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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.05.2007
Aktenzeichen: 31 Wx 120/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 2087 | |
BGB § 2096 | |
BGB § 2099 |
2. Auslegung eines Testaments als Ersatzerbeinsetzung der Abkömmlinge bedachter Geschwister, wenn der Erblasser seine zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebenden Geschwister und den Sohn einer damals bereits verstorbenen Schwester gleichmäßig bedacht hat.
Gründe:
I.
Die am 14.5.2004 im Alter von 89 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Sie hatte vier Schwestern: A (Mutter der Beteiligten zu 4 - 7), M (Mutter der Beteiligten zu 8 - 10), Al (Beteiligte zu 2, Mutter der Beteiligten zu 1 und 11) und E (Mutter des Beteiligten zu 3). Die Schwester E war 1956 vorverstorben. Die Schwestern A und M waren zum Zeitpunkt, als die Erblasserin am 15.12.1992 das nachfolgend aufgeführte Testament errichtete, noch am Leben, sind jedoch nach Errichtung des Testaments in den Jahren 1995 und 1997 vorverstorben.
Das privatschriftliche Testament vom 15.12.1992 hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:
"Nach meinem Ableben soll mein Haus an I (Beteiligte zu 1) übergehen, aber nicht auf deren Ehemann. Sollte I etwas zustoßen, so soll es auf deren Tochter J. übergehen. Das Haus darf aber nicht verkauft werden. Die Grabpflege soll von dem Hausbesitzer übernommen werden. Der Grabstein der standesgemäß und mit einer Muttergottes versehen werden soll, soll von meinen Ersparnissen abgezogen werden, Mindestbetrag 10.000 DM. I braucht nichts an andere auszubezahlen.
Mein erspartes Geld soll auf meine Geschwister aufgeteilt werden, zu gleichen Teilen. An T (Beteiligte zu 2), aber nicht auf deren Ehemann, an M und an T. Ich hoffe, dass sie einen Teil davon an ihre Kinder verteilen. Vom Hausbesitzer soll übernommen werden, dass jährlich eine Jahresmesse sowie 2 weitere kl. Messen für mich gelesen werden.
Th(Beteiligter zu 3), der Sohn von meiner Schwester E die gestorben ist soll den gleichen Anteil bekommen wie meine Geschwister (wie oben angeführt). Ich hoffe, dass Ihr auch im Gebet an mich denkt, da ich meine Ersparnisse mit meiner Hände Arbeit sauer verdient habe.
Die Verteilung sollen (Beteiligter zu 11) und (Beteiligter zu 4) übernehmen. ... Ich hoffe, dass alles ehrlich verteilt wird und kein Streit entsteht. ...
(Ort, Datum, Unterschrift)"
Nach den damaligen Angaben und Ermittlungen ging das Nachlassgericht von einem Wert des Hauses in Höhe von rund 223.000 EUR aus und von einem Geldvermögen in Höhe von 152.716 EUR. Es erteilte am 23.11.2004 einen Erbschein, der die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin sowie die Testamentsvollstreckung ausweist.
Mit Schriftsatz vom 22.11.2005 beantragten die Beteiligten zu 4 bis 10 die Einziehung dieses Erbscheins und die Erteilung eines neuen Erbscheins, wonach die Erblasserin aufgrund letztwilliger Verfügung von den Beteiligten zu 2 und 3 zu je 1/4, von den Beteiligten zu 4 bis 7 zu je 1/16 und von den Beteiligten zu 8 bis 10 zu je 1/12 beerbt worden ist. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nachträglich ein Geldvermögen von mindestens 770.000 EUR festgestellt worden sei. Die ursprüngliche Annahme der Beteiligten und des Nachlassgerichts, dass das der Beteiligten zu 1 zugewandte Haus den wesentlichen Vermögensgegenstand der Erblasserin darstelle und sie deshalb Alleinerbin sei, habe sich damit als unzutreffend herausgestellt.
Mit Beschluss vom 2.2.2006 zog das Nachlassgericht den Alleinerbschein ein und kündigte im Wege des Vorbescheids an, einen neuen Erbschein wie von den Beteiligten zu 4 bis 10 beantragt zu erteilen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1, der das Nachlassgericht nach weiteren Ermittlungen nicht abhalf, wies das Landgericht mit Beschluss vom 16.11.2006 zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Die vom Nachlassgericht angeordnete Einziehung des Erbscheins ist noch nicht vollzogen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Sie bleibt erfolglos, soweit sie sich gegen die Einziehung des der Beteiligten zu 1 erteilten Alleinerbscheins wendet. Die Einziehung ist zu Recht angeordnet, da die Beteiligte zu 1 nicht Alleinerbin ist; sie ist Miterbin zu 1/5.
1. Das Landgericht hat sich den Erwägungen des Nachlassgerichts angeschlossen und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Die Auslegung ergebe, dass die Beteiligten zu 2 bis 10 die Erblasserin als gesetzliche Erben beerbt haben und die Beteiligte zu 1 das Hausgrundstück als Vermächtnis bekommen soll. Der wertmäßige Anteil des Hausgrundstücks am Wert des Gesamtnachlasses betrage 22,5 %. Den wesentlichen Wert des Nachlasses habe die Erblasserin gerade nicht der Beteiligten zu 1, sondern ihren Geschwistern bzw. deren Abkömmlingen vermacht; diese könnten daher keinesfalls als bloße Vermächtnisnehmer angesehen werden. Die durchgeführten Ermittlungen des Nachlassgerichts hätten keine konkreten Hinweise erbracht, dass der Beteiligten zu 1 auch eine Erbenstellung zukommen solle. Es verbleibe daher bei der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB, wonach im Zweifel nicht anzunehmen ist, dass demjenigen, dem nur einzelne Gegenstände zugewandt werden, auch Erbe sein solle. Der Umstand, dass der Beteiligten zu 1 die Grabpflege übertragen sei, ändere daran nichts. Die höheren Beerdigungskosten inklusive des Grabsteins seien von den Ersparnissen zu bestreiten und fielen daher gerade nicht der Beteiligten zu 1 zur Last. Das Nachlassgericht habe den Willen der Erblasserin zu Recht dahin ausgelegt, dass gesetzliche Erbfolge gewollt gewesen sei. Schon bei Errichtung des Testaments sei es der Erblasserin offensichtlich ein Anliegen gewesen, dass die weiteren Abkömmlinge ihrer Geschwister bedacht werden. Dies lasse nur den Schluss zu, dass die weiteren Abkömmlinge auch im Falle des Vorversterbens von Geschwistern nicht leer ausgehen, sondern an deren Stelle treten sollten.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die Auslegung des Testaments (§§ 133, 2084 BGB) durch das Landgericht kann auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabs in der Rechtsbeschwerdeinstanz (vgl. BayObLGZ 1997, 59/65) vom Senat nicht bestätigt werden.
a) Zu beanstanden ist zunächst schon, dass die Ausführungen nicht hinreichend erkennen lassen, ob das Landgericht von testamentarischer oder von gesetzlicher Erbfolge ausgeht. Die Formulierung, die Beteiligten zu 2 bis 10 hätten die Erblasserin "als gesetzliche Erben" beerbt, deutet auf gesetzliche Erbfolge hin. Das Gleiche gilt für die Ausführung, das Nachlassgericht habe zu Recht den Willen der Erblasserin dahin ausgelegt, dass "gesetzliche Erbfolge" gewollt gewesen sei. Das Nachlassgericht ist aber keineswegs von gesetzlicher Erbfolge ausgegangen. Es hat einen Erbschein angekündigt, wonach die Beteiligten zu 2 bis 10 "aufgrund letztwilliger Verfügung" Erben sind. Dies hatten die Beteiligten zu 4 bis 10 auch so beantragt. Nach der Auslegung des Nachlassgerichts hat die Erblasserin testamentarisch ihre gesetzlichen Erben eingesetzt. Das ist testamentarische und nicht gesetzliche Erbfolge. Das Landgericht hat sich einerseits diese Auffassung durch ausdrückliche Bezugnahme auf die Ausführungen des Nachlassgerichts zu eigen gemacht, gebraucht aber andererseits den Begriff "gesetzliche Erbfolge". Allerdings könnte es sich insoweit nur um eine verunglückte Formulierung handeln. Dagegen spricht aber wiederum, dass das Landgericht in einem Hinweis an die Beteiligten die Möglichkeit erwogen hat, dass die Erblasserin nur über einen Bruchteil (das Grundstück) verfügen und im Übrigen gesetzliche Erbfolge eintreten lassen wollte. Das wäre rechtlich etwas ganz anderes als die vom Nachlassgericht gefundene Lösung. So bleibt im Ergebnis unklar, ob das Landgericht die Beklagten zu 2 bis 10 nun als testamentarische oder als gesetzliche Erben ansieht. Tatsächlich findet, wie die weitere Beschwerde zu Recht geltend macht und die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, die Annahme, die Erblasserin habe keine Erbeinsetzung vornehmen und gesetzliche Erbfolge eintreten lassen wollen, weder im Testament noch im sonstigen Sachverhalt eine Stütze.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Begründung, mit der das Landgericht die Zuwendung an die Beteiligte zu 1 als Vermächtnis qualifiziert. Es stellt im Kern den Wert des der Beteiligten zu 1 vermachten Hausgrundstücks dem viel höheren Wert des Gesamtnachlasses gegenüber und zieht im Übrigen § 2087 Abs. 2 BGB heran, wonach die Zuwendung nur eines einzelnen Gegenstands im Zweifel als Vermächtnis gilt. Das lässt unberücksichtigt, dass auch den anderen bedachten Personen gemeinsam nur ein bestimmter Vermögensgegenstand, nämlich das "ersparte Geld", - und nicht etwa das übrige Vermögen - zugewandt ist. Das steht zwar der Auslegung nicht entgegen, dass insgesamt eine Erbeinsetzung auf den gesamten Nachlass vorliegt, da der nicht ausdrücklich im Testament verteilte Nachlass gegenüber dem verteilten Nachlass hier ersichtlich wertmäßig nicht ins Gewicht fällt. Im Rahmen der vorrangigen individuellen Auslegung, ob die Zuwendung des Grundstücks an die Beteiligte zu 1 eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis ist, ist aber auch in den Blick zu nehmen, dass die Erblasserin überhaupt nur Einzelzuweisungen - Grundstück, erspartes Geld - vorgenommen und dabei, da der Vermögensgegenstand "erspartes Geld" mehreren Personen zugewandt ist, der Beteiligten zu 1 die wertmäßig größte Einzelzuwendung gemacht hat (vgl. hierzu noch unten). Mit diesem für die Auslegung bedeutsamen Umstand haben sich die Vorinstanzen nicht auseinandergesetzt.
3. Da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die Auslegung des Testaments selbst vornehmen. Sie führt zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 1, die drei Schwestern und den Sohn der vorverstorbenen Schwester Emma zu gleichen Teilen, also zu je ein Fünftel, zu Erben eingesetzt hat; an die Stelle der zwischen Testamentserrichtung und Erbfall verstorbenen zwei Schwestern treten ersatzweise deren Abkömmlinge.
a) Vorrangig vor der Anwendung der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB ist die individuelle Auslegung. Hat der Erblasser testamentarisch Einzelzuwendungen von Gegenständen oder Vermögensgruppen vorgenommen, die nach seiner Vorstellung bei Testamentserrichtung praktisch sein gesamtes Vermögen ausmachen, ist entgegen § 2087 Abs. 2 BGB regelmäßig von Erbeinsetzung auszugehen; denn es kann nicht angenommen werden, dass der Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen oder mehrere Erben einsetzen zu wollen. Die Auslegung kann ergeben, dass ein Bedachter Alleinerbe ist, wenn ihm ein das übrige Vermögen an Wert so sehr übersteigender Gegenstand zugewandt ist, dass die Annahme naheliegt, der Erblasser habe im Wesentlichen in diesem Gegenstand seinen Nachlass erblickt (BayObLGZ 1992, 296/299; 2003, 149). Sie kann auch ergeben, dass alle Bedachten Erben sind, wobei dann die Erbquoten anhand des wirtschaftlichen Wertverhältnisses der zugewandten Gegenstände oder Vermögensgruppen zu ermitteln sind (BGH FamRZ 1990, 396).
b) Gemessen an diesen Kriterien sind die bedachten Personen - Beteiligte zu 1, die drei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebenden Schwestern und der Sohn der damals bereits verstorbenen Schwester - als Erben zu je 1/5 eingesetzt. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung setzte sich das wesentliche Vermögen der Erblasserin aus den beiden Positionen Hausgrundstück und Geldvermögen zusammen. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden und wird von keinem Beteiligten in Frage gestellt, dass die Erblasserin mit dem Begriff "erspartes Geld" ihr gesamtes Geldvermögen - Bargeld, Sparguthaben, Wertpapiere, Fondsanteile usw. im In- und Ausland - gemeint hat. Sie hat also testamentarisch über ihr gesamtes wesentliches Vermögen verfügt, d. h. die Erben ihres Vermögens bestimmen wollen. Für einen fehlenden Erbeinsetzungswillen fehlt jeder Anhalt.
Zum für die Ermittlung ihrer damaligen Vorstellung maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung hatte das Vermögen der Erblasserin etwa die gleiche Größenordnung wie zum Zeitpunkt des Todestages, nach heutiger Währung rund 1 Mio. EUR. Davon entfällt ein Wert von ca. 223.000 EUR auf das Hausgrundstück, das die Beteiligte zu 1 bekommt; ca. 770.000 EUR entfallen auf das Geldvermögen, das sich vier Personen teilen sollen. Bei diesen Wertverhältnissen liegt es fern, die Beteiligte zu 1 als Begünstigte des Hausgrundstücks als Alleinerbin anzusehen und die übrigen Personen als Vermächtnisnehmer. Die gegenteilige Annahme, dass die vier Begünstigten des Geldvermögens Erben sind und die Beteiligte zu 1 nur Vermächtnisnehmerin, ist aber ebenfalls nicht gerechtfertigt. Die Beteiligte zu 1 sollte nach der Vorstellung der Erblasserin einen Gegenstand von ungefähr gleich hohem oder sogar höherem Wert erhalten (223.000 EUR) als jeder der übrigen vier Erben (je 192.500 EUR). Das legt eine Erbenstellung aller fünf Bedachten nahe. Dass ausgerechnet die Beteiligte zu 1, die der Erblasserin besonders nahe stand und der sie mit dem Hausgrundstück nicht nur den wohl wertvollsten Anteil, sondern auch denjenigen Gegenstand vermachte, dessen weiteres Schicksal der Erblasserin besonders am Herzen lag ("darf nicht verkauft werden"), der sie ferner die Grabpflege und das jährliche Lesen der Messen anvertraut hat, nicht zu den Erben gehören sollte, lässt sich dem Testament nicht entnehmen.
Sind somit alle fünf Personen als Erben eingesetzt, so ist ihr Anteil nach dem Wertverhältnis dahin zu bestimmen, dass sie, da mit ungefähr gleichem Wert bedacht, Erben zu je 1/5 sind. Eine genauere Aufteilung nach Tausendstel-Anteilen ist nicht veranlasst. Dies würde im Hinblick darauf, dass es sich - bezogen auf den maßgeblichen Tag der Testamentserrichtung - nur um größenordnungsmäßig geschätzte Werte handelt -, nur eine in Wahrheit nicht belegte Scheingenauigkeit vorgaukeln. Im Übrigen gewinnt bei der Fünftel-Lösung der Satz Bedeutung, dass die Beteiligte zu 1 "nichts an andere auszubezahlen" braucht. Die Zuweisung des Hausgrundstücks an die Beteiligte zu 1 als Miterbin stellt sich nicht als bloße Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) dar, sondern als Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB). Selbst wenn die Beteiligte zu 1 mit dem Hausgrundstück wertmäßig etwas mehr erhält als der ihr zustehende Fünftel-Anteil ausmacht, ist sie kraft ausdrücklicher Anordnung der Erblasserin nicht zum Ausgleich des überschießenden Betrages an die übrigen Miterben verpflichtet.
c) Die Auslegung ergibt des Weiteren, dass die Erblasserin für den Fall des Vorversterbens eingesetzter Geschwister nach Testamentserrichtung ersatzweise deren Kinder als Erben einsetzen wollte.
aa) Gemäß § 2099 BGB geht das Recht des Ersatzerben (§ 2096 BGB) der Anwachsung (§ 2094 BGB) vor; deshalb ist bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung vorweg zu prüfen und festzustellen, ob Ersatzerben bestimmt sind. Dabei kann, wenn der Erblasser wie hier seine Geschwister bedacht hat, die für die Einsetzung von Abkömmlingen geltende Auslegungsregel des § 2069 BGB nicht - auch nicht analog - angewandt werden (vgl. BGH NJW 1973, 240/242; BayObLGZ 2003, 204/207; OLG München NJW-RR 2006, 1597). Es ist jedoch anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob im Wege der - gegebenenfalls ergänzenden - Testamentsauslegung ein entsprechender (hypothetischer) Wille des Erblassers für die Berufung der Kinder der nach Testamentserrichtung weggefallenen Geschwister als Ersatzerben festgestellt werden kann. Die für die Annahme eines derartigen Erblasserwillens notwendige Andeutung in der letztwilligen Verfügung selbst kann in solchen Fällen bereits in der Tatsache der Berufung der Geschwister als nahestehender Verwandter des Erblassers unter Hinweis auf diese verwandtschaftliche Funktion gesehen werden (vgl. BayObLGZ 1986, 159/163; BayObLG FamRZ 1997, 641/642; 2000, 1186/1187; BayObLGZ 2003, 204/207; OLG München NJW-RR 2006, 1597).
bb) Ein starkes Indiz dafür, dass die Erblasserin die jeweiligen Stämme bedenken wollte, ist hier schon die Tatsache, dass sie für die bei Testamentserrichtung bereits verstorbene Schwester deren Sohn eingesetzt hat, und zwar gleichberechtigt neben den Geschwistern. Den damals noch lebenden Geschwistern und dem Sohn der vor Testamentserrichtung verstorbenen Schwester ist das Geldvermögen ausdrücklich "zu gleichen Teilen" vermacht. Sie hat sich somit nicht davon leiten lassen, zu welcher ihrer Schwestern sie ein gutes oder weniger gutes Verhältnis hat. Bei der Einsetzung des Sohnes der vorverstorbenen Schwester ist erneut ausdrücklich bestimmt, dass er "den gleichen Anteil bekommen" soll wie die Geschwister. Das lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass ihr die Gleichbehandlung der jeweiligen Stämme ein besonderes Anliegen war und die Zuwendung nicht den Geschwistern persönlich, sondern, wie bei gesetzlicher Erbfolge, als Ersten ihres Stammes gelten sollte. Gestützt wird diese Auslegung auch dadurch, dass sie die mit dem Geldvermögen Bedachten mit ihrer verwandtschaftlichen Funktion benennt. Schließlich ist auch die im Testament ausgedrückte Hoffnung der Erblasserin, dass die bedachten Schwestern "einen Teil davon an ihre Kinder verteilen" ein Anzeichen dafür, dass sie über ihre Geschwister hinaus auch die nachfolgende Generation im Blick hatte. Das zeigt sich im Übrigen auch bei der Einsetzung der Nichte I auf das Hausgrundstück; dort ist als weitere Person ebenfalls, unter Ausschluss des angeheirateten Ehemanns, ein Abkömmling der bedachten Person genannt. Die Generationenfolge, das Weiterreichen des mit ihrer "Hände Arbeit sauer verdienten" Vermögens innerhalb der Stämme an die jeweils nachfolgende Generation war ihr offensichtlich ein vertrauter Gedanke. Der Senat ist überzeugt, dass die auf Gleichbehandlung bedachte Erblasserin anstelle der nach Testamentserrichtung weggefallenen Schwestern deren Kinder bedenken und die Aufteilung ihres Nachlasses unter die Geschwisterstämme nicht etwa von dem Zufall abhängig machen wollte, welche ihrer Schwestern noch vor ihr oder erst nach ihr verstirbt.
Aus der Tatsache, dass die Erblasserin für den Fall, dass der mit dem Hausgrundstück bedachten Inge etwas zustößt, ausdrücklich deren Tochter eingesetzt hat, will die Beschwerdeführerin allerdings gerade den gegenteiligen Schluss ziehen, deshalb sei bei den anderen eingesetzten Personen keine Ersatzerbschaft gewollt. Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend oder von solcher Überzeugungskraft, dass er die angeführten anderen Anzeichen, die für eine Ersatzerbeinsetzung sprechen, durchgreifend widerlegen würde.
Gegen die vom Senat vertretene Auslegung spricht schließlich auch nicht der Umstand, dass die Erblasserin nach dem Tode der Schwestern das Testament nicht geändert hat. Das lässt für sich genommen keinen eindeutigen Schluss in der einen oder der anderen Richtung zu. Nach dem Vortrag der Beteiligten in der Tatsacheninstanz soll sich die Erblasserin vor ihrem Tod mit dem Gedanken getragen haben, ihr Testament zu ändern und denjenigen Verwandten, die keine Zeit für sie haben und nichts für sie tun, auch nichts zu hinterlassen. Wenn die Erblasserin also selbst meinte, zur Verwirklichung ihrer nunmehrigen Absicht, die Verwandten nach persönlicher Nähe zu bedenken, das Testament ändern zu müssen, so spräche das eher für, jedenfalls aber nicht gegen die Auslegung, dass die Erblasserin zum - hier allein maßgeblichen - Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 1992 das Geldvermögen eben nicht nach persönlicher Nähebeziehung, sondern nach dem formalen Kriterium der Gleichbehandlung der Geschwisterstämme vermachen wollte. Eine etwaige spätere Änderung dieses Willens hat sie nicht formwirksam niedergelegt.
4. Die vom Nachlassgericht angeordnete Einziehung des der Beteiligten zu 1 erteilten Alleinerbscheins erweist sich somit im Ergebnis als zutreffend. Dieser Teil der nachlassgerichtlichen Entscheidung und die Zurückweisung dieses Teils der Beschwerde durch das Landgericht haben Bestand. Sie sind auch nicht deshalb aufzuheben, weil das Landgericht, wie die weitere Beschwerde geltend macht, das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt hätte. Die Rüge greift nicht durch, da der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller vom 8.11.2006, der den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin erst zusammen mit der landgerichtlichen Entscheidung zugestellt wurde, keinen entscheidungserheblichen neuen Sachvortrag enthält. Zu den Rechtsausführungen hat sich die Beschwerdeführerin im Verfahren der weiteren Beschwerde äußern können. Das Nachlassgericht wird nunmehr für die Vollziehung der bereits angeordneten Einziehung des Erbscheins Sorge tragen müssen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren jedoch insoweit aufzuheben, als das Nachlassgericht einen Erbschein entsprechend dem Antrag der Antragsteller ankündigt und das Landgericht die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen hat. Der angekündigte Erbschein entspricht, wie dargelegt, nicht der Rechtslage. Erben sind die Beteiligten zu 1, 2 und 3 zu je 1/5, die Beteiligten zu 4, 5, 6 und 7 zu je 1/20, und die Beteiligten zu 8, 9 und 10 zu je 1/15. Eine Anweisung an das Nachlassgericht, einen entsprechenden Erbschein zu erteilen, kam nicht in Betracht, da bisher niemand einen entsprechenden Erbscheinsantrag gestellt hat.
5. Die Anordnung einer Kostenerstattung ist weder für die zweite noch für die dritte Instanz veranlasst (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG). Den Geschäftswert setzt der Senat in Übereinstimmung mit der Festsetzung durch das Landgericht auf 385.000 EUR fest (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO).
Ende der Entscheidung
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