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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 31 Wx 19/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 143 | |
BGB § 144 | |
BGB § 2078 Abs. 2 | |
BGB § 2081 | |
BGB § 2082 | |
BGB § 2247 Abs. 1 | |
BGB § 2256 | |
BGB § 2361 Abs. 1 |
2. Der Verzicht auf ein Anfechtungsrecht durch formlose Bestätigung setzt außer dem Bestehen des Anfechtungsrechts voraus, dass der Bestätigende die Anfechtbarkeit kannte oder mit ihr rechnete.
Tatbestand:
Die verwitwete Erblasserin ist am 17.11.2000 im Alter von 87 Jahren verstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Sohn, die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Kinder ihres vorverstorbenen anderen Sohnes. Weitere Kinder hatte sie nicht.
Die Erblasserin hat am 3.9.1992 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie den Beteiligten zu 1 als alleinigen Erben eingesetzt sowie mit einem Vermächtnis zu Gunsten ihrer Stiefschwester beschwert hat und in dem sie ferner angeordnet hat, dass die Beteiligten zu 2 und 3 sich auf ihren Pflichtteil Schenkungen anrechnen lassen müssen, die die Erblasserin ihrem vorverstorbenen Sohn gemacht hat. Dieses Testament wurde am 7.9.1992 in amtliche Verwahrung genommen und am 10.2.1998 an die Erblasserin unter Belehrung über die Folgen der Rückgabe antragsgemäß zurückgegeben.
Am 1.4.1998 errichtete die Erblasserin ein Testament, das von dem Beteiligten zu 1 handschriftlich aufgesetzt und von ihr unterschrieben wurde. Darin setzte die Erblasserin den Beteiligten zu 1 als alleinigen Erben ein; auch die übrigen Verfügungen dieses Testaments entsprechen - mit unwesentlichen Änderungen - dem Inhalt des notariellen Testaments vom 3.9.1992. Anfang November 2000 wurde entsprechend diesem handschriftlichen Testament ein notarieller Testamentsentwurf gefertigt, der nicht mehr beurkundet worden ist.
In einem Schreiben vom 2.7.2001 an das Nachlassgericht schilderte der Beteiligte zu 1 den Vorgang der Testamentserrichtung vom 1.4.1998 und die Absicht der Erblasserin, einen entsprechend gefertigten notariellen Testamentsentwurf beurkunden zu lassen.
Ein vom Beteiligten zu 1 am 9.5.2001 gestellter Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins auf Grund des Testaments vom 1.4.1998 wurde durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 10.7.2001, übersandt an den Beteiligten zu 1 am 11.7.2001, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass dieses privatschriftliche Testament gegen die zwingende Formvorschrift des § 2247 BGB verstoße und somit unwirksam sei.
Auf seinen Antrag hin wurde dem Beteiligten zu 1 am 23.11.2001 vom Nachlassgericht eine Abschrift des Protokolls vom 10.2.1998 über die Rücknahme des Testaments vom 3.9.1992 übersandt.
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 erteilte das Nachlassgericht ihnen am 16.1.2002 einen gemeinschaftlichen Teilerbschein als Miterben zu je 1/4.
Der Beteiligte zu 1 stellte am 20.2.2003 einen Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins gemäß gesetzlicher Erbfolge, nachdem er zuvor erklärt hatte, bei der derzeitigen Sachlage wohl einen solchen Antrag stellen zu müssen. Mit Beschluss vom 12.6.2003 erteilte das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 1 einen Teilerbschein entsprechend seinem Antrag.
Am 4.9.2003 erklärte der Beteiligte zu 1 die Anfechtung der in der Rücknahme des notariellen Testaments am 3.9.1992 aus amtlicher Verwahrung liegenden Widerrufs wegen Irrtums der Erblasserin über den Umstand, dass sie später ein gültiges Testament errichten werde. Er beantragte gleichzeitig, die bereits erteilten Teilerbscheine zu Gunsten der Beteiligten zu 1, 2 und 3 wegen Unrichtigkeit einzuziehen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 sind diesem Antrag entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 22.10.2003 lehnte das Nachlassgericht diesen Antrag ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass die Anfechtung des in der Rücknahme aus amtlicher Verwahrung liegenden Widerrufs deswegen unwirksam sei, da die einjährige Anfechtungsfrist zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung verstrichen gewesen sei. Der Beteiligte zu 1 hätte bereits im Jahr 2001 Kenntnis von allen das behauptete Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen gehabt.
Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und zur Begründung angeführt, dass in seinem Schreiben vom 2.7.2001 bei großzügiger Auslegung eine Anfechtungserklärung zu sehen sei und er darüber hinaus erst am 13.9.2002 aufgrund eines von ihm erholten Privatgutachtens sichere Kenntnis von der Unwirksamkeit des am 1.4.1998 errichteten Testaments erlangt habe.
Mit Beschluss vom 4.2.2005 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts vom 22.10.2003 und des Landgerichts vom 4.2.2005 die am 16.1.2002 erteilten Teilerbscheine zu Gunsten der Beteiligten zu 2 und 3 wegen Unrichtigkeit einzuziehen. Die zulässige weitere Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.
Gründe:
1. Das Landgericht ist in Überstimmung mit dem Amtsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die bereits erteilten Erbscheine nicht einzuziehen sind, da sie nicht unrichtig sind.
Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, das Testament vom 1.4.1998 sei wegen Formmangels unwirksam; das notarielle Testament vom 3.9.1992 sei durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung widerrufen. Die Anfechtung des Widerrufs sei wegen Versäumung der einjährigen Anfechtungsfrist unwirksam. Es könne dahinstehen, ob der vom Beteiligten zu 1 behauptete Anfechtungsgrund tatsächlich bestehe, jedenfalls hätte der Beteiligte zu 1 bereits Ende des Jahres 2001 positive Kenntnis von allen das Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen gehabt, insbesondere auch durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.7.2001 von der Unwirksamkeit des privatschriftlichen Testaments. Sein Schreiben vom 2.7.2001 könne nicht als Anfechtungserklärung ausgelegt werden. Darüber hinaus habe der Beteiligte zu 1 durch Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins auf das später geltend gemachte Anfechtungsrecht verzichtet.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass das Gericht die Einziehung eines Erbscheins anzuordnen hat, wenn die Unrichtigkeit des Erbscheins festgestellt wurde oder wenn die Überzeugung des Gerichts von seiner Richtigkeit über einen bloßen Zweifel hinaus erschüttert ist (BayObLG ZEV 2003, 369/370). Ein Erbschein ist dann unrichtig und gemäß § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB von Amts wegen einzuziehen, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind (vgl. BayObLG aaO).
b) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass ein wirksames Testament der Erblasserin nicht vorliegt, daher gesetzliche Erbfolge eingetreten ist und demzufolge die auf Grund gesetzlicher Erbfolge erteilten Teilerbscheine nicht unrichtig sind.
aa) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass das privatschriftliche Testament vom 1.4.1998 wegen Verstoßes gegen zwingende Formvorschriften (§ 2247 Abs. 1 BGB) unwirksam ist, da es nicht von der Erblasserin eigenhändig geschrieben worden ist.
bb) Zutreffend hat das Landgericht ferner erkannt, dass das von der Erblasserin errichtete öffentliche Testament vom 3.9.1992 durch Rücknahme aus der Verwahrung des Amtsgerichts aufgrund des § 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam widerrufen wurde.
Die Rücknahme des Testaments ist ihrem Wesen nach ein Rechtsgeschäft und im Hinblick auf die damit verbundene Widerrufswirkung eine Verfügung von Todes wegen (BGHZ 23, 207/211; BayObLGZ 1960, 490/494). Sie ist daher nach § 2078 BGB bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes durch die nach § 2080 BGB Berechtigten anfechtbar. Maßgebend für Form und Frist der Anfechtung sind §§ 2081, 2082 BGB (vgl. BayObLG aaO).
cc) Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht verkannt und im Ergebnis rechtsfehlerfrei eine wirksame Anfechtung des in Form von § 2256 Abs.1 Satz 1 BGB bewirkten Widerrufs verneint.
(1) Das Landgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass der Beteiligte zu 1 anfechtungsberechtigt ist, weil der Wegfall des Widerrufs ihm als Testamentserben unmittelbar zustatten käme (§ 2080 Abs. 1 BGB).
(2) Zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, dass der Beteiligte zu 1 erstmals mit Schriftsatz vom 4.9.2003 gegenüber dem Nachlassgericht eine Anfechtung des Widerrufs erklärt hat (§ 2081 Abs. 1 BGB).
Es hat insbesondere zutreffend verneint, dass in dem Schriftsatz des Beteiligten zu 1 vom 2.7.2001 bereits eine Anfechtungserklärung enthalten ist.
Eine Anfechtungserklärung im Sinn von § 2081 Abs.1 BGB erfordert zwar nicht die Angabe eines Anfechtungsgrundes, jedoch die eindeutige Kundgabe eines Anfechtungswillens, insoweit gelten die gleichen Grundsätze, die für die Anfechtungserklärung im Sinn von § 143 Abs. 1 BGB maßgebend sind. Eine wirksame Anfechtungserklärung nach § 143 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass sich aus ihr der unzweideutige Wille ergibt, das Rechtsgeschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehen zu lassen (BayObLG FamRZ 1992, 226). Dementsprechend muss die gegenüber dem Nachlassgericht abzugebende Erklärung der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung unzweideutig erkennen lassen, dass der Anfechtende einen Mangel des Erblasserwillens geltend machen will (BayObLGZ 1989, 327/330). Zwar muss das Wort Anfechtung nicht genannt werden, aber es muss zumindest durch Auslegung erkennbar sein, dass die Erklärung auf die Rechtsfolgen einer Anfechtung hinzielt und welche Verfügungen betroffen sein sollen (vgl. MünchKommBGB/Leipold 4. Aufl. § 2081 Rn.16).
Diesen Anforderungen genügt das Schreiben des Beteiligten zu 1 vom 2.7.2001 nicht. Als Stellungnahme zu einem Schriftsatz der Beteiligten zu 2 enthält es neben der Schilderung der nicht eigenhändig erfolgten Testamentserrichtung am 1.4.1998 nur den Hinweis, dass dieses Testament nochmals von einem Notar abgeschrieben, beurkundet und in amtliche Verwahrung gegeben werden sollte und dass dieser Notar den Willen der Erblasserin bezeugen könne.
Weder nach Wortlaut noch nach Auslegung ist in diesem Schreiben eine Anfechtung der Rücknahme eines anderen Testaments und die Angabe eines entsprechenden Willensmangels der Erblasserin enthalten.
(3) Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 1 mit seiner Anfechtungserklärung vom 4.9.2003 die Jahresfrist des § 2082 BGB nicht eingehalten hat.
Aufgrund der vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat es fehlerfrei angenommen, dass der Beteiligte zu 1 bereits Ende des Jahres 2001 zuverlässige Kenntnis von dem behaupteten Anfechtungsgrund, das heißt allen das in Anspruch genommene Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen (vgl. BayObLG aaO S. 496/497; Palandt/Edenhofer BGB 64. Aufl. § 2082 Rn. 2), erlangt hat (§ 2082 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Von den Tatsachen des Eintritts des Erbfalls, des Inhalts des Testaments vom 3.9. 1992, dessen Rücknahme aus der Verwahrung nebst Belehrung über deren Folgen hatte der Beteiligte zu 1 auch nach seinem Vortrag bereits spätestens mit Erhalt des Rücknahmeprotokolls Ende November 2001 Kenntnis erlangt.
Hinsichtlich der den behaupteten Anfechtungsgrund bildenden Tatsachen wie Irrtum der Erblasserin und dessen Kausalität für die Rücknahme hat das Landgericht deren Kenntniserlangung durch den Beteiligten zu 1 vor Ende des Jahres 2001 zutreffend bejaht; denn auch von der Formunwirksamkeit des Testaments vom 1.4.1998 hatte der Beteiligte zu 1 spätestens im Juli 2001 durch den Beschluss des Nachlassgerichts vom 10.7.2001 Kenntnis erlangt. Seine irrtümliche rechtliche Beurteilung dieses Beschlusses hindert den Fristbeginn nicht (vgl. Palandt/Edenhofer § 2082 Rn. 3).
Das Landgericht hat dann auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass mit Ablauf des Jahres 2002 die Anfechtungsfrist verstrichen und danach das Anfechtungsrecht des Beteiligten zu 1 ausgeschlossen ist (§ 2082 Abs. 1 BGB).
Daher konnte das Landgericht zu Recht die Frage offen lassen, ob überhaupt ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum der Erblasserin vorgelegen hat, was schon zweifelhaft erscheint, da jedenfalls eine wirksame Anfechtung des Widerrufs des Testaments vom 3.9.1992 wegen Verstreichens der Anfechtungsfrist nicht vorliegt.
(4) An diesem zutreffenden Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass das Landgericht rechtlich unzutreffend angenommen hat, dass der Beteiligte zu 1 jedenfalls durch Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Teilerbscheins am 20.2.2003 wirksam auf sein Anfechtungsrecht verzichtet habe.
Zwar ist ein Verzicht auf ein Anfechtungsrecht durch formlose Bestätigung seitens des Anfechtungsberechtigten möglich (§§ 2081, 144 BGB). Dieser setzt aber außer dem Bestehen des Anfechtungsrechts voraus, dass der Bestätigende die Anfechtbarkeit kannte oder mit ihr rechnete (vgl. BGHZ 129, 371/377; Palandt/Heinrichs § 144 Rn. 2). Um als Bestätigung angesehen werden zu können, muss die Bekundung des Willens, beim fehlerhaften Rechtsgeschäft stehen zu bleiben, in Kenntnis der Anfechtbarkeit abgegeben worden sein. Dazu muss beim Bestätigenden - neben seiner Kenntnis der die Anfechtung ermöglichenden Tatsachen - die Vorstellung vorhanden sein, dass er etwas gegen das Rechtsgeschäft unternehmen kann (vgl. Staudinger/Roth BGB (Bearbeitung 2003) § 144 Rn. 7; MünchKommBGB/Mayer-Maly/Busche 4. Aufl. § 144 Rn. 4).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor: aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht, dass der Beteiligte zu 1 bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung Kenntnis von der Möglichkeit einer Anfechtung - das Bestehen des Anfechtungsrechts vorausgesetzt - gehabt hat. Daher ist die Beantragung eines Teilerbscheins in diesem Fall nicht als Verzicht i.S. von § 144 BGB auszulegen (§§ 133, 157 BGB).
3. Wer die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen hat, ergibt sich aus dem Gesetz. Nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 1 die den Beteiligten zu 2 und 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird entsprechend dem mit der weiteren Beschwerde verfolgten Interesse des Beteiligten zu 1 auf den hälftigen Wert des reinen Nachlasses festgesetzt (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO); eine Minderung dieses Werts wegen der eingeschränkten Funktion des Erbscheins nimmt der Senat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht vor.
Ende der Entscheidung
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