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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 31 Wx 16/07
Rechtsgebiete: FGG, BGB
Vorschriften:
FGG § 12 | |
FGG § 15 | |
BGB § 2229 |
2. Zu den Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei Demenz.
3. Es gibt keine nach dem Schwierigkeitsgrad der letztwilligen Verfügung abgestufte Testierfähigkeit.
Gründe:
I.
Der verwitwete, kinderlose Erblasser ist am 18.4.2003 im Alter von 88 Jahren verstorben. Seine Ehefrau ist am 4.3.2000 vorverstorben. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind Geschwister des Erblassers, die Beteiligten zu 4 und 5 Kinder eines weiteren vorverstorbenen Bruders. Der Beteiligte zu 1 ist ein Großneffe der Ehefrau.
Nach einem Schlaganfall im Oktober 1996 wurde der Erblasser in der Folge in einem Pflegeheim untergebracht, ab April 1997 bestand eine Betreuung. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Einfamilienhaus sowie Bankguthaben und Wertpapieren; der Reinnachlasswert beträgt rund 500.000 €.
Mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 31.5.1962 haben sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. In einem Schriftstück vom 10.6.1999 sind unter der Überschrift "Die Erben von G. und E. Sch." zehn Personen sowie deren Bankverbindungen aufgelistet. Der Name des Beteiligten zu 1 ist durchgestrichen mit dem Zusatz: "G. Sch. ist gestrichen, da er das Haus ... erbt." Mit "Testament Nr. 2" vom 15.7.1999 haben die Eheleute verfügt, dass der Beteiligte zu 1 "unser Einfamilienhaus erbt, nachdem wir beide gestorben sind." Beide Testamente sind von der Ehefrau geschrieben und von beiden Ehegatten unterschrieben.
Der Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein als Alleinerbe aufgrund des Testaments vom 15.7.1999 beantragt. Die Beteiligten zu 2 bis 5 sind dagegen der Auffassung, sie seien gesetzliche Erben, weil der Erblasser 1999 testierunfähig gewesen sei.
Das Nachlassgericht hat die Betreuungsakten beigezogen, die Hausärztin Dr. St., die Pflegerin W. und die Eheleute T. als Zeugen vernommen sowie ein nervenärztliches Fachgutachten eingeholt. Der Sachverständige Dr. H., Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie kam unter Berücksichtigung der im Betreuungsverfahren erhobenen Befunde und der Angaben der Zeugen und Beteiligten im Nachlassverfahren zu dem Ergebnis, dass der Erblasser an einem demenziellen Syndrom, wahrscheinlich vom Typ Alzheimer, gelitten habe. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Testamente vom 10.6.1999 und 15.7.1999 sei er krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Willen frei zu bestimmen, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Das AG hat mit Beschluss vom 13.12.2005 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und angekündigt, den Beteiligten zu 2 bis 5 einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das LG eine schriftliche Stellungnahme des im Betreuungsverfahren tätigen Richters zu seinen Beobachtungen bei den Anhörungsterminen am 11.5.1999 und 9.4.2000 eingeholt und mit Beschluss vom 21.12.2006 die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des LG richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kammer sei aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen H. von der Testierunfähigkeit des Erblassers bei Errichtung der Testamente vom 10.6.1999 und 15.7.1999 überzeugt. Der Sachverständige habe nicht nur die Diagnose einer mittelschwer ausgeprägten Demenz der Alzheimerkrankheit gestellt, sondern auch zum Ausmaß der geistigen Beeinträchtigungen Stellung genommen. Auch die Hausärztin St. habe 1999 eine senile Demenz festgestellt. Dagegen seien die Beobachtungen des Ehepaares T. von geringerer Bedeutung. Die Angaben der Zeugin W. zum Verhalten des Erblassers stützten teilweise die Einschätzung des Sachverständigen. So habe sie berichtet, der Erblasser sei öfter "ausgebüchst", "um in seiner alten Wohnung nachzuschauen was los ist", und von seiner Ehefrau in ein Taxi gesetzt und zurückgeschickt worden. Demgegenüber sage es nur beschränkt etwas über die Testierfähigkeit aus, dass er sich nach Angaben der Zeugin W. bei Brettspielen die Farbe der Steine habe merken können und dass er Zeitung gelesen habe; die Zeugin habe nicht berichten können, dass er das Gelesene verstanden und behalten habe. Aus dem Protokoll der richterlichen Anhörung im Betreuungsverfahren vom 19.4.2000 ergebe sich, dass der Erblasser nicht in der Lage gewesen sei, relevante Zusammenhänge zu verstehen. Bei der Anhörung vom 11.5.1999 sei zwar ausweislich des Protokolls eine normale Unterhaltung mit ihm möglich gewesen. Dabei handle es sich aber um einen oberflächlichen Eindruck, da nach Angaben des Richters eine eingehende Befragung des Betroffenen nicht erfolgt sei.
2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern (§ 27 FGG, § 546 ZPO).
Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 BGB gegeben sind, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Das Rechtsbeschwerdegericht hat insoweit die Feststellung des LG, der Erblasser sei bei Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen, nur daraufhin zu überprüfen, ob das LG Verfahrensvorschriften verletzt, den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG, § 2358 BGB), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (BayObLG v. 6.11.1995 - 1Z BR 56/95, BayObLGReport 1996, 27 = BayObLGZ 1995, 383/388; BayObLG v. 19.11.1998 - 1Z BR 93/98, FamRZ 1999, 819). Das Rechtsbeschwerdegericht hat ferner zu prüfen, ob der Tatrichter von einem zutreffenden Begriff der Testierfähigkeit ausgegangen ist (vgl. BayObLG v. 14.9.2001 - 1Z BR 124/00, BayObLGReport 2002, 80 = FamRZ 2002, 1066).
Die Vorinstanzen haben den für die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers maßgeblichen Sachverhalt im erforderlichen Umfang ermittelt und sich Klarheit über den medizinischen Befund verschafft.
aa) Das Nachlassgericht hat die Akten des Betreuungsverfahrens beigezogen, die Hausärztin des Erblassers, eine Pflegerin sowie Kontaktpersonen als Zeugen vernommen und das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt. Diesem standen bei der Begutachtung neben den vom Nachlassgericht durchgeführten Ermittlungen auch die Befunde der Begutachtungen im Betreuungsverfahren zur Verfügung. Damit war eine ausreichende Beurteilungsgrundlage gegeben, mit der sich der Sachverständige in seinem Gutachten auseinandergesetzt hat; dabei hat er auch die Beobachtungen der Zeugin W. einbezogen. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Erblasser ein demenzielles Syndrom bestand, wobei von einer Alzheimerkrankheit mit spätem Beginn auszugehen sei. Diese habe ab März 1997 zu erheblichen Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit, des Gedächtnisses, der Orientierung und der Kritik und Urteilsfähigkeit geführt. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtungen im Juni und Juli 1999 habe eine mindestens mittelschwer ausgeprägte Demenz vorgelegen. Die bei den Untersuchungen im Rahmen des Betreuungsverfahrens dokumentierten Befunde ließen auf eine relevante Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit schließen. In dem Gutachten von Dr. Z.-R. vom 10.3.1999 sei der Erblasser als zeitlich und örtlich desorientiert beschrieben worden, er habe nicht einmal Angaben über die Jahreszeit machen können. Dieser Befund stehe in Kontinuität mit den medizinischen Vorbefunden bzw. den im weiteren Verlauf dokumentierten Befunden und lasse auf eine schwere Beeinträchtigung der Kritik und Urteilsfähigkeit schließen.
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das LG seine Pflicht zur Amtsermittlung (2358 Abs. 1 BGB, §§ 12, 15 FGG) nicht dadurch verletzt, dass es keine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt hat. Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet das Tatsachengericht im Erbscheinsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen. Hiernach hat es auch zu entscheiden, inwieweit eine förmliche Beweisaufnahme gem. § 15 Abs. 1 FGG erforderlich ist. Das förmliche Beweisverfahren verdient den Vorzug vor formlosen Ermittlungen, wenn es auf die Erweisbarkeit bestimmter Einzeltatsachen ankommt. Das gilt insbesondere dann, wenn das Recht eines Beteiligten, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, ansonsten nicht hinreichend gesichert ist (BayObLG v. 17.2.1995 - 1Z BR 50/94, BayObLGReport 1995, 51 = NJW-RR 1996, 583/584 m.w.N.; Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl., § 15 Rz. 3). Eine Pflicht zur förmlichen Beweisaufnahme besteht nur, wenn durch die sonstigen Ermittlungen eine hinreichend sichere Aufklärung nicht zu erreichen ist (BayObLG FamRZ 2004, 1821/1822). Das Gericht der weiteren Beschwerde hat nicht die Ermessensausübung als solche nachzuprüfen, sondern nur, ob das LG die Voraussetzungen und Grenzen seines Ermessens eingehalten hat (Keidel/Meyer-Holz § 27 Rz. 23 f.). Das ist hier der Fall.
Das LG hat sich mit den Einwänden des Beschwerdeführers gegen das Freibeweisverfahren eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, dass von einer förmlichen Beweisaufnahme und einer Vereidigung der Zeugen keine weitergehende Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu erwarten sei. Dabei hat es zu Recht hervorgehoben, dass das Nachlassgericht die Zeugen persönlich vernommen hat - die Zeugin W. zweimal -, die Beteiligten Gelegenheit hatten, diesen unmittelbar Fragen zu stellen und das Protokoll auch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers den Inhalt der Aussagen zutreffend wiedergibt. Es hat ferner erläutert, dass der objektive Inhalt der Aussagen im Vordergrund stehe, nicht die persönliche Glaubwürdigkeit der Zeugen, und eine Würdigung der von den Zeugen berichteten Beobachtungen hinsichtlich des Verhaltens des Erblassers auch ohne einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von den Zeugen möglich sei. Hierbei hat das LG auch berücksichtigt, dass sich die Aussagen der Zeugen nicht unvereinbar in Bezug auf konkrete Einzeltatsachen gegenüberstehen, sondern - soweit nicht ohnehin subjektive Eindrücke geschildert werden - über das Verhalten des Erblassers zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegenüber unterschiedlichen Personen berichten. Es besteht kein - regelmäßig im förmlichen Beweisverfahren aufzuklärender - Widerspruch in dem Sinne, dass nur eine der Aussagen richtig sein kann. So schließt etwa die Tatsache, dass der Erblasser nach Überzeugung des Zeugen T. diesen erkannt hat, nicht aus, dass er seine Hausärztin St. nicht erkannt hat. Die Entscheidung des LG, von einer förmlichen Beweisaufnahme abzusehen, weil davon keine entscheidungserheblichen weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, hält sich somit in den Grenzen des tatrichterlichen Ermessens und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
cc) Ohne Erfolg rügt der Rechtsbeschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieser Grundsatz gehört nicht zu den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern ist nur insoweit anzuwenden, als sich das Gericht entschlossen hat, eine förmliche Beweisaufnahme gem. § 15 Abs. 1 FGG durchzuführen (st. Rspr., vgl. BayObLGZ 1982, 384/387; BayObLG v. 17.2.1995 - 1Z BR 50/94, BayObLGReport 1995, 51 = NJW-RR 1996, 583/584; Keidel/Schmidt § 15 Rz. 10). Das hat das LG aber ohne Ermessensfehler abgelehnt.
Das LG hat ohne Rechtsfehler aufgrund des Beweisergebnisses die Überzeugung gewonnen, dass der Erblasser bei der Errichtung der Testamente im Juni und Juli 1999 testierunfähig war. Es hat dabei weder den Rechtsbegriff der Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 BGB noch die Beweisanforderungen verkannt. Vielmehr ist die Auffassung der Rechtsbeschwerde verfehlt, für die Testierfähigkeit reichten deutlich geringere geistige Fähigkeiten aus als für die Geschäftsfähigkeit erforderlich seien.
aa) Die Testierfähigkeit ist ein Unterfall der Geschäftsfähigkeit, gleichwohl aber unabhängig von ihr geregelt (vgl. BayObLG v. 28.5.1993 - 1Z BR 7/93, BayObLGReport 1993, 68 = FamRZ 1994, 593/594). Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildungen braucht nicht darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt oder von der Tragweite seiner letzten Anordnungen, insbesondere von ihrer Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag, sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (st. Rspr.; vgl. BGH FamRZ 1958, 127/128; BayObLGZ 1962, 219/223 f.; 2004, 237/240 f.). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLGZ 1999, 205/210 f.). Es gibt auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (vgl. BGH NJW 1989, 1878 und NJW 1992, 2100 jeweils zur Geschäftsfähigkeit; Staudinger/Baumann, BGB, Bearbeitungsstand 2003, § 2229 Rz. 10, 20; Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl., § 2229 Rz. 2; a.A. MünchKomm/BGB/Hagena, 4. Aufl., § 2229 Rz. 15).
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde reicht es für die Testierfähigkeit deshalb nicht aus, dass der Testierende in der Lage ist, die eigenen Bezugspersonen zu erkennen und einfache Sachverhalte zu erfassen. Diese Einschätzung beruht auf der verfehlten Annahme der Rechtsbeschwerde, die Testierfähigkeit stelle eine Zwischenstufe zwischen dem "natürlichen Willen", den auch ein Geschäftsunfähiger bilden und äußern kann, und der vollen Geschäftsfähigkeit dar. Diese Auffassung verkennt wesentliche Elemente der Testierfähigkeit. Der Testierende muss in der Lage sein, die für und gegen eine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe abzuwägen und sich aus eigener Überlegung, frei von Einflüssen Dritter, ein klares Urteil zu bilden. Es genügt nicht, dass er überhaupt einen Wunsch äußern oder eine Meinung artikulieren kann. Entscheidend ist vielmehr, dass der Testierende fähig ist, sich die Gründe für und wider seine Entscheidung zu vergegenwärtigen und sie gegeneinander abzuwägen, sich also selbständig und aus eigener Kraft ein Urteil zu bilden. Das setzt voraus, dass es ihm bei der Testamentserrichtung möglich ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die konkrete letztwillige Verfügung ihrem Inhalt nach besonders einfach oder schwierig ist. Verfehlt sind auch hypothetische Erwägungen darüber, ob der Erblasser eine inhaltlich gleichlautende Verfügung auch getroffen hätte, solange er testierfähig war. Zu Recht hat das LG deshalb auch den Vortrag der Beschwerde als nicht entscheidungserheblich angesehen, wonach der Erblasser bereits ab 1989 immer wieder den Wunsch geäußert habe, dem Beschwerdeführer das Haus zukommen zu lassen.
Sowohl der Sachverständige als auch die Vorinstanzen sind somit von zutreffenden Voraussetzungen der Testierunfähigkeit ausgegangen; die diesbezüglichen Beanstandungen der Rechtsbeschwerde sind verfehlt. Insbesondere war auch die Einholung eines weiteren Gutachtens eines anderen Sachverständigen nicht veranlasst.
cc) Der Sachverständige und ihm folgend das LG hat die auch von der Rechtsbeschwerde nicht bestrittenen erheblichen kognitiven Defizite des Erblassers dahin gewertet, dass die für eine freie Willensbildung erforderliche Kritik und Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht gegeben war. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden. Auch die Rechtsbeschwerde bestreitet nicht, dass der Erblasser bereits bei der ärztlichen Untersuchung im März 1997 nur ungefähre Vorstellungen über seinen aktuellen Aufenthalt und das aktuelle Zeitgitter hatte und an erheblichen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses litt, hält aber das bei der gleichen Untersuchung festgestellte "relativ gute Erinnerungsvermögen für das Altgedächtnis" und das gute alte Zeitgitter für zu wenig berücksichtigt. Dabei verkennt sie, dass es für die Kritik und Urteilsfähigkeit vor allem auf die Fähigkeit zum Verarbeiten aktueller Informationen und weniger auf das Abrufen alter Erinnerungen ankommt (vgl. Cording, Die Begutachtung der Testier(un)fähigkeit in: Fortschritte der Neurologie Psychiatrie 2004, 142/151). Auch bei der Untersuchung am 10.3.1999 stellte die Ärztin fest, dass der Erblasser zeitlich und örtlich desorientiert war und weder wusste, welche Jahreszeit war, noch, dass er sich im Pflegeheim befand. Dass die Hausärztin erst am 21.9.1999 den Befund "senile Demenz" in ihren Unterlagen vermerkt hat, musste das LG deshalb nicht dahin werten, dass eine solche vorher nicht vorlag. Angesichts der zeitnah vor und nach der Testamentserrichtung festgehaltenen ärztlichen Befunde war das LG auch nicht gehalten, weitere Ermittlungen anzustellen zur genaueren zeitlichen Einordnung einzelner, von Zeugen berichteten Verhaltensweisen wie dem Heiratsantrag ggü. der Zeugin W. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das LG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung den ärztlichen Befunden größeres Gewicht beigemessen hat als den Beobachtungen der Pflegerin W.. Nachdem es für die Beurteilung der Testierfähigkeit vorrangig auf das Ausmaß der geistigen Erkrankung und die Auswirkungen auf die Willensbildung ankommt, konnte das LG trotz verbleibender Unsicherheiten über die genaue Einordnung der mit Sicherheit vorliegenden Demenz als vaskuläre Demenz oder Demenz vom Alzheimer-Typ zur Überzeugung von der Testierunfähigkeit gelangen.
Soweit die Rechtsbeschwerde im Einzelnen die Würdigung der Zeugenaussagen durch das LG beanstandet, versucht sie im Wesentlichen, ihre eigene Tatsachen und Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LG zu setzen. Damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht durchdringen. Insbesondere ist nicht rechtsfehlerhaft, dass das LG die Schilderung der Zeugin W., der Erblasser sei aus dem Heim öfters "ausgebüchst", als Anhaltspunkt für eine erhebliche Einschränkung der geistigen Fähigkeiten gesehen hat. Das LG war auch nicht gehalten, die berichteten Fähigkeiten des Erblassers, ein einfaches Gespräch zu führen, Brettspiele zu spielen und in der Zeitung zu lesen, dahin zu werten, dass er testierfähig gewesen sei. Testierunfähigkeit kann auch dann vorliegen, wenn noch einzelne rudimentär vorhandene intellektuelle Fähigkeiten erhalten sind (vgl. BayObLG v. 9.3.2005 - 1Z BR 112/04, BayObLGReport 2005, 419 = NJW-RR 2005, 1025/1027).
3. Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.
Ende der Entscheidung
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