Prüfer zur Bewertung angehört. Diese haben außerdem eine schriftliche Stellungnahme vom 11.11.2003 abgegeben, die insbesondere Planungsrechnung und Ertragsprognosen erörtert, ferner die Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Grundstücksvermögens, die Zuordnung von Forderungen gegen verbundene Unternehmen und der flüssigen Mittel zum betriebsnotwendigen Vermögen sowie Bereinigungen und Abschreibungsverhalten. In einer weiteren Stellungnahme haben die Prüfer die gewählte Risikozuschlagsmethode in Abgrenzung zur Sicherheitsäquivalenzmethode erläutert.

Mit Beschluss vom 17.11.2005 hat das Landgericht die angemessene Barabfindung für jede Stammstückaktie auf 214,37 EUR festgesetzt. Dabei ging das Landgericht abweichend von der im Auftrag der Hauptaktionärin erstellten Bewertung und dem Bericht der sachverständigen Prüfer von einem Basiszinssatz von 5,25 % (statt 6 %), einem Unternehmerrisikozuschlag von 2 % (statt 2,5 %) und einem Wachstumsabschlag für die Phase II von 1 % (statt 0,5 %) aus und legte unter Berücksichtigung der typisierten Steuer von 35 % einen Kapitalisierungszinssatz für die Phase I von 4,712 % und für die Phase II von 3,712 % zugrunde. Ferner nahm das Landgericht eine Anhebung der für 2007 ff. angenommenen, mit 2006 identischen Umsatzerlöse und des Material- und Personalaufwands um 1 % vor, da die dynamische Entwicklung in der Vergangenheit auch in der Prognosephase zu berücksichtigen sei. Für noch nicht realisierte Ersatzansprüche wegen eines 1995/1996 vorgefallenen Betruges mit einer Schadenssumme von rund 183 Mio. DM stellte das Landgericht einen Sonderwert von 5 Mio. EUR werterhöhend ein, zusätzlich zu dem nach Angaben der Antragsgegnerin bei "sonstigen Erträgen" bereits berücksichtigten, jedoch von ihr nicht bezifferten Erwartungswert. Ferner hielt das Landgericht eine unterschiedliche Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien nicht für gerechtfertigt, da ein besonderer Wert der Mehrstimmrechte nicht sicher feststellbar sei. Weiteren Beanstandungen bezüglich der Bewertung folgte das Landgericht hingegen nicht. Insbesondere sah es den Vorwurf des "exzessiven Abschreibungsverhaltens" als widerlegt an und hielt es nicht für geboten, aufgrund des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre verringerte Ausgaben anzusetzen. Den Ansatz eines nicht betriebsnotwendigen Grundstücks mit dem tatsächlichen Verkaufspreis (statt mit dem höheren Schätzwert aus der Bewertung 2001) billigte das Landgericht ebenso wie die für die Jahre 1999 bis 2001 vorgenommenen Bereinigungen und die Investitions- und Abschreibungsplanung bzw. die Reinvestitionsrate. Die Bewertung einer zwar nicht betriebsnotwendigen, aber wegen der nachteiligen steuerlichen Folgen nicht zu veräußernden Beteiligung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren sah das Landgericht als zulässig an, ebenso den Abzug latenter Steuerlasten bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 6, 9 und 10, die eine weitere Erhöhung der Barabfindung anstreben. Die Antragsgegnerin hat Anschlussbeschwerde eingelegt. Der Senat hat am 25.9.2006 mündlich verhandelt und die sachverständigen Prüfer angehört.

II.

A) Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 6, 9 und 10 und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin sind zulässig. Insbesondere sind die Beschwerden form- und fristgerecht eingelegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 17 Abs. 2 SpruchG). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es nicht erforderlich, dass innerhalb der Frist von zwei Wochen auch eine Begründung des Rechtsmittels erfolgt; eine derartige Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt sich weder aus § 12 Abs. 1 SpruchG noch aus § 21 FGG i.V.m. § 17 Abs. 1 SpruchG (so auch OLG Zweibrücken ZIP 2004, 1666; Hüffer AktG 7. Aufl. § 12 SpruchG Rn. 5; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 4. Aufl. § 12 SpruchG Rn. 7; MünchKommAktG/Volhard 2. Aufl. § 12 SpruchG Rn. 8). Eine Übertragung der nach § 4 Abs. 2 SpruchG geltenden Anforderungen an den Antrag auf gerichtliche Entscheidung auf die Beschwerdeschrift kommt nicht in Betracht, da Form- und Fristvorschriften sich sofort, eindeutig und klar aus dem Gesetzestext ergeben müssen und nicht erst durch ausdehnende Auslegung gefunden werden dürfen (BVerfGE 4, 37; Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. Einl. Rn. 94 m.w.N.). Es verbietet sich deshalb, etwa aus Sinn und Zweck des Spruchverfahrensgesetzes und der gesetzgeberischen Intention (so KK-SpruchG/ Wilske § 12 Rn. 31) eine (fristgebundene) Begründungspflicht als zusätzliche, im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Zulässigkeitsvoraussetzung für die sofortige Beschwerde herzuleiten.

B) Die Rechtsmittel der Antragsteller sind nicht begründet. Vielmehr führt die Anschlussbeschwerde zur Herabsetzung der Barabfindung auf 191,30 EUR je Stammstückaktie.

1. Nach § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung einer Gesellschaft die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen. Dabei muss die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen (§ 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG).

Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht (BVerfGE 14, 263/284; 100, 289/304 f.; BGH AG 2003, 627/628; BayObLG NJW-RR 1996, 1125/1126; Hüffer § 327 b Rn. 4). Zu ermitteln ist der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (BGHZ 138, 136/140). Der Börsenwert bildet regelmäßig die Untergrenze der Abfindung, es sei denn, dass mangels Liquidität der Aktie der Börsenkurs nicht aussagekräftig ist (MünchKommAktG/Grunewald § 327 b Rn. 9).

a) Auch wenn - wie hier - dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre ein Unternehmensvertrag vorausgegangen ist, kann der Wert der Aktien der Minderheitsaktionäre nicht mit dem Barwert des festen Ausgleichs gleichgesetzt werden (so aber LG Frankfurt Der Konzern 2006, 223; KG NZG 2003, 245 für den variablen Ausgleich und eine spätere Verschmelzung; Tebben AG 2003, 600/606; differenzierend Vossius ZIP 2002, 511; ablehnend Popp WPg 2006, 436). Zwar hängt nach dem Abschluss eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages der von dem einzelnen Aktionär erzielte Zufluss nicht mehr unmittelbar vom Ertrag des beherrschten Unternehmens ab. Er erhält vielmehr den nach § 304 AktG festgesetzten, vom herrschenden Unternehmen zu leistenden Ausgleich unabhängig von der tatsächlichen Ertragsentwicklung. Während der Laufzeit des Unternehmensvertrages ist der Ertrag aus dem Anteil festgeschrieben; eine Steigerung des Ertrags wirkt sich auf die festgesetzte Garantiedividende ebenso wenig aus wie ein Verlust des abhängigen Unternehmens.

Das bedeutet aber nicht, dass der Wert des Anteils zum Stichtag des Squeeze-Out gleichzusetzen ist mit dem Kapitalwert des festen Ausgleichs. Dem widerspricht schon der Wortlaut des § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG, nach dem die Barabfindung "die Verhältnisse der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen" muss. Wird die Barabfindung durch die Verrentung des festen Ausgleichs ermittelt, werden aber nicht die Verhältnisse des Unternehmens zum Zeitpunkt des Squeeze-Out berücksichtigt, sondern diejenigen bei Abschluss des Unternehmensvertrages, die der Festsetzung des Ausgleichs zugrunde lagen. Das steht im Widerspruch zum gesetzlich festgelegten Stichtagsprinzip. Darüber hinaus fließen in die Festsetzung des Ausgleichs die Vermögenswerte nicht ein, die keinen Einfluss auf den Unternehmensertrag haben. Bei der Bemessung des Ausgleichs wird nämlich das nicht betriebsnotwendige Vermögen nicht berücksichtigt (vgl. BGHZ 156, 57/61; BayObLG AG 2002, 390/391; BayObLG AG 2006, 41/45). Zwar ist es dem herrschenden Unternehmen möglich, nicht betriebsnotwendiges Vermögen zu veräußern, stille Reserven aufzulösen und angefallene Gewinne an sich abzuführen. Das muss aber nicht dazu führen, dass solche Vermögenswerte zum maßgeblichen Stichtag dem abhängigen Unternehmen tatsächlich bereits entzogen sind. Die Beschränkung der Barabfindung auf den Kapitalwert des Ausgleichs wird deshalb auch dem Grundsatz nicht gerecht, dass der volle Wert der Beteiligung am Unternehmen maßgeblich für die Abfindung ist.

Es ist auch nicht veranlasst, den Barwert des Ausgleichs als Untergrenze der Abfindung heranzuziehen (so Tebben aaO). Zum einen widerspräche das dem Umstand, dass Veränderungen des Unternehmenswerts insbesondere aufgrund der Konzernierung im Risikobereich des Aktionärs liegen, der nach Abschluss des Unternehmensvertrages an seiner Beteiligung an dem abhängigen Unternehmen festhält (vgl. BVerfG WM 2003, 1813/1814; OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1330/1335; Popp WPg 2006, 436/444). Wer den Ausgleich wählt, ist Inhaber eines Anteils, dessen Wert durch die Ergebnisse und den Verlauf des Unternehmensvertrages bestimmt wird (OLG Düsseldorf AG 2004, 324/327). Zum anderen ist der Barwert des Ausgleichs nicht mit dem Börsenkurs der Aktie vergleichbar. Der Börsenkurs der Aktie ist regelmäßig mit ihrem Verkehrswert identisch; die Wertbestimmung erfolgt durch Angebot und Nachfrage im Rahmen des Handels an der Börse. Zum Börsenkurs kann der einzelne Aktionär seine Aktie veräußern. Aus diesem Grund ist der Börsenkurs bei der Ermittlung des Wertes der Unternehmensbeteiligung zu berücksichtigen; der Aktionär soll als Abfindung für den Verlust seiner Beteiligung nicht weniger erhalten als das, was er bei einem Verkauf erlöst hätte (BVerfGE 100, 289/308). Der Barwert des Ausgleichs stellt hingegen keinen durch Angebot und Nachfrage gebildeten Preis dar, zu dem die Aktie tatsächlich verkauft werden könnte, sondern den unter der Prämisse einer unendlichen Laufzeit des Unternehmensvertrages rechnerisch ermittelten Kapitalwert der künftigen Zuflüsse. Dieser errechnete Wert besagt noch nichts darüber, welchen Preis der Aktionär im Rahmen einer freien Veräußerung zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich für seinen Anteil erzielen kann. Auch unter Berücksichtigung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 GG ist es deshalb nicht geboten, den Barwert der zukünftigen Ausgleichszahlungen bei der Bemessung der Abfindung für den Verlust des Aktieneigentums zu berücksichtigen.

Abgesehen davon liegt hier der Barwert des Ausgleichs noch unter dem Börsenkurs: Der Bruttobetrag des Ausgleichs wurde mit Beschluss des Senats vom 19.10.2006 auf 11,40 EUR festgesetzt. Davon sind zunächst die Körperschaftsteuer (25 %) sowie persönliche Steuern (pauschal 17,5 %) abzuziehen, so dass sich ein Nettozufluss von 7,05 EUR ergibt. Bei einem Kapitalisierungszinssatz von 4,55 % (7 % abzüglich persönlicher Steuern von 35 %) errechnet sich ein Barwert von 157,62 EUR. Selbst bei einem Kapitalisierungszinssatz von 3,9 % (Basiszins 6 % abzüglich persönlicher Steuern) ergibt sich nur ein Barwert von rund 180 EUR, der den nach der Ertragswertmethode ermittelten Anteilswert nicht erreicht.

b) Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass Gutachter und sachverständige Prüfer bei der Ermittlung des Unternehmenswerts die Ertragswertmethode angewendet haben (vgl. BGH AG 2003, 627/628; BayObLGZ 1998, 231/235; OLG Düsseldorf AG 2001, 189/190 m.w.N.), wobei der so ermittelte Anteilswert gegebenenfalls einer Korrektur anhand des Börsenkurses bedarf (vgl. BVerfGE 100, 289/307). Nach dieser Methode bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen (neutralen) Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird (BayObLGZ 1998, 231/235). Der Ertragswert eines Unternehmens wird durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden (vgl. IDW S1 Tz. 7.2.1. Stand 28.6.2000).

Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung der vorliegenden Gutachten allerdings, dass sie nach ihren zugrunde liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht in der Lage sein können, mathematisch einen exakten oder "wahren" Unternehmenswert am Stichtag festzustellen. Dem Gericht kommt somit die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert, der Grundlage für die Abfindung ist, im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (BGH ZIP 2001,734/736; OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714; BayObLG AG 2006, 41).

c) Der Prüfungsbericht des gerichtlich bestellten Prüfers, die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten zusätzlichen schriftlichen Stellungnahmen und die Ausführungen im Rahmen der Anhörungen vor dem Landgericht und dem Senat sind geeignet und ausreichend, über die entscheidungserheblichen Bewertungsfragen zu befinden und den Unternehmenswert zu schätzen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Insbesondere ist die Einholung eines weiteren Gutachtens eines anderen Sachverständigen zum Unternehmenswert nicht erforderlich.

(1) Der Schutz der Minderheitsaktionäre erfordert es nicht, im Spruchverfahren grundsätzlich neben dem gerichtlich bestellten Prüfer einen weiteren Sachverständigen heranzuziehen. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfers soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner dienen; sein Gutachten kann deshalb im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden (OLG Düsseldorf BB 2000, 1108). Im Übrigen haftet der sachverständige Prüfer nach § 327 c Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 293 d Abs. 2 AktG, 323 HGB auch gegenüber den Anteilsinhabern. Durch die Verweisung auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen § 327 c Abs. 2 Satz 4, § 293 d AktG i.V.m. §§ 319 Abs. 1-3, 323 HGB) ist sichergestellt, dass es sich um einen unabhängigen Prüfer handelt (BGH BB 2005, 2651/2652). Dass seine Prüfung regelmäßig gleichzeitig mit dem Erstellen des Berichts des Hauptaktionärs erfolgt, ändert nichts daran, dass es sich um eine unabhängige Prüfung handelt, und begründet für sich genommen auch keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2003, 2363; OLG Hamburg ZIP 2004, 2288).

Entgegen der Auffassung der Antragsteller zu 9 und 10 ist insoweit eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG nicht veranlasst. Der Senat weicht in dieser Frage weder von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts noch von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab. Die von den Antragstellern zu 9 und 10 herangezogenen Entscheidungen befassen sich nicht mit dem Erfordernis eines weiteren gerichtlichen Sachverständigen in Spruchverfahren, sondern mit der Vereinbarkeit von Beratung in wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten und Durchführung der Abschlussprüfung (BGHZ 135, 260 = AG 1997, 415) bzw. der Verfassungsmäßigkeit der §§ 327a ff. AktG (BGH BB 2005, 2651), wobei in der zuletzt genannten Entscheidung im Übrigen ausdrücklich die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich des sachverständigen Prüfers als geeignete Maßnahmen angesehen werden, "um das Interesse des Hauptaktionärs an einer möglichst niedrigen Abfindung nicht zur Geltung kommen zu lassen".

(2) Die Tätigkeit als Abschlussprüfer steht der Bestellung als sachverständiger Prüfer nicht entgegen (Hüffer § 293 d Rn. 3; MünchKommAktG/Altmeppen § 293 d Rn. 5). § 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB a.F. (ebenso § 319 Abs. 3 Nr. 3 a HGB n.F.) schließt von der Prüfungstätigkeit denjenigen aus, der bei der Führung der Bücher und der Erstellung des Jahresabschlusses mitgewirkt hat; die Prüfung des Jahresabschlusses ist hingegen kein Ausschlussgrund.

(3) Der Vorwurf der Antragsteller zu 9 und 10, der Prüfungsbericht weise erhebliche fachliche Mängel auf, greift nicht durch. Die Einwände gegen einzelne Ansätze wurden im Rahmen der Anhörungen und durch die ergänzenden Stellungnahmen nachvollziehbar erläutert. Dies gilt insbesondere für den Umfang der Abschreibungen und die Investitionsplanung, die sowohl Gegenstand der schriftlichen Stellungnahme vom 11.11.2003 und der Anhörung vom 20.11.2003 waren.

2. Der Senat schätzt unter Berücksichtigung der Ausführungen der sachverständigen Prüfer und des Vorbringens der Beteiligten den Unternehmenswert der Gesellschaft zum Stichtag auf 430.444.000 EUR.

Dabei übernimmt der Senat im Wesentlichen die von den sachverständigen Prüfern gebilligten Prognoseentscheidungen der Bewertungsgutachter. Die vom Landgericht vorgenommene Anhebung der für 2006 ff. zu erwartenden Umsatzerlöse um 1 % erscheint sachgerecht. Die Planung sieht für die Jahre 2002 bis 2006 Steigerungen zwischen rund 0,5 % und rund 2,5 % vor, so dass eine Stagnation ab 2007 weniger plausibel erscheint.

3. Die Einwände der Antragsteller sind nicht geeignet, die von den sachverständigen Prüfern gebilligten Ansätze der Bewertungsgutachter als taugliche Grundlage für eine Schätzung zu erschüttern.

a) Die im Rahmen der Vergangenheitsanalyse vorgenommenen Bereinigungen, die für die Jahre 1999 bis 2001 jeweils in der Größenordnung der Hälfte des Ergebnisses liegen (vgl. Übertragungsbericht S. 32), sind von den sachverständigen Prüfern in der Stellungnahme vom 11.11.2003 aufgeschlüsselt und erläutert worden. Sie betreffen insbesondere die Auflösung von Rückstellungen, Zuführungen zu Rückstellungen, Buchgewinne und sonstige periodenfremde Sondereffekte. Diese Vorgehensweise entspricht anerkannten Bewertungsgrundsätzen, da einmalige bzw. für die Zukunft nicht aussagekräftige Vorgänge nicht geeignet sind, die Prognose der künftigen Erträge zu plausibiliseren (vgl. IDW S 1 Tz. 78; Ballwieser, Unternehmensbewertung S. 35).

b) Zur Beurteilung der Planungsrechnung haben die sachverständigen Prüfer in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2003 erläutert, dass neben der Analyse der Vergangenheit und der Planungstreue auch Markteinschätzungen, differenziert nach Kundengruppen, als wesentliche Grundlage dienten, wobei Branchenexperten für den Bereich der Energiewirtschaft herangezogen wurden. Der Senat sieht keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die sachverständige Einschätzung der Prüfer nicht der wirtschaftlichen Realität entspricht. Der Einwand der Antragstellerin zu 6, die Planung leugne den zu erwartenden Energieboom und den Umstand, dass in den Jahren 2002/2003 die Talsohle der weltwirtschaftlichen Entwicklung erreicht worden sei, gibt deren subjektive Erwartungen in die künftige wirtschaftliche Entwicklung wieder und ist nicht geeignet, die von den sachverständigen Prüfern für plausibel gehaltenen konkreten Planungen in Zweifel zu ziehen. Die dem operativen Geschäft zuzuordnenden Beteiligungen wurden zutreffend mit den aus ihnen zu erwartenden Erträgen berücksichtigt.

c) Der Senat hält ebenso wie das Landgericht die Berücksichtigung synergetischer Effekte für die Schätzung des Unternehmenswerts hier nicht für veranlasst. Die Antragstellerin zu 6 meint, die Einsparung von Kosten etwa für die Hauptversammlung müsse den ausgeschlossenen Minderheitsaktionären zugute kommen. Dem folgt der Senat nicht. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob es sich bei der Einsparung dieser Verwaltungskosten um einen Synergieeffekt im eigentlichen Sinne handelt (so aber Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, S. 323). Dieser ist aber jedenfalls nicht bei der Bewertung zu berücksichtigen, weil er erst aufgrund des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre eintritt. Überdies kann im Hinblick auf die Beteiligungsstruktur auch nicht angenommen werden, dass diese Einsparungen eine Größenordnung erreichen, die den Unternehmenswert merkbar beeinflusst.

4. Der Kapitalisierungszinssatz kann aus den Elementen Basiszinssatz, Risikozuschlag und Wachstumsabschlag unter Berücksichtigung der pauschalierten persönlichen Steuern der Anteilseigner abgeleitet werden (vgl. BayObLG AG 2006, 41/42; OLG Karlsruhe AG 2005; 45/47; OLG Düsseldorf NZG 2000, 693/695 f.; IDW S. 1 Tz. 91 ff, 122).

a) Der Senat hält den vom Landgericht angenommenen Basiszinssatz von 5,25 % allerdings nicht für geeignet, eine angemessene Abfindung zu ermitteln. In Abweichung dazu halten die sachverständigen Prüfer einen Basiszinssatz von 6 % für sachgerecht. Dem folgt der Senat. Der Basiszinssatz muss so bemessen sein, dass er eine taugliche Schätzgrundlage (§ 287 Abs. 2 ZPO) für die Angemessenheit der Barabfindung darstellt. Hierfür kann auf die langfristige Effektivverzinsung inländischer öffentlicher Anleihen zurückgegriffen werden (vgl. IDW S 1 Tz. 121). Zur Prognose der langfristigen Zinsentwicklung darf nicht bestimmend darauf abgestellt werden, ob zum Zeitpunkt des Stichtags und unmittelbar danach eine Niedrigzinsphase herrscht, sondern es ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der Zinsentwicklung der Vergangenheit anzustellen (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722/1725; BayObLG NZG 2001, 1033/1035; OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/716). Diesen Anforderungen werden die Darlegungen im Bericht der Hauptaktionärin und im Prüfungsbericht gerecht. Ein Basiszinssatz von 6 % entspricht für den maßgeblichen Stichtag im Übrigen auch den Empfehlungen des IDW. Zwar weist die Zinsstrukturkurve für den maßgeblichen Zeitraum eine Absenkung von etwa 1/4-Prozentpunkt aus. Dies erfordert aber gleichwohl nicht eine Abkehr von der Gesamtbeurteilung der sachverständigen Prüfer, zumal die Absenkung damals nicht die Einleitung einer dauerhaften Zinssenkung bedeutete. Das Landgericht hat der Zinssituation zum Stichtag zu großes Gewicht beigemessen, indem es für die Bemessung des Basiszinssatzes allein auf die zum Stichtag erzielten Renditen börsennotierter Bundeswertpapiere mit Laufzeiten zwischen 3 und 30 Jahren abgestellt hat, die sich zwischen 4,64 % (für 3 bis 5 Jahre) und 5,51 % (für 16 bis 30 Jahre) bewegten. Bei der Festlegung der Elemente des Kapitalisierungszinssatzes ist darauf zu achten, dass sie laufzeitäquivalent sein müssen. Greift man auf öffentliche Anlagen mit begrenzter Laufzeit zurück, ist auch die dann erforderliche Wiederanlage zu berücksichtigen, da eine unbegrenzte Lebensdauer des Unternehmens angenommen wird (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722/1725).

b) Der vom Landgericht angesetzte Risikozuschlag von 2 % ist für die Ermittlung einer angemessenen Abfindung geeignet. Ein solcher Zuschlag kann bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes angesetzt werden, wenn nicht schon ein entsprechender Abschlag bei den prognostizierten Erträgen gemacht worden ist. Der Zuschlag soll nach dieser Konzeption sowohl das operative Risiko aus der betrieblichen Tätigkeit als auch das vom Verschuldungsgrad beeinflusste Finanzierungsrisiko abdecken. Der Ansatz eines Risikozuschlags ist zwar nicht unumstritten (vgl. Großfeld Unternehmens- und Anteilsbewertung 4. Aufl. S. 125 f. m.w.N.), aber weitgehend anerkannt (vgl. BayObLG AG 2006, 41/43; DB 2002, 36/37; OLG Düsseldorf AG 2004, 324/329; NZG 2000, 693/696). Die Festlegung des Risikozuschlags erfolgte bislang eher pauschal aufgrund von Erfahrungswerten und unterliegt deshalb in hohem Maße subjektiver Beurteilung. Sie wurde gleichwohl in der Vergangenheit von der Rechtsprechung als geeignet angesehen, zu einer angemessenen Abfindung zu gelangen. Auch die Ermittlung der Marktrisikoprämie nach dem CAPM (Capital Asset Pricing Model) lässt aber erhebliche Ermessensspielräume und kann nicht zu einer mathematisch exakten Bemessung der Risikoprämie führen (vgl. BayObLG AG 2006, 41/43). Sonach folgt der Senat der Entscheidung erster Instanz und nicht den sachverständigen Prüfern. Er schließt sich der Rechtsprechung des BayObLG an, wonach Abweichungen von dem regelmäßig für sachgerecht erachteten Wert eines Risikozuschlags von 2 % einer besonderen Begründung bedürfen (vgl. BayObLG AG 2006, 41/44).

Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Weder die Unternehmensstruktur noch das Geschäftsfeld der regionalen Energieversorgung weisen nach Auffassung des Senats deutlich über- oder unterdurchschnittliche Risiken auf, so dass ein Risikozuschlag von 2 % angemessen erscheint. Das gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Energiewirtschaft aufgrund der Deregulierung zum Stichtag in einer Umbruchsituation befand und für die Zukunft mit verstärktem Wettbewerbsdruck rechnen musste. Damit befinden sich die im Energiebereich tätigen Unternehmen in keiner wesentlich anderen wettbewerblichen Situation als Unternehmen anderer Branchen. Im Übrigen wurden die mit der Liberalisierung der Energiemärkte verbundenen Veränderungen bereits in den Planungsrechnungen berücksichtigt (vgl. Übertragungsbericht S. 29 f.).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu 6 führt der bestehende Unternehmensvertrag nicht dazu, dass bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes auf einen Risikozuschlag zu verzichten oder dieser zu reduzieren ist. Auch wenn ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag besteht, ändert das nichts daran, dass der Anleger von einer Investition in ein Unternehmen aufgrund der damit verbundenen Risiken eine höhere Rendite erwartet als von einer Anlage in ein sicheres Wertpapier (vgl. Popp aaO S. 446). Durch den Unternehmensvertrag wird der Charakter der Aktie als Risikopapier, das keine feste Verzinsung des eingesetzten Kapitals verspricht, nicht verändert (BGH ZIP 2006, 663/664).

c) Zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung geeignet ist auch die Berücksichtigung eines Wachstumsabschlags in der Phase II, da davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft in dieser Phase in gewissem Umfang Preissteigerungen wird weitergeben können (vgl. Großfeld, aaO S.144). Diesen bemisst der Senat im Hinblick auf das relativ sichere Marktumfeld eines regionalen Energieversorgers mit 1 %. Auch unter Berücksichtigung der Liberalisierung auf dem Energiesektor und des dadurch möglichen Wettbewerbs erscheint dem Senat ein Wachstumsabschlag von 0,5 % zu gering. Einen ausgeprägten Wettbewerbsdruck, der geeignet wäre, die Überwälzung steigender Kosten auf die Kunden weitgehend auszuschließen, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Ein Wachstumsabschlag von mehr als 1 % kommt hier nicht in Betracht. Es mag sein, dass - wie die Antragsteller hervorheben - steigende Energiepreise in erheblichem Umfang zur Inflation beitragen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass auch die F-AG inflationsbedingte Preissteigerungen in vollem Umfang an die Kunden wird weitergeben können. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Unternehmens nicht die Erzeugung von Energie ist, sondern - regional begrenzt - Verteilung und Vertrieb. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei steigenden Erzeugerpreisen auch in gleichem Umfang die dem Verteiler verbleibende Vertriebsmarge erhöht werden könnte. Das Netznutzungsentgelt kann nicht beliebig erhöht werden, da es behördlicher Kontrolle unterliegt. Schließlich ist das Wachstumspotential des Unternehmens wegen seiner regionalen Ausrichtung begrenzt. Aus dem Umstand, dass in gerichtlichen Entscheidungen auch höhere Wachstumsabschläge berücksichtigt wurden (etwa BayObLG AG 1996, 127 "Paulaner" - 2,5 % bei Stichtag 26.5.1982; vgl. aber BayObLG DB 2002, 36/37 - 1 %), lässt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten, weil sowohl die unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch die zu bewertenden Unternehmen nicht vergleichbar sind.

d) Keine Einwände bestehen gegen die vom Landgericht vorgenommene Kürzung des Kapitalisierungszinssatzes um die persönlichen Ertragsteuern. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung der Unternehmenseigner unterliegen, ist der Kapitalisierungszinssatz unter Berücksichtigung der persönlichen Steuerbelastung zu ermitteln. Die für Unternehmensbewertungen allgemein angenommene pauschalierte Steuerbelastung von 35 % begegnet keinen grundlegenden methodischen Einwänden (vgl. IDW S 1 Tz. 51). Individuelle steuerliche Besonderheiten der Anteilseigner bleiben grundsätzlich außer Betracht (Peemöller/Piltz S. 787 Rn. 1937). Denn es ist zu berücksichtigen, dass die angemessene Barabfindung niemals ein exakter Wert sein kann, sondern im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung aller einschlägigen Parameter festgelegt werden muss (vgl. BayObLG AG 2006, 41/42; OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714). Es besteht deshalb keine Notwendigkeit, einen gesonderten Abfindungsbetrag für juristische und natürliche Personen getrennt auszuweisen. Hier hat das Landgericht zugunsten der Minderheitsaktionäre für die Ermittlung des Unternehmenswertes einen persönlichen Steuersatz von 17,5 % angenommen, hingegen den Kapitalisierungszinssatz mit dem pauschalierten Steuersatz von 35 % gekürzt. Eine solche Vorgehensweise ist für die Minderheitsaktionäre nicht nachteilig.

e) Der Kapitalisierungszinssatz berechnet sich damit wie folgt:

 Basiszinssatz6 %
zuzüglich Risikozuschlag2 %
 8 %
abzüglich pauschalierte Steuer 35 %2,8 %
Kapitalisierungszinssatz für Phase I:5,2 %
abzüglich Wachstumsabschlag1 %
Zinssatz für Phase II4,2 %

5. Zum Ertragswert ist der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hinzuzurechnen. Hinsichtlich der Grundstückswerte, des Wertpapiersondervermögens und der MIBRAG-Beteiligung folgt der Senat ebenso wie das Landgericht den Wertansätzen im Bericht der Hauptaktionärin.

a) Nicht zu beanstanden ist die Berücksichtigung der steuerlichen Folgen einer fiktiven Veräußerung. Die lange streitige Frage, ob bei der Ermittlung des Liquidationswerts eine latente Steuerlast zu berücksichtigen ist, wird inzwischen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur nahezu einhellig bejaht und auch von den zum Stichtag geltenden Bewertungsrichtlinien empfohlen (vgl. BGH NJW 2005, 153, 155; Großfeld S. 172; Emmerich/Habersack § 305 Rn. 73b; Ernst/Schneider/-Thielen, Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen S. 115; IDW S 1 Tz. 66).

b) Der Wert der MIBRAG-Beteiligung wurde nach einem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelt. Die Vertragsprüfer haben der ergänzenden Stellungnahme vom 21.7.2006 die Wahl dieses Verfahrens nachvollziehbar begründet und zudem schlüssig dargelegt, dass im Fall einer Veräußerung kein höherer Preis zu erzielen wäre.

6. Etwaige Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem 1995/1996 erlittenen Betrugsschaden in Höhe von 183,2 Mio. DM sind in angemessenem Umfang in die Unternehmensbewertung eingeflossen.

a) Aus der Sicht zum Stichtag 27.5.2002 war das Vorgehen gegen die Haupttäter und die von ihnen geführte Gesellschaft weitgehend abgeschlossen und weitere Zahlungen erheblichen Umfangs nicht mehr zu erwarten. Es bestanden konkrete Chancen und Risiken im Wesentlichen noch bezüglich zweier Komplexe: Zum Einen war eine Schadensersatzforderung in Höhe von rund 156 Mio. DM gegen die Bank gerichtlich geltend gemacht, die an dem überwiegenden Teil der Pensionsgeschäfte mit gefälschten, mehrfach abgetretenen kommunalen Schuldverschreibungen beteiligt war. In diesem Verfahren war 2002 noch keine gerichtliche Entscheidung ergangen. Zum anderen war eine gerichtliche Auseinandersetzung mit einem Minderheitsgesellschafter der GGK in der Berufungsinstanz anhängig. Gegen diesen hatte die F-AG zunächst wegen behaupteter Schadensersatzansprüche Arrestpfändungen in Höhe von rund 80 Mio. DM erwirkt, die 1999 nach einem klagabweisenden Urteil erster Instanz aufgehoben wurden. Wegen des Arrestes waren 1998 Schadensersatzansprüche gegen die F-AG in Höhe von rund 127 Mio. DM angedroht worden.

b) Die sachverständigen Prüfer haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Vorgehensweise bei der Bewertung dieser ungewissen Forderungen eingehend erläutert. Danach wurde unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Verfahrensdauer und der Chancen und Risiken beider Verfahrenskomplexe von Zuflüssen in Höhe von 3 Mio. DM (1,534 Mio. EUR) im Jahr 2002 und in Höhe von 50 Mio. DM (25,565 Mio. EUR) im Jahr 2009 ausgegangen. Der Barwert dieser Beträge zum Stichtag wurde mit 14,724 Mio. EUR berechnet, wobei ein Zinssatz von 8,5 % (Basiszins 6 % zuzüglich Risikozuschlag 2,5 %) entsprechend den Eigenkapitalkosten des Unternehmens angenommen wurde. Mit demselben Zinssatz wurde eine Annuität von 1,252 Mio. EUR errechnet, die unter "sonstige Erträge und Aufwendungen" in jedem Planjahr eingestellt wurde. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und wurde von den Antragstellern nach den ausführlichen Erläuterungen auch nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Eine Korrektur der im Rahmen der Bewertung vorgenommenen Berechnungen hält der Senat lediglich insoweit für erforderlich, als die im Verfahren gegen die Bank anfallenden Prozesszinsen in Höhe von 4 % jährlich nicht gesondert berücksichtigt wurden. Nachdem der Senat von einem Risikozuschlag von nur 2 % ausgeht, ist folgerichtig ein Zinssatz für Abzinsung und Annuitäten in Höhe von 8 % zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die anfallenden Prozesszinsen hält der Senat es für angemessen, den für das Jahr 2009 erwarteten Zufluss lediglich mit 4 % abzuzinsen, so dass sich ein Barwert von 18,680 Mio. EUR ergibt. Hinzu kommt ein Betrag von 1,414 Mio. EUR für den Zufluss im Jahr 2002. Aus dem Gesamtbetrag von 20,094 Mio. EUR errechnet sich bei einem Zinssatz von 8 % eine Annuität von 1,608 Mio. EUR, mithin ein Mehrbetrag von 356 TEUR, auf den zusätzliche Steuern in Höhe von 139 TEUR entfallen.

7. Die Herleitung des Unternehmensergebnisses ergibt sich nach alledem aus nachstehender Tabelle:

 Kalenderjahre20022003200420052006 2007 ff.
Stichtag = 17.05.2002      
Umsatzerlöse in T€312.535315.771320.813328.591338.145341.526
./. Materialaufwand-192.686-195.558-198.666-203.621-209.636-211.732
./. Personalaufwand-49.230-50.332-51.460-52.615-53.799-54.337
./. Abschreibungen-27.751-26.441-25.200-24.699-24.410-26.076
Übrige Aufwendungen/Erträge-26.131-26.327-28.107-30.023-30.507-31.572
       
Betriebsergebnis16.73717.11317.38017.63319.79317.809
Zins-/Beteiligungsergebnis14.47611.9429.92510.38413.56513.565
Ergebnis der gew. Geschäftstkt.31.21329.05527.30528.01733.35831.374
./. Steuern von Einkom./Ertrag-9.629-7.891-9.770-9.998-12.036-11.221
       
Jahresüberschuß21.58421.16417.53518.01921.32220.153
Bereinigungen bzw. 17,5% ab 02-3.777-3.704-3.069-3.153-3.731-3.527
zu kapital. Ergebnis 17.80717.46014.46614.86617.59116.626
Kapitalisierungszins in %5,200%5,200%5,200%5,200%5,200%4,200%
Barwertfaktor0,9505700,9035840,8589200,8164640,77610618,478725
Barwert16.92715.77712.42512.13713.652307.233
       
Ertragswert (€)378.151.394     
zzgl. ni betr.notw. Verm.44.052.000     
 422.203.394     
Aufzinsungsbetrag8.240.485     
Unternehmenswert Stichtag430.443.879     
Berechnung Aufzinsung   Berechnung Anteilswert  
Ertragswert 1 Jahr aufgezinst444.157.970  Zahl Aktien 2.250.396
Differenz der Ertragswerte21.954.576  Wert je Aktie 191,27
Datum vorl. Unternehmenswert31.12.2001  Angebot  165,00
Datum Stichtag17.05.2002     
Zinstage137     
Tage im Jahr365    

8. Den Anteilswert ermittelt der Senat wie das Landgericht, indem er den Unternehmenswert auf die Zahl aller Aktien verteilt. Ein höherer wirtschaftlicher Wert der Vorzugsaktien, wie ihn Bewertungsgutachter und Prüfer annehmen, im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Mehrstimmrechte ist nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles nicht hinreichend sicher feststellbar.

a) Ob die mit einem Stimmrecht versehenen Aktien grundsätzlich höher zu bewerten sind als Aktien ohne Stimmrecht, ist in der Literatur umstritten (bejahend wohl MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 88; ablehnend Hering/Olbrich zfbf 2001, 20 ff). Nachdem die Vorzugsaktien an der Börse nicht gehandelt wurden, konnte sich für sie kein Marktpreis bilden. Wie auch im Bericht der Hauptaktionärin eingeräumt wird, existiert kein betriebswirtschaftlich anerkanntes Verfahren zur Bemessung eines Zuschlags für Mehrstimmrechte. Die Bewertungsgutachter und die Prüfer haben den Weg gewählt, aus der Marktbewertung von stimmberechtigten (Stamm-)Aktien und stimmrechtslosen (Vorzugs-) Aktien anderer Gesellschaften Rückschlüsse auf den abstrakten Wert eines Stimmrechts bzw. den prozentualen Stimmrechtsaufschlag zu ziehen. Sie gelangen zu dem Ergebnis, der prozentuale Kursunterschied betrage pro Stimme 2,5 % bis 4,5% des Wertes der Stammaktie, so dass sich bei einem durchschnittlichen Aufschlag von 3,5 % und einem durchschnittlichen Börsenkurs von 168,20 EUR ein Aufschlag von 5,887 EUR pro Stimme, mithin 18.838,40 EUR je Aktie ergebe. Diese sei wegen der Minderdividende um 121,67 EUR zu kürzen, ferner sei ein Abschlag wegen der gesellschaftsspezifischen Besonderheiten, insbesondere der Vielzahl von Stimmen je Vorzugsaktie, von 42 % vorzunehmen, so dass der Wert einer Vorzugsaktie 10.953,26 EUR betrage.

b) Dem Senat erscheint diese Vorgehensweise angesichts der Besonderheiten der Vorzugsaktien des zu bewertenden Unternehmens nicht geeignet, diesen einen höheren Anteil am Unternehmenswert beizumessen als den Stammaktien. Dabei kann dahinstehen, ob aus Marktbeobachtungen überhaupt mit hinreichender Sicherheit die Existenz einer Stimmrechtsprämie abgeleitet werden kann (vgl. BayObLGZ 2002, 250/257). Jedenfalls beziehen sich diese Untersuchungen auf Aktiengattungen, die sich durch ein Stimmrecht unterscheiden. Mit den hier zu beurteilenden Vorzugsaktien, die mit jeweils 3.200 Stimmen ausgestattet sind, sind die untersuchten Aktien nicht vergleichbar; Vorzugsaktien mit mehreren tausend Stimmrechten sind nahezu einzigartig. Der Versuch, die Vielzahl von Stimmrechte pro Aktie durch einen pauschalen Abschlag Rechnung zu tragen, ändert nichts daran, dass es an verlässlichen Grundlagen für eine vergleichende Wertermittlung gerade fehlt.

Auch im Übrigen fehlen Anhaltspunkte, die die Annahme eines höheren Verkehrswertes der Vorzugsaktien gegenüber den Stammaktien rechtfertigen könnten. Insbesondere lässt der von der Antragsgegnerin im Rahmen der Vorbereitung des Squeeze-Out entrichtete Preis für die Vorzugsaktien keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Wert dieser Aktien zu, zumal sämtliche 396 Vorzugsaktien sich im Besitz der T-AG befunden haben, die schon ihre übrigen (Stamm)Aktien an der F-AG bei der Gründung der Antragsgegnerin in diese eingebracht hatte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass bei der Ausgabe der Vorzugsaktien eine finanzielle Gegenleistung für die Stimmrechte entrichtet worden wäre. Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre, der nun in § 53a AktG ausdrücklich festgelegt ist, gebietet es ebenfalls nicht, ohne hinreichende Anhaltspunkte für einen konkreten und messbaren wirtschaftlichen Wert der Mehrstimmrechte die Vorzugsaktien anders zu bewerten als die Stammaktien. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei der Schaffung der unterschiedlichen Aktiengattungen diese als gleichwertig betrachtet wurden und die Minderdividende ein angemessenes Gegengewicht zu dem höheren Stimmrecht bilden sollte (vgl. OLG Karlsruhe AG 2006, 463; Peemöller/Wiechers S. 465 Rn. 224). Einen Vermögensmehrwert der Vorzugsaktien vermag der Senat deshalb nicht festzustellen. Die Vorzugsaktien mögen ihrem Inhaber bei geringer Kapitalbeteiligung ein die Sperrminorität deutlich überschreitendes Stimmgewicht verschaffen. Die sich daraus ergebenden Einflussmöglichkeiten können jedoch nicht hinreichend verlässlich mit einem bestimmten Geldbetrag beziffert werden. Hinzu kommt, dass sich zum hier maßgeblichen Zeitpunkt sämtliche Vorzugsaktien ohnehin in der Hand der Hauptaktionärin befunden haben.

9. Der Börsenkurs in dem vom Senat für maßgeblich erachteten Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung lag mit 176,10 EUR je Stammstückaktie unter dem nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Anteilswert. Es kann deshalb dahinstehen, ob eine Marktenge bestand.

10. Die Verzinsung der Barabfindung ergibt sich aus dem Gesetz (§ 327 b Abs. 2 AktG).

III.

1. Die Antragsgegner haben kraft Gesetzes die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG); Gründe für eine hiervon abweichende Billigkeitsentscheidung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG) sind nicht gegeben. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller hält der Senat die Anordnung einer Kostenerstattung nicht für veranlasst (§ 15 Abs. 4 SpruchG). Das Beschwerdeverfahren hat nicht zu der begehrten Erhöhung, sondern zu einer Herabsetzung der Barabfindung geführt. Es erscheint deshalb angemessen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG zu bestimmen. Maßgeblich ist danach die Differenz zwischen der angebotenen und der vom Gericht festgesetzten Kompensationsleistungen je Aktie, multipliziert mit der Gesamtzahl der außenstehenden Aktien. Bei einer Erhöhung der Barabfindung von rund 26,30 EUR je Aktie und 108.244 ausstehenden Aktien (4,81 %) ergibt sich ein Gesamtbetrag von 2,85 Mio. EUR. Auf diesen Betrag ist auch der Geschäftswert des Verfahrens erster Instanz festzusetzen; die Entscheidung des Landgerichts ist insoweit abzuändern.



Ende der Entscheidung

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