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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 31 Wx 27/08
Rechtsgebiete: BGB, Bayerisches AGGVG, EGBGB
Vorschriften:
BGB § 1994 | |
BGB § 2003 | |
Bayerisches AGGVG Art. 8 | |
EGBGB Art. 148 |
2. Die Bestimmung der Inventarfrist auf Antrag eines Nachlassgläubigers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Erbe bereits zuvor Antrag auf amtliche Inventaraufnahme gestellt hat.
Gründe:
I. Der Beteiligte zu 1 ist gesetzlicher Alleinerbe der 2005 verstorbenen Erblasserin. Er beantragte die amtliche Aufnahme eines Inventars nach § 2003 BGB. Das Nachlassgericht reagierte zunächst nur mit dem Hinweis, dass in Bayern für die Erstellung eines Inventars die Notare zuständig sind.
Auf Antrag eines Nachlassgläubigers, des Beteiligten zu 2, bestimmte das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 1 eine Inventarfrist von einem Monat. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Landgericht zurück. Nach Hinweis des Landgerichts, dass der Antrag des Erben auf amtliche Inventaraufnahme noch nicht abschließend bearbeitet sei, beauftragte das Amtsgericht einen Notar mit der Errichtung des Inventars. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sein Ziel weiter, dass die auf Antrag des Beteiligten zu 2 bestimmte Inventarfrist aufgehoben wird. Er ist der Meinung, dass die Bestimmung der Inventarfrist unzulässig gewesen sei, da er bereits zuvor die amtliche Aufnahme des Inventars beantragt hatte.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Voraussetzungen für die Bestimmung einer Inventarfrist seien erfüllt. Der Beteiligte zu 2 habe die ihm als Nachlassgläubiger zustehende Forderung glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass der Beteiligte zu 1 schon zuvor einen Antrag auf amtliche Inventaraufnahme gestellt habe, stehe einer Fristsetzung auf Antrag des Gläubigers nicht entgegen. Ziel der vom Gläubiger beantragten Fristsetzung nach § 1994 BGB sei es, die unbeschränkbare Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten herbeizuführen. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Fristsetzungsantrag des Gläubigers könne nicht schon dann verneint werden, wenn der Erbe Antrag auf amtliche Inventaraufnahme gestellt habe, dieses aber noch nicht errichtet sei. Andernfalls hätte es der Erbe in der Hand, etwa durch Rücknahme seines Antrags auf amtliche Inventaraufnahme - wodurch ein Antrag des Gläubigers wieder zulässig würde -, die Herbeiführung der unbeschränkbaren Erbenhaftung hinauszuzögern.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das Landgericht hat das Verhältnis zwischen der amtlichen Inventaraufnahme (§ 2003 BGB) und der dem Erben auf Antrag eines Nachlassgläubigers gesetzten Inventarfrist (§ 1994 BGB) richtig dahin bestimmt, dass der Antrag des Erben auf amtliche Inventaraufnahme eine nachfolgende Fristsetzung auf Gläubigerantrag nicht ausschließt, solange das Inventar noch nicht errichtet ist.
a) Der Antrag des Erben auf amtliche Inventaraufnahme ist wirksam gestellt. Wie das Landgericht richtig ausführt, sind für die Entgegennahme dieses Antrags auch in Bayern die Nachlassgerichte zuständig. Zwar hat der Landesgesetzgeber durch Art. 8 AGGVG von der durch Art. 148 EGBGB eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zur Aufnahme des Inventars auszuschließen. Das betrifft jedoch nur die Inventaraufnahme als solche und lässt die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zur Entgegennahme des Antrags unberührt (vgl. Staudinger/-Mayer BGB Bearb. 2005 Art. 148 EGBGB Rn. 3). Geht ein solcher Antrag ein, so hat das Nachlassgericht einen Notar mit der Errichtung des Inventars zu beauftragen (vgl. Sprau/Vill Justizgesetze in Bayern Art. 8 AGGVG Rn. 3).
Der Antrag auf amtliche Inventaraufnahme war noch wirksam und das Inventar noch nicht errichtet, als der Beteiligte zu 2 seinerseits Antrag auf Inventarfrist stellte. Seine Stellung als Nachlassgläubiger und das Bestehen der Forderung hat der Beteiligte zu 2 glaubhaft gemacht (§ 1994 Abs. 2 Satz 1 BGB).
b) Der Lauf des Verfahrens zur amtlichen Inventaraufnahme stand der Bestimmung einer Inventarfrist auf Antrag des Nachlassgläubigers nicht entgegen.
Mit dem Antrag nach § 1994 BGB verfolgt der Nachlassgläubiger in erster Linie das Ziel, im Falle der Fristversäumung durch den Erben die unbeschränkbare Erbenhaftung zu erreichen (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Bestimmung der Inventarfrist hat zu unterbleiben, wenn bereits ein den §§ 2002, 2003 BGB entsprechendes Inventar errichtet ist, ein gesetzlicher Ausschlussgrund - vgl. insb. § 2000 S. 2 und 3, §§ 2011, 2012 BGB - vorliegt oder der Antrag aus sonstigen Gründen völlig zwecklos ist, etwa weil der Erbe bereits unbeschränkbar haftend geworden ist (vgl. Staudinger/Marotzke BGB Bearb. 2002 § 1994 Rn. 17 f.; Soergel/Stein BGB 13. Aufl. § 1994 Rn. 6). Keiner dieser Versagungsgründe greift hier ein.
Der Umstand, dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Nachlassgläubiger ein Verfahren zur amtlichen Inventaraufnahme anhängig ist, macht die Bestimmung der Inventarfrist nicht zwecklos und lässt für den Antrag des Gläubigers nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Beide Verfahren - die Inventarfristsetzung nach § 1994 BGB und die amtliche Inventaraufnahme nach § 2003 BGB - stehen selbständig nebeneinander. Das ergibt sich schon aus § 2003 Satz 2 BGB, wonach die Stellung des Antrags nach § 2003 Satz 1 BGB die Inventarfrist (d.h. jene nach § 1994 BGB) wahrt. Es ist kein plausibler Grund erkennbar, dass zwar der Erbe auch noch nach Antragstellung durch den Nachlassgläubiger einen (Frist wahrenden) Antrag auf amtliche Inventaraufnahme soll stellen dürfen, nicht aber der Nachlassgläubiger nach (potentiell Frist wahrendem) Beginn des Verfahrens auf amtliche Inventaraufnahme noch einen Antrag nach § 1994 BGB.
Der Senat teilt allerdings die Auffassung des Landgerichts, dass auch im letzten Fall § 2003 Satz 2 BGB greift, so dass die Fristsetzung auf Antrag des Gläubigers jedenfalls solange nicht zu einer Fristversäumung mit der Rechtsfolge der unbeschränkbaren Erbenhaftung führen kann, als die amtliche Inventaraufnahme läuft (und mit der Errichtung des amtlich aufgenommenen Inventars gegenstandslos wird). Es wäre widersinnig, den Erben, der den Antrag auf amtliche Inventaraufnahme vorher gestellt hat, hinsichtlich der Frist wahrenden Wirkung schlechter zu stellen als den Erben, der diesen Antrag erst nach dem Fristsetzungsantrag des Gläubigers stellt. Wollte man die Frist wahrende Wirkung eines vorher gestellten Erbenantrags verneinen, so müsste man dem Erben konsequenterweise, um ihn nicht schutzlos zu lassen, das Recht zubilligen, nach Antragstellung durch den Gläubiger erneut einen - diesmal Frist wahrenden - Antrag auf amtliche Inventaraufnahme zu stellen, was im Hinblick auf das bereits anhängige Verfahren ein unsinniges Ergebnis wäre.
Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, zumal hierüber im Streitfall die Prozessgerichte zu befinden haben werden. Entscheidend ist, dass selbst bei Annahme einer Frist wahrenden Wirkung in der hier gegebenen Fallkonstellation gleichwohl ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag des Gläubigers zu bejahen ist. Dieses kann schon deshalb nicht verneint werden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, weil der Erbe den Antrag auf amtliche Inventaraufnahme jederzeit zurücknehmen kann, wodurch die Frist wahrende Wirkung selbstverständlich entfiele. Die gegen die Möglichkeit der Antragsrücknahme von der weiteren Beschwerde vorgebrachten Gründe greifen nicht durch. Es ist zwar richtig, dass das Nachlassgericht im Falle eines Verstoßes des Erben gegen die Auskunftspflicht (§ 2003 Abs. 2 BGB) die Inventarerrichtung weder erzwingen kann noch den Antrag zurückweisen darf, vielmehr eine Untätigkeit des Erben insoweit die Folgen der Inventaruntreue nach § 2005 Abs. 1 BGB hervorrufen kann. Ein Verbot der Antragsrücknahme begründet das aber für den Erben nicht. Wird der Antrag zurückgenommen, ist für eine Fortführung des Verfahrens zur amtlichen Inventaraufnahme kein Raum mehr und entfallen dessen Wirkungen. Dem Antrag des Nachlassgläubigers können in diesem Fall ohne weiteres die Rechtsfolgen einer unbeschränkbaren Erbenhaftung nach Maßgabe des § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB zukommen.
Die vom Amtsgericht auf Antrag des Beteiligten zu 2 vorgenommene Fristbestimmung war somit rechtmäßig. Zutreffend hat das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und war auch die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
3. Dass der Beschwerdeführer die Gerichtskosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Den Geschäftswert setzt der Senat auf 1.500 EUR fest (§ 131 Abs. 2, § 30 KostO). Das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers wird maßgeblich durch das Ziel bestimmt, eine Inventarfrist nach § 1994 BGB und eine dadurch möglicherweise eintretende unbeschränkbare Erbenhaftung für die vom Gläubiger geltend gemachte Forderung in Höhe von 1.656 EUR zu verhindern. Dieser Betrag ist mit dem hier festzusetzenden Geschäftswert nicht identisch, kann aber als Orientierung dienen und bildet jedenfalls dessen Obergrenze. Während der Senat bei hohen Forderungen nur einen Bruchteil hiervon als Geschäftswert festsetzt, kann bei einer verhältnismäßig geringen Forderung, die noch unter dem Regelgeschäftswert von 3.000 EUR liegt, ein dem Forderungsbetrag nahe kommender Wert angenommen werden. Im Ergebnis hält der Senat 1.500 EUR für angemessen.
Ende der Entscheidung
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